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Ausharren mit Geduld bringt FreudeDer Wachtturm 1968 | 15. Juni
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Ausharren mit Geduld bringt Freude
Erzählt von Josef Scharner
ICH bin einer von den 10 000 Zeugen Jehovas, die die Nationalsozialisten in ihre berüchtigten Konzentrationslager steckten. Mehr als neun Jahre hielt ich ihrem Haß stand, den sie auf mich hatten, weil ich Gottes Wort, die Bibel, liebte und weil ich mich weigerte, Jehova, meinen Gott, zu verleugnen.
Schon kurz nach meiner Verhaftung wurde mir klar, daß ich in der Kraft Jehovas alles ertragen könnte, was sie mir antun würden. Doch bevor ich einiges von dem erzähle, was ich in jenen Jahren erlebt habe, möchte ich kurz sagen, wie ich ein Zeuge Jehovas geworden bin. Die Geschichte beginnt im Jahre 1914. Ich war damals zehn Jahre alt.
Als eifrige Katholikin sah meine Mutter sehr streng darauf, daß wir Kinder regelmäßig in die Kirche gingen. Nach dem Ausbruch des Krieges im Jahre 1914 sagte der katholische Pfarrer jeden Sonntag nach seiner Predigt: „Gott segne die deutschen Armeen. Gott segne die deutschen Soldaten. Gott segne die deutschen Waffen. Wir werden, wir wollen und wir müssen siegen.“ Wir Kinder dachten, das wäre so in Ordnung; unsere Mutter aber dachte anders.
Als wir an einem Sonntag aus der Kirche kamen, sagte meine Mutter: „Kinder, da stimmt doch etwas nicht! Wem soll der liebe Gott helfen? Was wird der Pfarrer in Rußland beten? Was wird der Pfarrer in Frankreich beten? Wir haben doch nur e i n e n Gott.“ Ich habe diese Fragen nie vergessen. Es war doch ganz klar, daß Gott nicht die Gebete beider kriegführenden Parteien erhören konnte. Je mehr ich über diese Fragen nachdachte, desto mehr wunderte ich mich, warum Christen nicht in Frieden leben könnten. Die Antwort erhielt ich im Jahre 1925.
EIN WECHSEL IN MEINEM LEBEN
Nach meiner Lehrzeit arbeitete ich mit einem Kollegen zusammen, der zu den Bibelforschern (jetzt Zeugen Jehovas) gehörte. Er sprach bei jeder Gelegenheit über das Königreich Gottes und über den ewigen Frieden, den es der Erde bringen werde. Er bot mir das Buch Der göttliche Plan der Zeitalter an. Ich nahm es entgegen und las es. Es beantwortete mir meine Fragen und gab mir eine Hoffnung auf die Zukunft.
Eines Tages fragte ich meinen Kollegen, wohin er sonntags immer gehe. Er erklärte mir den christlichen Predigtdienst, den sogenannten „Kolporteurdienst“, an dem er sich am Sonntag beteiligte. Als ich ihn fragte, ob ich einmal mitgehen könne, war er sofort einverstanden und versicherte mir, es sei nicht schwierig. Und so war es auch. Nachdem ich mit ihm in drei Häuser gegangen war, fragte ich, ob ich in das nächste Haus allein gehen könne. Seither habe ich im Dienst von Haus zu Haus stets viel Freude erlebt.
Ich las die Hilfsmittel zum Bibelstudium, die ich erhielt, gründlich durch, und so lernte ich die Bibel immer besser kennen und schätzte sie immer mehr. Bald danach gab ich mich Gott hin und symbolisierte meine Hingabe durch die Wassertaufe. Sechs Monate später im Herbst des Jahres 1925, begann ich, meine ganze Zeit darauf zu verwenden, von Haus zu Haus über Gottes Königreich zu sprechen.
Mit einem Fahrrad, einem Koffer und mehreren Paketen mit Hilfsmitteln zum Bibelstudium, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft, fuhr ich nach Hohenstein, der Stadt, wo ich als Vollzeitpionierprediger dienen sollte. Zu meinem Gebiet gehörte auch die Ortschaft Tannenberg. Man konnte dort gut mit den Menschen über die gute Botschaft von Gottes Königreich und dem Frieden, den es schließlich der ganzen Menschheit bringen wird, sprechen, und meine Freude war groß.
