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Was ist aus der christlichen Wachsamkeit geworden?Der Wachtturm 1984 | 1. Dezember
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Was ist aus der christlichen Wachsamkeit geworden?
„WAS ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!“ Diese Worte Jesu Christi haben während all der Jahrhunderte in den Ohren aufrichtiger Christen nachgeklungen. Doch wie viele Angehörige der katholischen Kirche oder der orthodoxen und der großen protestantischen Kirchen haben diese aufrüttelnde Warnung noch im Ohr? (Markus 13:37, Einheitsübersetzung).
Warum sollten Christen wachsam sein? Jesus hatte kurz vorher gesagt: „Wacht also beharrlich, denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ... damit er euch, wenn er plötzlich eintrifft, nicht schlafend finde“ (Markus 13:35, 36). Die Jünger sollten also wach bleiben, um nach dem Kommen ihres Herrn, das heißt nach Christi Kommen, Ausschau halten zu können.
Was sollte der Zweck des Kommens Jesu sein? Sein Aufruf zur Wachsamkeit war ein Teil seiner Antwort auf folgende gezielte Frage seiner Jünger: „Was wird das Zeichen deiner Gegenwart und des Abschlusses des Systems der Dinge [des „Endes der Welt“, EÜ] sein?“ (Matthäus 24:3). Gemäß einem Parallelbericht sagte Christus, nachdem er ein vielgestaltiges Zeichen beschrieben hatte: „Dann werden sie den Sohn des Menschen in einer Wolke mit Macht und großer Herrlichkeit kommen sehen. Wenn aber diese Dinge zu geschehen anfangen, dann richtet euch auf und hebt eure Häupter empor, denn eure Befreiung naht. ... Wenn ihr diese Dinge geschehen seht, erkennt, daß das Königreich Gottes nahe ist“ (Lukas 21:27-31).
Gute Gründe zur Wachsamkeit
Jesus Christus nannte seinen Jüngern also gute Gründe dafür, warum sie geistig wach bleiben und nach dem „Zeichen“ ausblicken sollten. Das Eintreffen des Zeichens würde bedeuten, daß ihr Herr unsichtbar ‘gegenwärtig’ sei, da ja im Falle einer körperlichen, sichtbaren Gegenwart kein Zeichen nötig wäre. Aber seine geistige Gegenwart würde auch bedeuten, daß die böse „Welt“ oder das böse „System der Dinge“ seinen „Abschluß“ oder seine Zeit des Endes erreicht haben würde. Für Christen würde das bedeuten, daß ihre „Befreiung naht“. Ja, es würde bedeuten, daß das „Königreich Gottes nahe ist“.
Ist nicht gerade das der Kern der christlichen Hoffnung? Ist es nicht genau das, was in dem Gebet erwähnt wird, das alle Christen zu beten gelehrt wurden, nämlich: „Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden.“ (Matthäus 6:9, 10, Jerusalemer Bibel)? Sollten Katholiken, die beim Beten das Paternoster ständig wiederholen, oder Angehörige anderer Kirchen, die das Mustergebet aufsagen, nicht logischerweise wachsam sein, um die Erhörung ihres Gebets erleben zu können? Oder könnte es etwa sein, daß durch die Lehren ihrer Kirchen dieses Gebet größtenteils seiner Bedeutung beraubt worden ist, so daß nicht mehr viel übriggeblieben ist, weswegen sie wachen sollten?
Warum viele nicht mehr wachsam sind
Christen sollten nach dem Zeichen für Christi Gegenwart (griech. parusía; in vielen Bibelübersetzungen mit „Kommen“ oder „Ankunft“ wiedergegeben) Ausschau halten. Warum? Weil das Eintreffen des Zeichens bedeuten würde, daß das Königreich Gottes, ihre eigene Befreiung und das Ende der „Welt“ oder des gegenwärtigen bösen „Systems der Dinge“ nahe wären. Die verschiedenen Kirchen der Christenheit hätten ihren Anhängern helfen sollen, geistig wachsam zu bleiben, damit sie bei der Ankunft des Herrn nicht schlafend vorgefunden würden. Haben die Kirchen ihre Mission in dieser Hinsicht erfüllt?
In einem Nachschlagewerk heißt es: „Während die Zeit verstrich, ohne daß die Parusie eintraf, rückte sie, was die Kirche betrifft, immer weiter in die Zukunft und lief schließlich Gefahr, als Glaubensartikel aufgegeben zu werden“ (The New International Dictionary of New Testament Theology).
Das ist auch tatsächlich passiert. Die Kirchen der Christenheit haben die christliche Wachsamkeit aufgegeben, die Jesus seinen Jüngern gebot und die sie nie vernachlässigen sollten. Sie halten nicht mehr nach Christi Gegenwart und dem Kommen des Königreiches Gottes Ausschau. Sie haben die Erwartung des „Abschlusses des Systems der Dinge“ oder des „Endes der Welt“ wegdiskutiert.
Das einbändige französische Lexikon QUID 1984 vermittelt eine aktuelle Beschreibung der Ansichten über das Ende der Welt. In dem Artikel „Charakteristiken der katholischen Religion“ heißt es: „Es scheint, daß die Kirche heute das Ende der Welt als die persönliche Prüfung definiert, die jeder bestehen muß, wenn er stirbt.“ Noch deutlicher wird das Problem in der New Encyclopædia Britannica geschildert: „Die etablierten christlichen Kirchen schoben die Eschatologie [Lehre von den „letzten Dingen“] als bedeutungslos oder als einen nichtssagenden Mythos beiseite.“
Wie lautet daher die überraschende, doch unumgängliche Antwort auf die Frage: „Was ist aus der christlichen Wachsamkeit geworden?“? Sie ist von den „etablierten christlichen Kirchen“, das heißt der katholischen Kirche und den orthodoxen sowie den großen protestantischen Kirchen, erstickt worden. Obwohl die Angehörigen dieser Kirchen nicht die Schuld trifft, mögen sich viele von ihnen fragen, wie und warum ihre Kirche die christliche Erwartung der Gegenwart Christi, des Kommens des Königreiches Gottes und des Endes des gegenwärtigen bösen Systems der Dinge wegdiskutiert hat. Die historischen Tatsachen, die dazu führten, werden im folgenden Artikel untersucht.
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Wie die christliche Erwartung dahinschwandDer Wachtturm 1984 | 1. Dezember
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Wie die christliche Erwartung dahinschwand
JESUS sagte seinen Jüngern, sie sollten ‘beständig wachen’ und nach seiner Gegenwart und dem Kommen seines Königreiches Ausschau halten (Markus 13:37). In den Christlichen Griechischen Schriften gibt es eine Menge Beweise dafür, daß die Christen des ersten Jahrhunderts genau das taten. Einige wurden sogar ziemlich ungeduldig (2. Thessalonicher 2:1, 2). Andererseits schrieben Paulus, Jakobus, Petrus und Johannes — um einem Abflauen der christlichen Erwartung vorzubeugen — Briefe, in denen sie ihre Brüder ermahnten, geistig wach zu bleiben, während sie geduldig Christi „Gegenwart“ und „Jehovas Tag“ erwarteten (Hebräer 10:25, 37; Jakobus 5:7, 8; 1. Petrus 4:7; 2. Petrus 3:1-15; 1. Johannes 2:18, 28).
Diese Tatsache wird in Nachschlagewerken, herausgegeben von Historikern und Theologen der Christenheit, anerkannt. In dem umfangreichen Ergänzungsband des angesehenen französischen katholischen Bibellexikons Dictionnaire de la Bible wird ausgeführt: „Es wäre vergebliche Mühe, um jeden Preis den Zustand der Erwartung des Endes leugnen zu wollen, der in den meisten Texten des Neuen Testaments offenkundig ist. ... Im frühen Christentum ... spielt die Erwartung der Parusie [Gegenwart] eine wesentliche Rolle und ist von Anfang bis Ende des N[euen] T[estaments] vorzufinden.“
Doch warum wollen manche Theologen der Christenheit „um jeden Preis den Zustand der Erwartung des Endes leugnen“, der unter den ersten Christen herrschte? Sie tun es zweifellos deshalb, um den Zustand geistiger Schläfrigkeit zu rechtfertigen, der heute unter vielen sogenannten Christen und ihren geistigen Führern herrscht. Wie kam es zu diesem Wandel?
