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Was sind Menschenrechte?Erwachet! 1979 | 8. Dezember
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und in Ländern, in denen der Lebensstandard steigt, werden von der Bevölkerung immer mehr Rechte gefordert. Viele teilen die Meinung von Dr. Keith D. Suter, Vorsitzender einer UN-Menschenrechtskommission in Australien, der sagte: „Die Zeit ist reif für den Gedanken, daß die Menschenrechte unbedingt geschützt werden müssen. Diese Idee ist aus der Vorstellung der heutigen Menschen nicht mehr zu tilgen.“
Ist dem so? Werden die Menschenrechte in dem gegenwärtigen System der Dinge jemals verwirklicht werden? Es wird lehrreich sein, einen kurzen Rückblick auf die Geschichte der Menschenrechte zu halten.
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Der Kampf des Menschen um seine RechteErwachet! 1979 | 8. Dezember
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Der Kampf des Menschen um seine Rechte
IM Jahre 73 v. u. Z. entfloh aus einer Gladiatorenschule in Capua ein Sklave thrakischer Herkunft namens Spartakus und hielt sich darauf in den Schluchten des Vesuvs verborgen. Viele weitere Sklaven, die ihren Herren entlaufen waren, schlossen sich ihm an, bis schließlich ein ganzes Heer beisammen war. Dieses schlug bei zwei Gelegenheiten die von Rom entsandten Truppen, überrannte Süditalien und erfocht Siege in Norditalien. Inzwischen war das Heer auf etwa 90 000 Mann angewachsen. Spartakus machte seinen Leuten den Vorschlag, Italien den Rücken zu kehren, doch sie wollten nicht, sondern zwangen ihn, südwärts zu ziehen. Schließlich verlor Spartakus in einer Schlacht gegen den neuen Oberbefehlshaber Marcus Licinius Crassus das Leben.
Das ist, kurz zusammengefaßt, die Geschichte eines Mannes, der um ein Recht kämpfte, das heute zu den Menschenrechten zählt: das Recht auf Freisein von Sklaverei. Im Laufe der Geschichte wurden viele solche Kämpfe geführt.
Menschenrechte verwehrt
Der Ausdruck „Menschenrechte“ ist verhältnismäßig neu. Früher hat man diese Rechte „Naturrechte“ genannt. Und stets hat es der Mensch für notwendig erachtet, bestimmte dieser Rechte und Freiheiten, ganz gleich, wie sie genannt wurden, zu schützen. Das Gesetzbuch des babylonischen Königs Hammurabi, die Gesetze des athenischen Staatsmanns Solon und die „unwiderruflichen“ Gesetze der Meder und Perser hatten alle den Zweck, die Rechte der Bevölkerung zu schützen und eine gewisse Sicherheit zu gewähren.
Doch nicht immer konnten solche Gesetze den Zweck, zu dem sie geschaffen worden waren, erfüllen. Manchmal gelangte ein Tyrann an die Macht — wie zum Beispiel Nero —, der die Gesetze mit Füßen trat. Oder zur Zeit Mardochais suchte der niederträchtige Haman die Juden, die im Persischen Reich eine Minderheit darstellten, zu „liquidieren“, und das auf gesetzlichem Wege. Und Personen, die über großen Reichtum und große Macht verfügten, kümmerten sich wenig um die Gesetze.
Außerdem zeigt die Geschichte, daß es sehr viele Gruppen von Menschen gab, die den Schutz der Gesetze nicht genossen. Durch den Aufstand des Spartakus geriet das Elend der Sklaven im Römischen Reich ins Rampenlicht. Viele der Sklaven wurden gezwungen, in Arenen zur Belustigung des Volkes zu töten oder zu sterben; oder sie mußten sich in der Tiefe der Bergwerke oder an den Rudern der Galeeren buchstäblich zu Tode arbeiten. Im alten Athen gab es Zeiten, in denen die Frau eine wenig beneidenswerte Stellung innehatte, denn sie wurde als eine Art Sklavin angesehen, die nur dazu diente, Kinder zu gebären. Ferner wird über sie berichtet: „Sie war auf ihre häusliche Arbeit beschränkt und war ungebildet, sie besaß so gut wie keine Rechte und wurde von ihrem Mann fast wie ein Stück Vieh behandelt.“
Die von den Assyrern verübten Grausamkeiten und die von den Babyloniern durchgeführten Massendeportationen wecken in uns den Gedanken an eine weitere Gruppe von Menschen, um deren Rechte sich kaum jemand kümmerte: die Verlierer in den zahllosen Kriegen der Vergangenheit. Auch die Armen haben immer gelitten; und in neuerer Zeit sind die Rechte der kulturellen, sprachlichen und vor allem der rassischen und religiösen Minderheiten unterdrückt worden.