Als ich im Jahre 1931 in einem Dorf in der Gegend von Johannesburg arbeitete, fand ich einige junge Männer, die sich für die biblische Wahrheit interessierten. Sie waren alle im Posaunenchor der Ortskirche. Als der Pastor erfuhr, daß ich mit diesen Männern sprach, gab er von der Kanzel bekannt, daß jeder Bibelforscher, der in den Ort käme, vertrieben werden solle. Als ich das nächste Mal kam und begann von Haus zu Haus zu gehen, um mit den Leuten über die guten Dinge in Gottes Wort zu sprechen, kam ein Mann mit einem langen Messer auf mich zu. Ich nahm meine Bibel in die Hand, ging ihm zwei Schritte entgegen und sagte: „Ich habe eine bessere Waffe, das Schwert des Geistes nämlich Gottes Wort. Schämen Sie sich nicht, mit solch einer schmutzigen Waffe auf einen Menschen loszugehen, der mit Ihnen über Gottes Königreich sprechen möchte? Hat Sie vielleicht Ihr Pastor dazu aufgefordert? Jesus Christus gebot seinen Jüngern, den Nächsten zu lieben. Tun Sie das?“ Der Mann wurde stutzig, verfärbte sich und ging brummend davon.
Als ich diese Dinge den jungen Männern erzählte, mit denen ich die Bibel studierte wurden sie sehr böse auf den Pastor. Einer von ihnen sagte: „Ich trete aus der Kirche aus!“ Drei Tage später kam der Pastor zu der Familie, als wir gerade beim Bibelstudium zusammensaßen. Es entspann sich eine Diskussion. Die Interessierten stellten dem Pastor Fragen und forderten ihn auf, das, was er sagte, durch Bibelzitate zu stützen. Er wurde ärgerlich und ging weg. Nun traten die zum Posaunenchor gehörenden jungen Männer alle, einer nach dem anderen, aus der Kirche aus, weil sie das wahre Christentum gefunden hatten. Einige von ihnen haben später ebenfalls den christlichen Vollzeitpredigtdienst aufgenommen.
AUSHARREN TROTZ VERFOLGUNG
Im Herbst des Jahres 1935 wurde ich verhaftet, weil ich ein Zeuge Jehovas war. Im Juni 1933 hatte die Hitler-Regierung die Tätigkeit der Zeugen Jehovas, das heißt ihre Zusammenkünfte und die Verbreitung der Hilfsmittel zum Bibelstudium, verboten. Es überraschte mich daher nicht, daß ich als christlicher Diener Jehovas verhaftet und eingesperrt wurde. Ich war damals dankbar, daß ich das persönliche Bibelstudium nicht vernachlässigt hatte, denn ich hatte dadurch den Glauben erlangt, den ich benötigte, um auszuharren. Ich dachte häufig an das Ausharren, von dem der Bibelschreiber Jakobus schrieb: „Seht, wir preisen die glücklich, die ausgeharrt haben.“ — Jak. 5:11.
Obwohl andere Gefangene die Bibel haben durften, nahm man sie mir weg. Die Gefängnisbeamten dachten, ich würde im Glauben schwach werden, wenn ich keine Bibel hätte, und würde dann die mir vorgelegte Erklärung unterzeichnen, durch die ich meinem Glauben abgeschworen hätte. Sie dachten nicht daran, daß ich mir schon vor meiner Verhaftung die Wahrheit des Wortes Gottes tief eingeprägt hatte, indem ich die Bibel allein und auch im Kreise anderer studiert hatte. Sie konnten diese glaubensstärkenden Wahrheiten nicht aus meinem Gedächtnis auslöschen.
Eines Tages wurde ich in eine andere Zelle verlegt, in der ich mit einem Gefangenen zusammen war, der wegen Raubmordes zum Tode verurteilt worden war. Ihm hatte man erlaubt, eine Bibel zu haben. Kurz vor seiner Hinrichtung wurde er in eine andere Zelle verlegt. Die Bibel blieb zu meiner großen Freude jedoch da. Nun konnte ich mich an dem stärkenden Wort Gottes laben. Jeden Tag las ich darin und versuchte, viele Verse auswendig zu lernen. Sehr oft dachte ich an die Worte Jesu: „Wer aber bis ans Ende ausgeharrt haben wird, der wird gerettet werden.“ — Matth. 24:13.