Wie die Erwartung dahinschwand
Das Abflauen der christlichen Erwartung war eine der Folgen der Abtrünnigkeit, die sich schon vor dem Tod der Apostel Christi bemerkbar machte. Der Apostel Paulus sagte warnend, daß zu seiner Zeit in der Christenversammlung der Abfall „bereits am Werke“ war (2. Thessalonicher 2:3, 4, 7). Einige Jahre später ermahnte der Apostel Petrus seine Mitchristen, vor „falschen Lehrern“ und „Spöttern“ auf der Hut zu sein, die sagen würden: „Wo ist diese seine verheißene Gegenwart? Ja, von dem Tage an, da unsere Vorväter im Tod entschlafen sind, gehen alle Dinge genauso weiter wie von Anfang der Schöpfung an“ (2. Petrus 2:1; 3:3, 4).
Interessanterweise wurde die angebrachte christliche Erwartung eine Zeitlang von denjenigen aufrechterhalten, die an die biblische Wahrheit glaubten, daß Jesu verheißene „Gegenwart“ ein Vorbote seiner herannahenden Tausendjahrherrschaft über die Erde sein werde. Justin der Märtyrer (gestorben um 165 u. Z.), Irenäus (gestorben um 202) und Tertullian (gestorben nach 220) glaubten ausnahmslos an Christi Tausendjahrherrschaft und befürworteten die gespannte Erwartung des Endes des gegenwärtigen bösen Systems der Dinge.
Während die Zeit verstrich und der Abfall voranschritt, wich die Hoffnung, daß die ganze Erde unter Christi Königreich in ein Paradies umgewandelt wird, einer imaginären Erwartung, die auf dem aus der griechischen Philosophie stammenden Begriff von einer angeborenen menschlichen Unsterblichkeit beruhte. Die Hoffnung auf das Paradies wurde von der Erde in den Himmel verlagert. Von nun an konnte man bereits beim Tod dorthin gelangen. Daher verblich die christliche Erwartung der Parusie oder Gegenwart Christi und des Kommens seines Königreiches. Man folgerte: „Wozu sehnsüchtig nach dem Zeichen der Gegenwart Christi Ausschau halten, wenn man die Hoffnung haben kann, beim Tod mit Christus im Himmel vereint zu werden?“
Das Dahinschwinden der christlichen Wachsamkeit veranlaßte abgefallene Christen, sich zu einer festgefügten Kirche zu organisieren, deren Aufmerksamkeit sich nicht mehr auf die kommende Parusie oder Gegenwart Christi richtete, sondern vielmehr auf die Beherrschung ihrer Mitglieder und, wenn möglich, die Beherrschung der Welt. In der New Encyclopædia Britannica heißt es: „Die [augenscheinliche] Verzögerung der Parusie bewirkte in der frühen Kirche eine Schwächung der unmittelbaren Erwartung. In diesem Prozeß der ‚Deeschatologisierung‘ [Schwächung der Lehre von den „letzten Dingen“] ersetzte die institutionelle Kirche in zunehmendem Maße das erwartete Königreich Gottes. Die Entstehung der katholischen Kirche als einer hierarchischen Institution steht in direktem Zusammenhang mit dem Verbleichen der unmittelbaren Erwartung.“
Danach der Todesstoß
Der Kirchen„vater“ oder -„lehrer“, der der christlichen Wachsamkeit den Todesstoß versetzte, war zweifellos Augustinus von Hippo (354—430 u. Z.). Augustinus schrieb in seinem berühmten Werk Der Gottesstaat: „Die jetzige Kirche auf Erden ist sowohl das Königreich Christi als auch das Königreich der Himmel.“
In dem Werk The New Bible Dictionary wird erklärt, welche Auswirkungen dieser Standpunkt auf die katholische Theologie hatte: „Ein bezeichnendes Merkmal der römisch-katholischen Theologie besteht darin, daß das Königreich Gottes als die Kirche auf Erden identifiziert wird — eine Identifikation, die in erster Linie dem Einfluß des Augustinus zuzuschreiben ist. Durch die Hierarchie der Kirche wird Christus als der König des Königreiches Gottes verwirklicht. Das Gebiet des Königreiches reicht so weit wie die Grenzen der Macht und der Autorität der Kirche. Das Königreich der Himmel wird durch die Mission und durch das Vordringen der Kirche in der Welt ausgedehnt.“
Dadurch erübrigte sich jegliche Notwendigkeit, „wachsam“ zu sein, um das Zeichen sehen zu können, das zeigen würde, daß Gottes Königreich nahe sei. Genau das bestätigt Professor E. W. Benz in der New Encyclopædia Britannica: „Er [Augustinus] entkräftete den Nachdruck auf die ursprüngliche unmittelbare Erwartung, indem er erklärte, das Königreich Gottes habe in dieser Welt bereits mit der Gründung der Kirche zu herrschen begonnen; die Kirche sei der historische Repräsentant des Königreiches Gottes auf Erden. Laut Augustinus vollzieht sich die erste Auferstehung fortlaufend in der Kirche in Form des Sakraments der Taufe, durch die die Gläubigen in das Königreich Gottes gelangen.“
Augustinus sorgte auch dafür, daß die Christenheit endgültig die biblische Hoffnung auf Jesu Tausendjahrherrschaft aufgab, unter der auf der Erde das Paradies wiederhergestellt wird (Offenbarung 20:1-3, 6; 21:1-5). In der Catholic Encyclopedia wird zugegeben: „Der heilige Augustinus gelangte schließlich zu der Überzeugung, daß es kein Millennium geben werde. ... der Tausendjahrsabbat, der sich den sechstausend Jahren Geschichte anschließt, ist die Gesamtheit des ewigen Lebens; mit anderen Worten: Die Zahl 1 000 ist Ausdruck der Vollkommenheit.“ In der Makropædia der Encyclopædia Britannica (1977) ist zu lesen: „Er [Augustinus] betrachtete das Millennium schließlich als einen geistigen Zustand, in den die Kirche zu Pfingsten als Gesamtheit eingetreten war. ... Ein unmittelbarer übernatürlicher Eingriff in die Geschichte wurde nicht erwartet.“ Damit war das Gebet „Dein Reich komme“ für Katholiken bedeutungslos geworden.
Finsteres Mittelalter
Die Deutung des Augustinus wurde, wie es heißt, „im Mittelalter zur Standardlehre“. Die christliche Erwartung erreichte daher ein noch nie dagewesenes Tief. Wir lesen: „Im Christentum des Mittelalters erhielt die neutestamentliche Eschatologie ihren Platz in einem System von Dogmen, deren philosophische Grundlagen zuerst platonisch [von dem griechischen Philosophen Platon] und später im Westen aristotelisch [von dem griechischen Philosophen Aristoteles] waren. Traditionelle Vorstellungen von der Parusie, der Auferstehung und dergleichen wurden mit griechischen Vorstellungen von der Seele und ihrer Unsterblichkeit kombiniert. ... Das Christentum des Mittelalters ... [ließ] der eschatologischen Leidenschaft wenig Raum. Diese Leidenschaft war jedoch nicht abgestorben; sie lebte in gewissen häretischen Bewegungen fort“ (Encyclopædia Britannica, 1970).
Die katholische Kirche spricht von solchen „häretischen Bewegungen“ abschätzig, indem sie sie als „Millenniumssekten“ bezeichnet. Ihre Historiker sprechen verächtlich von dem „falschen Alarm vor dem Jahre 1000“. Doch wessen Fehler war es, daß viele vom einfachen Volk befürchteten, die Welt werde im Jahre 1000 enden? Dieser „falsche Alarm“ war eine direkte Folge der Theologie des katholischen „Heiligen“ Augustinus. Er behauptete, Satan sei zur Zeit des ersten Kommens Christi gebunden worden. Da es in Offenbarung 20:3, 7, 8 heißt, daß Satan 1 000 Jahre gebunden wäre und dann „losgelassen“ würde, „um die Völker zu verführen“ (Jerusalemer Bibel), ist es kein Wunder, daß im 10. Jahrhundert manche Leute Angst vor dem hatten, was im Jahre 1000 passieren könnte.
Natürlich wurde dieser „falsche Alarm“ von der katholischen Kirche offiziell verurteilt, ebenso wie die Voraussage des Zisterzienserabts Joachim von Fiore, der das Ende der christlichen Ära für das Jahr 1260 ankündigte. Schließlich erließ Papst Leo X. im Jahre 1516 beim 5. Laterankonzil das Gesetz, daß kein Katholik voraussagen darf, wann der Antichrist und das Jüngste Gericht kommen werden. Auf die Verletzung dieses Gesetzes stand Exkommunikation.
