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  • Eine Welt ohne Schmerzen steht bevor
    Der Wachtturm 1980 | 15. Juli
    • das Glück gottergebener Familien unter Gottes Königreich zerstören. Jehova Gott hat die Macht, Krankheiten zu beseitigen (2. Mose 15:26; 23:25; 5. Mose 7:15). Sein Prophet Jesaja schrieb über eine Zeit, in der „kein Bewohner ... sprechen [wird]: ,Ich bin krank‘“ (Jes. 33:24). Für den göttlichen Arzt ist es kein unüberwindliches Problem, alle physischen und seelischen Schmerzen zu beseitigen.

      Der Tod, der Schmerz verursachende große Feind der Menschheit, ‘wird nicht mehr sein’, wenn nur noch Gottes Wille im Himmel und auf der Erde geschieht (1. Kor. 15:26; Offb. 21:4; Matth. 6:9, 10). Trauer, Geschrei und Schmerz wird es bestimmt nicht mehr geben, wenn statt der traurig stimmenden Begräbnisse die Auferstehung stattfinden wird und ‘das Meer und der Hades diejenigen Toten herausgeben werden, die darin sind’ (Joh. 5:28, 29; Offb. 20:13).

      WENN DU MÖCHTEST, KANNST DU DIES ERLEBEN

      Ja, eine Welt ohne Schmerzen steht bevor. Auch du kannst darauf hoffen. Die Beseitigung der Schmerzen, die durch Not, Unterdrückung, Krankheit und Tod verursacht werden, gehört zu den vielen Segnungen, die die gehorsame, gottesfürchtige Menschheit dann erleben wird.

      Können heute lebende Menschen ganz sicher darauf hoffen? Ja, denn eine Welt ohne Schmerzen wurde von dem Einen verheißen, der als einziger in der Lage ist, sie herbeizuführen: von Jehova, ‘dem Höchsten über die ganze Erde’ (Ps. 83:18).

  • Mein Glaube an Gott stützte mich
    Der Wachtturm 1980 | 15. Juli
    • Mein Glaube an Gott stützte mich

      Von Harald Abt erzählt

      IM September 1940 wurde ich in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Die Offiziere der SS gaben mir einen „herzlichen“ Empfang; man drohte mir und schlug mich mehrere Male. Auf den Schornstein des in der Nähe liegenden Krematoriums hinweisend, sagte ein Offizier warnend: „Innerhalb von 14 Tagen werden Sie durch diesen zu Ihrem Jehova geschickt werden, wenn Sie an Ihrem Glauben festhalten.“

      Man brachte mich dorthin, wo meine christlichen Brüder, Jehovas Zeugen, untergebracht waren, und befahl mir, mich mit nach vorn ausgestreckten Armen hinzuhocken. Vier Stunden lang mußte ich in dieser unangenehmen Stellung verharren. Wie froh war ich, als ich um 6 Uhr abends die Zeugen von ihrer harten Tagesarbeit zurückkommen sah!

      Diese Zeugen erzählten mir, daß etwa 130 ihrer Brüder aufgrund unmenschlicher Behandlung im vorangegangenen Winter gestorben waren; davor waren sie ungefähr 400. Hat das die Überlebenden eingeschüchtert? Nein, sie waren genau wie ich entschlossen, Gott treu zu bleiben.

      Doch bevor ich weiter über meinen fast fünfjährigen Aufenthalt in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Buchenwald erzähle, möchte ich kurz beschreiben, wie es dazu kam, daß ich dorthin gesandt wurde.

      CHRISTEN IN SCHWEREN ZEITEN

      Ich bin im Süden Polens geboren, in dem Teil, der einmal zu Österreich gehörte. Deshalb wuchs ich mit zwei Sprachen auf, Polnisch und Deutsch. Im Jahre 1931, als ich 19 Jahre alt war, ging ich auf das Polytechnische Institut in Danzig (poln. Gdánsk). Damals war Danzig eine deutschsprachige „Freie Stadt“ an der Ostsee. Dort traf ich 1934 Elsa, ein junges Mädchen, das mein Leben sehr beeinflussen sollte.

