Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • Suche nach den Eltern — Ein Adoptivsohn wollte Klarheit
    Erwachet! 1979 | 22. Februar
    • Suche nach den Eltern — Ein Adoptivsohn wollte Klarheit

      Kaum überwindbare gesetzliche Schweigepflicht

      VORLETZTES Jahr sahen meine Frau und ich teilweise die Fernsehserie „Roots“ („Wurzeln“). Vielleicht mehr als die meisten Fernsehzuschauer hatte ich volles Verständnis dafür, daß viele über ihre Herkunft Klarheit haben möchten. Es ist nur natürlich, wissen zu wollen, woher man stammt und wer seine Eltern und anderen Verwandten sind. Interessanterweise suchen in letzter Zeit immer mehr Personen nach ihren „Wurzeln“.

      „Die Suche nach der persönlichen Herkunft hat phänomenale Ausmaße erreicht“, konnte man in einem Leitartikel der Newsweek lesen. Der Sprecher einer Bibliothek für Familiengeschichte sagte über diese Entwicklung: „Der Grund, den die Leute angeben, ist fast immer der gleiche: „Ich möchte einfach wissen, wer ich bin.‘“

      Bestimmte Personen der Bevölkerung sind jedoch ganz besonders an ihrer Herkunft interessiert. Ich meine uns, die wir von Stiefeltern adoptiert wurden. Aber die meisten von uns, die schon Schritte unternommen haben, sind bei fast jeder Bemühung, ihre richtigen Eltern herauszufinden, enttäuscht worden.

      Kennst du den Grund für die Verschwiegenheit, auf die man stößt? Ist es ein guter Grund?

      Kaum überwindbare gesetzliche Schweigepflicht

      Die Gesetze der Vereinigten Staaten verlangen Schweigepflicht. Bei der Adoption eines Kindes wird eine neue Geburtsurkunde ausgestellt; das Ganze läuft auf eine „zweite Geburt“ des Kindes hinaus. Die ursprünglichen Aufzeichnungen über die Geburt von Adoptierten werden versiegelt, und fast jeder Antrag der Adoptierten, darin Einblick zu nehmen, wird abgewiesen. Bricht jemand das Gesetz und verschafft sich Zugang zu den Akten, wird er mit einer Geldbuße belegt oder mit Gefängnis bestraft.

      In fast allen Bundesstaaten der USA ist es selbst Adoptierten, die das Erwachsenenalter erreicht haben, untersagt, die Aufzeichnungen einzusehen. Diese Vorschriften bestehen nicht in allen Ländern. In Israel, Finnland und Schottland beispielsweise darf erwachsenen Adoptierten die ursprüngliche Geburtsurkunde ausgehändigt werden.

      Von den Adoptionsgesetzen der USA sind buchstäblich Millionen Menschen betroffen, einschließlich der drei bis fünf Millionen Adoptierten und ihrer leiblichen Eltern sowie Adoptiveltern. Wie man sagt, ist hier die Zahl der Adoptionen größer als in insgesamt allen übrigen Ländern der Welt. In den USA wurde 1970 eine Höchstzahl von 175 000 Adoptionen erreicht. Doch dann nahm die Zahl ständig ab.

      Entstehung der Adoptionsgesetze

      Vor einigen Jahren begann ich mich mehr für das Thema Adoption zu interessieren. Mir wurde beim Lesen der Bibel klar, daß diese Maßnahme offensichtlich sehr alt ist. Zum Beispiel wurde Moses, ein Kind israelitischer Eltern, aus dem Nil geholt und von der Tochter Pharaos adoptiert, so daß er „ihr zum Sohn wurde“ (2. Mose 2:5-10). Später las ich, daß in den babylonischen Gesetzen des Hammurabi, im hinduistischen Gesetzbuch des Manu wie auch in assyrischen, ägyptischen, griechischen und römischen Gesetzen Adoptionen vorgesehen waren.