Von Protestanten wegdiskutiert
Theoretisch gesehen hätte durch die Reformation im 16. Jahrhundert, die eine Rückkehr zur Bibel hätte sein sollen, die christliche Erwartung wiederaufleben müssen. Das war auch eine Zeitlang der Fall. Doch in dieser wie in manch anderer Hinsicht erfüllte die Reformation ihre Versprechungen nicht. Sie war keine Rückkehr zum wahren biblischen Christentum. Die in der Reformation geborenen protestantischen Kirchen verloren bald ihre christliche Wachsamkeit und ließen sich mit der Welt ein.
Wir lesen: „Die Kirchen der Reformation dagegen wurden bald institutionelle territoriale [nationale] Kirchen, die wiederum die Endzeiterwartung zurückdrängten, und dadurch wurde die Lehre von den ‚letzten Dingen‘ zum Anhängsel der Dogmatik.“ „In dem religiösen Liberalismus, der vor allem unter Protestanten und Juden gegen Ende des 18. und im 19. Jahrhundert entstand, hatte die Eschatologie keinen Platz. Sie wurde als ein Teil der simplen, primitiven, überholten Überbleibsel einer traditionellen Religion betrachtet, die in einem Zeitalter der Aufklärung nicht mehr akzeptiert werden konnte. In den meisten Fällen wurden eschatologische Vorstellungen rundweg verworfen, und man hielt lediglich an der Unsterblichkeit der Seele als Bestimmung des Menschen fest. Von anderen Theologen wurde die Erwartung des Königreiches Gottes in eine ethische, quasimystische oder soziale Form uminterpretiert“ (Encyclopædia Britannica).
Protestantische Theologen haben also, statt Christen zu helfen, nach Christi Gegenwart und dem Kommen des Königreiches Gottes Ausschau zu halten, die wahre christliche Erwartung wegdiskutiert. Viele von ihnen „sahen das Königreich Gottes ... in zunehmendem Maße in einem individualistischen Rahmen; es ist die Souveränität der Gnade und des Friedens im Herzen der Menschen“. Für andere ist „das Kommen des Königreiches der Vormarsch der sozialen Gerechtigkeit und die kommunale Weiterentwicklung“ (The New Bible Dictionary).
Katholische Erwartungen
Zumindest theoretisch gesehen, sollten Katholiken geistig wachsam sein und nach Christi Gegenwart Ausschau halten. Obwohl die Theologie des Augustinus der Königreichserwartung und der Millenniumshoffnung der Katholiken ein Ende setzte, schließt das Dogma der katholischen Kirche nach wie vor die christliche Pflicht ein, nach Christi Wiederkehr Ausschau zu halten. Zum Beispiel sandte die Kongregation für die Glaubenslehre den katholischen Bischöfen in der ganzen Welt einen von Papst Johannes Paul II. approbierten und mit dem 17. Mai 1979 datierten Brief, in dem es hieß: „In Übereinstimmung mit der Schrift erwartet die Kirche ‚die glorreiche Offenbarwerdung unseres Herrn Jesus Christus‘.“
So sieht die katholische Lehre in der Theorie aus. Wie ist es dagegen in der Praxis? Wie oft hört der Durchschnittskatholik von seinem Priester Predigten über die Notwendigkeit, nach Christi Gegenwart und dem Kommen des Königreiches Gottes Ausschau zu halten? Interessanterweise hatte der oben zitierte Brief der römischen Kurie den Zweck, „den Glauben der Christen in bezug auf Punkte, die in Frage gestellt worden waren, zu stärken“. Doch warum ist die Wiederkunft Christi von sogenannten Christen in Frage gestellt worden? Könnte die Antwort in den folgenden Zitaten aus der New Encyclopædia Britannica liegen? „Die Kirche hat all die Lehren, die mit den letzten Dingen zu tun haben, lange vernachlässigt.“ „Seit der Reformation ist die römische Kirche gegen eschatologische Bewegungen so gut wie immun.“
Die christliche Wachsamkeit ist nicht erstorben
Die christliche Wachsamkeit schwand in den Kirchen der Christenheit dahin, weil sie die eindeutigen Wahrheiten der Bibel verwarfen und es vorzogen, sich an die griechische Philosophie und die Theologie des „Heiligen“ Augustinus zu halten. Die folgenden Artikel werden zeigen, daß Gottes wahre Diener immer in der Erwartung der Gegenwart Christi gelebt haben und daß es heute ein Volk gibt, das über Jahre hinweg seine christliche Wachsamkeit bewiesen und eine wunderbare Hoffnung wiederentdeckt hat, die auch du dir zu eigen machen kannst. Lies doch weiter, und bitte dann einen Zeugen Jehovas, dir zu helfen, nach der Erfüllung dieser biblischen Hoffnung Ausschau zu halten.
[Herausgestellter Text auf Seite 5]
„Es wäre vergebliche Mühe, ... den Zustand der Erwartung des Endes leugnen zu wollen, der in den meisten Texten des Neuen Testaments offenkundig ist“
[Bild auf Seite 6]
Augustinus war der Auffassung, die Kirche auf Erden sei das Königreich Christi
[Bild auf Seite 7]
Im Jahre 1516 erließ Papst Leo X. das Gesetz, daß kein Katholik voraussagen darf, wann das Jüngste Gericht kommen wird
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Glücklich, wen der Herr wachend findet!Der Wachtturm 1984 | 1. Dezember
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Glücklich, wen der Herr wachend findet!
„Glücklich sind jene Sklaven, die der Herr bei seiner Ankunft wachend findet!“ (LUKAS 12:37).
1. Warum haben Jehovas Diener immer ‘seiner geharrt’, doch welche Frage kann in bezug auf die Kirchen der Christenheit gestellt werden?
„JEHOVA ist ein Gott des Gerichts. Glücklich sind alle, die seiner harren“ (Jesaja 30:18). Seit Jehova die endgültige Niederlage der Schlange und die Befreiung durch den verheißenen Samen angekündigt hat, leben seine treuen Diener in Erwartung der Erfüllung dieser Verheißung (1. Mose 3:15). Helfen jedoch die Theologen der Christenheit den Angehörigen ihrer Kirchen, nach dieser endgültigen Befreiung von Satan und seinem Samen Ausschau zu halten?
2. Warum sollten die „Nationen“ nach „Schilo“ Ausschau halten?
2 Jakob sagte in seiner Sterbebettprophezeiung voraus, daß der verheißene Same durch den Stamm Juda kommen werde. Er gab dem Samen den symbolischen Namen Schilo und sagte, daß „ihm ... der Gehorsam der Völker gehören“ wird. In der griechischen Septuaginta heißt es, Schilo werde „die Erwartung von Nationen“ sein (1. Mose 49:10). Die „Nationen“ sollten vor allem deshalb nach Schilo Ausschau halten, weil Jehova dem Großvater Jakobs, Abraham, verheißen hatte: „Durch deinen Samen werden sich bestimmt alle Nationen der Erde ... segnen“ (1. Mose 22:18). Doch zuerst mußte dieser Same, Schilo, oder der Messias als Nachkomme Abrahams auf die Erde kommen und in den Stamm Juda hineingeboren werden.
Ein wachsamer jüdischer Überrest
3. Was sagte Lukas über die Erwartung des jüdischen Volkes im Jahre 29 u. Z., und wird das durch die Geschichte bestätigt?
3 Der jüdische Historiker Lukas schrieb, daß „im fünfzehnten Jahr der Regierung des Tiberius Cäsar [29 u. Z.] ... das Volk in Erwartung war und alle wegen Johannes [des Täufers] in ihrem Herzen überlegten: ‚Ist er vielleicht der Christus [hebr. Maschíach, Messias]?‘“ (Lukas 3:1, 15). Wird diese Feststellung des Lukas durch die weltliche Geschichtsschreibung bestätigt? In Emil Schürers Werk History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (revidierte Ausgabe) wird die Frage aufgeworfen: „Blieb diese Hoffnung [die messianische Erwartung] stets im Volk lebendig?“ Die Antwort lautet: „In den letzten vorchristlichen Jahrhunderten und vor allem im 1. Jahrhundert u. Z. wurde sie um so lebendiger, wie die Pseudepigraphen [jüdische apokalyptische Literatur], Qumran [die Schriften der Gemeinde am Toten Meer], Josephus und die Evangelien so deutlich zeigen. ... Die Visionen im Buch Daniel ... übten einen nachhaltigen Einfluß auf die Entstehung der messianischen Idee aus.“
4, 5. (a) Warum erwarteten die Juden damals den Messias, und wie wird das bestätigt? (b) Welche Art Messias erwarteten viele Juden, doch wem offenbarte Jehova das Kommen des wahren Messias?
