Wir beobachten die Welt
Raffinierte Konstruktion
● „Die Hand ist ein vorzügliches Werkzeug. Kompakt, dabei doch leicht und robust. Zum Gewichtheben ebenso zu trainieren wie für millimetergenaues Arbeiten.“ So beginnt ein Aufsatz über die Biomechanik der Hand in einer Beilage der Süddeutschen Zeitung. Der Autor David E. Thompson und seine Kollegen beschäftigen sich mit den Problemen, die sich aus gefühllos gewordenen Händen und Füßen Leprakranker ergeben, um deren Behandlung zu verbessern. Sie arbeiten seit Jahren daran, ein Modell der Hand, ihrer Struktur und Muskulatur sowie ihrer vielseitigen Mechanismen mit Hilfe eines Computers zu rekonstruieren. Die Hand verfügt über Muskeln, die „Beuger“ und „Strecker“ genannt werden. Über die zuletzt genannten Muskeln wird unter anderem gesagt: „Die Strecker und ihre Sehnen sind kompakter und sehr ,raffiniert‘ konstruiert.“ Ob sich der Autor die Frage gestellt hat, wer wohl der Konstrukteur dieses vorzüglichen „Werkzeugs“ gewesen ist?
„Sprachlose“ Ehen
● Je länger ein Paar verheiratet ist, desto weniger hat es sich zu sagen. Zu diesem Schluß kam der Kieler Bevölkerungswissenschaftler Professor H. W. Jürgens nach einer sechsjährigen Studie über das „Kommunikationsverhalten deutscher Ehepaare“. Wie die Mainzer Allgemeine Zeitung berichtete, fand er heraus, daß Mann und Frau nach zweijähriger Ehe noch etwa 30 Minuten täglich miteinander sprechen, nach vier Jahren sind es nur noch 15 Minuten, und nach acht Jahren sprechen sie fast überhaupt nicht mehr miteinander. Eine Erklärung ist, daß ältere Ehepaare bereits genau wissen, was der andere Partner über irgendeine Frage denkt und dazu zu sagen hat. Daß dies jedoch nicht immer der Fall sein muß, so fügte die Zeitung hinzu, „beweisen viele ältere Ehepaare, die noch einen sehr regen Meinungsaustausch pflegen. Meist geht hier jedoch die Initiative von den Frauen aus.“
Pilgerrückgang in Lourdes
● Das Interesse der Katholiken an einer Wallfahrt nach Lourdes ist gesunken. „Sogar die Kranken bleiben fern und scheinen anderen Heilmitteln eher zu vertrauen“, meldeten die Vorarlberger Nachrichten. Der Rückgang der Besucher um 327 000 Personen im Jahre 1982/83 (bei einer Gesamtzahl von 3,1 Millionen Pilgern, wobei der Papstbesuch allerdings mehr als 1 Million Gläubige nach Lourdes gelockt hatte) sei „alarmierend“. „Die traditionelle fünftägige Wallfahrt existiert praktisch nicht mehr“, fügte die Zeitung hinzu, „dem Glauben werden in der Regel nur noch ein, höchstens zwei Tage geopfert.“
Nachdenkliche Gehirnforscher
● Bisher hielten Gehirnforscher eine Erkenntnis für unumstößlich: Bei Erwachsenen können niemals neue Nervenzellen nachwachsen. Man glaubte, das Gehirn finde lediglich neue Verwendungen für alte Neuronen, wenn Menschen im Laufe ihres Lebens lernen oder nach einer Verletzung ihre Gehirnfunktion wiedererlangen. „Eine Forschergruppe der Rockefeller University stellt nun dieses Dogma in Frage“, berichtet Bild der Wissenschaft (9/84). Sie hat Indizien dafür gefunden, daß in den Gehirnen von Vögeln täglich alte Neuronen vergehen und schätzungsweise 20 000 neue entstehen. Sie beobachtete, daß bestimmte Areale im Vogelgehirn, in denen die Lernfähigkeit für neue Lieder verankert ist, in der Brutzeit wuchsen, wenn die Vögel sangen. Diese Areale schrumpften wieder zwischen den Brutzeiten, wenn die Vögel nicht sangen. Fernando Nottebohm, Leiter der Forschungsgruppe, meinte: „Nun sollten wir der Frage nachgehen, ob derselbe Prozeß auch in erwachsenen Menschen stattfindet. Falls nicht, dann sollten wir uns fragen: Warum? Was behindert das Nachwachsen von Nervenzellen? Kann man es möglicherweise induzieren [hervorrufen]?“