      Der eigentliche Zweck dieser Adoptionsgesetze bestand darin, das Aussterben von Familien zu vermeiden und für gesetzliche Erben zu sorgen. Deshalb ist es interessant festzustellen, daß Abraham, der Stammvater der Israeliten, offensichtlich seinen Sklaven Elieser sozusagen als seinen Adoptivsohn betrachtete. Abraham sagte nämlich: „Ich bin ja doch kinderlos! Der Erbe meines Hauses wird Elieser von Damaskus sein“ (1. Mose 15:2-4, Bruns).

      Dagegen waren in der Neuzeit im englischen Common Law, worauf sich das Gesetz der USA gründet, Adoptionen nicht vorgesehen. Folglich wurde die gesetzliche Adoption in den USA erst ins Leben gerufen, als die einzelnen Staaten um die Mitte des 19. Jahrhunderts begannen, Adoptionsgesetze zu verabschieden. In England wurde erst 1926 durch den „Adoption of Children Act“ eine gesetzliche Möglichkeit geschaffen. Wird ein Kind adoptiert, ist es nicht mehr mit seinen leiblichen Eltern, sondern nur mit seinen Adoptiveltern gesetzlich verwandt.

      Eine humane Vorkehrung

      Die Vorteile dieser heute bestehenden Möglichkeit zur Adoption kann ich persönlich bestätigen. Früher wurden Kinder, die entweder unerwünscht waren oder für die die Eltern nicht sorgen konnten, gewöhnlich in Anstalten großgezogen. Diesen Kindern ging es im allgemeinen schlecht, und die Sterblichkeitsrate war hoch. Wieviel besser ist es doch, wenn Ehepaare, die Kinder haben möchten, Babys adoptieren können und ihnen die liebevolle Aufmerksamkeit zeigen, die sie brauchen!

      Ich hatte bei meinen Adoptiveltern eine solch liebevolle Fürsorge und werde ihnen dafür immer dankbar sein. Sie zogen mich groß, als sei ich ihr eigener Sohn. Andererseits ließen sie mich schon sehr früh wissen, daß ich adoptiert war. Adoptiveltern tun gut daran, ihren Kindern das zu erzählen. Erfahren es die Kinder von anderen — und das werden sie mit Bestimmtheit —, sind sie gewöhnlich nicht nur erschüttert, sondern fühlen sich von ihren Adoptiveltern getäuscht, da sie die Adoption zu verheimlichen suchten. Man erzählt es ihnen aber am günstigsten dann, wenn sie es schon etwas besser verstehen können, vielleicht im Alter von 6 bis 8 Jahren.

      Da ich seit einiger Zeit weiß, wie wichtig in der frühen Kindheit die Umwelt ist, schätze ich meine Adoptiveltern sogar noch mehr. Zum Beispiel haben in den Vereinigten Staaten schwarze Kinder in Sachen der Bildung und des kulturellen Lebens nicht immer einen solch guten Anschluß wie weiße Kinder. Wenn sie dagegen von Weißen großgezogen werden, haben sie mehr Bildungsmöglichkeiten und erreichen gewöhnlich einen höheren Intelligenzquotienten als andere schwarze Kinder.

      Babys, die adoptiert werden können

      Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre adoptierten viele weiße Eltern schwarze Kinder. Tatsächlich waren eine Zeitlang mehr als ein Drittel aller schwarzen Adoptivkinder bei Weißen untergebracht. Aber dann begannen führende Schwarze, energisch zu protestieren. Ihrer Meinung nach hätten diese Kinder auf lange Sicht größere Probleme, wenn sie älter würden und der Wirklichkeit gegenüberstünden. Von den Weißen würden sie wegen ihrer Hautfarbe und von den Schwarzen wegen ihrer abweichenden Wertvorstellung und Verhaltensweise nicht akzeptiert.

      Aber warum möchten dann so viele Weiße unbedingt schwarze Babys oder Mischlinge adoptieren? Weil es zuwenig weiße Babys zu adoptieren gibt. Die Adoptionsbehörden haben Wartelisten, die sich über mehrere Jahre erstrecken, und manche nehmen keinen neuen Antragsteller mehr an. Wieso besteht dieser Engpaß, obwohl die Zahl der unehelichen Kinder erheblich gestiegen ist, die ja schon von jeher den Großteil der Adoptivkinder ausmachten?