4 Ein Gelehrter schrieb in einem Kommentar zu Matthäus 2:2: „Zur damaligen Zeit hegte man die Erwartung, daß in Judäa bald eine bemerkenswerte Persönlichkeit erscheinen werde. Die Juden hielten gespannt nach dem Kommen des Messias Ausschau. Durch Berechnung der in Daniel (Kap. 9:25-27) erwähnten Zeit wußten sie, daß sich die Epoche, in der der Messias erscheinen sollte, näherte.“ Zu erwähnen wäre noch, daß die römischen Historiker Sueton und Tacitus wie auch die jüdischen Historiker Josephus und Philo von diesem Zustand der Erwartung berichten. Bestätigt wird das in dem französischen Werk Manuel Biblique von Bacuez und Vigouroux (Bd. 3, S. 191), wo es heißt: „Die Menschen wußten, daß sich die von Daniel angegebenen siebzig Jahrwochen dem Ende näherten; niemand war überrascht von der Ankündigung Johannes’ des Täufers, daß das Königreich Gottes sich genaht habe.“
5 Es gibt somit historische Beweise dafür, daß die Juden das Kommen des Messias oder des verheißenen Samens erwarteten und daß diese Erwartung darauf zurückzuführen war, daß sie nach der Erfüllung einer Zeitprophezeiung Ausschau hielten (Daniel 9:24-27).a Natürlich erhofften sich die meisten Juden des ersten Jahrhunderts, die den verschiedenen Sekten des Judaismus angehörten, einen politischen Messias, der, wie in der Concise Jewish Encyclopedia gesagt wird, „die Feinde Israels vernichten und eine vollkommene Ära des Friedens und der Vollkommenheit einleiten würde“. Doch ein Überrest treuer Juden hielt aufmerksam nach dem wahren Messias Ausschau. Zu ihnen gehörten Sacharja und Elisabeth — die Eltern Johannes’ des Täufers —, Simeon, Anna, Joseph und Maria (Matthäus 1:18-21; Lukas 1:5-17, 30, 31, 46, 54, 55; 2:25, 26, 36-38). Ihnen, aber nicht den religiösen Führern des Judaismus, gab Jehova die Bestätigung für das, wonach sie dank Daniels Zeitprophezeiung ausblicken konnten, nämlich nach dem Kommen des verheißenen Samens oder Messias, „als ... die Grenze der Fülle der Zeit gekommen war“ (Galater 4:4).
Die Wachsamkeit der ersten Christen
6. Wie wurden die Kinder der Juden erzogen, und wieso war das für manche eine Hilfe, Jesu Jünger zu werden?
6 Joseph und Maria wußten, daß das Kind (Jesus), das sie großzogen, der Messias werden sollte. In der New Encyclopædia Britannica heißt es bezüglich seiner Erziehung: „Jesus wuchs wahrscheinlich in der Frömmigkeit auf, die im Elternhaus und in der Synagoge vorherrschte (dazu gehörten Bibelstudium, Gehorsam gegenüber dem Gesetz, Gebet und Erwartung des endgültigen Kommens des Messias).“ Andere Kinder, die in den Familien des treuen jüdischen Überrests aufwuchsen, wurden ebenfalls mit der messianischen Hoffnung vertraut. Diese angebrachte Erwartung versetzte zumindest einige von ihnen in die Lage, unverzüglich der Aufforderung zu folgen, Jesu Jünger zu werden (Markus 1:17-20; Johannes 1:35-37, 43, 49).
7. (a) Lehrte Jesus, daß sich das Königreich im Innern des einzelnen Christen befindet? (b) Wonach sollten Christen Ausschau halten?
7 Jesus lehrte seine Jünger kurz vor dem Ende seines irdischen Dienstes, nach seiner künftigen „Gegenwart“ und dem Kommen seines Königreiches auszublicken. In der Britannica heißt es: „In den durch die Evangelien überlieferten Aussprüchen Jesu fehlt es nicht an diesen traditionellen Leitgedanken vom Ende der Welt, vom Jüngsten Gericht und von der neuen Welt Gottes. Jesus hat also auf keinen Fall das Königreich der Himmel in eine bloße religiöse Erfahrung der einzelnen Menschenseele verwandelt oder der jüdischen eschatologischen Erwartung die Bedeutung eines der Welt innewohnenden Entwicklungsprozesses oder eines durch menschliche Anstrengungen erreichbaren Ziels verliehen. ... Er teilte weder die Hoffnung auf einen nationalen Messias, noch förderte er sie, ... noch unterstützte er die Bemühungen der Zeloten, das Kommen des Königreiches Gottes zu beschleunigen.“ Nein, er beschrieb ein vielgestaltiges Zeichen, woran die Christen zuerst die herannahende Zerstörung Jerusalems erkennen sollten, und viel später sollte es als ‘Zeichen seiner Gegenwart und des Abschlusses des Systems der Dinge’ dienen (Matthäus 24:3 bis 25:46; Lukas 21:20-22).
8. Was zeigt, daß Jesus nicht glaubte, er werde ziemlich bald in sein Königreich kommen, und welchen Rat gab er daher seinen Nachfolgern?
8 Freidenker und selbst einige Theologen der Christenheit behaupten, daß die ersten Christen zu ihrer Zeit mit Christi Parusie oder Gegenwart rechneten. Manche vermuten sogar, Jesus selbst habe geglaubt, er werde sehr bald in sein Königreich kommen. Doch in seinen Veranschaulichungen von den Talenten und den Minen zeigte Jesus, daß er erst „nach langer Zeit“ in Königsmacht wiederkommen und mit seinen Sklaven, denen er seine Habe anvertraut habe, abrechnen werde (Matthäus 25:14, 19; Lukas 19:11, 12, 15). In seiner Prophezeiung über das ‘Zeichen seiner Gegenwart und des Abschlusses des Systems der Dinge’ gab er zu, daß „weder die Engel der Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater“ ‘Tag und Stunde’ des Endes kannte. Er fügte hinzu: „Wacht deshalb beharrlich, weil ihr nicht wißt, an welchem Tage euer Herr kommt“ (Matthäus 24:3, 14, 36, 42).
9. Vermittelte der Apostel Paulus den Eindruck, daß er dachte, Christi Gegenwart habe in seinen Tagen unmittelbar bevorgestanden? Erkläre es.
9 In bezug auf den Glauben der ersten Christen an das unmittelbare Bevorstehen der Gegenwart Christi heißt es in einem Nachschlagewerkb: „Die Annahme, Paulus habe gemäß 1. Thes. die Parusie bald erwartet, ist bei weitem nicht stichhaltig. Schon in 1. Thes. 5:10 schreibt Paulus von der Möglichkeit, daß er sterben werde. Da Paulus in 1. Thes. 4:15 und 17 ‚wir‘ sagt, kann nicht die Möglichkeit von der Hand gewiesen werden, daß er sich mit der letzten Generation identifiziert, ohne notwendigerweise sagen zu wollen, er selbst gehöre dazu.“ In seinem zweiten Brief an Timotheus zeigte Paulus deutlich, daß er nicht erwartete, seinen Lohn noch vor „jenem Tage“ zu erhalten — dem Tag des „Offenbarwerdens“ Christi in seinem Königreich, an dem er „die Lebenden und die Toten ... richten“ würde (2. Timotheus 4:1, 8).
10. Inwiefern erwies sich die angebrachte christliche Wachsamkeit für die Christen in Judäa im ersten Jahrhundert als lebensrettend?
10 Christen sollten, während sie die Gegenwart Jesu Christi und das Kommen seines Königreiches erwarteten, wachsam bleiben. Die Christen in Judäa waren dank ihrer angebrachten christlichen Wachsamkeit imstande, das Zeichen für die herannahende Zerstörung Jerusalems zu erkennen, das Jesus angekündigt hatte (Lukas 21:20-24). Als im Jahre 66 u. Z. Cestius Gallus Jerusalem angriff, machten sich die aufmerksamen Christen seinen plötzlichen, unerklärlichen Rückzug zunutze und flohen aus der Stadt und den umliegenden Gebieten Judäas. Gemäß den frühen Kirchenhistorikern Hegesippus, Eusebius und Epiphanius flohen die Christen aus Judäa über den Jordan an einen Ort namens Pella. Dadurch, daß sie geistig hellwach waren, wurden sie vor dem Tod oder der Gefangenschaft bewahrt, als die römischen Armeen im Jahre 70 u. Z. unter General Titus zurückkehrten und Jerusalem zerstörten. Wie glücklich diese Christen darüber gewesen sein müssen, daß sie wach geblieben waren!