Der Bart — eine Modeerscheinung
● „Warum trägt man(n) Bart?“ fragt die Wetterauer Zeitung. „So wechselvoll wie die Kleidermode ist auch die Mode des Barttragens. Schon in alter Zeit galt der Bart als Zeichen der Männlichkeit, Kraft und Stärke, von Freiheit oder Weisheit, mitunter war er auch Ausdruck einer Weltanschauung oder der politischen Gesinnung“, heißt es. Oft gaben die jeweiligen Herrscher in der Bartmode den Ton an. „Noch 1846“, so wird berichtet, „wurde den preußischen Referendaren und Postbeamten verboten, einen Schnurrbart zu tragen. ... Im Gefolge der politischen Unruhen 1848 sprossen jedoch die Bärte, und je wilder und struppiger sie waren, desto freiheitlicher die Gesinnung ihrer Träger.“
Die Bartmode setzte sich Ende des 19. Jahrhunderts in allen Variationen durch, bis der Erste Weltkrieg auch in diesem Bereich eine Umschichtung brachte. „So, wie man früher die Bartmode eines Herrschers übernahm ..., eiferte man jetzt neuen Vorbildern nach, den Filmschauspielern.“ Dann verschwanden die Bärte wieder, sie paßten nicht zum militärischen Haarschnitt. „Das blieb so bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg, erst mit den Studentenunruhen 1968 war der Bart wieder da, und ähnlich wie 1848 als Protest gegen das Althergebrachte, als Ausdruck einer anderen Gesinnung. Doch aus den wilden unordentlichen Bärten von damals wurde inzwischen die gepflegte Gesichtszier vieler junger und alter Männer — der Bart ist wieder zur Mode geworden.“ Dieser Zeitungsbericht unterstreicht, daß das Tragen eines Bartes in unserem Land nie Sitte war, sondern bis heute eine Modeerscheinung geblieben ist.
Noch nicht verloren
● Immer wieder werden vermeintlich ausgestorbene Pflanzen und Tiere entdeckt. Das Wissenschaftsmagazin Nature berichtet von der Rekultivierung einer Ebenholzbaumart auf St. Helena, die seit über hundert Jahren als ausgestorben gilt. Britische Forstwissenschaftler hatten zwei kleine Bäume dieser einmaligen Art auf einem Kliff der Insel entdeckt. Inzwischen ist es gelungen, einige Stecklinge anzuzüchten und auch zum Blühen zu bringen. Nun soll die Pflanze auf der einsamen Insel im Südatlantik wieder heimisch werden.
Anbetung des Teufels
● Ein Artikel in der Zeitung Die Welt mit dem Titel „Wenn der Teufel zum Herrn und Meister wird“ warf Licht auf den Satans- und Hexenkult. Anlaß dafür gab ein Film des Zweiten Deutschen Fernsehens mit dem Titel „Ich töte, wenn Satan es befiehlt ...“, der im vergangenen Jahr — unter heftigem Protest von Zuschauern — ausgestrahlt wurde und in die okkulte Szene hineinzuleuchten versuchte. „Der Film warf Fragen auf, doch meist die falschen“, urteilte die Zeitung. Es wurden vier Beispiele aus Deutschland gezeigt, unter anderem die „Berliner Yoga- und Selbstverwirklichungsgruppe, die sich als ,magische Elite‘ versteht“. Bei der „Schwarzen Messe“ in einem Schwabinger Keller sagte der Sprecher: „Die hier dem Teufel huldigen, sie könnten Nachbarn von uns allen sein.“ In der Bundesrepublik Deutschland soll es, wie das Blatt erklärte, „über 2 000 sogenannte Hexen oder Magier des Bösen“ geben. „Und das im Jahre 1984!“ wunderte sich in der Sendung der Sprecher. Schlußkommentar der Zeitung: „Aber gerade viele aufgeklärte Menschen dieser Zeit sind der Meinung, daß es etwa 1910 viel schwerer gewesen sein muß, an den Teufel zu glauben, als heute.“
Macht das Krankenhaus krank?
