-
Kann der Kapitalismus, der Kommunismus oder der Sozialismus die Menschen glücklich machen?Erwachet! 1982 | 8. März
-
-
Kann der Kapitalismus, der Kommunismus oder der Sozialismus die Menschen glücklich machen?
DER Gedanke, durch materiellen Wohlstand glücklich zu werden, ist nicht neu. Das Streben nach Wohlstand war der Lebensstil vieler Griechen und Römer der alten Zeit. Im Mittelalter kam diese Lebensauffassung allerdings in Mißkredit. Warum? Hauptsächlich aus religiösen Gründen.
Im Mittelalter wurde jedes Gebiet menschlichen Wirkens von der Religion beherrscht. Die griechisch-orthodoxe und die römisch-katholische Kirche lehrten, daß Armut eine Tugend sei. Sie sei eine „Prüfung“, die der Arme erdulden müsse. Es sei gottgewollt, daß die Reichen reich und die Armen arm seien. Freiwillige Armut galt als etwas „Heiliges“, und die Kirche verbot, ein Darlehen mit einer Zinsforderung zu verbinden (Zinsverbot).
Während die jüdischen Darlehensgeber mit einem Fluch belegt wurden, liehen Domkapitel zu sehr hohen Zinssätzen. Das Papsttum wurde „das größte Geldinstitut des Mittelalters“. So sahen die Verhältnisse während eines großen Teils der Zeit der feudalistisch-kirchlichen Ordnung aus.
Die Entstehung des Kapitalismus
Durch die aufkommende Geldwirtschaft wurde der Feudalismus allmählich aufgehoben. Der Handel zwischen den Städten und zwischen den Staaten wuchs. Und neue Ideen konnten sich ungehinderter ausbreiten, besonders nach der Erfindung des Buchdrucks. Der Einfluß der katholischen Kirche ging allmählich zurück.
Im Mittelalter war die katholische Kirche das größte Hindernis für die Entwicklung eines neuen Wirtschaftssystems. Aber direkt innerhalb der katholischen Christenheit entwickelten sich gegen Ende des Mittelalters in bestimmten Gebieten Handel, Industrie und Bankwesen nach kapitalistischer Art. Das gilt zum Beispiel für katholische Städte wie Venedig, Augsburg und Antwerpen.
Im 16. Jahrhundert begann die Reformation. Es wäre übertrieben, zu sagen, daß die Reformation für die Entstehung des Kapitalismus verantwortlich sei, doch durch sie wurden Gedanken freigesetzt, die seine Entwicklung entschieden förderten. Der Kalvinismus beispielsweise kannte kein „Zinsverbot“, er befreite also die Darlehensgeber, die Zins verlangten, von dem Stigma, „Wucher“ zu treiben. Ferner stimulierten gewisse protestantische Glaubenssätze den Willen des einzelnen, durch harte Arbeit zum Erfolg zu kommen und damit zu den „Auserwählten“ zu gehören. Geschäftlicher Erfolg galt als ein Zeichen des Segens Gottes. Der sich daraus ergebende Reichtum stand als „Kapital“ zur Investition in eigene geschäftliche Unternehmungen oder die eines anderen zur Verfügung. Die Ethik des Protestantismus, daß man fleißig und sparsam sein sollte, trug somit zur Entwicklung des Kapitalismus bei.
Daher überrascht es nicht, daß sich die kapitalistische Wirtschaft in protestantischen Ländern schneller entwickelte als in katholischen. Aber die katholische Kirche beeilte sich, das Versäumte nachzuholen. In Ländern, in denen sie die Macht besaß, schuf sie die Voraussetzungen für die Entwicklung des Kapitalismus und wurde selbst eine reiche kapitalistische Organisation.a
Der Kapitalismus bedeutete zweifellos einen Fortschritt gegenüber dem Feudalismus, wenn es auch nur die größere Freiheit war, die er den Arbeitern brachte. Er bescherte ihnen aber auch viele Ungerechtigkeiten. Die Kluft zwischen Reich und Arm wurde immer tiefer. Einerseits brachte er Ausbeutung und Klassenkämpfe, und andererseits entwickelte sich durch ihn in gewissen Ländern eine wohlhabende Konsumgesellschaft mit einem Überfluß an materiellen Gütern. Gleichzeitig aber hat er auch zu einer geistigen Leere geführt und nicht vermocht, die Menschen auf die Dauer glücklich zu machen.
