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Mein Lebensziel erreicht: eine geeinte christliche FamilieDer Wachtturm 1980 | 15. August
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Mein Lebensziel erreicht: eine geeinte christliche Familie
Von Leon Glass erzählt
ZUR Zeit meiner Geburt, im Jahre 1924, waren fast alle Einwohner der Dominikanischen Republik römisch-katholisch. Die Eingeborenen waren schon lange zuvor ausgerottet worden und damit auch ihre Religion. Unter dem Kolonialismus hatte die jetzige Stadt Santo Domingo 17 katholische Kirchen in einem Gebiet mit einem Umfang von ungefähr 5,5 km.
Als Katholik besuchte ich treu und brav die Kirche, die nur etwa 10 Meter von unserem Haus entfernt lag. Über meinem Bett hingen religiöse Bilder und Kreuze. Bevor ich schlafen ging, kniete ich mich vor ihnen nieder und betete: „Mit Gott lege ich mich nieder, und mit Gott stehe ich auf, mit der Jungfrau Maria und mit dem heiligen Geist.“ Ich wußte nichts über die Bibel. In der Schule belehrte man uns nur über die Lehren der katholischen Kirche. Damals gab es sehr wenige Protestanten. Sie hatten nur ein paar Kapellen, die manchmal mit Steinen beworfen wurden. Den Katholiken erzählte man, daß die Protestanten vom Teufel seien. Deshalb hatte ich Angst, mich ihnen zu nähern.
ÄNDERUNGEN, DURCH DIE ICH DIE WAHRHEIT FAND
Noch ziemlich jung, erkannten einer meiner Brüder und ich, daß es Götzendienst ist, vor einem Bild des Herzens Jesu, dargestellt in Form eines Vorhängeschlosses, zu beten. Dieses Bild war auch das Warenzeichen einer Seife. Deshalb war es später für uns nicht schwer, uns dafür zu entscheiden, mit unserer Großmutter die Kirche einer evangelischen Sekte zu besuchen. Wir fühlten uns dort etwas wohler, denn man benutzte die Bibel.
Es tobte bereits der Zweite Weltkrieg, und ich fragte den Sonntagsschullehrer, ob es für einen Christen richtig sei, am Krieg teilzunehmen. Seine Antwort war nicht in Übereinstimmung mit der Bibel. Darüber war ich so empört, daß ich aus der Kirche austrat. Später bekam ich aber Angst, gänzlich ohne Religion zu sein, was mich dazu veranlaßte, wieder in die Kirche einzutreten und nur an die Lehren zu glauben, die mit der Bibel übereinstimmten, und das andere abzulehnen. Zu jener Zeit war ich 22 Jahre alt.
Eines Tages fand ich fünf Bücher der Watch Tower Society. Mein älterer Bruder hatte diese in meiner Wohnung zurückgelassen. Die schönen Buchdeckel und interessanten Titel beeindruckten mich. Ein Buch erregte besonders meine Aufmerksamkeit, denn sein Titel enthielt die Worte „Wahrheit“ und „frei“. Ich stellte beim Lesen des Buches fest, daß jedes Kapitel ganz genau in Übereinstimmung mit dem war, was ich aus der Bibel gelernt hatte. Ich konnte auch viele neue Dinge darin lesen, und sie gefielen mir. Ich war davon überzeugt, daß ich die Wahrheit gefunden hatte.
WICHTIGE ENTSCHEIDUNGEN
Die Zeit war für mich gekommen, wichtige Entscheidungen zu treffen, die einen großen Einfluß auf mein Leben haben würden: Sollte ich den Dienst für Jehova aufnehmen? Sollte ich meine Verlobte, Eve, heiraten, die ich schon von der katholischen Kirche weg zur evangelischen Religion geführt hatte? Wir begannen nun, die Bibel mit einem Zeugen Jehovas zu studieren. Innerhalb eines Monats fing ich an, von Haus zu Haus zu gehen und mit den Menschen über das Gelernte zu sprechen. Meine Verlobte erweckte in mir die Hoffnung, daß sie dasselbe tun würde. Als ich ihr aber sagte, daß wir die Zusammenkünfte der Zeugen Jehovas im Königreichssaal besuchen würden, sagte sie, es sei gefährlich, die Religion zu wechseln. Ich war darüber sehr beunruhigt, denn als ich noch der evangelischen Sekte angehörte, hatte ich gebetet: „Lieber Gott, hilf mir doch, eine christliche Ehefrau zu finden, damit ich meine Kinder zu Christen erziehen kann.“ Ich hatte meine zukünftige Frau gefunden, aber was würde jetzt geschehen?