      Im Jahre 1936, als ich mich gerade auf mein Examen vorbereitete, begann Elsa die Zusammenkünfte der Zeugen Jehovas zu besuchen. Diese wurden im geheimen abgehalten, denn einige Zeugen waren schon verhaftet worden. Ich sagte zu Elsa, daß es meiner Meinung nach töricht von ihr sei, sich mit diesen Leuten einzulassen. Aber sie überredete mich schließlich, sie zu einer Zusammenkunft zu begleiten. Statt daß ich etwas an den Zeugen aussetzen konnte, war ich von ihrer Bibelkenntnis sehr beeindruckt.

      Als ich mein Studium an der Universität beendet hatte, gab es in Polen keine guten Arbeitsmöglichkeiten. Deshalb dachte ich daran, nach Deutschland zu gehen, um Arbeit zu bekommen. Elsa sagte aber: „Wenn du gehst, dann kannst du ohne mich gehen.“ Jehovas Zeugen wurden damals in Deutschland heftig verfolgt, und Elsa wollte sich nicht unnötig in Gefahr begeben. Dies regte mich zum Nachdenken an, und so begann ich, die Bibel regelmäßig zu studieren. Im Juni 1938 heirateten wir. Dann, Anfang 1939, ließen wir uns taufen und symbolisierten somit unsere Hingabe an Jehova Gott.

      In der Zwischenzeit hatte ich eine gute Arbeit als Ingenieur in der Verwaltung des Danziger Hafens gefunden. Unsere nett eingerichtete Wohnung wurde für biblische Zusammenkünfte benutzt. Ungefähr in dieser Zeit wurde unsere biblische Literatur, die vom polnischen Zweigbüro der Wachtturm-Gesellschaft in Lodz kam, in Danzig zurückgehalten. Da ich überzeugt war, daß ich deshalb irgend etwas unternehmen mußte, schrieb ich unseren christlichen Brüdern in Lodz und schlug ihnen vor, die Literatur an eine Adresse außerhalb Danzigs zu senden. Elsa und ich würden sie dort abholen und in die Stadt schmuggeln.

      Zu dieser Zeit war Elsa schwanger, und manchmal waren um ihren Leib herum unter der Kleidung 100 Wachtturm-Ausgaben gebunden. Einmal sagte ein Zollbeamter im Spaß: „Junge, Junge, Sie werden bestimmt Drillinge bekommen!“ Doch sie wurde niemals kontrolliert. Wir schmuggelten weiterhin Literatur, bis Deutschland Polen am 1. September 1939 angriff. Danach konnten wir auch nicht mehr so leicht nach Danzig herein- oder aus Danzig hinausfahren. Am 24. September wurde unsere Tochter Jutta geboren.

      HITLER EHREN?

      Nachdem sich die polnische Armee den Deutschen ergeben hatte, konnte ich wieder meiner Arbeit nachgehen. Weil ich meine Arbeitskollegen mit „Guten Morgen!“ begrüßte, blickten sie mich erstaunt an, denn man verlangte jetzt von jedem, mit „Heil Hitler!“ zu grüßen.

      Ich bat um ein Gespräch mit dem stellvertretenden Direktor des Hafens und erklärte ihm, daß ich ein Christ sei und diesen Gruß nicht sagen könne. „Ich bin auch ein Christ“, antwortete er. Darauf erwiderte ich, daß ich ein Christ im eigentlichen Sinne sei und es nicht für richtig befände, einen Menschen so zu verehren. Ich wurde auf der Stelle entlassen, und man sagte mir, daß ich ins Gefängnis käme, wenn ich nicht mit „Heil Hitler!“ grüßen würde.

      Zu einer späteren Zeit desselben Monats, September, nachdem die deutsche Armee Polen erobert hatte, kam Hitler nach Danzig. Er hielt eine glühende Siegesrede auf dem Heumarkt, der sich in der Nähe des Gebäudes befand, in dem wir wohnten. Von jedem wurde verlangt, eine Fahne aus dem Fenster zu hängen, aber auf unserer Etage war keine Fahne angebracht.

