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Christliche Reife — ein unerreichbares Ziel?Der Wachtturm 1972 | 1. Februar
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um „reif“ zu sein. Sie sind auch keine Nachahmungen voneinander. Jeder trägt als reifer Christ auf seine Art zur „Auferbauung des Leibes des Christus“ bei. — Eph. 4:15, 16.
Wir dürfen uns bei der Beurteilung der christlichen Reife auch nicht von weltlichen Maßstäben leiten lassen, nach denen jemand als „unreif“ gilt, wenn ihm zufolge einer ungenügenden weltlichen Bildung oder aus Mangel an Erfahrung in weltlichen Methoden gewisse Fähigkeiten abgehen. Angenommen, die Apostel des ersten Jahrhunderts erschienen plötzlich in unserer heutigen industrialisierten und bürokratisierten Gesellschaft, so wäre für sie bestimmt manches fremd, ungewohnt und, zumindest vorübergehend, unbegreiflich. Würde sie das zu unreifen Christen machen? Sicherlich nicht, denn die christliche Reife hängt nicht davon ab, wie gut bewandert, wie erfahren oder tüchtig man in den modernen Geschäftsmethoden ist oder wie gut man sich auf das Leben in der Stadt versteht. Sie hängt von den in Gottes Wort angeführten geistigen Qualifikationen ab. Diese Qualifikationen gelten überall, für alle Personen und zu allen Zeiten, unabhängig von Wohnort, Beruf oder sozialer Stellung.
Im ersten Jahrhundert wurden einige Fischer reife Jünger des Sohnes Gottes, während die hochgebildeten Schriftgelehrten und geistlichen Führer im allgemeinen dafür nicht in Frage kamen. Der reife Christ handelt nach biblischen Grundsätzen, und diese lassen sich sowohl auf dem Land als auch in der Stadt, sowohl in einem „rückständigen“ oder unterentwickelten Land als auch in einem „fortgeschrittenen“ Industriestaat anwenden. Folglich braucht kein Christ entmutigt zu denken, er könne die christliche Reife nicht erreichen, da es ihm, nach weltlichen Maßstäben beurteilt, an der nötigen Fähigkeit mangele. — Vergleiche 1. Korinther 1:26-31; 2:3-6; 2. Korinther 1:12.
Drängen wir also zur Reife voran, sofern wir sie noch nicht erlangt haben. Sind wir reife Christen? Dann wollen wir unsere Reife gut nutzen, indem wir ‘uns wie Männer benehmen, kraftvoll werden’, Unreifen helfen und indem wir fortfahren, nach derselben vortrefflichen Ordnung zu wandeln, durch die wir zur Reife gelangt sind und durch die wir auch unser endgültiges Ziel erreichen werden: Gottes Anerkennung, die uns Leben einbringt. — 1. Kor. 16:13, 14; Gal. 6:1, 2; Phil. 3:15, 16.
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„Sucht unablässig, und ihr werdet finden“Der Wachtturm 1972 | 1. Februar
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„Sucht unablässig, und ihr werdet finden“
Von Richard S. Cotterill erzählt
HAST du auch schon an einen bestimmten Bibelvers gedacht, der einen Teil deines Lebens zusammenfaßt? Ein Schrifttext, der sehr gut auf mein Leben paßt, ist Matthäus 7:7: „Bittet fortwährend, und es wird euch gegeben werden; sucht unablässig, und ihr werdet finden; klopft immer wieder an, und es wird euch aufgetan werden.“ Ja, diese Worte unseres Herrn Jesus Christus haben für mich eine besondere Bedeutung.
Der Grund dafür liegt darin, daß ich schon als junger Mann unablässig nach einem echten Lebensziel suchte. Ich wollte die Wahrheit über Gott wissen.
Schon als Junge stiegen in mir oft Fragen über das Leben auf. Ich bin im Jahre 1908 in Manchester (England) geboren und wurde in der anglikanischen Kirche getauft. Schon als Kind hätte ich gern gewußt, ob Gott Menschen wirklich ewig in einer Hölle quält. Ich dachte auch an das Mittelalter, in dem fromme Leute ihresgleichen grausam quälten, und ich fragte mich, ob das richtig sei. Ich betete inbrünstig.