Ich betete wiederum zu Gott: „Jehova, falls Eve nicht eine deiner Dienerinnen werden sollte, dann veranlasse sie doch bitte, mich zu verlassen, denn ich kann keinen Grund finden, sie zu verlassen.“ Ich brauchte nicht lange auf eine Antwort zu warten. Eve nahm meine nächste Einladung, mich zum Königreichssaal zu begleiten, an. Dort kümmerte sich ein Zeuge Jehovas um sie und stellte sie fast jedem im Saal vor. Einige Tage später begleitete sie eine Zeugin im Haus-zu-Haus-Dienst. Im darauffolgenden Jahr heirateten wir und nahmen den Vollzeitpredigtdienst auf. Unsere Flitterwochen waren sehr kurz. Am nächsten Tag schon begannen wir damit, unsere Nachbarn zu besuchen und mit ihnen über die Hoffnung auf ein besseres System der Dinge zu sprechen.
Während dieser Zeit wurde das Werk der Zeugen Jehovas von dem Diktator Trujillo angegriffen. Von dem ersten Tag an, da ich mich am Predigtwerk beteiligte, befürchteten wir, daß die Tätigkeit der Zeugen Jehovas verboten werden würde. Genau das trat ein. Es war also keine Überraschung für uns, als ein Jahr später heftige Verfolgung gegen uns ausbrach.
SCHWERE ZEITEN
Wir, Jehovas Zeugen, hatten uns geistig darauf vorbereitet, ins Gefängnis zu kommen. Und dorthin kamen wir auch. Ich hatte bei einer staatlichen Firma Arbeit gefunden, wo auch andere Zeugen angestellt waren. Eines Tages sollten wir ein Telegramm an den Diktator Trujillo unterschreiben, in dem es hieß, daß er unserer Unterstützung in politischer Hinsicht und auch in irgendeiner Aktion gegen Kuba sicher sein könne. Wir weigerten uns zu unterschreiben. Das war eine ernste Sache — Widerstand gegen den Diktator. Unsere Arbeitskollegen fühlten sich dazu gedrängt, uns zu beschimpfen. Der Verantwortliche sagte: „Trujillo ist hier der Chef, und selbst wenn euer Jehova vom Himmel herabkommen würde, müßte er sich Trujillo unterordnen.“ Ich antwortete darauf, wenn wir unterschreiben würden, würden wir seine Lästerung, die er soeben ausgesprochen habe, nur unterstützen. Wir wurden verhaftet und von dem Militärgeheimdienst verhört. Nachdem man uns bedroht hatte, wurden wir freigelassen. Doch einige Tage später erhielten wir ohne Musterung die Einberufung zum Militärdienst. Da wir uns weigerten, der Aufforderung nachzukommen, sperrte man uns ein. Im Gefängnis fanden wir vier weitere Zeugen vor, zwei von ihnen waren meine leiblichen Brüder. Nach unserer Freilassung wurden wir wiederum verurteilt. Dies geschah dreimal in Abständen von nur einem oder mehreren Tagen. Wir verbrachten fast sieben Jahre lang im Gefängnis, die letzte Freiheitsstrafe dauerte fünf Jahre.