Kann der Kommunismus die Menschen glücklich machen?
Die Reformation richtete sich zwar gegen den päpstlichen Mißbrauch von Macht und Privilegien, löste aber auch eine Flut von Ideen aus, die weit über die ursprünglichen Ziele und Vorstellungen der Reformatoren hinausgingen. Diese Ideen wirkten sich früher oder später auf Gebieten, die außerhalb des Glaubens lagen, revolutionär aus. Die Auflehnung gegen Rom förderte nicht nur die Entwicklung des Kapitalismus, sondern sie wirkte außerdem befruchtend auf die Naturwissenschaften, die Technik und die Philosophie, was aber schließlich zu einer atheistischen Weltanschauung führte.
Mit der Erfindung der Dampfmaschine und anderer Maschinen griff der Kapitalismus vom Gebiet des Handels auch auf das der Industrie über. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert entstanden große Fabriken, für die viele Arbeiter benötigt wurden. Als Fabrikarbeiter wurden Bauern, Handwerker und sogar Kinder angeworben. Doch die kapitalistische „Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“ führte zur Entstehung der Arbeiterbewegung und revolutionärer Philosophien wie des Kommunismus.
In der Theorie wird der Begriff „Kommunismus“ als „die Vorstellung von einer zukünftigen Gesellschaft“ definiert, „in der das Privateigentum abgeschafft wird, die Produktionsmittel in Gemeineigentum überführt werden, der Konsum auf der Grundlage gemeinschaftlicher Lebensführung und allgemeiner Gütergemeinschaft geregelt wird und die materiellen und kulturellen Bedürfnisse aller Menschen gleichmäßig befriedigt werden“. In der gegenwärtigen Praxis ist der Kommunismus ein Regierungssystem, bei dem alle Produktionsmittel verstaatlicht sind und die Wirtschaft durch ein Einparteiensystem geleitet wird.
Für Millionen Besitzlose in der ganzen Welt schien der Kommunismus der Weg zu einem besseren Leben zu sein. Er erschien ihnen als vorzügliche Möglichkeit, die durch das kapitalistische System heraufbeschworenen flagranten sozialen Ungerechtigkeiten auszugleichen. Viele waren sogar bereit, auf gewisse kurzfristig realisierbare Freiheiten zu verzichten, wenn durch eine Revolution bessere Lebensbedingungen erreicht werden könnten. Sie glaubten, die Freiheit werde sich dann später einstellen. Aber seither sind Jahre vergangen. Das kommunistische Regierungssystem hat Zeit gehabt, in vielen Ländern zu beweisen, was es zu leisten vermag. Die Ergebnisse in bezug auf den materiellen Wohlstand sind enttäuschend, von Freiheit und Glück ganz zu schweigen.
Jahrelang wurden im Westen viele junge — und auch ältere — Leute von der kommunistischen Ideologie angezogen. Doch die üblen Nachrichten, die uns ständig aus manchen kommunistischen Ländern zugehen, und die große Zahl von Flüchtlingen, die diese Länder verlassen, haben viele Anhänger des Kommunismus enttäuscht.
Ist der Sozialismus ein besserer Weg?
Das Wort „Sozialismus“ kommt von dem lateinischen Wort socius, das „Gesellschafter“ oder „Genosse“ bedeutet. Der Ausdruck kam zu Beginn des 19. Jahrhunderts in England auf, und etwas später wurde er auch in Frankreich verwendet. Man bezeichnete damit die sozialen Theorien des Engländers Robert Owen (1771 bis 1858) und der beiden Franzosen Saint-Simon (1760 bis 1825) und Charles Fourier (1772 bis 1837).