Selbstsucht und Menschenrechte
Die Rechtsordnungen des Menschen haben in der Vergangenheit nicht vermocht, allen Personen gleiche Rechte zu sichern. Das hat zu Kämpfen, Revolutionen und Aufständen geführt, weil viele für ihre Rechte gekämpft haben.
In all diesen Kämpfen spielte immer wieder eine bestimmte menschliche Eigenschaft eine Rolle: Selbstsucht oder Egozentrik. Diese Einstellung war ein großes Hindernis dafür, daß alle Menschen in den Genuß ihrer Rechte kamen. Daran muß der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel gedacht haben, als er sagte, Freiheit könne es nur in einem Land geben, dessen Bevölkerung nach bestimmten moralischen Normen lebe.
Was sich bei dem englischen Bauernaufstand zutrug, ist ein Beispiel dafür, wohin Egozentrik führen kann. Im Jahre 1381 zogen Scharen von Bauern unter der Führung Wat Tylers nach London, um mit dem König zu sprechen. Die Menschen hatten die schwere Pestzeit erlebt, und jetzt wehrten sie sich gegen die drückenden Abgaben und die Frondienste, die sie ihren Feudalherren, den Baronen, leisten mußten. Die Zahl der Aufständischen wurde auf 100 000 geschätzt. Der König war bereit, mit ihnen zu verhandeln und ihre Forderungen zu erfüllen, aber die Barone wollten nicht auf ihre Rechte verzichten. Wat Tyler wurde getötet, und keine der Forderungen der Bauern wurde erfüllt.
Die egozentrische Einstellung äußerte sich noch auf andere Weise. Häufig kam es vor, daß eine bestimmte Gruppe, wenn sie gewisse Rechte erkämpft hatte, nachher wenig Achtung vor den Rechten anderer bekundete.
Im Jahre 1789 schüttelten die Franzosen die bedrückende Herrschaft der Aristokratie ab und schufen die berühmte „Erklärung der Rechte des Menschen und Bürgers“. Darin wurden die Rechte aufgeführt, die jedem Franzosen zustehen. Zu diesen Rechten zählten vor allem „die Freiheit, das Eigentum, die Sicherheit, der Widerstand gegen Unterdrückung“. Doch nicht viele Jahre danach führten die Franzosen unter Napoleon Eroberungskriege, die sich höchst nachteilig auf „die Freiheit, das Eigentum“ und „die Sicherheit“ der meisten Völker Europas auswirkten.
Es heißt, das englische Staatsgrundgesetz, die „Bill of Rights von England“, vom Jahre 1689 sei die erste bedeutende Formulierung von Rechten in einem politischen Dokument. Doch später, als England Kolonialmacht wurde, zeigte es wenig Achtung vor den Rechten vieler der von ihm unterworfenen Völker, beispielsweise der Ureinwohner Australiens und Tasmaniens.
Ähnlich verhält es sich mit der „Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten“, in der ganz deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, daß jeder Amerikaner das Recht auf „Leben, Freiheit und das Streben nach Glück“ besitze. Wie verhielt es sich aber mit dem „Leben“, der „Freiheit“ und dem „Streben nach Glück“ der Millionen Neger, die aus Afrika weggeschleppt und amerikanischen Pflanzern als Sklaven verkauft wurden? Und als die Weißen in Amerika nach Westen vordrangen und mit den verschiedenen Indianerstämmen zusammenstießen, wessen Rechte wurden da häufig mißachtet?
Kirchenführer und Menschenrechte
In der Geschichte der sogenannt christlichen Kirchen sind die Menschenrechte ein dunkles Kapitel. Zwei interessante geschichtliche Begebenheiten zeigen, wie sie zu diesen Rechten eingestellt waren.
Im Jahre 1215 mußte der englische König Johann ohne Land dem sich erhebenden Adel die „Magna Charta Libertatum“ gewähren. Sie gilt als Vorläufer der neuzeitlichen Menschenrechtsdokumente. Die darin verbrieften Freiheiten sind allerdings ziemlich begrenzt, dennoch brachte sie einen Durchbruch, weil in diesem Dokument das Verhalten des Königs seinen Untertanen gegenüber in bindendes Recht gefaßt wurde.