● Krankenhauspatienten sind häufig seelisch krank. Wie aus einem Bericht der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (38/84) hervorgeht, wurden in einer Studie 322 Patienten auf ihren Seelen- und Geisteszustand untersucht. Das Ergebnis: 20,5 Prozent der Befragten klagten über depressive Symptome, 25,5 Prozent hatten mit schweren sozialen Ängsten zu kämpfen; fast 10 Prozent waren sowohl depressiv als auch ängstlich verstimmt. Ein gutes Drittel aller Krankenhauspatienten leidet somit an einer merklichen seelischen Störung, was sehr unvorteilhaft ist, da seelische Störungen den Heilungsprozeß verzögern können.
Die Jüngsten schleppen am meisten
● Das Gewicht der Schultasche sollte — so der Rat von Schulmedizinern und Orthopäden — zehn Prozent des Körpergewichts nicht überschreiten. Aus einer Studie des Frankfurter Instituts für Bildungsmedien geht jedoch hervor, daß 70 Prozent der Grundschüler im Durchschnitt zwei Kilogramm mehr als benötigt transportieren. „Viele belasteten sich mit Spielzeug, Getränken und Freizeitartikeln“, berichtet Der Tagesspiegel. Bei den Gymnasiasten war keine bedeutende Überladung der Schultasche festzustellen, doch auch bei 58 Prozent der Realschüler war sie viel zu schwer. (Sie trugen im Schnitt 2,5 Kilogramm mehr, als aus ärztlicher Sicht für unbedenklich gehalten wird.) Die jüngsten Schüler tragen somit die schwersten Schultaschen.
Schlaue Karte
● In den USA wird emsig an der „schlauen“ Kreditkarte gearbeitet. Die Plastikkarte, „Smart Card“ genannt, soll einen programmierbaren Mikrochip erhalten, der mit Speicherfunktionen ausgerüstet ist. So kann der Besitzer mit einem Lesegerät zu Hause sämtliche Kontobewegungen überprüfen und seinen Kontostand erfahren, ohne zur Bank gehen zu müssen. Der eingebaute Mikroprozessor kann sogar die Daten, die mit dem Bankcomputer ausgetauscht werden, verschlüsseln und sorgt so für mehr Sicherheit. In Frankreich ist bereits eine „Smart Card“ mit einem kleinen Speicher bei 1,5 Millionen Kunden in Gebrauch. Sie kann für öffentliche Telefone, für den Bildschirmtext, für Telebanking und für das vorgesehene Kabelfernsehen sowie für Transaktionen bei der Post-Bank (CCP) genutzt werden.
Psychotest als Schicksal
● Immer häufiger entscheiden psychologische Tests über die Berufslaufbahn junger Menschen. „Doch was in Personalabteilungen, in Schulen und Arbeitsämtern allzuhäufig als Maßstab für die Seelenforschung angelegt wird, treibt dem Münchner Psychologen Georg Sieber oft die Zornesröte ins Gesicht“, schreibt die Stuttgarter Zeitung. „‚Partytests‘ nennt er abschätzig und verärgert zugleich, was nach Ansicht vieler Personalchefs in die Abgründe der Seele führen soll. Orakelhaft anmutende Klecksbilder des Altvaters der Psychologie, Hermann Rorschach (1884—1924)“, seien ebenso beliebt wie „Suchbildertests, seltsame Zeichenrätsel und die Deutung von Grafiken“.