Owen kritisierte die kapitalistische Organisation der Industrie, die auf Wettbewerb und der Ausbeutung der Arbeiter beruhte. Er empfahl ein genossenschaftliches System, bei dem Männer und Frauen in Gemeinschaftssiedlungen leben würden und die Früchte ihrer Arbeit in der Landwirtschaft oder in der Industrie genießen könnten. In Schottland, Irland und sogar in den Vereinigten Staaten wurden solche Siedlungen errichtet. Aber schließlich scheiterten diese Projekte.
In Frankreich forderte Fourier die Schaffung von Lebensgemeinschaften und die Aufteilung des Staatsgebietes in autonome, agrarisch orientierte Genossenschaftsgebiete („phalanstères“), in denen die Menschen nach eigener Wahl arbeiten könnten. Im Gegensatz zu Owen, der akzeptierte, daß die genossenschaftlichen Gemeinwesen durch Vermittlung des Staates geschaffen würden, glaubte Fourier, sein System würde auf völlig freiwilliger Basis funktionieren. Die Angehörigen dieser Gemeinwesen würden nach ihren Anstrengungen bezahlt und dürften selbst Eigentum besitzen. Fourier dachte, er habe eine Gesellschaftsordnung entdeckt, die dem natürlichen Wunsch des Menschen nach Glück am besten entgegenkomme. Fouristische Gemeinwesen wurden in Europa und in den Vereinigten Staaten geschaffen. Aber auch sie waren ein Fehlschlag.
Dem heutigen Sozialismus ähnlicher waren die Ideen des Franzosen Saint-Simon. Er trat für den gemeinschaftlichen Besitz der Produktionsmittel ein und für ihre Verwaltung durch Experten auf dem Gebiet der Wissenschaft, Technik, Industrie und des Geldwesens. Saint-Simon glaubte, daß durch die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie eine neue Gesellschaft ins Dasein käme, in der jeder, entsprechend seinen Fähigkeiten, seinem Fleiß und seinen Leistungen, die gleiche Gelegenheit haben würde, Wohlstand zu erlangen.
Keine dieser frühen sozialistischen Ideologien konnte sich durchsetzen, aber sie bahnten für spätere Bewegungen den Weg. Sie waren die ersten Stimmen des heutigen Sozialismus, der als ein Gesellschaftssystem definiert wird, das durch die vollständige oder teilweise Überführung der Produktionsmittel und Produktionsgrundlagen in Gemein- oder Staatseigentum gekennzeichnet ist. Die grundlegenden Ziele sind ähnlich wie die des Kommunismus, doch die gegenwärtige Sozialdemokratie unterscheidet sich vom Marxismus dadurch, daß sie ihre Ziele durch progressive Reformen und nicht durch eine Revolution und ein Einparteiensystem zu erreichen sucht.
Der Sozialismus nimmt mehr Rücksicht auf die individuelle Freiheit als der Kommunismus, dennoch ist es ihm nicht gelungen, Weltfrieden zu schaffen und die Menschen glücklich zu machen. Warum nicht?
Warum die Fehlschläge?
Der Sozialismus hat sich nicht als stärker erwiesen denn der Nationalismus. Über die Zweite Internationale, eine internationale Vereinigung von Parteien und Gewerkschaften (gegründet 1889), heißt es, sie habe viele eindringliche und aufrüttelnde Manifeste gegen den Krieg herausgegeben, aber der Erste Weltkrieg habe sie dann vollkommen gelähmt. „Die Mehrzahl der Landesparteien stellte sich auf die Seite ihrer Regierung und gab die Idee von der Vereinigung der Arbeiter aller Länder auf“ (Encyclopædia Britannica).