      Vor allem schaut man heute nicht mehr auf unverheiratete Mütter herab. Berühmte Sängerinnen und Filmschauspielerinnen behalten ihre unehelichen Kinder bei sich, und Schlager wie „Having My Baby“ haben den Trend romantisiert. Vor einigen Jahren haben in den USA ungefähr 80 Prozent aller unverheirateten Mütter ihre Babys zur Adoption freigegeben. Seit einiger Zeit tun es jedoch nur noch 20 Prozent — also können nicht mehr so viele Säuglinge adoptiert werden.

      Machen sich Mütter jemals Gedanken über das Baby, das sie fortgegeben haben? Warum suchen Adoptivkinder nach ihren leiblichen Eltern?

      Ich wollte es wissen

      Schon in meiner Kindheit wollte ich wissen, wie meine Mutter und mein Vater aussehen, obwohl ich mit meinen Adoptiveltern ein gutes Verhältnis hatte. Mir ist aufgefallen, daß fast alle Adoptierten ähnlich denken, so als ob „ein Stück ihrer selbst fehle“. Dr. Arthur D. Sorosky, der sich mit diesem Sachverhalt eingehend beschäftigt hat, sagt:

      „Wir haben festgestellt, daß die Neugier des Adoptivkindes nicht von dem Verhältnis zu seinen Eltern abhängt. Es ist das einfache, grundlegende Bedürfnis, über seine Herkunft Bescheid zu wissen. Der Wunsch des Adoptierten, sich über die Vorfahren zu informieren — oder sogar die leiblichen Eltern kennenzulernen —, ist ein Bedürfnis, das ein Nichtadoptierter nicht völlig verstehen kann. Man kann auch nicht einfach sagen, es komme nur bei seelisch gestörten Personen vor.“

      Außerdem weiß ich, daß oft die leiblichen Mütter wissen möchten, wie es dem Kind geht, das sie fortgegeben haben. Ich kann mich daran erinnern, wie meine Adoptivmutter — eine sehr feinfühlige und vernünftige Frau — an meinem Geburtstag sagte: „Ganz gleich, wo deine Mutter ist, wird sie wahrscheinlich heute an dich denken.“ Ich bin dankbar, daß Vati und Mutti so verständnisvoll waren. Als ich mich schließlich auf die Suche machte, halfen sie mir.

      Wie eine Studie ergab, sind die meisten Adoptivkinder, die ihre leiblichen Eltern gefunden haben, froh darüber, daß sie nach ihnen gesucht haben. Selbst wenn sie nichts Erfreuliches vorfanden, betrachteten sie das Stadium der Unwissenheit als noch unerfreulicher. Ich kann das bestätigen.

      Allerdings gestand ich mir ein, daß mein wahres Glück nicht davon abhing, ob ich über meine Herkunft Bescheid wüßte. Denn letzten Endes kommt man, wenn man die Abstammung der gesamten Menschheitsfamilie zurückverfolgt, auf den Patriarchen Noah, der die weltweite Flut überlebte. Also ist nicht unsere physische Herkunft von äußerster Wichtigkeit, sondern ein gutes Verhältnis zu Gott, unserem geistigen Vater. Obwohl ich dieses Verhältnis zu Jehova Gott bereits als das Wichtigste ansah, wollte ich meine leiblichen Eltern finden. Laß dir berichten, wie erfolgreich meine Suche war.

  • Meine geduldige Suche wurde belohnt
    Erwachet! 1979 | 22. Februar
    • Meine geduldige Suche wurde belohnt

      ALLE Informationen über mich und meine Familie, die mir zur Verfügung standen, waren aus gerichtlichen Dokumenten ersichtlich, die mir meine Adoptiveltern zum erstenmal zeigten, als ich ungefähr sieben oder acht Jahre alt war. Sie hatten sie bei meiner Adoption erhalten. Später, als ich erwachsen war, durfte ich sie behalten. Meine natürliche Abstammung war lediglich durch meinen Namen und den meiner Mutter angedeutet.