Folglich war ich zwar schon acht Jahre ein verheirateter Mann, war aber nur ein Jahr lang — unser erstes Jahr — mit meiner Frau zusammengewesen. Während der übrigen Zeit war ich teils im Gefängnis und teils draußen. Das war kein guter Anfang, um meine Kinder zu Christen zu erziehen, was meinen Einfluß als Vater betrifft. Trotzdem hat Eve an unseren drei Kindern gute Arbeit geleistet. Sie lernten die biblischen Grundsätze kennen und besuchten die Zusammenkünfte im Königreichssaal. Außerdem beteiligten sie sich am Predigtdienst, der immer noch verboten war. Meine Frau besuchte mich mit den Kindern im Gefängnis, und ich freute mich sehr, festzustellen, daß sie trotz ihrer jungen Jahre treu waren. Eve mußte Beschimpfungen und Drohungen sowie Lästerreden auf Jehova über sich ergehen lassen. Doch ihr Glaube machte mich sehr glücklich und stärkte mich. Bei einer Gelegenheit, als sie mit unserem ersten Kind schwanger war, mißhandelte mich ein Wachposten in ihrer Gegenwart. Ich befürchtete, daß sie dadurch einen Schaden davontragen könnte, doch dies war nicht der Fall, und sie erbaute mich weiterhin. Wenn ich heute darüber nachdenke, danke ich Jehova für seine Hilfe. Er hat uns gewiß ein großes Vorrecht eingeräumt, indem er zuließ, daß wir aufgrund seines Namens leiden mußten. Diese Erfahrungen stärkten uns und halfen uns, eine geeinte christliche Familie zu sein.
In dieser Zeit der Prüfungen konnten wir viele schöne Erfahrungen machen, wenn wir Richtern, hohen Offizieren, Soldaten, Mithäftlingen, Gliedern unserer eigenen Familie, die keine Zeugen waren, und Leuten auf der Straße, denen wir während unserer Arbeit unter Bewachung begegneten, Zeugnis gaben. Sogar in dem Palast des Diktators konnten wir ein Zeugnis über unsere Hoffnung ablegen. Bei einer Gelegenheit — wir hoben gerade Gras aus, das verpflanzt werden sollte — erlaubte man uns, mit den Menschen, die in den Häusern an der Straße wohnten, zu sprechen. Da die Wachen uns begleiteten, hörte man uns an jeder Tür zu. Die Leute waren sehr gastfreundlich und zeigten Interesse, wenngleich mitunter auch mit etwas Furcht.
Im Gefängnis konnten wir manchmal von Zelle zu Zelle und von Schlafstelle zu Schlafstelle gehen, um über die Königreichshoffnung zu sprechen. Das war jedoch etwas riskant, denn wenn wir ertappt worden wären, wären wir in Einzelhaft gekommen. Einmal bat mich der Verantwortliche des Blocks, nicht in seiner Zelle zu predigen, denn er wollte mich nicht der Obrigkeit ausliefern. Ein Häftling war freundlich zu uns, und so sprachen wir über die Bibel, während wir im Gefängnishof waren. Später hatte ich das Vorrecht, ihn zu taufen, obwohl wir beide noch im Gefängnis waren. Einige Zeit danach wurde er aber ermordet, weil einer seiner Familienangehörigen an einem Anschlag auf Trujillo beteiligt gewesen war.
Es mag unglaublich erscheinen, aber dadurch, daß wir uns weigerten, Kompromisse zu schließen, gewannen wir die Achtung einiger Soldaten, Wächter, Häftlinge und Zivilisten. Der Gefängnisbeamte, der wegen seiner grausamen Behandlung der Häftlinge am meisten gefürchtet war, war derjenige, der uns sogar am meisten vertraute. Manchmal ließ er uns Arbeiten außerhalb des Gefängnisses ohne Wächter verrichten.
Im Gefängnis lernten wir, unsere Arbeit so einzuteilen, daß wir auch Zeit für geistige Dinge hatten. Im allgemeinen war es uns möglich, jede Woche alle Zusammenkünfte abzuhalten. Einige Male gelang es uns sogar, die Feier zum Gedächtnis an den Tod Christi mit anderen Häftlingen durchzuführen. Manchmal fanden die Wächter unsere Bibel und biblische Literatur und nahmen sie uns weg. Dies geschah gewöhnlich nur, weil einige Häftlinge uns verraten hatten. Wir besaßen aber immer genug Literatur, um geistig stark zu bleiben.
Was das Essen betrifft, gab es Zeiten, in denen wir das, was wir hatten, mit anderen teilen konnten. Es war uns erlaubt, einige Lebensmittel von außerhalb zu bekommen. Unsere Brüder — leibliche und geistige — versorgten uns ständig.