Christliche Erwartung nach 70 u. Z.
11, 12. Welche Einstellung sollten die Christen nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 u. Z. haben, und inwiefern würde das ihnen zum Schutz dienen?
11 Welche Einstellung war für Christen nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 u. Z. all die Jahrhunderte hindurch bis zur Zeit des Endes geboten, da ja Jesu Gegenwart erst „nach langer Zeit“ zu erwarten war? Sollte die christliche Erwartung abkühlen oder sozusagen „auf Eis gelegt“ werden? Nein! Die drei Briefe des Apostels Johannes und die Offenbarung oder Apokalypse wurden nach 70 u. Z. geschrieben. Johannes warnt in seinem ersten Brief vor dem „Antichristen“ und ermahnt Christen, in Gemeinschaft mit Christus zu bleiben, während sie seine „Gegenwart“ und sein Offenbarwerden erwarten (1. Johannes 2:18, 28; 3:2). In allen drei Briefen warnt Johannes vor Abtrünnigen. Das Buch der Offenbarung ist von Anfang bis Ende auf Christi Kommen in der Herrlichkeit seines Königreiches ausgerichtet, und noch im vorletzten Satz lesen wir: „Amen! Komm, Herr Jesus“ (Offenbarung 22:20).
12 Die Christen mußten parusiebewußt sein. Das heißt, sie mußten Tag für Tag in der Erwartung der „Gegenwart“ Christi leben. Ernst Benz, Professor für Kirchengeschichte, schrieb: „Die ‚letzten Dinge‘ waren für die Treuen der frühen Kirche die ersten Dinge, was die Dringlichkeit anbelangte. Der zentrale Gehalt ihres Glaubens und ihrer Hoffnung war das Kommen des Reiches Gottes.“ Selbst wenn das Königreich nicht zu ihren Lebzeiten kommen würde, würde diese angebrachte erwartungsvolle Haltung die Christen davor bewahren, in geistiger Hinsicht schläfrig zu werden und sich mit Satans Welt einzulassen (1. Johannes 2:15-17).
13, 14. Welche beiden Extreme herrschten unter den abtrünnigen Christen im 2. und 3. Jahrhundert u. Z. vor?
13 Zugegeben, als nach dem Tod der Apostel der Abfall eintrat, entwickelte manch einer falsche Vorstellungen über die Nähe des Kommens Christi in sein Königreich. C. J. Cadoux schrieb in seinem Werk The Early Church and the World (Die frühe Kirche und die Welt): „Sowohl Irenäus [2. Jahrhundert u. Z.] als auch Hippolytus [Ende des 2., Anfang des 3. Jahrhunderts u. Z.] dachten, es wäre möglich, mit ziemlich großer Genauigkeit zu berechnen, wann das Ende kommen würde.“ Manche dachten aufgrund einer fehlerhaften Chronologie, daß schon fast 6 000 Jahre Menschheitsgeschichte vergangen seien und bald das siebente Millennium anbrechen werde. Sie waren natürlich im Irrtum. Doch zumindest bemühten sie sich, geistig wach zu bleiben.
14 Im Gegensatz dazu verloren die meisten abtrünnigen Christen jeglichen Sinn für die Dringlichkeit und die Erwartung des Königreiches. Im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament wird erklärt: „Bei den der Metaphysik [Philosophie] Platos und der Ethik der Stoa verhafteten christlichen Apologeten [Kirchenväter des 2. und des frühen 3. Jahrhunderts] kommt der Begriff Gottesreich sehr selten vor. Soweit eine Eschatologie vorliegt, ist sie beherrscht von der Frage nach der Vollendung des einzelnen Christen. ... Wichtiger als der biblische Begriff ... [des Königreiches Gottes sind] die griechischen Begriffe der Unsterblichkeit, des (ewigen) Lebens, der Erkenntnis ... In ähnlicher Weise ist bei Origenes [ca. 185 bis ca. 254 u. Z.] ... die ... Botschaft vom Gottesreich zum mindesten verkürzt.“
15. Welche Einstellung entwickelte sich, während die Abtrünnigkeit fortschritt, in den etablierten Kirchen hinsichtlich der Lehre von den „letzten Dingen“?
15 Das war im wesentlichen die Auffassung, die während all der Jahrhunderte in den sogenannt christlichen Kirchen vorherrschte. In der Encyclopædia Britannica wird enthüllt: „Seit der Zeit des römischen Kaisers Konstantin (gestorben 337) wird die politische Anerkennung des Christentums als verwirklichte Hoffnung auf das Königreich Christi verstanden. Die zukunftsbezogene Eschatologie lebte in den unterdrückten Untergrundsekten fort. ... In der Epoche vor der Reformation im 16. Jahrhundert bezichtigten häretische Gruppen ... die römische Kirche des Verrats an der ursprünglichen eschatologischen unmittelbaren Erwartung.“
Glücklich, wen der Herr wachend findet!
16. Welche Gruppen traten im 19. Jahrhundert in Erscheinung, und was glaubten einige von ihnen?
16 Da die „etablierten christlichen Kirchen“ nicht mehr nach der Gegenwart Christi und seinem Empfang der Königsmacht ausblickten, blieb das denen überlassen, die von diesen Kirchen als „häretische Gruppen“ bezeichnet wurden. Im 19. Jahrhundert traten in Ländern, wo die Bibel und die Bibelstudienhilfsmittel dem gewöhnlichen Volk zugänglich waren, mehrere solche Gruppen in Erscheinung. Die großen Kirchen, für die jegliche Lehre von den „letzten Dingen“ bedeutungslos geworden war, nannten diese verächtlich „Adventisten“ oder „Millenarier“, da sie dem „zweiten Advent“ Christi entgegensahen und glaubten, Christus werde bald tausend Jahre herrschen. Viele dieser Gruppen erwarteten, Christus werde zur Erde zurückkehren, um sein tausendjähriges Königreich aufzurichten. Manche von ihnen berechneten Christi zweiten Advent für das Jahr 1835 (die Irvingianer in England), 1836 (Bengels Anhänger in Deutschland), 1843 (Millers Anhänger in den Vereinigten Staaten) oder 1889 (eine Gruppe von Mennoniten in Rußland).
17, 18. Wie reagierten die etablierten Kirchen der Christenheit, doch worauf würde Jesus, wie er sagte, bei seiner Ankunft achten?
17 Als sich diese Voraussagen als Irrtümer erwiesen, frohlockten natürlich die „etablierten christlichen Kirchen“. Der katholischen Kirche und den orthodoxen oder den großen protestantischen Kirchen unterliefen, wie man sich unschwer vorstellen kann, keine solchen Fehler. Die Lehre von den „letzten Dingen“ war für sie „bedeutungslos“. Sie hatten schon lange vorher aufgehört, ‘beständig zu wachen’ (Markus 13:37).
18 Ja, Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Glücklich sind jene Sklaven, die der Herr bei seiner Ankunft wachend findet! ... Wer ist in Wirklichkeit der treue Verwalter, der verständige, den sein Herr über seine Dienerschaft setzen wird, um ihnen fortwährend ihr Maß an Speisevorrat zur rechten Zeit zu geben? Glücklich ist jener Sklave, wenn ihn sein Herr bei der Ankunft so tuend findet!“ (Lukas 12:37-43).
19, 20. (a) Welche Gruppe entstand in den 1870er Jahren, und warum trennte sie sich von anderen Gruppen? (b) Welche Zeitschrift wurde das offizielle Organ dieser Gruppe, und in welcher Hinsicht hat diese Zeitschrift einer wachsenden Zahl wahrer Christen geholfen?