„Nach Schätzungen von Eingeweihten“, so berichtet die Zeitung, „werden zur Zeit bei der Personalauswahl in der Bundesrepublik für sogenannte Auswahltests, angefangen von der Graphologie über die Horoskopie bis zum Klecksbild, von den Betrieben und Behörden rund 60 Millionen Mark ausgegeben.“ Nur etwa ein Hundertstel dieser Summe hält G. Sieber für gut angelegt, weil es „für tatsächlich echte und nachprüfbare Verfahren angewendet“ wird. Intelligenz, Phantasie, Organisationsfähigkeit, Entscheidungsfreude, Motivation, Streßstabilität und berufliche Eignung für ein ganz bestimmtes Ausbildungsfeld könnten nur in differenzierten Tests ausfindig gemacht werden, bei denen außerdem Prüfungsangst, Krankheit oder ein schlechter Tag berücksichtigt werden müsse.
Die Sklaverei existiert in vielen Formen
● In der nordwestafrikanischen Republik Mauretanien (1,5 Mill. Einwohner) dienen immer noch rund 100 000 schwarze Männer, Frauen und Kinder als Sklaven. „Sie haben jedoch kaum eine Wahl“, meinte Peter Davis, Direktor der britischen Gesellschaft gegen Sklaverei, gemäß der luxemburgischen Zeitung tageblatt. Angesichts der Armut, Dürre und Arbeitslosigkeit bietet ihr Stand eine gewisse „Sicherheit“, was Mahlzeiten und Kleidung betrifft. „In vielen Fällen leben die Familien von Sklaven mit ihren Herren seit Generationen unter einem Dach und sehen einfach keine Veranlassung zu einer Änderung der Situation.“ „Sklaverei, wie sie die Römer und die Plantagenbesitzer kannten, wird ein Ende haben, sobald die Sklaven Mauretaniens selbständig werden“, sagte der Direktor in einem Interview. Das Ende der Leibeigenschaft, des „Besitzes“ von Menschen und der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft, werde jedoch nicht das Ende der 145 Jahre alten Menschenrechtsorganisation bedeuten. „Wenn man die Ausbeutung von Kindern, das Abarbeiten von Schulden und die Zwangsarbeit auf den Feldern zusammennimmt, dann gibt es schätzungsweise noch 100 Millionen Sklaven in der Welt.“
Wer raubt Banken aus?
● Ein Münchner Polizeihauptkommissar hat eine Untersuchung über Motive und Umfeld des Bankraubs angestellt. Er kam zu dem Schluß, daß der Bankraub keineswegs nur von Leuten verübt wird, die eine kriminelle Vorgeschichte haben, sondern daß er bereits zu einem „Jedermannsdelikt“ geworden ist. „Die Nachforschungen ergaben, daß der Bankräuber heutzutage aus allen Bevölkerungs-, Berufs- und Intelligenzschichten kommt“, berichten die Bremer Nachrichten. „Man findet den Fabrikanten ebenso darunter wie den Bundeswehroffizier, den Börsenmakler und den Handwerker, aber auch den Bankangestellten selbst, ja sogar Polizeibeamte.“ Die Bankräuber werden nicht nur immer jünger, sondern auch „die Hemmschwelle ist deutlich erkennbar niedriger geworden“. Die meistgenannten Tatmotive sind Verschuldung, Spielleidenschaft und ein „sorgenfreies Leben“.
Ein Symbol ist geschrumpft
● Das Empire State Building, schon lange ein Symbol von New York, ist geschrumpft. Als das Gebäude 1951 einen 68 Meter hohen Fernsehturm erhalten hatte, war es fast 449 Meter hoch. Doch nun wird es, sobald die Arbeiten am Sendemast abgeschlossen sind, 5 Meter kürzer sein. Dennoch, auch ohne Mast, ist es das vierthöchste Gebäude der Welt. Der 443 Meter hohe Sears Tower in Chicago ist das höchste Gebäude der Welt, danach kommen die zwei 411 Meter hohen Türme des World Trade Centers in Manhattan, New York.