-
Fürchtest du Menschen oder Gott?Der Wachtturm 1957 | 1. Februar
-
-
fürchten, verbergen ihre Übeltaten vor Menschen, stellen aber ihre guten Taten zur Schau, damit die Menschen sie sicherlich sehen und loben möchten. — Matth. 6:2-4, 16-18, NW.
„Menschenfurcht legt einen Fallstrick“, aber „die Furcht Jehovas ist der Erkenntnis Anfang“. Bisweilen ertappen sich selbst wahre Christen bei einer fleischlichen Schwachheit, bei etwas Falschem, das sie tun, weil Menschen es nicht sehen und weil es daher von Menschen weder kritisiert noch bestraft wird. Wenn wegen Unrechter Taten nicht sogleich Leid über uns kommt, geraten wir bisweilen in die starke Versuchung, solche zu begehen, und denken nicht immer an eine künftige Zeit, in der Jehova uns darüber zur Rechenschaft zieht. Nur einer ist zu fürchten — Gott, nicht Menschen, und das kennzeichnet den Beginn der Erkenntnis, die uns recht leitet und uns Leben erlangen hilft. — Spr. 29:25; 1:7.
-
-
War Jesus ein Gottmensch?Der Wachtturm 1957 | 1. Februar
-
-
War Jesus ein Gottmensch?
UNTER Inkarnation versteht man in der Christenheit die Lehre, nach der „in der Person Jesu Christi Gott Mensch und der Mensch Gott gewesen“ sei. Dieser Glaubenssatz wird als „die Zentrallehre des Christentums“ bezeichnet. Die katholische Kirche und die meisten protestantischen Kirchen lehren deshalb, daß Jesus ein Gottmensch gewesen sei. Aber wie verschiedene andere Lehren der Geistlichkeit, so entbehrt auch diese jeder Vernunft und Folgerichtigkeit. Selbst Theologen geben zu, daß keine menschliche Philosophie sie völlig erklären könne. Sie ist widerspruchsvoll und verwirrend. Die Bibel sagt jedoch, daß ‚Gott nicht der Urheber von Verwirrung ist‘. Deshalb mögen folgende Fragen unser Interesse finden: Wie ist die Lehre von der Inkarnation entstanden? Lehrt die höchste Autorität, Gottes Wort, tatsächlich, daß Jesus der allmächtige Gott in der Gestalt eines Menschen gewesen sei? — 1. Kor. 14:33.
Die Lehre, daß Jesus ein Gottmensch gewesen sei, tauchte erst lange nach seinem Tode auf und entwickelte sich allmählich. Auf dem Konzil zu Nizäa, im Jahre 325, nahm sie dann feste Formen an. Dieses Konzil tagte unter dem Vorsitz des heidnischen Kaisers Konstantin. Merrill sagt in seinen Essays in Early Christian History (Abhandlungen über die Geschichte des Urchristentums): „Es hat nicht den Anschein, daß Konstantin viel daran gelegen war, welche Lehre bei den Diskussionen und Abstimmungen den Sieg davontragen würde. Er trachtete auch nicht, wie Heinrich VIII. von England, danach, Theologe zu sein, sondern war aus politischen Gründen auf die Eintracht innerhalb der Kirche bedacht … Er hoffte zweifellos von vornherein, daß man zu Entscheidungen komme, die für beide Seiten annehmbar wären.“
Ein bekannter amerikanischer Theologe, Henry P. Van Dusen, wirft in seinem Buch World Christianity (Weltchristentum, S. 72) noch mehr Licht auf das, was seinerzeit in Nizäa geschah: „Im Osten gärte es; denn es waren noch heftigere Auseinandersetzungen in bezug auf die genaue theologische Erklärung der Person Christi entstanden. Deshalb forderte Konstantin im Jahre 325 sämtliche Bischöfe der Kirche auf, sich in Nizäa zu versammeln. Die 318 Bischöfe, die der Aufforderung Folge leisteten, stellten nur etwa ein Sechstel der Bischöfe des ganzen Reiches dar. Wie auf allen ökumenischen Konzilen kamen sie vornehmlich aus dem Osten. Konstantins oberster Ratgeber in Kirchenangelegenheiten, Bischof Hosius von Spanien, hatte den Vorsitz inne. Der Kaiser saß zu seiner Rechten. Das Gewicht des kaiserlichen Einflusses machte sich bei den Entscheidungen geltend. Das Ergebnis war die ursprüngliche Form des Nizäischen Glaubensbekenntnisses.“ Der heidnische Kaiser Konstantin — dem es mehr um die Politik als um die Religion ging — machte also ‚seinen Einfluß bei den Entscheidungen geltend‘ und legte das fest, woran die Christenheit im allgemeinen heute noch glaubt. Somit hat die Christenheit die Annahme der Lehre, daß Jesus ein Gottmensch gewesen sei, einem heidnischen Kaiser zu verdanken.