19 Zu den sogenannten „häretischen Gruppen“, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nach dem Zeichen der Wiederkunft Christi Ausschau hielten, gehörte eine Bibelstudiengruppe in Pittsburgh (USA), der Charles Russell vorstand. Russell schrieb: „Die Jahre 1870 bis 1875 waren eine Zeit ständigen Wachstums in der Gnade, der Erkenntnis und der Liebe zu Gott und zu seinem Wort. ... Doch damals erfaßten wir lediglich den allgemeinen Umriß des göttlichen Plans und legten viele lang gehegte Irrtümer ab ... Wir waren sehr betrübt über den Irrtum der Adventisten, die Christus im Fleische erwarteten.“
20 Russell und seine Mitverbundenen verstanden schnell, daß Christi Gegenwart unsichtbar sein würde. Sie trennten sich von anderen Gruppen und begannen im Jahre 1879 mit der Veröffentlichung von geistiger Speise in der Zeitschrift Zion’s Watch Tower and Herald of Christ’s Presencec. Darin wurde, gestützt auf die Bibel, vom ersten Jahr des Erscheinens an auf das Jahr 1914 als ein epochemachendes Jahr in der biblischen Chronologie hingewiesen. Deshalb waren diese Christen in der glücklichen Lage, im Jahre 1914, als Christi Gegenwart begann, wachend gefunden zu werden. Diese Zeitschrift, jetzt bekannt als Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich, hilft schon seit mehr als einem Jahrhundert einer immer größer werdenden Zahl wahrer Christen, der Aufforderung zu folgen: „Haltet ständig Ausschau, bleibt wach“ (Markus 13:33). Wie das im einzelnen vor sich ging, wird im nächsten Artikel behandelt.
[Fußnoten]
a Ausführlich erklärt wird diese Zeitprophezeiung in dem Buch „Dein Königreich komme“, S. 58—66.
b The New International Dictionary of New Testament Theology, Bd. 2, S. 923.
c Von 1897 an auch in Deutsch: Zions Wacht Turm und Verkünder der Gegenwart Christi.
Einige Wiederholungsfragen
◻ Was beweist, daß einige Juden im ersten Jahrhundert messianische Erwartungen hegten?
◻ Inwiefern war die Wachsamkeit den Christen in Judäa eine Hilfe?
◻ Wie wirkte sich der Abfall auf die christliche Erwartung aus?
◻ Nach welcher Art Sklave hielt Christus Ausschau, während die Zeit des Endes näher rückte?
◻ Welche Gruppe von Christen erfüllte die Bedingungen, und welche Zeitschrift war ihnen dabei eine Hilfe?
[Bild auf Seite 12]
Die Herausgeber dieser Zeitschrift sind stets wachsam gewesen
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Haltet euch bereit!Der Wachtturm 1984 | 1. Dezember
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Haltet euch bereit!
„Haltet ... euch bereit, denn zu einer Stunde, da ihr es nicht für wahrscheinlich haltet, kommt der Sohn des Menschen“ (LUKAS 12:40).
1. Was sagte Christus über die Notwendigkeit, beständig zu wachen?
JESUS Christus ermahnte seine Nachfolger, wachsam zu sein. Zum Beispiel sagte er: „Seht euch also vor; ich habe euch alles vorhergesagt. ... dann werden sie den Sohn des Menschen in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit kommen sehen. ... Von jenem Tage oder der Stunde hat niemand Kenntnis, weder die Engel im Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater. Haltet ständig Ausschau, bleibt wach, denn ihr wißt nicht, wann die bestimmte Zeit da ist. Es ist wie ein Mensch, der, als er außer Landes reiste, sein Haus verließ und seinen Sklaven Vollmacht gab, einem jeden seine Arbeit, und dem Türhüter gebot, wachsam zu sein. Wacht also beharrlich, denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob spät am Tage oder um Mitternacht oder beim Hahnenschrei oder frühmorgens, damit er euch, wenn er plötzlich eintrifft, nicht schlafend finde. Was ich aber euch sage, sage ich allen: Wacht beständig“ (Markus 13:23-37).
2. Welche Verbindung besteht zwischen der Wachsamkeit und dem Mustergebet, aber wie haben die Kirchen der Christenheit die Königreichserwartung entkräftet?
2 In den vorangegangenen Artikeln wurden genügend Beweise aus neutralen Quellen angeführt, die zeigen, daß die Kirchen der Christenheit nicht wachsam geblieben sind. Wie der Catholic Encyclopedia zu entnehmen ist, haben sie die Wichtigkeit der Königreichserwartung entkräftet, indem sie behaupten, das Königreich Gottes bedeute, daß „Gott in unserem Herzen regiert“, und haben dadurch das Mustergebet oder Vaterunser seiner ganzen Bedeutung beraubt. Im Gegensatz dazu stellt die New Encyclopædia Britannica fest: „Die Bitten im Vaterunser setzen die höchst betrübliche Situation voraus, daß Gottes Name und Wille mißachtet werden und daß sein Königreich noch nicht gekommen ist.“ Ja, das Mustergebet setzt Wachsamkeit voraus. Nach welchen Dingen sollten Christen insbesondere Ausschau halten?
„Haltet ständig Ausschau“ — Wonach?
3. Warum sollten Christen den Zeitfaktor nicht ignorieren?
3 Eine nähere Untersuchung der biblischen Prophezeiungen über die „letzten Dinge“ offenbart genau, wonach Christen ‘Ausschau halten’ sollten. Zunächst sollten sie den Zeitfaktor nicht aus dem Auge verlieren, denn Jesus Christus sprach von einer ‘bestimmten Zeit’, die nur dem Vater bekannt sei (Markus 13:32, 33). Außerdem sagte Jesus zu seinen Jüngern, Jerusalem werde „von den Nationen zertreten werden, bis die bestimmten Zeiten der Nationen erfüllt“ seien (Lukas 21:24). Offensichtlich gab Jesus seinen Nachfolgern diese Auskunft, damit sie die Zeit des Endes erkennen könnten, denn sie ist ein Teil seiner Antwort auf die Frage: „Lehrer, wann werden diese Dinge tatsächlich sein, und was wird das Zeichen dafür sein, wann diese Dinge geschehen sollen?“ (Lukas 21:7).
4. Nach welchem „Zeichen“ sollten Christen Ausschau halten?
4 Außer daß sie auf den Zeitfaktor achten sollten, sollten sie nach dem „Zeichen“ ausblicken, das sie erbeten hatten und das auch in Matthäus 24:3 und Markus 13:4 erwähnt wird. Dieses vielgestaltige Zeichen — internationale Kriege, Hungersnöte, Erdbeben, Seuchen und Verfolgung wahrer Christen eingeschlossen — würde zusammen mit der Erfüllung von Zeitprophezeiungen die „Generation“ kennzeichnen, die „auf keinen Fall vergehen“ würde, bis alles eingetreten wäre, was sich in der Zeit des Endes ereignen sollte (Lukas 21:10-12, 32).
5. Inwiefern würde Christus all die Jahrhunderte hindurch bei seinen wahren Nachfolgern sein, doch war das alles, woran er dachte, als er das Zeichen seiner „Gegenwart“ beschrieb?
5 Welche wichtigen Ereignisse, die mit dem „Abschluß des Systems der Dinge“ in Verbindung stehen, würden durch dieses Zeichen angekündigt werden? Jesu Jünger stellten die Frage: „Was wird das Zeichen deiner Gegenwart [griech. parusía] ... sein?“ (Matthäus 24:3). Was würde Jesu „Gegenwart“ bedeuten? Viel mehr, als daß er jedesmal in geistiger Hinsicht bei seinen Nachfolgern wäre, wenn sie zusammenkommen oder ihren Auftrag des Jüngermachens ausführen würden. Diese Art Unterstützung würde er seinen Jüngern all die Jahrhunderte hindurch gewähren (Matthäus 18:20; 28:18-20). Selbst Theologen der Christenheit geben zu, daß das Wort „Gegenwart“ eine besondere Bedeutung erhielt. Das Begriffslexikon zum Neuen Testament kommentiert hierzu: „Der Parusiegedanke [wird nun] mit der von der Gemeinde erwarteten Ankunft Jesu am Ende der Tage verbunden.“ Von Anfang bis Ende der Christlichen Griechischen Schriften werden Christen ermahnt, in Erwartung der Gegenwart Christi zu leben (Matthäus 24:3, 27, 37, 39; Jakobus 5:7, 8; 2. Petrus 3:3, 4; 1. Johannes 2:28; Offenbarung 1:7; 22:7).
6. (a) Was würde Christi Gegenwart für das böse System der Dinge bedeuten? (b) Wie würde sich Christi Gegenwart auf die in Treue gestorbenen gesalbten Christen und auf diejenigen auswirken, die noch auf der Erde leben würden?