Im Jahre 1925 starb mein Vater unerwartet. Das war meine erste Begegnung mit dem Tod. Nun erschien mir das Leben noch ungewisser. Nach dem Tode meines Vaters studierte ich Jura, Ökonomie und andere Fächer. Ich war aber meiner Sache nicht sicher. Wonach strebte ich? Worin bestand mein Lebensziel?
AUF DER SUCHE IN EINER KRISENZEIT
Da ich sehr schüchtern war, nahm ich einen Kurs zur Verbesserung der Persönlichkeit, aber ich hatte Schwierigkeiten, da ich noch nicht wußte, was ich zum Ziel meines Lebens machen sollte. Das war für mich immer noch eine offene Frage.
Auf meiner Suche begab ich mich in eine modern gebaute Kirche. Der Geistliche gehörte der „Oxford-Gruppe“ an, und er wollte, daß ich mich aktiv am kirchlichen Leben beteilige. Ich betätigte mich als Sonntagsschullehrer, half im Kirchenrat, war Kreuzträger (leitete als solcher auch den Kirchenchor, mit Sutane und Chorrock bekleidet) und wirkte im Jünglingsverein der Kirche mit. Außerdem betätigte ich mich in einem Jünglingsverein in den Slums von Manchester. Trotz meiner vielseitigen Tätigkeit hatte ich doch das Gefühl, daß mir etwas fehlte.
Ich suchte nach einem Lebensziel und las daher alle möglichen Bücher, viele über Psychologie und Philosophie. Ich wohnte „Friedenskonferenzen“ und Veranstaltungen von Friedensgesellschaften bei und schloß mich aktiven Pazifisten an. Gleichzeitig las ich aber auch regelmäßig in der Bibel und besuchte alle möglichen religiösen Versammlungen, unter anderem auch einige der katholischen Kirche, der Unionisten und der Quäker. Wer hatte recht? Kannte eine dieser Gruppen wirklich die göttliche Wahrheit?
Schließlich kündigte ich mein Arbeitsverhältnis und beschloß, irgendwie zu versuchen Gott zu dienen. Aber wie? Monatelang lebte ich von meinen Ersparnissen und bemühte mich herauszufinden, wie ich Gott dienen könnte. Ich erkundigte mich nach den Bedingungen für die Ordination in der anglikanischen Kirche, aber es wurde zuviel Nachdruck auf eine gewisse Vorbildung und auf das Geld gelegt. Ich zog Erkundigungen über die kirchliche Missionstätigkeit in Kanada ein. Je mehr ich die Kirche erforschte, desto weniger gefiel sie mir. Ich war mit vielen ihrer Bräuche und auch mit ihrer Unterstützung des Krieges nicht einverstanden.
Im September 1939 kam es zwischen England und Hitlerdeutschland zum Krieg. Das veranlaßte mich, noch intensiver zu suchen und zu forschen. Dann empfahl mir eines Tages ein Freund, einmal mit einem christlichen Zeugen Jehovas namens Richard Hayley zu sprechen. Ich tat es. Wir sprachen etliche Stunden über die Bibel und über meine Ansichten und Gedanken. Dieser Zeuge Jehovas beantwortete mir meine vielen Fragen liebevoll anhand der Bibel. Ich erkannte, daß ich etwas Wertvolles gefunden hatte. Ich fragte: „Gibt es auch Zeugen Jehovas in Deutschland?“ Er erzählte mir von den treuen Zeugen dort, die ebenfalls für Gottes Königreich eintraten und gegenüber der Politik und gegenüber dem Krieg neutral blieben. Ich freute mich, das zu hören, denn ich war der Meinung, daß das wahre Christentum Menschen aus allen Nationen anziehen und vereinigen würde.