      Die Brüder rieten uns an, der Sicherheit halber nach Ostpolen umzuziehen. Das bedeutete allerdings, daß wir all unser Hab und Gut zurücklassen mußten. Mit nur einem Koffer, einem Kinderwagen und Jutta, in einem Kissen eingewickelt, machten wir im Dezember die lange Reise. Die Züge waren überfüllt, und sie kamen sehr unregelmäßig.

      Schließlich erreichten wir das Zweigbüro in Lodz. Die Schwester, die die Tür öffnete, sah das regungslose Kind in Elsas Armen und lief weinend von der Tür fort. Nach einigen Minuten kam sie zurück, sah, wie sich das Baby bewegte, und rief: „Oh! Es lebt! Es lebt!“ Erst jetzt bat sie uns einzutreten. Viele Kinder sind damals auf der Flucht erfroren; deshalb dachte sie, Jutta wäre auch tot.

      FESTGENOMMEN UND EINGESPERRT

      Der Mann dieser Schwester war schon eingesperrt. Es war ein harter Winter für uns. Wir hatten keine Kohlen, um das Haus zu heizen oder um das bißchen Essen, das wir hatten, zu kochen. Doch schließlich fand ich Arbeit. Eines Tages aber — es war im Juli 1940 — fand uns die Gestapo (Geheime Staatspolizei) zu Hause, während sie jemand anders suchte. Man befahl Elsa und mir, uns bei der Gestapo zu melden.

      Am darauffolgenden Morgen ging ich zur Arbeit, suchte meine persönlichen Sachen zusammen und sagte meinem Chef, daß ich zur Gestapo gehen müßte und nicht zurückkommen würde. „Ach, glauben Sie doch nur das nicht!“ sagte er. „Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen, denn Sie werden um 12 Uhr wieder zurück sein.“ Einige Minuten später traf ich mich mit Elsa vor der Dienststelle der Gestapo, und wir gingen zusammen hinein.

      „Setzen Sie sich bitte“, sagte der Beamte. „Wir wissen, warum Sie hier sind.“ Dann erinnerte er uns daran, daß Polen unter der Herrschaft des „Dritten Reiches“ stehe und was mit Jehovas Zeugen in Deutschland geschehe. „Wenn Sie weiterhin über Ihren Glauben sprechen“, sagte er, „werden Sie in ein Konzentrationslager geschickt werden.“

      Er setzte sich an eine Schreibmaschine und begann zu schreiben. Als er wiederkam, gab er mir ein Blatt Papier. Darauf stand unter anderem: „Ich, Harald Abt, verspreche, nicht mehr über das Königreich Gottes zu reden.“ Ich sagte ihm: „Es tut mir leid, aber ich kann das nicht unterschreiben.“

      Nachdem er mir gesagt hatte, wie töricht es von mir sei, nicht zu unterschreiben, wurde ich abgeführt. Elsa wurde weiter verhört. Im Laufe des Verhörs erwähnte sie, daß sie ein 10 Monate altes Baby zu Hause hätte. „Niemand anders kann das Kind füttern“, sagte Elsa, „denn ich stille es.“ Um das Baby besorgt, sagte der Beamte: „Ich werde es also kurz machen.“

      Das Schriftstück, das er jetzt für Elsa aufsetzte, war anders formuliert als das, was ich nicht unterschrieben hatte. Es besagte nur, Elsa sei sich bewußt, daß sie in ein Konzentrationslager geschickt würde, wenn sie weiterhin ihre Religion ausüben würde. Elsa dachte, daß sie das unterschreiben könne, denn sie war sich ja dessen bewußt. Aber nachdem sie unterschrieben hatte, bekam sie Angst. Der Grund war folgender: Falls man sie freilassen würde, könnte ich denken, sie hätte ihren Glauben aufgegeben. Als sie das Büro verließ, rief sie mir — ich war am anderen Ende des Flures — deshalb laut zu: „Ich bin keinen Kompromiß eingegangen! Ich bin keinen Kompromiß eingegangen!“

      Nachdem man mich für einige Wochen festgehalten hatte, wurde ich in ein Gefängnis in Berlin eingeliefert und von dort nach Sachsenhausen transportiert.