6 Die Gegenwart Christi würde nichts Geringeres als den „Abschluß des Systems der Dinge“ bedeuten (Matthäus 24:3; Markus 13:4). Sie würde bedeuten, daß die „Zeit des Endes“ oder die „letzten Tage“ des jetzigen bösen Systems der Dinge gekommen wären (Daniel 12:4, 9; 2. Timotheus 3:1-5). Sie würde bedeuten, daß Jesus von seinem Vater die Anweisung empfangen hätte, die Königreichsherrschaft über die Erde ‘inmitten seiner Feinde’ auszuüben (Psalm 110:2; 2:6-9; Offenbarung 11:15-18). Bevor Christus die Welt im allgemeinen richten würde, würde er seine eigene Versammlung besichtigen und die in Treue gestorbenen gesalbten Christen auferwecken (1. Korinther 15:21, 23; 1. Thessalonicher 2:19; 3:13; 4:13-17; 2. Thessalonicher 2:1). Die gesalbten Christen, die dann noch auf der Erde am Leben wären und in Treue als Christi „Sklave“ handeln würden, indem sie geistig wach blieben und „Speise zur rechten Zeit“ austeilten, würden von Christus „über seine ganze Habe“ — die Königreichsinteressen auf der Erde — gesetzt werden (Matthäus 24:45-47; Lukas 12:42-44). Dieser „treue und verständige Sklave“ müßte sich an einem weltweiten Werk des Predigens „dieser guten Botschaft vom Königreich“ beteiligen und es überwachen, und dann würde „das Ende kommen“ (Matthäus 24:14).
7. Nach welchem anderen Zeichen sollten Christen sogar während der Gegenwart Christi Ausschau halten, und warum würden sie weiterhin darum beten, daß Gottes Königreich „komme“?
7 Wahre Christen müßten ‘beständig wachen’, um nach all den Dingen ausblicken zu können, die beweisen würden, daß sie in der Zeit der Gegenwart Christi und des „Abschlusses des Systems der Dinge“ leben. Doch sogar während der „Zeit des Endes“ sollten sie nach dem „Zeichen des Sohnes des Menschen“ — sein Kommen zur Urteilsvollstreckung an Satans bösem System der Dinge — Ausschau halten (Matthäus 24:30, 44; Markus 13:26, 35; Lukas 12:40; 21:27; 2. Thessalonicher 1:7-10). Obwohl er ‘gegenwärtig’ und sein Königreich bereits aufgerichtet wäre, müßten sowohl er als auch sein Königreich immer noch ‘kommen’ und die Nationen und Königreiche der Welt Satans „zermalmen und ihnen ein Ende bereiten“ (Daniel 2:44). Das erklärt auch, warum Christus, nachdem er die Einzelheiten des „Zeichens“ seiner Gegenwart angeführt hatte, hinzufügte: „Wenn ihr diese Dinge geschehen seht, erkennt, daß das Königreich Gottes nahe ist“ (Lukas 21:31). Ja, selbst während der Gegenwart Christi müßten Christen immer noch darum beten, daß Gottes Königreich komme, und müßten immer noch ‘Ausschau halten’ und ‘wach bleiben’, um die bestimmte Zeit des „Endes“ und ihrer „Befreiung“ zu erkennen (Markus 13:7, 29, 32-37; Lukas 21:9, 28).
Wer hat sich als „wachsam“ erwiesen?
8. Zähle das auf, wonach Christen Ausschau halten sollten.
8 Wie wir soeben erörtert haben, sollten Christen in Erwartung des Endes der „bestimmten Zeiten der Nationen“ leben. Sie sollten nach dem „Zeichen“ der Gegenwart Christi und des Abschlusses des Systems der Dinge ausblicken. Sie sollten die Auferstehung der in Treue gestorbenen gesalbten Christen und eine eindeutige Kenntlichmachung der Klasse eines „treuen und verständigen Sklaven“ erwarten, die mit den irdischen Interessen des Königreiches Christi betraut werden würde. Schließlich würde dieser „Sklave“ fortwährend geistige Speise austeilen und gleichzeitig führend vorangehen im Predigen der „guten Botschaft vom Königreich ... auf der ganzen bewohnten Erde“, bevor das „Ende“ kommt. Das „Zeichen des Sohnes des Menschen“ würde dadurch erscheinen, daß er ‘kommt’, um Satans böses System der Dinge zu vernichten.
9. Wer hat erwiesenermaßen nach dem Ende der „bestimmten Zeiten der Nationen“ Ausschau gehalten, und inwiefern wurde Christen durch Zion’s Watch Tower geholfen, in geistiger Hinsicht auf der Hut zu sein?
9 Wer ist wach geblieben und hat nach all diesen Dingen Ausschau gehalten? Charles T. Russell aus Pittsburgh (Pennsylvanien, USA) blickte bereits im Jahre 1876 aufmerksam nach dem Ende der „bestimmten Zeiten der Nationen“ oder „Zeiten der Heiden“ aus. In jenem Jahr veröffentlichte er einen Artikel mit dem Titel „Wann werden die Zeiten der Nationen enden?“ Darin schrieb er: „Die sieben Zeiten werden im Jahre 1914 n. Chr. enden.“ Von 1880 an wurde dieselbe Information in den Spalten der Zeitschrift Zion’s Watch Tower veröffentlicht. In der Ausgabe vom März 1880 hieß es: „Die ‚Zeiten der Heiden‘ dauern bis 1914, und das himmlische Königreich wird erst dann die volle Macht erlangen.“ Zugegeben, die Bibelforscher, die diese Artikel schrieben, hatten damals nicht das genaue biblische und historische Verständnis über die eigentliche Bedeutung des Endes der „bestimmten Zeiten der Nationen“, wie wir es heute haben.a Wichtig war jedoch, daß sie „wachsam“ waren und ihren Mitchristen halfen, in geistiger Hinsicht auf der Hut zu sein.
10. Wie wurde die wahre Bedeutung der „Gegenwart“ Christi klargemacht?
10 Dieselbe Gruppe von Bibelforschern in Verbindung mit Charles Russell und der Zeitschrift Zion’s Watch Tower half aufrichtigen Christen verstehen, daß die „Gegenwart“ Christi unsichtbar sein würde und daß er nicht zur Erde zurückkehren würde, um als menschlicher König zu regieren. Sie lenkte die Aufmerksamkeit der „Hausknechte“ des Herrn fortwährend auf die Weltereignisse in Verbindung mit dem „Zeichen“ der Gegenwart Christi und der „Zeit des Endes“.
11. (a) Was verstand man damals noch nicht völlig in bezug auf die irdischen Königreiche und die Entrückung gesalbter Christen? (b) Welches bessere Verständnis haben wir heute über Daniel 2:44 und 1. Thessalonicher 4:15-17?
11 Es stimmt, damals dachten die Bibelforscher, die Aufrichtung des Königreiches im Himmel werde unmittelbar die Vernichtung der irdischen Königreiche mit sich bringen und gleichzeitig würden die gesalbten Christen „entrückt“, um mit den verstorbenen gesalbten Christen vereint zu werden, die zur Zeit der Gegenwart Christi auferweckt würden (2. Thessalonicher 2:1). Doch wer kann ihnen übelnehmen, daß sie damals nicht völlig verstanden, daß zwischen dem Beginn und dem Ende der Erfüllung von Daniel 2:44 noch ein großes Einsammlungswerk durchgeführt werden müßte und daß sich das in 1. Thessalonicher 4:15-17 erwähnte ‘Entrücken’ auf die unmittelbare Auferstehung der Gesalbten bezieht, die nach dem Beginn der ersten Auferstehung sterben? (1. Korinther 15:36, 42-44; Römer 6:3).
12. (a) Bei welcher Tätigkeit erwartete Christus seinen treuen „Sklaven“ vorzufinden, wenn er käme, um seinen Haushalt zu besichtigen, und wen fand er so tuend vor? (b) Was hat die Klasse des treuen „Sklaven“ bis zum heutigen Tage getan?
12 Heute können wir diese Dinge verstehen, weil Gottes Wort durch die Hilfe der Klasse des „treuen und verständigen Sklaven“ in einem stets heller werdenden Licht erstrahlt (Sprüche 4:18). Jesus sagte in bezug auf diesen „Sklaven“: „Wer ist in Wirklichkeit der treue und verständige Sklave, den sein Herr über seine Hausknechte gesetzt hat, um ihnen ihre Speise zur rechten Zeit zu geben? Glücklich ist jener Sklave, wenn ihn sein Herr bei seiner Ankunft so tuend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über seine ganze Habe setzen“ (Matthäus 24:45-47). Als der inthronisierte Herr Jesus im Jahre 1919 seinen Haushalt besichtigte, fand er die Gruppe von Christen vor, die dank der geistigen „Speise zur rechten Zeit“ in Verbindung mit der Zeitschrift Der Wachtturm loyal ‘wachte’. Diese „Sklaven“klasse teilt bis zum heutigen Tag in Treue geistige Speise aus, damit die „Hausknechte“ des Herrn und ihre Gefährten imstande sind, ‘ständig Ausschau zu halten, wach zu bleiben’ (Markus 13:33).
