Was sagt die Bibel?
Ist religiöse „Ekstase“ heutzutage ein Beweis für die Wirksamkeit des Geistes Gottes?
„DIE Laute kamen mir von den Lippen, als hätte ich es schon das ganze Leben gekonnt“, erklärte eine Frau, die kürzlich anfing, in „Zungen“ zu reden. Sie fügte hinzu: „Es war so natürlich und schön. Ich spürte großen Frieden, inneren Frieden, und fühlte mich Gott nahe. Und ich weinte. Ich konnte mir nicht helfen, ich mußte weinen, so schön war es.“
Diese Frau gehört zu den Hunderttausenden von „Charismatikern“, die behaupten, Gottes Geist habe ihnen „Charismen“ oder Gaben (griechisch: charísmata) verliehen, wie zum Beispiel die Gaben, zu heilen, zu prophezeien und in unbekannten Zungen zu reden. (Vergleiche 1. Korinther 12:4, 9, 10.) Oft sind solche Vorkommnisse mit einer „Ekstase“ verbunden. Gemäß dem Duden-Lexikon ist Ekstase ein „außergewöhnlicher, übersteigerter Zustand, in dem der Mensch der Kontrolle seines normalen Bewußtseins entzogen und durch andere Kräfte beherrscht wird; ... [ein] Zugang zur übersinnlichen Welt, eine Vereinigung mit der Gottheit“.
Die starken Gefühle, die einen solchen „Zustand“ begleiten, haben viele zu dem Glauben veranlaßt, sie hätten Gottes heiligen Geist empfangen. Ist die religiöse Ekstase heutzutage wirklich ein Beweis für die Wirksamkeit des Geistes Gottes?
In der ganzen Menschheitsgeschichte haben zahllose Personen, die allen möglichen Religionen angehörten, bezeugt, daß sie ekstatische Erlebnisse mit dem Übernatürlichen hatten. Solche Erlebnisse waren zum Beispiel in den heidnischen „Mysterien“ üblich und wurden als Beweis für eine „Wiedergeburt“ im mystischen Sinne verstanden. Aber diese Erlebnisse, so schön sie auch gewesen sein mögen, wurden nicht von Gott verursacht, denn die Bibel sagt über solche religiösen Bräuche: „Die Dinge, die die Nationen opfern, [opfern] sie Dämonen ... und nicht Gott“ (1. Kor. 10:20).
Im Bibelbuch Hiob ist eine Rede von Eliphas, dem Temaniter, aufgezeichnet, in der er von einem übernatürlichen religiösen Erlebnis erzählt: „Ein Geist selbst ging an meinem Gesicht vorüber; das Haar meines Fleisches begann sich zu sträuben. ... Eine Gestalt war vor meinen Augen; da war eine Stille, und ich hörte nun eine Stimme“ (Hiob 4:15, 16). Dieses von einem Geist verursachte Erlebnis stammte jedoch nicht von Gott, und das geht aus der Tatsache hervor, daß Gott Eliphas dafür zurechtwies, daß er „von mir nicht geredet [hat], was wahrhaftig ist“ (Hiob 42:7).
Wie ist es heutzutage? Könnte es sein, daß ekstatische Erlebnisse, die einige Personen damit erklären, daß sie „aus dem heiligen Geist geboren“ seien, gar nicht von Gott stammen? Offenbar ist das so, denn solche schönen Gefühle mögen von Praktiken begleitet sein, die Gott mißbilligt. Zum Beispiel schildert Alan Vaughan in seinem Buch Patterns of Prophecy, wie er in einen „übersinnlichen Zustand“ gerät, und schreibt dann: „Damit verbunden ist oft ein Gefühl der Liebe, und ein Gefühl des Wohlbefindens steigt in einem auf und strahlt etwas aus, was ich als charismatisches Gefühl bezeichnen möchte.“ Doch statt solche „übersinnlichen“ Fähigkeiten als einen Beweis der Wirksamkeit des Geistes Gottes zu betrachten, bringt die Bibel okkulte Praktiken wie Hellsehen und Vorkenntnis mit dem Einfluß von Dämonen oder „bösen Geistermächten“ in Verbindung (Apg. 16:16; 5. Mose 18:10-12; Eph. 6:12).
Offensichtlich sind somit religiöse Ekstasen oder andere außerordentliche Fähigkeiten an sich kein Beweis für die Wirksamkeit des Geistes Gottes. Sie können auch von Dämonen verursacht werden. Woher kann man daher wissen, ob man wirklich Gottes heiligen Geist hat?
Das kann man hauptsächlich daran erkennen, wie man sich in seinem täglichen Leben verhält. Es ist so, wie es der Apostel Paulus ausdrückte: „Ihr dagegen seid nicht in Übereinstimmung mit dem Fleisch, sondern mit dem Geist, wenn Gottes Geist wirklich in euch wohnt“ (Röm. 8:9). Der Geist Gottes ist die treibende Kraft für ein gutes christliches Benehmen, und er wirkt der Neigung des sündigen „Fleisches“ entgegen. Das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament vergleicht diesen Gedanken mit dem Ausdruck, den Paulus in Römer 7:20 verwendet, wo er von der „Sünde“ spricht, „die in mir wohnt“.