Von da an hat sich die sozialistische Bewegung immer mehr aufgespalten, und die Bezeichnung „Sozialismus“ hat nicht für alle Leute die gleiche Bedeutung. Der Ausdruck „sozialistisch“ wird für verschiedene Regierungen verwendet. Davon unterscheiden sich einige kaum von progressiven konservativen Regierungen, während andere autoritär, ja sogar totalitär sind. Deshalb hat das Wort „sozialistisch“ für viele aufrichtige Personen, die glaubten, der Sozialismus führe zu einer weltweiten Brüderschaft im Rahmen einer klassenlosen Gesellschaft, die in materiellem Wohlstand und glücklich leben könnte, viel von seiner Bedeutung verloren.
Daher ist es nicht verwunderlich, daß der französische Gewerkschaftsführer Edmond Maire in der Zeitung Le Monde schrieb: „Der geschichtliche Fehlschlag der Arbeiterbewegung, die das Ziel hatte, den Sozialismus zu schaffen, ... hat eine beträchtliche Anzahl militanter Personen — sowohl von der Arbeiterklasse als auch von den Intellektuellen — veranlaßt, nicht einmal mehr an eine langfristige Erfüllung ihrer Hoffnung zu glauben. ... Die junge Generation scheint besonders von der Schwächung sozialistischer Hoffnung betroffen zu sein.“
Somit hat weder der Kapitalismus noch der Kommunismus, noch der Sozialismus vermocht, das Verlangen der Menschen nach einer Ordnung, die ihnen materiellen Wohlstand und echtes Glück beschert, zu erfüllen. Der amerikanische Soziologe Daniel Bell gab folgendes zu: „In den Augen der radikalen Intelligenzija haben die alten Ideologien ihren ,Wahrheitsgehalt‘ und ihre Überzeugungskraft verloren. Nur wenige Denker glauben noch, daß es eine ,Patentlösung‘ gibt oder daß man durch die ,Sozialökonomie‘ ein neues Utopia des sozialen Friedens schaffen könne“ (The End of Ideology).
Der Wunsch nach materiellem Wohlstand und nach Glück ist jedoch ganz natürlich. Warum vermochten denn die von Menschen geschaffenen Wirtschafts- und politischen Systeme ihn bis heute nicht zu erfüllen? In dem folgenden Artikel wird diese Frage untersucht.
-
-
Genügt materieller Wohlstand?Erwachet! 1982 | 8. März
-
-
Genügt materieller Wohlstand?
DER Wunsch nach materiellem Wohlstand ist an und für sich nicht verkehrt. Macht materieller Wohlstand allein jedoch glücklich? Haben der Kapitalismus, der Kommunismus und der Sozialismus die wichtigste Voraussetzung für echtes Glück unberücksichtigt gelassen? Könnte das — wenigstens zum Teil — erklären, warum es diesen Systemen nicht gelungen ist, die Menschen wirklich glücklich zu machen?
Die Aufrichtigkeit der Menschen, die alles daransetzen, um dem Kapitalismus, dem Kommunismus oder dem Sozialismus zum Erfolg zu verhelfen, steht außer Zweifel. Auch ist es jedem dieser Systeme gelungen, den Lebensstandard in einigen Ländern für bestimmte Personenkreise anzuheben. Haben sie es jedoch vermocht, die Mehrheit der Bevölkerung dieser Länder glücklich zu machen? Konnten sie dem Verbrechen, der Gewalttat und dem Krieg ein Ende bereiten? Ist es einem dieser Systeme gelungen, das Problem des Selbstmords, der Drogenabhängigkeit oder des Alkoholismus zu überwinden? Begehen glückliche Menschen Selbstmord, suchen glückliche Menschen durch Drogen der Wirklichkeit zu entfliehen, oder nehmen sie zu Alkohol Zuflucht wie viele, die „ihren Kummer darin ertränken“?