Wachsamkeit oder Trägheit?
13. Welche Fragen sollten sich diejenigen stellen, die Jehovas Zeugen kritisieren?
13 Für die etablierten Kirchen der Christenheit und für andere ist es ein leichtes, daran Kritik zu üben, daß Jehovas Zeugen in ihren Publikationen zeitweise äußerten, bestimmte Dinge könnten zu bestimmten Zeiten geschehen. Doch ist das etwa nicht in Einklang mit Christi Aufforderung: „Wacht beständig.“ (Markus 13:37)? Haben denn die Kirchen der Christenheit dadurch, daß sie lehren, das Königreich bedeute, daß „Gott in unserem Herzen regiert“, die christliche Wachsamkeit gefördert? Haben sie nicht vielmehr geistige Schläfrigkeit verschuldet, indem sie die Erwartung des „Endes“ als „bedeutungslos“ oder als „einen nichtssagenden Mythos“ betrachten? Haben die Abtrünnigen, die behaupten, die „letzten Tage“ hätten zu Pfingsten begonnen und würden die gesamte „christliche Ära“ umspannen, die christliche Wachsamkeit gefördert? Haben sie nicht vielmehr geistige Schläfrigkeit bewirkt?
14. Welche Beispiele zeigen, daß treue Diener Jehovas in der Vergangenheit mit Übereifer die Verwirklichung der Vorsätze Gottes erwarteten?
14 Es stimmt, daß sich einige Erwartungen, die auf der biblischen Chronologie zu beruhen schienen, nicht zur erhofften Zeit erfüllten. Ist es jedoch nicht weitaus besser, in der übereifrigen Erwartung der Verwirklichung der Vorsätze Gottes einige Fehler zu machen, als die Erfüllung biblischer Prophezeiungen zu „verschlafen“? Hat sich Moses in seinem verfrühten Versuch, Israel von seiner Bedrängnis zu befreien, nicht um vierzig Jahre verrechnet? (1. Mose 15:13; Apostelgeschichte 7:6, 17, 23, 25, 30, 34). Waren nicht Christi Apostel übereifrig in ihrer Erwartung, die Aufrichtung des Königreiches zu sehen, ganz zu schweigen davon, daß sie überhaupt nicht verstanden, was das Königreich eigentlich ist? (Apostelgeschichte 1:6; vergleiche Lukas 19:11; 24:21). Waren die gesalbten Christen in Thessalonich nicht ungeduldig „in bezug auf die Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus“ und den „Tag Jehovas“? (2. Thessalonicher 2:1, 2).
15. Welche Beispiele zeigen, daß es nicht unbiblisch ist, die Chronologie zu Hilfe zu nehmen, um herauszufinden, wann sich Gottes Vorsätze erfüllen würden, und wie lautet der Ruf vieler treuer Diener Jehovas der Vergangenheit und der Gegenwart?
15 Es ist im Grunde nichts Unbiblisches daran, die Chronologie zu Hilfe zu nehmen, um etwas über „die bestimmte Zeit“ der Verwirklichung der Vorsätze Gottes zu erfahren (Habakuk 2:3). Daniel berechnete, wann die Verödung Jerusalems aufhören würde (Daniel 9:1, 2). Der treue jüdische Überrest im ersten Jahrhundert erwartete das Kommen des Messias, weil er mit Hilfe der Prophetie das Ende einer Zeitspanne berechnete (Daniel 9:25; Lukas 3:15). Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts konnten Christen schon lange vor 1914 in Erwartung der Königreichsherrschaft Gottes leben, weil sie berechneten, wann „die bestimmten Zeiten der Nationen“ enden würden (Lukas 21:24; Daniel 4:16, 17). Es war daher verständlich, warum Anstrengungen unternommen wurden, andere biblische Zeithinweise zu verwenden, um herauszufinden, wann die lang gehegten Hoffnungen Wirklichkeit werden könnten. Treue Diener Jehovas der Vergangenheit riefen: „Wie lange, o Jehova?“ (Jesaja 6:11; Psalm 74:10; 94:3).
Warum ‘wach bleiben’?
16. (a) Ist Markus 13:32 so zu verstehen, daß wir nicht daran interessiert sein dürfen, wann das Ende kommt? (b) Welches „Zeichen“ ist offenkundig, doch welches andere „Zeichen“ erwarten wir noch?
16 Da Jesus deutlich sagte, daß kein Mensch Kenntnis hat von „jenem Tage oder der Stunde“, in der der Vater seinem Sohn die Anweisung geben wird, gegen Satans böses System der Dinge zu ‘kommen’, mögen sich manche fragen: „Warum ist es so dringlich, in Erwartung des Endes zu leben?“ Es ist deshalb so dringlich, weil Jesus sozusagen im gleichen Atemzug sagte: „Haltet ständig Ausschau, bleibt wach ... Wacht also beharrlich“ (Markus 13:32-35). Das „Zeichen“ der Parusie Jesu ist seit 1914 offenkundig. Nun erwarten wir „das Zeichen des Sohnes des Menschen“, wenn er als Jehovas Urteilsvollstrecker ‘kommt’.
17, 18. (a) Warum gebot Jesus den Christen im ersten Jahrhundert, aus Jerusalem zu fliehen, sobald sie das Zeichen der bevorstehenden Zerstörung sehen würden? (b) Warum wäre es gefährlich, die Dringlichkeit unserer Zeit wegdiskutieren zu wollen?
17 Als Jesus Christus den Christen in Judäa im ersten Jahrhundert ein Zeichen beschrieb, an dem sie erkennen würden, wann die Zeit gekommen wäre, aus Jerusalem zu fliehen, hob er die Notwendigkeit hervor, unverzüglich zu handeln (Lukas 21:20-23). Wozu denn diese Dringlichkeit, da doch vom Erscheinen des Zeichens im Jahre 66 u. Z. bis zur eigentlichen Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 u. Z. nahezu vier Jahre verstrichen? Weil Jesus wußte, daß sie, wenn sie zögern und ihre Flucht hinausschieben würden, schließlich von den römischen Armeen gefangengenommen würden.
18 Ebenso gefährlich wäre es heute, wenn Christen die Dringlichkeit unserer Zeit wegdiskutieren wollten und ihren Eifer sozusagen „auf Sparflamme brennen“ ließen, denn das würde Zweifel über die Nähe des Endes offenbaren.
19. Welche Warnung sprachen Petrus und Jesus aus?
19 Die Parusie oder Gegenwart Christi dauert bereits siebzig Jahre an, und sein ‘Kommen’ an „Jehovas Tag“ der Urteilsvollstreckung an Satans Welt rückt rapide näher. Der Apostel Petrus sagte, dieser Tag werde „kommen wie ein Dieb“, und er fügte hinzu, daß wir ‘die Gegenwart des Tages Jehovas erwarten und fest im Sinn behalten’ sollten (2. Petrus 3:10-12). Auch Jesus sagte warnend: „Gebt ... auf euch selbst acht, damit euer Herz niemals durch zuviel Essen und zuviel Trinken und Sorgen des Lebens beschwert werde und jener Tag plötzlich, in einem Augenblick, über euch komme wie eine Schlinge. ... Bleibt also wach“ (Lukas 21:34-36).
20. Wofür sollten wir dankbar sein, und inwiefern wird uns die angebrachte christliche Erwartung zum Schutz dienen?
20 Wie glücklich und wie dankbar Jehovas Zeugen dafür sein sollten, daß sie durch die Klasse des treuen und wachsamen „Sklaven“ wach gehalten worden sind! Die angebrachte christliche Erwartung dient uns in diesen tückischen „letzten Tagen“ zum Schutz und drängt uns, mit Eifer am Predigen der „guten Botschaft vom Königreich“ teilzunehmen. Dadurch können wir anderen helfen, wach zu bleiben und in das neue System der Dinge hinüberzuleben, in dem „Gerechtigkeit wohnen“ wird (2. Timotheus 3:1-5; Matthäus 24:14; 2. Petrus 3:13).
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