      DAS LEBEN IN SACHSENHAUSEN

      Nach diesem „herzlichen“ Empfang nahmen uns SS-Leute mit, um uns unsere Häftlingskleidung zu geben. Unsere Köpfe wurden kahlgeschoren. Dann bekamen wir unsere Nummern — meine Nummer war 32 771. Man gab mir einen lila Winkel — das Kennzeichen für Jehovas Zeugen —, um ihn auf meine Kleidung zu nähen. Die anderen Gefangenen wurden durch andersfarbige Winkel gekennzeichnet: politische Gefangene durch einen roten, Juden durch einen gelben, Kriminelle durch einen grünen, Homosexuelle durch einen rosa Winkel usw. Ich war der einzige Zeuge in dieser Gruppe.

      Jehovas Zeugen hatten eine Baracke für sich. Die Baracken in Sachsenhausen lagen in einem Halbkreis um den großen Appellplatz. An den Giebelwänden der Baracken, die zu dem Platz hin lagen, stand ungefähr folgendes geschrieben: „Es gibt einen Weg in die Freiheit: Treue, Fleiß, Arbeit und Liebe für das Vaterland.“ An jeder Baracke standen ein oder zwei Wörter dieses Satzes. Das Wort LIEBE stand auf der Baracke der Zeugen. Es war die Baracke, in der ich vier Stunden lang in der Kälte hocken mußte.

      Die riesigen Baracken — es waren mehr als 60 — hatten an den zwei Enden je einen Schlafraum. In der Mitte befanden sich der Speiseraum, die Toiletten und Waschgelegenheiten. Die Schlafräume auf beiden Seiten wurden nicht beheizt; drei Betten standen jeweils übereinander. Im Winter fiel die Temperatur auf minus 18 °C, und wir hatten nur zwei Schlafdecken. Durch das Atmen der Männer beschlug die Decke des Raumes. Das Wasser tropfte dann herunter und gefror auf den Schlafdecken der Männer, die in den oberen Betten schliefen.

      Unsere Mahlzeiten bestanden meistens aus Rübensuppe, manchmal mit ausgekochten Pferdeköpfen. Gelegentlich gab es Fischsuppe, die so schlecht roch, daß das ganze Lager stank. Abends gab man uns ein wenig Brot. Da unser Frühstück nur aus etwas Kaffee-Ersatz bestand, hob ich mir immer ein Stückchen Brot für den nächsten Morgen auf, denn ich bekam Magenschmerzen, wenn ich hungrig war.

      Um 6 Uhr morgens mußten wir aufstehen, unsere Betten machen, uns waschen und anziehen. Dann mußten wir zum Appell auf den Platz gehen und zur Arbeit marschieren. Wir arbeiteten viel außerhalb des Lagers. Zuerst wurde ich dem Straßenbau zugeteilt. Da ich Ingenieur war, gab man mir später die Aufsicht über das Bauen neuer Werkstätten.

      Viele SS-Leute waren grausam und hielten oft nur nach Gelegenheiten Ausschau, um uns zu quälen. Manchmal suchte einer nach Staub in den Baracken, während wir auf der Arbeit waren. Gewöhnlich konnte er etwas auf den Dachsparren finden. Das war natürlich nicht verwunderlich, denn in jedem Raum standen ungefähr 80 Strohbetten. Als wir von der Arbeit zurückkamen, gab er bekannt: „Ich habe heute morgen in euren Baracken Staub gefunden; deshalb bekommt ihr heute kein Mittagessen.“ Dann nahm man die Topfdeckel ab, so daß jeder das Essen riechen konnte, und trug die Kessel fort. Wer sich beschwert hätte, wäre mit dem Tode bestraft worden.