Das erklärte Ziel dieser verschiedenen von Menschen geschaffenen Systeme besteht darin, einen Lebensstil zu entwickeln, der für alle oder wenigstens für die Mehrheit als am geeignetsten angesehen wird. Sie legen einen unterschiedlich großen Wert auf die Freiheit bzw. auf die Gleichheit als wichtige Voraussetzung für das menschliche Glück. Der Kapitalismus ist willens, die Gleichheit zugunsten der Freiheit zu opfern. Für den Kommunismus ist die Gleichheit wichtiger als die Freiheit. Die Sozialdemokratie ist bemüht, die positiven Elemente beider Weltanschauungen miteinander zu kombinieren. Aber keinem dieser Systeme ist es gelungen, die menschliche Natur zu ändern. Menschliche Selbstsucht macht aus Kapitalisten ungerechte Ausbeuter; Selbstsucht war auch dafür verantwortlich, daß kommunistische Experimente in einen Staatskapitalismus umschlugen, in dem nicht einzelne Kapitalisten oder große Kapitalgesellschaften das Volk ausbeuten, sondern der Staat; diese Selbstsucht hat auch die sozialistischen „Utopia“-Träume zerstört.
Die Technik genügt nicht
Bis vor kurzem setzten politische und wirtschaftliche Ideologen aller Richtungen ihre Hoffnungen auf den Fortschritt der Technik und Wissenschaft. Wir lesen: „Die neue Technik schien wie ein Handschuh auf den Kapitalismus mit seiner freien Wirtschaft zu passen und garantierte eine schnelle Verwirklichung des Ideals der utilitaristischena Philosophen: ,größter Nutzen für die meisten Menschen‘. Selbst Marx und Engels, die politisch ganz anders ausgerichtet waren, sahen in der Technik nur Gutes“ (Encyclopædia Britannica).
Ja, die Menschen, angefangen vom hartnäckigsten Kapitalisten bis zum revolutionärsten Kommunisten, begrüßten die Technik als Schlüssel zum künftigen Glück der Menschen. Neue und bessere Maschinen würden zur Folge haben, daß der Mensch sich nicht mehr so zu schinden brauche. Die Arbeitszeit würde verkürzt, so daß die Menschen mehr Freizeit hätten, mehr Zeit, um Reisen zu unternehmen, sich geistig zu bilden, und mehr Zeit für das Vergnügen. Das konnte doch nur zu ihrem Glück beitragen.
Heute ist dieser Optimismus abgeebbt. Die Technik hat so viele Probleme geschaffen, wie sie gelöst hat, ja es wird behauptet, sie habe noch mehr geschaffen. In dem erwähnten Nachschlagewerk ist die Rede von den „Nachteilen, die der Gesellschaft durch den technischen Fortschritt erwachsen, wie den Verkehrsunfällen, der Luft- und Wasserverschmutzung, der Übervölkerung der Städte und der Lärmverschmutzung“. Ferner wird erwähnt, daß „sich die Technik zum Tyrannen über die Individualität des Menschen und seine traditionelle Lebensform gemacht hat“ — ein sehr ernstes Problem.
Wer kann heute mit Recht behaupten, die Technik habe das Familienleben verbessert, dem Menschen befriedigende Arbeit verschafft oder durch sie sei die Welt als Wohnort sicherer geworden? Zweifellos ist mehr erforderlich als die Technik, um die Menschen glücklich zu machen.
„Nicht von Brot allein“
Zu Beginn der industriellen Revolution sahen einige wenige weitsichtige Männer die Gefahren dieser Revolution voraus. Der britische Staatsmann William Gladstone (1809—1898) warnte vor der „zunehmenden Herrschaft dessen, was man sieht, über das, was man nicht sieht“, und auch vor der „Macht eines stummen, nichteingestandenen, unbewußten Materialismus“. Der amerikanische Philosoph und Dichter Ralph Waldo Emerson (1803—1882) warnte mit den poetischen Worten vor dem aufkommenden Materialismus: „Die [materiellen] Dinge sitzen im Sattel und reiten die Menschheit.“
R. H. Tawney prangert in seinem Buch Religion and the Rise of Capitalism (Religion und das Aufkommen des Kapitalismus) die „Illusion des Fortschritts“ an, „den der Mensch durch seine Beherrschung der materiellen Umwelt erlangt hat, der Mensch, der zu selbstsüchtig und zu oberflächlich ist, um den Zweck zu ermitteln, dem seine Triumphe dienen sollten“. Er kritisiert die Auffassung, daß „das höchste Ziel im menschlichen Leben und das Kriterium für menschlichen Erfolg das Erlangen materieller Reichtümer“ sei. Ferner betont er die Notwendigkeit „eines Wertmaßstabes ..., der auf einem Verständnis der Bedürfnisse der gesamten menschlichen Natur basiert; selbstverständlich ist die Befriedigung wirtschaftlicher Bedürfnisse lebenswichtig, doch hat der Mensch noch andere Bedürfnisse, die ebenfalls befriedigt werden wollen“.