„Das ,Wohnen‘ der Sünde im Menschen bezeichnet ihre Herrschaft über den Menschen ... [Sie] ist nicht nur ein vorübergehender Gast, sondern wird durch ihre dauernde Anwesenheit zum Hausherrn ... Ganz entsprechend kann aber Pls [Paulus] auch von der Geistesherrschaft sprechen ... Über ein ekstatisches Enthülltwerden ... geht dieses bleibende ,Wohnen‘ hinaus; das geistig seelische Sein des Menschen wird nicht ausgeschaltet, sondern in Dienst genommen.“
Wie kann man sich der „Herrschaft“ des Geistes Gottes in seinem Leben unterwerfen? Gewiß nicht, indem man ein „transzendentales Bewußtsein“ entwickelt und willentlich die „Sinneseindrücke“ ausschaltet, wie es ein Buch über „Mystizismus“ empfiehlt. Die Bibel gibt den Rat: „Formt euch nicht mehr nach diesem System der Dinge, sondern werdet durch die Neugestaltung eures Sinnes umgewandelt, damit ihr durch Prüfung feststellen könnt, was der gute und annehmbare und vollkommene Wille Gottes ist“ (Röm. 12:2). Etwas Ähnliches lesen wir in Kolosser 3:9-11: „Streift die alte Persönlichkeit mit ihren Handlungen ab, und kleidet euch mit der neuen Persönlichkeit, die durch genaue Erkenntnis erneuert wird nach dem Bilde des Einen, der sie geschaffen hat.“
Wer Gottes Geist haben möchte, muß daher zunächst mittels einer „genauen Erkenntnis“ dessen, was Gott annehmbar ist, seinen ‘Sinn neugestalten’. Das bedeutet, daß er die Bibel sorgfältig studieren muß. Dann muß er ein „Täter des Wortes“ werden und sein Leben mit Gottes Grundsätzen in Übereinstimmung bringen (Jak. 1:22-25).
Aber wurde Gottes Geist im ersten Jahrhundert nicht dadurch offenbar gemacht, daß Christen Wunder wirken konnten? Gott verlieh den Christen damals besondere Kräfte. Aber diese dienten einem besonderen Zweck. Gott bezeugte mit „Zeichen und auch mit Wundern und mancherlei Machttaten“, daß nicht mehr die jüdische Versammlung, sondern die Christenversammlung das „Volk für seinen Namen“ war (Hebr. 2:4; Apg. 15:14). Als diese Tatsache einmal eindeutig nachgewiesen war, bestand keine Notwendigkeit mehr für solche Wunderkräfte. Sie waren nur am Anfang ein Kennzeichen der Christenversammlung und sollten später „weggetan werden“ (1. Kor. 13:8). Jesus sagte nicht, seine wahren Nachfolger seien daran zu erkennen, daß sie in Ekstase gerieten oder Wunder wirkten, sondern daran, daß sie Liebe untereinander hätten (1. Kor. 12:29, 30; 13:2; Joh. 13:35).
Gottes Geist und dessen Hauptfrucht, die Liebe, sollten unter wahren Nachfolgern Jesu Christi die Einheit fördern (Gal. 5:22; Eph. 4:3-6; 1. Joh. 3:23, 24; 4:12, 13). Aber Personen, die religiöse Ekstase oder andere „Zustände“ als Beweis für die Wirksamkeit des Geistes Gottes ansehen, haben oft weitere Spaltungen in der bereits gespaltenen Christenheit verursacht. Diesbezüglich schrieb der evangelische Geistliche Donald G. Miller in seinem Buch The Authority of the Bible:
„Die Pfingstgemeinde behauptet, sich auf Erfahrungen zu stützen. Neuzeitliche Zungenbewegungen und Wunderheil-Bewegungen rechtfertigen sich mit ihren Erfahrungen. Die Christliche Wissenschaft stützt sich auf Erfahrungen. Wo soll das noch enden? Wenn persönliche Erfahrungen die letzte Autorität sind ..., wird schließlich jeder das tun, was in seinen Augen recht ist. ... Selbst wenn es die Zustimmung einer Gruppe findet, besteht die Neigung, daß sich die Gruppe wieder in Splittergruppen aufteilt, von denen jede wegen ihrer besonderen Erfahrungen Autonomie beansprucht.“
Religiöse Ekstase oder Wundergaben sind heutzutage kein Beweis für die Wirksamkeit des Geistes Gottes. Solche Erlebnisse können sogar mit Handlungen in Verbindung stehen, die die Bibel verurteilt. Alle, die sich von Gottes Geist leiten lassen möchten, müssen durch eine genaue Erkenntnis des Wortes Gottes ihren ‘Sinn neugestalten’ und durch ihre Taten die christliche „neue Persönlichkeit“ erkennen lassen (Röm. 12:2; Kol. 3:9, 10).