      In Sachsenhausen war man sich seines Lebens nie sicher. Wenn man in irgendeiner Weise die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich zog, konnte dies Strafe bedeuten. Manche wurden dann vielleicht gezwungen, in der eisigen Kälte des Winters den ganzen Tag vor den Baracken zu stehen. Wenn man Fieber bekam — einige bekamen Lungenentzündung — und nicht arbeiten konnte, sagte der SS-Mann: „Oh, er hat Fieber! Sehr gut, laßt ihn draußen in der Kälte stehen, um sich abzukühlen.“ Durch solch eine Behandlung starben viele.

      Andere wurden auf diese Weise getötet: Man befahl ihnen, sich draußen in der Kälte in eine große Wanne mit kaltem Wasser zu setzen, und ein kalter Wasserstrahl wurde auf ihr Herz gerichtet. Wegen der unmenschlichen Behandlung wußten wir nie, ob wir bis zum nächsten Frühling überleben würden.

      Viele haben mich gefragt: „Hast du keine Angst gehabt?“ Nein, denn in so einer Situation entwickelt man Kraft durch seinen Glauben. Jehova steht uns bei. Am Eßtisch, wenn andere außer Hörweite waren, beteten wir zusammen und sangen sogar leise. Wenn wir zum Beispiel hörten, daß einer unserer Brüder aufgrund von Mißhandlung oder Hunger gestorben war, sangen wir mit kämpferischem Geist ein Lied. Unsere Einstellung war: „Bleib stark! Sei mutig!“ Wir wußten, daß wir vielleicht auch bald sterben würden, waren aber fest entschlossen, treu zu bleiben.

      GEISTIGE SPEISE UND PREDIGTDIENST

      Im Jahre 1942 wurde die Lage für uns etwas besser. Ein neuer Kommandant übernahm das Lager, und wir bekamen etwas mehr Freiheit. Wir wurden zum Beispiel nicht mehr gezwungen, sonntags zu arbeiten. Ungefähr zu dieser Zeit wurden auch sieben Ausgaben des Wachtturms eingeschmuggelt, in denen die Prophezeiungen Daniels behandelt wurden. Außerdem verschafften wir uns einige Bibeln. Sonntags nachmittags drängten wir uns dann alle zum Bibelstudium in einen Barackenflügel. Wir waren ungefähr 200. Einige mußten draußen Wache halten und ein Zeichen geben, wenn sich ein SS-Mann näherte. Ich kann mich noch sehr gut an diese glaubensstärkenden Zusammenkünfte erinnern.

      „Geschmuggelte Wachttürme?“ magst du überlegen. Das ist eine Geschichte des Glaubens und des Mutes für sich. Einige gefangene Zeugen arbeiteten außerhalb des Lagers und hatten Kontakt mit Brüdern, die noch nicht festgenommen worden waren. So konnten sie heimlich Literatur bekommen und sie ins Lager schmuggeln. Bruder Seliger, der für uns im Lager wie ein Versammlungsaufseher war, arbeitete auf der Krankenstation. Er versteckte die geschmuggelte biblische Literatur dort hinter einer Fliese im Badezimmer.

      Doch mit der Zeit fand man heraus, wie gut wir organisiert waren. Man fand außerdem einige Bibeln in unseren Baracken. Deshalb wurden ungefähr 80 Brüder in einem Arbeitskommando von Sachsenhausen weggesandt. Die verbliebenen Zeugen wurden auf die vielen verschiedenen Baracken des Lagers verteilt. Obwohl wir dadurch nicht mehr unsere großen Zusammenkünfte abhalten konnten, hatten wir jetzt öfter die Gelegenheit, Mitgefangenen zu predigen.

      Eine Anzahl junger Russen, Ukrainer und Polen nahmen die Wahrheit an und wurden unsere Brüder. Einige wurden direkt im Lager heimlich getauft — in der Badewanne der Krankenstation. Ich erinnere mich besonders an zwei junge Ukrainer. Eines Tages hörten sie, wie ein Bruder ein Königreichslied pfiff, und fragten, was das für ein Lied sei. „Es ist eine religiöse Melodie“, sagte der Bruder. Sie waren ergriffen davon, daß Leute wegen ihrer religiösen Überzeugung in ein Lager gesteckt wurden. Nach der Befreiung übernahm einer dieser jungen Männer die Führung im Zeugniswerk in einem Teil im Osten Polens. Er wurde von Feinden der Zeugen Jehovas auf dem Weg zu einer christlichen Zusammenkunft, die er durchführen wollte, getötet.