Papst Innozenz III. war über das Dokument entrüstet. Er sagte: „Wir mißbilligen und verdammen diesen Vertrag und gebieten dem König unter Androhung des Banns, ihn nicht einzuhalten, und den Baronen, seine Einhaltung nicht zu fordern. Wir erklären hiermit die Charta für alle Zeiten für null und nichtig.“
Diese verfassungsähnliche Urkunde konnte natürlich nicht einfach beiseite geschoben werden. Sie wurde wiederholt bestätigt, und sogar die katholische Kirche berief sich darauf, wenn sie glaubte, ihre Rechte seien gefährdet; auch spielte sie bei der politischen Entwicklung Englands und Amerikas eine wichtige Rolle.
Im Jahre 1524 brach in Deutschland der „Bauernkrieg“ aus. Auch in Deutschland, ähnlich wie beim Bauernaufstand in England, protestierten die Bauern gegen die immer härter werdenden Steuern und Dienste, die die Fürsten ihnen auferlegten. Martin Luther forderte die Bauern auf, die Waffen niederzulegen. Als sie sich weigerten, riet er den Fürsten: „Man soll sie [die Bauern] würgen und stechen ..., wie man einen tollen Hund totschlagen muß.“ Die Fürsten befolgten seinen Rat.
In der Christenheit wurden immer wieder Rechte, die man heute als „Menschenrechte“ bezeichnet, mit Waffengewalt verletzt. Die Niedermetzelung der irischen Katholiken durch den Puritaner Oliver Cromwell und die der französischen Hugenotten durch die Katholiken jenes Landes sind nur zwei Beispiele dafür, mit welch grausamer Unduldsamkeit man in sogenannt christlichen Ländern gegen die Rechte anderer verstieß. Weitere Beispiele sind die blutigen Kreuzzüge und die Inquisition; zu erwähnen wären noch die spanischen Konquistadoren, die mit dem Segen ihrer Geistlichen in vielen Ländern mordeten und plünderten; außerdem darf man die Frauen nicht vergessen — schätzungsweise 100 000 —, die im Mittelalter auf dem Scheiterhaufen wegen angeblicher Hexerei verbrannt wurden.
Ja, die Menschenrechte sind in der Geschichte ein dunkles Kapitel. Die Gesetze des Staates oder auch „christliche“ Gesetze, die dem Wohl des Menschen dienen sollten, sind manchmal unzureichend oder für die Menschen direkt nachteilig gewesen. Es hat viele Gruppen gegeben, die rechtlos waren; und die selbstsüchtigen Neigungen der Menschen haben die Bemühungen, den Rechtlosen zu helfen, behindert. Immer wieder hat sich das alte Bibelwort bewahrheitet: „Der Mensch [hat] über den Menschen zu seinem Schaden geherrscht“ (Pred. 8:9).
Was bedeutet das für uns heute? Hat sich die Situation geändert? Besteht heute mehr Aussicht als früher, daß die Menschenrechte verwirklicht werden? Was zeigen die Tatsachen?
[Herausgestellter Text auf Seite 7]
Häufig kam es vor, daß eine bestimmte Gruppe, wenn sie gewisse Rechte erkämpft hatte, nachher wenig Achtung vor den Rechten anderer bekundete.
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Wie steht es mit den Menschenrechten heute?Erwachet! 1979 | 8. Dezember
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Wie steht es mit den Menschenrechten heute?
„In der ganzen Welt werden die Menschenrechte immer häufiger mit Füßen getreten, und die Normen des internationalen Verhaltens werden so oft verletzt, daß man von einer Menschenrechtskrise sprechen kann.“
Diese Worte äußerte der US-Abgeordnete Donald M. Frazer.
Manch einer, der diese Worte liest, mag überrascht sein. Vielleicht hat er bis dahin gedacht, in unserer Zeit sei viel zum Schutz und zur Sicherung der Menschenrechte getan worden. Welche von den beiden Ansichten ist zutreffend?
Fortschritte in unserer Zeit
In unserer Zeit ist auf internationaler Ebene viel im Interesse verschiedener Gruppen getan worden — sicherlich mehr als zu irgendeiner früheren Zeit. Die Vereinten Nationen sind bemüht gewesen, eine internationale Norm aufzustellen, indem sie im Jahre 1948 die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ formuliert haben. Später folgten zwei weitere Pakte: der „Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ und der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“.
Die Erklärung der Menschenrechte stellte lediglich ein Bekenntnis zu diesen Rechten dar und wurde deshalb von fast allen Mitgliedern der UN unterzeichnet. Die beiden Pakte dagegen zielten
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