      Obwohl ich schon als Kind mehr über meine Herkunft erfahren wollte, unternahm ich erst als Dreißiger etwas. In den dazwischenliegenden Jahren hatte sich aufgrund eines Studiums der Bibel mein Leben völlig geändert.

      Bis 1967 hatte ich alles so geregelt, daß ich mehr Zeit hatte, das Gelernte an andere weiterzugeben. Schließlich diente ich fast vier Jahre als Missionar auf den Inseln Kusaie und Ponape sowie den Trukinseln (pazifische Inseln). 1973 wurde ich dann Mitarbeiter im Hauptbüro der Zeugen Jehovas (Brooklyn, New York).

      Von da an begann ich mich eingehend mit meiner Vergangenheit zu beschäftigen. Wer sind meine Mutter und mein Vater? Habe ich Geschwister? Bin ich spanischer, französischer oder von irgendeiner anderen Herkunft? Ich hatte außerdem noch einen wichtigeren Grund, meine Familie zu finden — ich wollte sie mit der ‘guten Botschaft vom Königreich’ bekannt machen (Matth. 24:14).

      Aber wo sollte ich mit der Suche beginnen?

      Beginn der Suche

      Meinen Unterlagen konnte ich folgendes entnehmen: den Namen, den ich bei der Geburt bekam, den vollen Namen meiner Mutter, den Namen der Adoptionsagentur, mein Geburtsdatum und das Krankenhaus, in dem ich geboren wurde. Ich begann meine Suche, indem ich einen Brief an die Adoptionsagentur in Kalifornien schrieb — der Bundesstaat, in dem ich geboren wurde.

      Das erwies sich als mein erstes enttäuschendes Erlebnis mit der kaum überwindbaren Schweigepflicht. Die Agentur war gesetzlich verpflichtet, den für meine Mutter angegebenen Namen weder zu bestätigen noch zu dementieren. Aber sie teilte mir mit, aus welchem Staat die Frau, über die ich mich erkundigte, gekommen war: Oregon. Sie machte außerdem andere Angaben, zum Beispiel, daß sie deutsch-französischer Herkunft war, in der Schule Durchschnittsnoten hatte und in der Kapelle der High-School ein Instrument spielte.

      Als nächstes schrieb ich an das Department of Vital Statistics in Portland (Oregon). Ich legte eine Gebühr bei und gab die Informationen an, die ich über meine Mutter geben konnte. Nach einigen Tagen erhielt ich eine Antwort. Tatsächlich sei in diesem Staat 24 Jahre vor meiner Geburt eine Person mit diesem Namen geboren worden. Allerdings könne man mir keine Kopie der Geburtsurkunde senden — das sei ungesetzlich.

      Ich schrieb wieder und bat um eine Kopie des Gesetzes, das die Aushändigung der Geburtsurkunde verbietet. Aus der Kopie, die ich bald bekam, konnte ich ersehen, daß die Geburtsurkunde nur einem Blutsverwandten, dem Betreffenden selbst oder einem gerichtlich Bevollmächtigten ausgehändigt werden darf. Glücklicherweise war die Seite, auf der der Paragraph stand, vollständig kopiert. Als ich sie durchsah, fand ich einen anderen Paragraphen, gemäß dem man das zuständige Gericht um die Aushändigung irgendeines wichtigen Schriftstücks, das einem verweigert wurde, ersuchen kann.

      Folglich übersandte ich dem Gericht eine notariell beglaubigte Kopie meiner Adoptionsdokumente und bat um die Geburtsurkunde. Das Ergebnis? Einige Wochen später hatte ich sie. Der angegebene Name — Grace Faulman — stimmte genau mit dem Namen meiner Mutter auf den Adoptionsdokumenten überein. Zudem waren die Namen ihrer Eltern erwähnt.