      Als ich eines Tages — es war das Jahr 1944 — mit dem mir zugeteilten Arbeitskommando mittags nach Hause kam, sah ich, wie meine Brüder auf dem Appellplatz standen. Als Zeuge erkannt, sagte man mir, ich solle mich zu ihnen stellen. Irgendwie hatte die SS über unseren geheimen Postdienst innerhalb und außerhalb des Lagers (und von einem Lager zum anderen) erfahren und auch, daß wir uns in Gruppen zu zweit oder zu dritt auf dem Appellplatz zusammenfinden würden, um täglich einen Bibeltext zu besprechen. Man befahl uns, mit dieser illegalen Tätigkeit aufzuhören, aber vereint waren wir entschlossen, uns weiterhin gegenseitig geistig zu stärken. Als man Bruder Seliger, ein wichtiges Bindeglied in diesem geheimen Postdienst, fragte, ob er weiterhin im Lager predigen würde, sagte er: „Jawohl, das werde ich tun. Und nicht nur ich, sondern alle meine Brüder mit mir.“ Die Nationalsozialisten konnten den Glauben der Zeugen Jehovas nicht zerstören und konnten sie nicht mutlos machen. Sie mußten erkennen, daß sie nichts tun konnten, was uns in unserer Lauterkeit Gott gegenüber erschüttert hätte.

      BUCHENWALD UND BEFREIUNG

      Gegen Ende Oktober 1944 schickte man mich zusammen mit einem Baukommando in das Konzentrationslager Buchenwald. Wir sollten einige Werkstätten wieder aufbauen, die von amerikanischen Flugzeugen bombardiert worden waren. Die Brüder in Buchenwald setzten sich mit mir bald in Verbindung und luden mich ein, mit ihnen geistige Gemeinschaft zu pflegen. Hier war ich Nummer 76 667.

      Anfang 1945 war es offensichtlich, daß sich das Hitler-Regime seinem Zusammenbruch näherte. Wenn englische Kampfflugzeuge über das Lager flogen, grüßten sie uns, indem sie sich von einer Seite zur anderen neigten. So wollten sie uns Mut machen. Ungefähr zwei Wochen vor unserer Befreiung gingen die Häftlinge nicht einmal mehr zur Arbeit.

      Am Mittwoch, dem 11. April 1945, versammelten wir uns, um dem Vortrag eines Bruders zuzuhören, der die Jahrestexte der Jahre 1933 — als Hitler an die Macht kam — bis 1945 behandelte. Während der Zusammenkunft hörten wir das Kampfgetöse immer näher kommen. Dann, mitten im Vortrag, öffnete ein Häftling weit die Tür und rief: „Wir sind frei! Wir sind frei!“ Im Lager herrschte Chaos, doch wir sprachen ein Dankgebet zu Jehova und setzten unsere Zusammenkunft fort.

      In Buchenwald waren noch über 20 000 Häftlinge. Die SS-Wachen zogen ihre Uniformen aus und versuchten zu entkommen, aber viele Häftlinge rächten sich an ihnen. Später erzählte mir ein Häftling, daß er ein Messer in den Leib eines SS-Mannes gestoßen habe. Doch Jehovas Zeugen nahmen natürlich an diesen Gewalttätigkeiten nicht teil.

      Ungefähr einen Monat später fand ich endlich Elsa. Sie hatte Auschwitz und andere Konzentrationslager überlebt. Im August 1945 kehrten wir nach Hause zurück und fanden unsere Tochter bei Brüdern, die sich um sie gekümmert hatten. Inzwischen war sie fast sechs Jahre alt. Sie erkannte uns nicht wieder.

