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  • Gandhi — Was hat den Mann geprägt?
    Erwachet! 1984 | 22. Oktober
    • zu retten, müssen wir die Menschenwürde eines jeden respektieren. Durch die Aufteilung der Menschen in Kasten wird ihnen dieser Respekt versagt, deshalb leiden die Menschen. Sie leiden aber nicht mehr stumm. Das spiegeln die Kriminalstatistiken wider. Deshalb fragt man sich: Haben sich Gandhis Ideale bewährt? Wie steht es mit der Gewaltlosigkeit in Indien? Sind Gandhis Ideen für die Welt im allgemeinen praktisch anwendbar?

  • Gewaltlosigkeit in einer Welt der Gewalt
    Erwachet! 1984 | 22. Oktober
    • Gewaltlosigkeit in einer Welt der Gewalt

      WER in Bombay wohnt, befindet sich ständig in einem Gedränge. Am Tag sind die Straßen schwarz von Menschen. Nachts schlafen über hunderttausend auf den Bürgersteigen.

      So ist es in den meisten indischen Städten. Sie sind übervölkert und verelendet. Obdach und sauberes Wasser sind rar. Nahrung ist kostbar.

      Versuche dir vorzustellen, du müßtest ein 3 m × 4 m großes Zimmer mit fünf bis acht anderen Mietern teilen. Die einzelnen Zimmerecken würden vermietet, oder die Leute würden in Schichten schlafen, d. h. sich abwechseln. Die meiste Zeit deines Lebens würdest du auf den Straßen oder den Bürgersteigen zubringen. Jeden Morgen würdest du den langen Weg zur Wasserstelle gehen und dann mit einem Eimer voll Wasser zurückkehren. Das Wasser wäre verunreinigt. Du würdest lange und hart arbeiten, würdest aber nur so viel verdienen, daß deine Familie gerade einen Tag davon leben könnte. Du könntest nichts ändern, auch wenn du dich noch so bemühen würdest. Tagtäglich würden Menschen vor deinen Augen verhungern oder an einer Krankheit sterben. Du wärest verzweifelt, weil du fühltest, daß du ohnmächtig bist.

      Aber du hättest wenigstens eine Wohnung. Es gibt aber noch ein anderes Indien: Menschen, die ohne Obdach sind, halten jeden Winkel und jede Ecke an den Rinnsteinen und Straßenrändern besetzt. Sie bilden die Kolonien der Besitzlosen. Es sind Alte und Junge, Frauen und Säuglinge, Halbnackte und Sterbende. Es sind Menschen, die sich nie satt essen können. Sie kämpfen darum, einen weiteren Tag zu überleben.

      Das ist kein angenehmes Bild. Natürlich gibt es wie in anderen Ländern auch in Indien Reiche und Gebildete. Aber sie sind nur eine Minderheit. Die Zahl der Armen übertrifft die der Reichen zufolge des ständigen Bevölkerungszuwachses bei weitem. Der krasse Gegensatz zwischen dem Leben der Reichen und dem verzweifelten Überlebenskampf der Armen schafft die Voraussetzung für Gewalttätigkeit.

      Trend zur Gewalt

      „Gefangen im Drahtgewirr der Stagnation und eines radikalen Wechsels, ist Indien jetzt eine gewalttätige, brutale, häßliche Gesellschaft“, schrieb Bhabani Sen Gupta in seinem Artikel „Ist Indien zivilisiert?“ In Indien werden immer noch jedes Jahr Tausende junger Ehefrauen bei lebendigem Leibe verbrannt, weil sie die immer neuen Mitgiftforderungen ihrer Schwiegereltern und ihres Ehemannes nicht erfüllen können. Etwa zwei Millionen Frauen werden vergewaltigt. Hunderttausende andere Verbrechen werden begangen. Fünfzigtausend enttäuschte und verzweifelte Personen, meist junge Männer und junge Frauen, begehen Selbstmord. Im Jahre 1978 kam es zu 96 488 Krawallen. Seit dem Jahre 1978 gibt es kaum noch vollständige Kriminalstatistiken für das ganze Land. Aber schon die unvollständigen Statistiken zeigen, daß die Zahl der Verbrechen unvermindert steigt.

      Der indische Soziologe S. C. Dube ist der Überzeugung, daß der Trend zur Kriminalität und Gewalttat seinen Ursprung in dem krassen Mißverhältnis hat, das zwischen dem, was die Menschen möchten, und dem, was sie tatsächlich erhalten, besteht sowie in der Entschlossenheit der Privilegierten, ihre Errungenschaften und ihren Besitz vor den lauter werdenden Forderungen der Verelendeten zu schützen.

      Gewalt und Brutalität ist aber nicht nur in den Städten zu finden, sondern auch in den ländlichen Gebieten Indiens. Die große Zahl blutiger Unruhen ist eine Folge der immer „größer werdenden Kluft zwischen den Großgrundbesitzern und dem Landproletariat“, schrieb der indische Nationalökonom B. M. Bhatia. Die Folge ist ein hoher Tribut an Menschenleben sowie an Sach- und anderen Werten. „Die Schwachen und Armen sind nicht mehr bereit, Gewalt und Gier der Mächtigen und Reichen wortlos hinzunehmen. Sie haben begonnen, zurückzuschlagen und ihre Rechte geltend zu machen. Zu den traditionsgemäß von den Reichen verübten Gewalttaten treten neuerdings die von den Armen begangenen Gewalttaten hinzu“, schreibt Gupta.

      Ein unerfüllter Traum

      „Bis zu meinem letzten Atemzug muß ich ... hoffen, daß Indien sich zur Gewaltlosigkeit bekennen und die Menschenwürde wahren wird“, schrieb Gandhi im Jahre 1938. Sechsundvierzig Jahre danach kommt es unter der indischen Bevölkerung aus den verschiedensten Gründen zu blutigen Unruhen und zu Gewaltakten; und wie Gupta schreibt, ist es auch nicht gelungen, „die Menschenwürde zu wahren“.

      Trotz der Popularität von Gandhis Botschaft wird gemäß der Zeitung The Times of India das Land „von einer beispiellosen Welle der Gewalttaten überrollt, und Verbrechen, begangen von Räuberbanden, sowie Raubüberfälle und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung“.

      Diese Bewertung Indiens gilt auch für andere Länder. Allerdings wird in vielen anderen Ländern die Bildung, die zahllosen Indern verweigert wird, der Bevölkerung vermittelt. Dennoch machen sich solche Länder ebenfalls der von Gandhi erwähnten sieben sozialen Sünden schuldig — „Politik ohne Grundsätze, Reichtum ohne Arbeit, Genuß ohne Gewissen, Bildung ohne Charakter, Handel ohne Moral, Religion ohne Opfer und Wissenschaft ohne Menschlichkeit“. Gandhis Ideal von einer gewaltlosen Welt hat sich als ein Traum erwiesen, der sich nicht erfüllt hat.

      Es wurde errechnet, daß die indische Bevölkerung in 15 Jahren auf eine Milliarde angewachsen sein wird. Davon werden 600 Millionen

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