      Ich hatte allen Grund anzunehmen, daß Grace Faulman meine Mutter war, denn es war unwahrscheinlich, daß eine andere Frau am gleichen Tag, am 23. Mai 1939, ein Kind zur Welt gebracht hatte, das den gleichen Namen hat wie ich. Aber wie konnte ich sichergehen? Wie konnte ich Grace Faulman oder ihre Eltern ausfindig machen in der Annahme, sie seien noch am Leben? Nicht zuletzt waren seit der Ausfertigung dieser Geburtsurkunde 60 Jahre vergangen. Ich beschloß, meine Suche fortzusetzen.

      Ich schrieb an den Schulrat von Astoria (Oregon), wo Grace geboren war. Außerdem bat ich den dortigen Postdirektor um Informationen über die Familie Faulman. Aber alle Versuche, auf diesem Weg meine Mutter aufzuspüren, waren fruchtlos. Offensichtlich war die Familie kurz nach der Geburt von Grace weggezogen. Somit mußte ich nach einem anderen Weg suchen.

      Ein Durchbruch gelingt

      Bezeichnenderweise wurden die Vereinigten Staaten durch die Ausdehnung nach Westen besiedelt. Nach 1790, dem Jahr der ersten allgemeinen Volkszählung, zogen viele Familien einzeln oder in Gruppen nach Westen. Das erklärt, warum Grace Faulman weit im Westen, in Oregon, geboren wurde, aber ihre Eltern laut Geburtsurkunde in Michigan.

      Ich versuchte ergebnislos, die Geburtsurkunde von Grace Faulmans Vater zu bekommen — offensichtlich existiert sie nicht. Allerdings konnte ich mir die Geburtsurkunde ihrer Mutter verschaffen. Dadurch erfuhr ich die Namen von Grace’ Großeltern, denn sie waren darauf angegeben.

      Als nächstes sandte ich noch einmal eine Gebühr und bat um die Heiratsurkunde von Grace’ Großeltern. Ich gab die Namen an, die ich der Geburtsurkunde von Grace’ Mutter entnehmen konnte. Kurz darauf wurde mir die Heiratsurkunde mit Datum vom 3. Februar 1894 zugesandt. Jetzt konnte ich eine Besonderheit der Volkszählung von 1880 ausnutzen. Damals war ein Index angefertigt worden, in dem alle Familienhäupter, deren Kinder im Jahre 1880 bis zu 10 Jahre alt waren, mit Namen und anderen Informationen aufgeführt waren.

      Ich richtete ein Gesuch an die National Archives in Washington (D. C.), wo Kopien dieses Indexes aufbewahrt sind. Dabei gab ich den Namen von Grace’ Großvater an — Henry Monroe (wurde 1871 geboren und war daher 1880 jünger als 10 Jahre) — und bat darum, im Index nachzuforschen. Bald wurde meine Mühe mit der Kopie der Indexseite belohnt, auf der sein Name und die Namen seiner Familienangehörigen aufgeführt waren. Erfreulicherweise war auf dieser Seite auch die Stadt angegeben, in der Henry damals wohnte, nämlich East Jordan (Michigan).

      Später sollten sich dieses Dokument und eine freundliche Geste als Schlüssel zu meiner Vergangenheit erweisen. Aber damals erkannte ich noch nicht, inwiefern mir diese Information nützlich sein könnte. Darum begann ich mich mit vermeintlichen Nebenlinien meiner Familie zu beschäftigen und schrieb eine Unmenge von Briefen.

      Da ich in Brooklyn, ganz in der Nähe der Long Island Historical Society, wohnte, verbrachte ich jeden Samstagnachmittag etwas Zeit damit, die Berichte alter Volkszählungen und andere historische Dokumente zu durchsuchen. Bei Nachforschungen über Verwandte von Henry Monroe entdeckte ich eine Frau, die ich für eine meiner Urgroßmütter hielt. Sie hatte in Cobleskill, einer kleinen Stadt im Norden des Staates New York, gewohnt. Ich schrieb an die kleine Wochenzeitung des Ortes einen Brief, weil ich wissen wollte, ob noch Verwandte von ihr dort wohnten. Zu meiner Überraschung erhielt ich eine Woche später ein Antwortschreiben. Die Frau, die mir antwortete, war die Nichte meiner vermeintlichen Urgroßmutter.