      NIEMALS KOMPROMISSE SCHLIESSEN

      Nach der Befreiung von deutscher Besetzung wurde Polen eine Volksrepublik. Elsa und ich bewarben uns sofort um Arbeit im Zweigbüro der Wachtturm-Gesellschaft in Lodz. Wir arbeiteten dort fünf Jahre lang und erlebten die Freude, die Zahl der Zeugen Jehovas von ungefähr 2 000 im Jahre 1945 auf etwa 18 000 im Jahre 1950 ansteigen zu sehen. In den Jahren nach 1950 haben wir weiterhin in verschiedenen Zuteilungen gearbeitet, die wir von Jehovas Organisation erhielten. Wir sind entschlossen, weiterhin im Glauben stark zu bleiben.

      Wegen meines Glaubens an Gott habe ich insgesamt 14 Jahre meines Lebens in Konzentrationslagern und Gefängnissen verbracht. Ich wurde einmal gefragt: „Hat dir deine Frau geholfen, all dies zu ertragen?“ Ganz bestimmt! Ich wußte von Anfang an, daß sie niemals ihren Glauben aufgeben würde, und dies stützte mich. Ich wußte, daß sie mich lieber tot auf einer Bahre liegen sehen würde, als daß ich aufgrund von Kompromissen frei wäre. Es ist eine große Hilfe, einen so treuen Partner zu haben. Elsa erduldete viele Härten während der Jahre in den deutschen Konzentrationslagern, und ich bin davon überzeugt, daß es für dich ermunternd sein wird, ihren Erlebnisbericht zu lesen.

      [Bild auf Seite 9]

      Konzentrationslager Sachsenhausen

      Kasernen der SS

      Appellplatz

      Gaskammer

      Zellenbunker

      Isolierung

      Entlausungsstation

      Hinrichtungsstätte

  • Zusammen mit meinem Mann den Glauben bewahrt
    Der Wachtturm 1980 | 15. Juli
    • Zusammen mit meinem Mann den Glauben bewahrt

      Von Elsa Abt erzählt

      ALS Harald in Sachsenhausen war, erlaubte man ihm manchmal, einen Brief von nur fünf Zeilen zu schreiben. Folgender Text war darauf gestempelt: „Der Schutzhäftling ist nach wie vor hartnäckiger Bibelforscher und weigert sich, von der Irrlehre der Bibelforscher abzulassen. Aus diesem Grunde ist ihm lediglich die Erleichterung, den sonst zulässigen Briefwechsel zu pflegen, genommen worden.“ Dieser Stempel war stets eine Ermunterung für mich, denn er zeigte mir, daß mein Mann im Glauben standhaft geblieben war.

      Eines Tages, es war im Mai 1942, wartete die Gestapo auf mich, als ich von der Arbeit nach Hause kam. Sie durchsuchten das Haus und befahlen mir dann, meinen Mantel zu nehmen und mit ihnen mitzukommen. Unsere kleine Tochter Jutta ging auf einen der Gestapobeamten zu, einen ungewöhnlich großen Mann, zog ihn am Hosenbein und sagte: „Laß doch bitte meine Mutti hier!“ Da er gar nicht darauf reagierte, ging sie um ihn herum auf die andere Seite seiner Beine und flehte: „Laß doch bitte meine Mutti hier!“ Er fühlte sich gar nicht wohl dabei; deshalb sagte er: „Bringen Sie dieses Kind weg! Nehmen Sie auch ihr Bett und ihre Kleider!“ Man gab sie einer anderen Familie des Gebäudes, in dem wir wohnten, und unsere Tür wurde versiegelt. Ich wurde in das Hauptbüro der Gestapo gebracht.

      Dort sah ich viele andere Zeugen, die an diesem Tag festgenommen worden waren. Wir waren von jemand verraten worden, der vorgegeben hatte, ein Zeuge zu sein, und der unser Vertrauen gewonnen hatte. Als die Gestapo uns fragte, wo unsere Mimiographmaschine wäre und wer die Führung im Untergrundpredigtwerk innehätte, tat ich so, als wüßte ich nichts. Dann warf man uns ins Gefängnis.

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