Nach sechsjähriger Gefängniszeit bot sich mir die Gelegenheit, frei zu werden. Ein Offizier der Gestapo interviewte mich. Er fragte mich, ob ich nach diesen sechs Jahren nun von meinen falschen Ideen geheilt sei oder ob ich immer noch an Jehova glaube. Ich gab zu verstehen, daß ich der Anbetung des wahren Gottes, Jehovas, immer noch ergeben sei und daß ich die Erklärung, durch die ich meinen Glauben verleugnet hätte, nicht unterzeichne. Dann kam der Befehl, ich solle in ein Konzentrationslager verschickt werden. Der Gestapo-Beamte sagte: „Dort weht ein anderer Wind. Dort schweigst du bald, und dein Ausgang ist durch den Schornstein, wenn du nicht unterschreibst.“
AUSHARREN MIT GEDULD
Meine Freude war jedesmal groß, wenn ich im Konzentrationslager über die gute Botschaft von Gottes Königreich und über die tröstlichen Verheißungen des Wortes Gottes sprechen konnte. Ich erinnere mich noch gut an eine Erfahrung, die ich machte, als ich eine Zeitlang in der Krankenstube des Lagers war. Ein junger Mann, der schwer krank war, sagte immer wieder zu mir: „Erzähl mir was vom Königreich, du kannst so gut trösten.“ Besonders die Auferstehung der Toten interessierte ihn, denn er erwartete nicht mehr, von seiner Krankheit zu genesen. Ich freute mich, ihm durch die Wahrheit des Wortes Gottes eine Hoffnung geben zu können.
Als ich später noch einmal an Typhus erkrankte und wieder in die Krankenstube kam, konnte ich mit anderen Kranken über die vielen Segnungen sprechen, die die leidende Menschheit unter der Herrschaft des Königreiches Gottes genießen wird. Der Arzt, ebenfalls ein Häftling, sagte: „Dein Glaube und deine freudige Einstellung machen dich schnell gesund.“
Immer wieder erlebte ich die Freude an Jehova, wenn ich mit anderen über die Wahrheiten aus seinem Wort sprechen konnte. Einmal konnte ich sogar einer Abordnung von SS-Offizieren Zeugnis geben, die gekommen waren, um das Gelände zu inspizieren. Sie schauten sich um, und als einer von ihnen meinen lilafarbenen Winkel sah, das Kennzeichen, das die Zeugen Jehovas tragen mußten, rief er: „Lila, komm mal her!“ Dann fragte er mich: „Warum bist du hier im Konzentrationslager?“ Ich sagte ihm, ich würde an die Bibel, das Wort Gottes, glauben und hätte darüber gesprochen. Darauf sagte er: „Also bist du ein Bibelforscher?“ Ich bejahte. Dann fragte er: „Hast du schon unterschrieben?“ Als ich verneinte, wollte er wissen, warum nicht. „Ich will mich nicht zu einem Verräter machen.“ Er erwiderte: „Dann mußt du ein echter Bibelforscher sein, und dann mußt du auch wissen, wann es Frieden geben wird.“ Ich sagte ihm, daß es erst Frieden geben werde, wenn Gottes Königreich unter Christus ihn herbeiführe.
Der SS-Offizier wandte sich zu seinen Kollegen um und sagte: „Seht euch diese Leute an! Man kann sie einsperren, man kann ihnen alles wegnehmen, ja man kann sie totschlagen, aber sie lassen nicht von ihrem Glauben an Jehova ab. Ihre Arbeit machen sie gut, und sie sind ehrliche Leute. Nur für den Krieg taugen sie nicht.“ Die Häftlinge, die Zeugen dieser Unterhaltung waren, hatten nun noch größeren Respekt vor uns. Es gab natürlich auch einige, die sagten, wir seien dumm, daß wir nicht unterschreiben und unseren Glauben aufgeben würden, wenn wir doch dann nach Hause gehen könnten.
ENDLICH BEFREIT
Nachdem ich über neun Jahre in Gefängnissen und im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig zugebracht hatte, erlangte ich schließlich wieder die Freiheit. Mit etwa 900 Häftlingen wurde ich in einer Kohlenschute, die von einem Dampfer geschleppt wurde über die Ostsee bis zur Flensburger Förde (Norddeutschland) befördert. Bei diesem Transport wurden einige kranke Häftlinge über Bord geworfen. Leider befand sich unter ihnen auch ein Zeuge Jehovas aus Polen Ignatz Ukrzewski. Die Kranken waren in einem etwa drei Meter tiefen Kohlenbunker so eingepfercht, daß sie keinen Platz hatten, sich zu bewegen, ja einige lagen halb auf den anderen. Als die SS-Männer erfuhren, daß wir mit den kranken Häftlingen sprachen, trieben sie uns in unseren Bunker, der am anderen Ende des Schiffes lag.
Als die alliierten Besatzungstruppen uns in Flensburg befreiten, nahm ich die christliche Tätigkeit wieder auf, die durch meine Verhaftung vor mehr als neun Jahren unterbrochen worden war. Ich begann, die gute Botschaft von Gottes Königreich wieder von Haus zu Haus zu verkündigen.