      Sie lud mich ein, sie in Cobleskill zu besuchen. Ich verbrachte dort ein sehr schönes Wochenende, an dem ich mehr über die Familie erfuhr und auch über ihre 200jährige Vorgeschichte in diesem Gebiet. Es ergab sich noch ein Beweis dafür, daß ich wirklich auf der richtigen Spur war — alle Frauen der Familie meinten, ich hätte die „Familiennase“ geerbt. Eine andere erfreuliche Tatsache ist, daß drei Enkel dieser Frau den gleichen Glauben haben wie ich.

      Leider hatte die Familie im Norden des Staates New York schon seit mehr als 50 Jahren keinen Kontakt mehr mit der Familie von Grace Faulman und wußte nicht, wo sie sein könnte. Also hatte ich trotz einiger Fortschritte immer noch keine guten Aussichten, meine Mutter zu finden. Aber dann kam mir eine Idee.

      Die Idee, die mir meine Vergangenheit erschloß

      Ich dachte wieder an Henry Monroe, den Großvater von Grace Faulman, und überlegte: „Wenn ich mit der Familie in Cobleskill (New York) dank der Zeitung in Kontakt kommen konnte, warum sollte ich dann nicht dem Postdirektor in der kleinen Stadt East Jordan (Michigan), wo Henry mit seiner Familie gewohnt hatte, einen Brief schreiben?“

      Genau das tat ich. Ich teilte dem Postdirektor mit, daß ich entfernte Verwandte ausfindig machen wollte, und bat ihn, falls er in der Stadt jemand mit dem Namen Monroe kennen würde, dem Betreffenden meinen Brief zu übergeben. Kurz nachdem ich geschrieben hatte, dachte ich schon nicht mehr an diese Sache.

      Als ich eines Mittags meine Post durchsah, war auch ein von mir adressierter Umschlag dabei. (Ich fügte immer allen Briefen einen adressierten frankierten Umschlag bei.) Ich öffnete ihn und stellte zu meiner Überraschung fest, daß jemand ein paar Zeilen geschrieben hatte, und zwar niemand anders als die Cousine von Grace’ Mutter. Das stimmte mich so freudig, daß ich mich den ganzen Nachmittag kaum auf die Arbeit konzentrieren konnte.

      Ich war mir fast sicher, daß diese Frau eine Verwandte war, begann mit ihr eine Brieffreundschaft und erkundigte mich vorsichtig nach der Mutter von Grace. Ja, sie sei noch am Leben, erfuhr ich. Und sie habe einen Enkel, der in Alaska lebe. War das eine Überraschung! Ich hatte einen Bruder! Allerdings erfuhr ich durch den Briefwechsel, daß Grace gestorben war. Was nun?

      Ich hielt es für angebracht, zurückhaltend zu sein, da ich nichts über die Umstände meiner Geburt wußte. Aber schließlich beschloß ich, der Cousine meiner Großmutter alles zu berichten. Ich fügte eine Kopie meiner Adoptionsakten bei und bat sie, mir als Mittelsperson zu dienen. Ob sie wohl meiner Großmutter über mich schreiben würde?

      Wiedervereinigung

      Die Tage vergingen langsam. Schließlich kam ein Brief von meiner Großmutter an. Sie war außer sich vor Freude. Ja, da fehle noch ein Enkel — aber sie habe ihn für tot gehalten, da ihre Tochter ihr erzählt habe, er sei als Säugling gestorben. Ja, die in den Dokumenten erwähnte Person sei ihre Tochter. Ich müsse sofort meinen Bruder in Alaska anrufen, drängte sie. Die Telefonnummer war angegeben. Und wann würde ich bloß zu ihr nach Kalifornien kommen, so daß sie mich sehen könnte?