Erst im Jahre 451 wurde auf dem Konzil zu Kalchedon (oder Chalcedon) die Lehre von der Inkarnation näher bestimmt. Aufschlußreich ist, daß bei diesem und auch bei dem Konzil zu Nizäa die Angelegenheiten durch die Übernahme gewisser schon bestehender Ansichten geregelt wurden. Einige sagten, Jesus sei ein Mensch gewesen. Andere behaupteten, er sei Gott gewesen. Das Konzil, das aus bereits abgefallenen Christen bestand, entschied, daß Jesus ein Gottmensch gewesen sei. So konnten die sich befehdenden Parteien die Formel mit vernunftgemäßer Befriedigung annehmen, indem jede einfach den Ausdruck unterstrich, der seinem eigenen Interesse entsprach. Dr. Van Dusen sagt in seinem Werk World Christianity: „Das Ergebnis der hitzigen Kontroverse, die sich über drei Jahrhunderte erstreckte und in zwei aufeinanderfolgenden Etappen geführt wurde, war die absolute Weigerung der katholischen Kirche, eine Wahl zu treffen, und ihre Entgegnung auf das beharrliche ‚entweder … oder‘ des Gegners mit einem bestimmten, wenn auch etwas verwirrenden ‚sowohl … als auch‘. Nizäa, Konstantinopel, Kalchedon sind die Meilensteine der gewundenen Straße entlang … In Kalchedon, etwa hundertfünfzig Jahre nach Nizäa, wurde dieselbe Methode der Lösung des Problems noch unverblümter angewandt — wiederum entschied man sich nicht für ein ‚entweder … oder‘, sondern für ein ‚sowohl … als auch‘, also für eine Lösung, die eher auf einer Übernahme der bestehenden Ansichten beruhte als auf einer Verwerfung derselben, und dies auf Kosten des logischen Zusammenhangs und vernünftigen Denkens.“
Stehst du mit deinen Ansichten über Jesus Christus unter dem Einfluß des durch das Konzil von Kalchedon festgelegten Glaubenssatzes? Die meisten sogenannten Christen wissen nicht einmal, daß dieses Konzil die Verantwortung trägt für die Festlegung der betreffenden Lehre, und doch, so schreibt Dr. Van Dusen auf Seite 75, zog man sich aus dem Dilemma „durch die Kalchedonensische Formel, indem man die widerspruchsvollen Behauptungen der beiden Gegenparteien nebeneinander gelten ließ, ohne einen ernsthaften Versuch zur Versöhnung zu machen“. Auch ein Ausweg aus einem Dilemma! Und so ist die Kalchedonensische Definition der Natur Christi („zwei Naturen unvermischt, ungeteilt und ungetrennt … nicht einen in zwei Personen zerteilten oder zerrissenen, sondern Einen“), wie Dr. Van Dusen sagt, mit Recht als ein „für einen logisch denkenden Menschen konzentrierter Unsinn“ bezeichnet worden.
„DER ANFANG DER SCHÖPFUNG GOTTES“
Ungeachtet was ein Konzil oder ein Mensch über die Natur Jesu sagen mag, ist Gottes Wort selbst die einzige zuverlässige Autorität, und Jesus sagte: „Dein Wort ist Wahrheit.“ (Joh. 17:17, NW) Dieses Wort Gottes offenbart, daß Jesus der Sohn Gottes, nicht Jehova Gott selbst ist. Über sein Verhältnis zu seinem Vater erklärte Jesus: „Der Vater ist größer als ich.“ (Joh. 14:28, NW) Jesus verurteilte Heuchelei; doch welch krasser Heuchelei hätte er sich schuldig gemacht, wenn er der mit Fleisch überkleidete Gott, der Allmächtige, gewesen wäre. Jesus war nicht Gott selbst, denn auch in seiner vermenschlichen Existenz war er ein erschaffener Geist, „das Wort“ genannt. Das „Wort“ war ein mächtiges Geistgeschöpf und kann so mit Recht als „ein Gott“ bezeichnet werden, nicht aber als „der Gott“. Deshalb sagt eine genaue Übersetzung von Johannes 1:1 (NW): „Ursprünglich war das WORT, und das WORT war bei GOTT, und das WORT war ein Gott.“
-