Iguaçu — die erstaunlichen Wasserfälle
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Brasilien
DER Reisebus biegt in den Nationalpark ein, fährt einige Minuten durch dichten tropischen Regenwald und kommt dann mit kreischenden Bremsen auf einer Lichtung zum Stehen. Aus der Tiefe der Felsenschlucht dringt ein gewaltiges Rauschen zu uns empor. Dann sehen wir die Wassermassen auf die 66 m tiefer liegenden Felsen stürzen — der erste von 300 donnernden Wasserfällen, den berühmten Iguac̗ufällen in Südamerika.
Stelle dir den Schauplatz mit seinem Farbenspiel einmal bildhaft vor: der blaue Himmel, die schäumenden weißen, sich überschlagenden Wassermassen, der dunkelbraune Basalt der Felsen — und all das eingerahmt vom üppigen Grün der riesigen Regenwälder, die sich bis zum Horizont erstrecken.
Ein Pfad auf der brasilianischen Seite führt uns immer tiefer in die Schlucht hinab. Siehst du, wie Sträucher und Grasbüschel sich an schmalen Felsvorsprüngen festklammern, unmittelbar neben den tosenden Wassern? Im hellen Sonnenlicht glitzert der durch die am Boden der Schlucht aufschlagenden Wassermassen entstehende Sprühregen. Plötzlich sehen wir am Nordrand, zur argentinischen Seite hin, mehrere Regenbogen.
Immer mehr nähern wir uns der Hauptattraktion dieser verwirrenden Szenerie von größeren und kleineren Fällen — dem berühmten Garganta do Diabo („Teufelsschlund“). Mehrere nebeneinanderliegende Wasserfälle bilden den letzten Teil der hufeisenförmigen Felsenschlucht. Der größte Teil des Wassers stammt vom Iguac̗ustrom, der an dieser Stelle fast 4 km breit ist.
Unser Pfad führt uns wieder hoch zur Straße, und nach einigen hundert Metern sehen wir zum ersten Mal, wo die gewaltigen Wassermassen herkommen: vom „Großen Wasser“ oder Iguac̗u in der Sprache der Guarani-Indianer. Von hier aus können wir einen Ausflug zum „Teufelsschlund“ unternehmen. Folgende Beschreibung finden wir in einem Reiseprospekt: „Bei günstigen Wetterbedingungen wird diese Tour mit einem Kanu gemacht — bis zum Rand des größten Wasserfalls, dem 90 m hohen ,Teufelsschlund‘.“
Am nächsten Morgen begeben wir uns zur argentinischen Seite und brechen zu einer 2 1⁄2 km langen Wanderung auf. Unser Weg führt uns immer am Rande der Schlucht entlang. Von der brasilianischen Seite genossen wir den Gesamtüberblick, während wir hier auf der argentinischen Seite jeden einzelnen dieser Fälle bewundern können. Auf einem Großteil der Strecke erreichen wir über betonierte Fußwege eine Insel nach der anderen.
Schmetterlinge in allen Größen und Farben waren uns am Vortag nicht besonders aufgefallen. Nun erfreut sich unser Auge an einer Art von Schmetterlingen, die — gleich großen gelben Wolken — über dem flachen Wasser dahinschweben. Scharen bunter Papageien fliegen kreischend an uns vorbei. Braune Schwalben stürzen sich — Düsenjägern gleich — unermüdlich in den aus dem Abgrund aufsteigenden Sprühnebel und tauchen kurz darauf wieder auf.
Unser Reiseführer berichtet, daß der Wald immer noch von Jaguaren, Wildkatzen, Affen und Schlangen wimmelt. Aber keine Angst! Alles, was Touristen gewöhnlich zu sehen bekommen, sind kleine graue Eidechsen, die sich auf den Steinen sonnen.
Jetzt stehen wir unmittelbar vor den tosenden Wassern des „Teufelsschlundes“, viel näher als am Vortag, ja so nahe, daß wir den Luftsog verspüren, der durch die um uns herabfallenden Wasser entsteht. Durchschnittlich 2 000 m3 Wasser stürzen hier jede Sekunde in die Tiefe. Welch ein machtvoller Beweis der dynamischen Kraft Jehovas, die in seiner Schöpfung zum Ausdruck kommt.
Im Jahre 1940 stellte die brasilianische Regierung ein an die Fälle angrenzendes Urwaldgebiet von 205 000 ha für einen Nationalpark zur Verfügung. Von argentinischer Seite wurde einige Jahre früher ein ähnliches Projekt in Angriff genommen. Heutzutage verbinden moderne Straßen und Flughäfen dieses atemberaubend schöne Erholungsgebiet mit der übrigen Welt.
Wenn du jemals Südamerika besuchst, versäume nicht, den eindrucksvollen Iguac̗ufällen einen Besuch abzustatten.