      Ich rief meinen Bruder an. Meine Begrüßung: „Mein Bruder!“ Seine ersten Worte: „Das gibt es doch nicht!“

      Auch ihm hatte meine Mutter erzählt, ich sei als Säugling gestorben, aber dann hatte ihm vor etwa 15 Jahren unser Vater gesagt, daß ich adoptiert worden war. Er versuchte mich zu finden, aber alle seine Bemühungen scheiterten an der schwer überwindbaren gesetzlichen Schweigepflicht.

      Der Besuch in Kalifornien und das Familientreffen waren zweifellos eines der freudigsten Erlebnisse meines Lebens. Leider mußte ich erfahren, daß meine Mutter und mein Vater (er hieß John Rapoza-Vierra) schon seit einigen Jahren tot waren. Aber ich war mit meiner Großmutter, meinem Bruder und meinen Adoptiveltern, die von Anfang an alle meine Bemühungen unterstützt hatten, stundenlang zusammen. Sie hatten sogar von sich aus viel unternommen. Interessanterweise traf ich auch die Familie meines leiblichen Vaters und erfuhr, daß sie von den Azoren nach Hawaii und von dort nach Kalifornien ausgewandert war. Er war Portugiese.

      Ich hatte es geschafft! Meine geduldige Suche war belohnt worden. „Und wie groß war der Aufwand?“ magst du fragen. Ich hatte auf meine Briefe mehr als 400 Antwortschreiben erhalten. Hinzu kommen das Porto, die Gebühren und die vielen Samstagnachmittage, die ich in der Bibliothek verbrachte.

      Hoffnung für die Zukunft

      Es freute mich vor allem, daß ich meinen Verwandten die tröstliche Zukunftshoffnung aus der Bibel zeigen konnte. Ich sagte ihnen, man könne aus gutem Grund glauben, daß Grace und John von Jehova Gott wieder zu einem Leben auf der Erde auferweckt werden (Joh. 5:28, 29; Apg. 24:15). Welch ein Erlebnis es sein wird, sie dann kennenzulernen! Ich erfuhr, daß sie große Fehler gemacht und sogar ein unmoralisches Leben geführt hatten. Aber die Auferstandenen werden die Gelegenheit haben, Gottes Erfordernisse kennenzulernen und sich der gerechten Verwaltung des Königreiches zu unterstellen, die dann in Kraft sein wird.

      Meiner Ansicht nach hat es sich gelohnt, meiner physischen Abstammung nachzugehen. Interessanterweise findet man in der Bibel ausführliche Geschlechtsregister, die über die Herkunft verschiedener Personen Aufschluß geben. Offenbar ist es natürlich, daß sich Menschen über ihre physische Herkunft Gedanken machen. Freilich, ich gestehe mir ein, daß das nicht das Wichtigste ist und die Gefahr in sich birgt, sich zu sehr damit zu beschäftigen (1. Tim. 1:3, 4; Tit. 3:9).

      Jesus Christus zeigte deutlich, welche Verwandtschaft sogar noch wichtiger ist als die physische. Als er einmal auf seine Verwandten angesprochen wurde, sagte er: „‚Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?‘ Und er streckte seine Hand nach seinen Jüngern aus und sprach: ,Siehe! Meine Mutter und meine Brüder! Denn wer irgend den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter‘“ (Matth. 12:48-50).

      Ich habe festgestellt, daß das wahr ist. Durch den gemeinsamen Glauben an Gott und seine Verheißungen entsteht ein viel engeres Band der Liebe als durch eine Blutsverwandtschaft. Meine Frau und ich haben vor kurzem die 65. Klasse der Wachtturm-Bibelschule Gilead besucht und haben jetzt das große Vorrecht, in ein anderes Land zu gehen und der Bevölkerung dort auch den christlichen Glauben zu überbringen, der ihnen ein solch hervorragendes Verhältnis zu ihren Mitmenschen und besonders ein gutes Verhältnis zu Jehova Gott ermöglichen wird. (Eingesandt.)

Deutsche Publikationen (1950-2025)
Abmelden
Anmelden
  • Deutsch
  • Teilen
  • Einstellungen
  • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
  • Nutzungsbedingungen
  • Datenschutzerklärung
  • Datenschutzeinstellungen
  • JW.ORG
  • Anmelden
Teilen