Um wirklich glücklich sein zu können, benötigt er einen „Wertmaßstab“. Das heutige Aussehen der Welt führt uns jedoch mit aller Eindringlichkeit vor Augen, daß ihm weder die Philosophie noch die Politik, noch die Wirtschaft, noch die Wissenschaft, noch die Technik gültige Normen geliefert hat. Deshalb sollte der Mensch die Bibel, das einzige Buch, das einen zuverlässigen Wertmaßstab enthält, nicht verachten.
In den Hebräischen und in den Griechischen Schriften ist folgende grundlegende Wahrheit zu finden: „Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jeder Äußerung, die durch den Mund Jehovas ausgeht“ (Mat. 4:4; 5. Mo. 8:3). Die Bibel setzt den Schwerpunkt dort, wohin er gehört — auf geistig-religiöse Werte. Gemäß der Bibel muß jeder, der glücklich werden möchte, sich seiner „geistigen Bedürfnisse bewußt“ sein (Mat. 5:3).
Der Mensch hat sich als unfähig erwiesen, die geistig-religiösen Bedürfnisse zu befriedigen. Weil ihm die Technik und das Erreichen materialistischer Ziele das Wichtigste waren, sieht er sich heute einer Krise gegenüber, die wie folgt skizziert wurde: „Trotz seiner Intelligenz verhält sich der Mensch gegen seine Umwelt mit einer Rücksichtslosigkeit, die potentiell selbstzerstörerisch ist. Es fragt sich daher, ob die Technik ein Segen oder ein Fluch ist. Die Geschichte der Technik beginnt mit den Leistungen der ersten Werkzeugerfinder und endet an dem Scheideweg, an dem der Homo sapiens jetzt, im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, steht. Und er hat nur noch eine Wahl: Selbstzerstörung oder eine glückliche Zeit des Wachstums und der kühnen Expansion“ (Encyclopædia Britannica).
Ein Zeitalter echter Wohlfahrt
Die Bibel vermittelt uns aber nicht nur geistig-religiöse Werte, eine wichtige Voraussetzung für das Glück, sondern sie vermittelt uns auch eine wunderbare Hoffnung auf ein Zeitalter des Friedens, der Gerechtigkeit und der materiellen Wohlfahrt hier auf der Erde. (Siehe Seite 13.) Weit über 2 000 000 Zeugen Jehovas, die in 205 Ländern leben, in denen die unterschiedlichsten wirtschaftlichen und politischen Systeme — vom Kapitalismus bis zum Kommunismus — existieren, sind jetzt schon glücklich, weil sie sich an die Sittenmaßstäbe der Bibel halten und überzeugt sind, daß Gott seine Verheißung, eine neue Ordnung zu schaffen, in der Frieden und Gerechtigkeit herrschen werden, wahr machen wird (2. Pet. 3:13).
Früher haben viele, die jetzt Zeugen Jehovas sind, den von Menschen geschaffenen politischen und wirtschaftlichen Systemen vertraut, oder sie haben geglaubt, man könne diese Systeme reformieren. Einige waren eifrige Verfechter der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Andere dachten, der sozialistische Wohlfahrtsstaat löse die Probleme der Menschen. Wieder andere
-