Gleich nach dem Krieg gab es in Deutschland wenig Zeugen Jehovas, die öffentliche Vorträge halten konnten. Ich hatte daher das Vorrecht, in mehreren Dörfern und Städten solche Vorträge zu halten. Es war mir eine große Freude, auf diese Weise über Gottes Wort zu sprechen. Als dann die Wachtturm-Gesellschaft begann, Sondervertreter, Kreisdiener genannt, auszusenden, die die verschiedenen deutschen Versammlungen besuchen sollten, wurde ich eingeladen, diesen Dienst aufzunehmen. Ich freute mich über diese Einladung sehr. Es war wirklich ein Vorrecht, an einem Dienst teilzuhaben, durch den die Versammlungen gestärkt und meine christlichen Brüder geistig auferbaut und ermuntert wurden, im Dienste Jehovas treu auszuharren.
Eine weitere Freude erlebte ich, als ich 1946 eine Schwester heiratete, die mir eine treue Gefährtin wurde. Ihr erster Mann und ihr ältester Sohn waren von den Nationalsozialisten hingerichtet worden, weil sie ihre Lauterkeit gegenüber Jehova Gott bewahrt und sich geweigert hatten, im Krieg ihre Neutralität aufzugeben. Seither dienen wir Jehova gemeinsam als Vollzeitdiener.
Seitdem ich in den freudigen Dienst unseres Schöpfers eingetreten bin, sind nun zweiundvierzig Jahre vergangen. Ich habe viele schwere Prüfungen durchgemacht, die geduldiges Ausharren erfordert haben; aber ich bin auch reich gesegnet worden, weil ich auf Jehova vertraut, die Lauterkeit ihm gegenüber bewahrt und seine Interessen in meinem Leben stets allem vorangestellt habe. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß die, die auf ihn vertrauen, allen Versuchen, ihre christliche Lauterkeit zu erschüttern, standzuhalten vermögen, daß sie feststehen wie die Berge. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, bin ich heute mehr denn je davon überzeugt, daß Ausharren mit Geduld schließlich unzählige Freuden und Segnungen mit sich bringt. — Ps. 125:1; Luk. 21:19.
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Fragen von LesernDer Wachtturm 1968 | 15. Juni
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Fragen von Lesern
● In welchem Sinne lehrt „die Natur selbst“, daß es, wie der Apostel Paulus nach 1. Korinther 11:14, 15 schreibt, den Frauen zur Herrlichkeit gereicht, langes Haar zu haben, den Männern dagegen zur Unehre? — G. N., Kanada.
Die Erklärungen, die Paulus gab, um seine Ausführungen über die Stellung der Frau in der Christenversammlung zu stützen, waren für die Korinther sehr vielsagend. Er schrieb: „Lehrt euch nicht die Natur selbst, daß, wenn ein Mann langes Haar hat, es ihm zur Unehre gereicht, wenn aber eine Frau langes Haar hat, es ihr zur Herrlichkeit gereicht?“ (1. Kor. 11:14, 15) Unter gewissen Umständen sollte eine christliche Frau eine Kopfbedeckung als Zeichen ihrer Anerkennung eines theokratischen Hauptes tragen. (1. Kor. 11:5) Das sollte durch das natürliche Geschehen, das die Empfänger des Briefes Pauli beobachten konnten, und durch die ihnen vertrauten Sitten und Bräuche angedeutet werden.
Die Korinther Versammlung bestand wahrscheinlich größtenteils aus Griechen und Juden, und unter diesen Völkern ist es natürlich, daß die Frauen längeres Haar haben als die Männer. Das ist nicht unbedingt bei allen Völkern der Fall. Forscher teilen die Haarformen gewöhnlich in drei Gruppen ein: das lange straffe Haar der Orientalen und Indianer, das kurze wollige Haar der Neger und Melanesier und das wellige Haar der Europäer und Semiten. Was die ersten beiden Gruppen betrifft, so „ist bei Mann und Frau in der Länge kaum ein Unterschied zu sehen“, sofern es wachsen gelassen wird. Anders ist es jedoch bei der dritten Gruppe. Bei ihr wird bei Männern das Haar im allgemeinen „selten länger als 30 bis 40 Zentimeter während bei den Frauen die durchschnittliche Länge 63 bis 76 Zentimeter beträgt, ja es sind sogar Fälle bekannt, wo es 1,8 Meter und noch länger wurde“. — The Encyclopædia Britannica, 11. Ausgabe, Band 12, Seite 823.
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