FÜR JEHOVAS HILFE DANKBAR
Ich bin Jehova dafür dankbar, daß er meinen Gefängnisaufenthalt zuließ, wie dies bei den Aposteln der Fall war. Das mag für einige befremdend klingen, doch all diese Erfahrungen schulen uns, geduldig zu sein und auszuharren. Natürlich war es manchmal nicht angenehm. Aber jetzt, nach vielen Jahren, kann ich feststellen, welch guten Einfluß diese Erfahrungen auf mich hatten.
Als ich schließlich aus dem Gefängnis entlassen wurde, war es nicht leicht, Arbeit zu bekommen, besonders weil ich vorbestraft war. Ich mußte eine Arbeit mit Picke und Schaufel annehmen und verdiente 2.50 Dollar am Tag. Eine Zeitlang kam die Familie einigermaßen damit aus, bis ich eine bessere Arbeit als Buchhalter finden konnte. Wir litten aber nie Hunger.
Am meisten freut es mich, daß alle meine fünf Kinder stark im Glauben sind und Jehova dienen. Es ist wirklich wahr, Gott hat mich sehr gesegnet und hat mir geholfen, meine Kinder zu Christen zu erziehen. Ich möchte meine 32 Jahre im Dienste Jehovas gegen nichts anderes tauschen. Ich bete zu unserem himmlischen Vater, daß er uns hilft, ihm ewig zu dienen.
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Ein weiser SpruchDer Wachtturm 1980 | 15. August
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Ein weiser Spruch
„Wo einer ist, der Haß zudeckt, da sind Lippen der Falschheit, und wer einen schlechten Bericht vorbringt, ist unvernünftig“ (Spr. 10:18).
Viele Sprüche enthalten einen Kontrast, der uns verstehen hilft, was recht oder weise ist. Aber Sprüche 10:18 enthält zwei Aussagen, die einen ähnlichen Gedanken ausdrücken; der zweite verstärkt den ersten. Beide zusammen zeigen uns, wie Gott denkt, und führen uns auf den richtigen Weg.
Zuerst lesen wir: „Wo einer ist, der Haß zudeckt, da sind Lippen der Falschheit.“ Das ist eine grundlegende Wahrheit. Wer gegenüber einem anderen Haß in seinem Herzen trägt, diesen aber hinter süßen oder schmeichlerischen Worten verbirgt, ist unaufrichtig, nicht wahr? Wie jemand, der etwas vortäuschen will, redet er Falschheit (Spr. 26:24).
Einige tun das, was der zweite Teil des Spruches erwähnt, statt ihren Haß zu verbergen. Sie ‘bringen einen schlechten Bericht vor’. Ihre Bosheit bringt sie so weit, daß sie durch falsche Anschuldigungen oder verächtliche Kommentare Schaden stiften. Damit beabsichtigen sie, daß der Gehaßte in der Achtung anderer sinkt. Das ist bestimmt „unvernünftig“. Der verleumderische ‘schlechte Bericht’ verändert in Wirklichkeit nicht die Persönlichkeit der anderen Person. Statt dessen wird dadurch nur deutlich, was für eine Persönlichkeit der Verleumder ist. Wegen seiner Handlungsweise sinkt er in der Achtung aufrichtiger Personen. Statt daß er also der anderen Person Schaden zufügt, schädigt der Verleumder sich selbst.
Recht und weise ist es, weder das eine noch das andere zu tun. Gott sagte den Israeliten: „Du sollst deinen Bruder in deinem Herzen nicht hassen.“ Jesus erweiterte diesen Gedanken noch, indem er uns den Rat gab: „Fahrt fort, [selbst] eure Feinde zu lieben und für die zu beten, die euch verfolgen, damit ihr euch als Söhne eures Vaters erweist, der in den Himmeln ist“ (3. Mose 19:17; Matth. 5:44, 45). Zugegeben, es ist nicht leicht, Haß, der sich entwickelt haben mag, auszumerzen. Aber ist das nicht besser, als etwas bestehenzulassen, was eventuell zu heuchlerischer Falschheit oder unvernünftiger Verleumdung führen kann? Und wenn wir Bosheit ablegen, werden wir dem Bild Gottes ähnlicher.
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