Kurz danach besuchte ich die Zusammenkünfte der Zeugen in ihrem Königreichssaal. Schließlich versuchten einige angebliche Freunde, die einer pazifistischen Gesellschaft angehörten, mich dazu zu bewegen, bei ihnen zu bleiben. Ein Leiter dieser Gruppe kam mit mir, um mit dem Zeugen Jehovas, der mir meine Fragen beantwortet hatte, zu sprechen. Wir sprachen bis spät in die Nacht hinein über die Bibel und über andere Dinge. Ich saß die meiste Zeit nur da und hörte zu. Bei der einen Seite merkte ich, daß menschliche Philosophie und menschliche Weisheit vorherrschten. Bei der anderen Seite, der der Zeugen Jehovas, herrschte Gottes Weisheit vor, und die Antworten stammten aus der Bibel. Was sollte ich nun wählen: eine menschliche Philosophie oder die biblische Wahrheit? Der Zeuge Hayley schloß das Gespräch an jenem Abend ab, indem er die Worte aus Josua 24:15 anführte: „Erwählet euch heute, wem ihr dienen wollt ... Ich aber und mein Haus, wir wollen Jehova dienen!“
ICH ENTSCHIED MICH FÜR DIE BIBLISCHE WAHRHEIT
Wem sollte ich mich also anschließen? Ich besuchte diesen Zeugen Jehovas immer wieder und las regelmäßig in der Bibel. Wir studierten sogar bei Luftangriffen weiter, selbst während in der Nähe Bomben fielen.
Bald erkannte ich, daß ich nun ein echtes Lebensziel gefunden hatte. Ich hatte gefunden, was ich suchte. Nun wußte ich, wie ich dem wahren Gott dienen konnte. Als erstes erklärte ich schriftlich den Austritt aus der anglikanischen Kirche und brach die Verbindung mit den verschiedenen Gruppen, denen ich angeschlossen war, ab. Ich wollte jede Verbindung mit der falschen Religion lösen und in politischen Angelegenheiten wirklich neutral sein, ja ich wollte nach den biblischen Grundsätzen leben.
Im Juni 1940 ging ich das erstemal von Haus zu Haus, um mit anderen über diese biblischen Wahrheiten zu sprechen. Ich war immer schüchtern, zurückhaltend und verschlossen gewesen, und nun sprach ich auf einmal mit anderen über Gottes Wort und beteiligte mich öffentlich an der Verbreitung des Wachtturms und seiner Schwesternzeitschrift. Während der Kriegsjahre hatte ich bei dieser Tätigkeit in den Geschäftsvierteln oft eine Zeitschriftentasche umgehängt.
Am 1. September 1940 ließ ich mich auf einem Kongreß in Manchester taufen, um meine Hingabe an Gott zu symbolisieren. Welche Lebenslaufbahn sollte ich nun einschlagen? Ich hatte die Absicht, als Pionier Vollzeitpredigtdienst zu leisten.
DIE BIBLISCHE WAHRHEIT ALS VOLLZEITPREDIGER VERKÜNDIGEN
Im September 1940 bewarb ich mich um den Eintritt in den Pionierdienst, den Vollzeitpredigtdienst unter der Leitung der Watch Tower Bible and Tract Society. Das erste Gebiet, das mir zugeteilt wurde, war Carlisle, in der Nähe des lieblichen englischen Seenlandes. Ich mußte zuerst eine Unterkunft suchen. Ich ließ daher meine Habseligkeiten im Königreichssaal, und glücklicherweise fand ich jemand, der an Gottes Wort interessiert war und mich aufnahm.
Während des Krieges wurde man zum Luftschutzhilfsdienst eingeteilt. Ich wurde als Luftschutzwart der Kathedrale von Carlisle eingesetzt! Da ich keiner Kirche mehr angehörte, weigerte ich mich, diese Aufgabe zu übernehmen, um so mehr, als ich bereits die Verpflichtung übernommen hatte, Luftschutzwart des Gebäudes zu sein, in dem sich der Königreichssaal befand. Ich kam vor Gericht und wurde zu einer Geldstrafe oder einem Monat Gefängnis verurteilt. Da ich mich weigerte, die Strafe zu bezahlen, räumte man mir einen Monat Zeit ein, in dem ich bezahlen könnte oder dann ins Gefängnis müßte. Ich landete im Gefängnis von Durham, wo es kärgliche Kriegsrationen gab. Nach meiner Freilassung kehrte ich in den Pionierdienst zurück.
Während ich das Wort Gottes in Chesterle-Street und später in Washington (Grafschaft Durham) und in Sunderland predigte, gingen die Kriegsjahre schnell vorüber. Im Jahre 1945 hatte ich das Vorrecht, den Kriegsminister des britischen Kriegskabinetts aufzusuchen, um ihn zu bitten, das Einfuhrverbot für die Zeitschrift Der Wachtturm aufzuheben. Er hörte mich wohlwollend an, und ich bat ihn dringend, sich an den Informationsminister zu wenden, damit dieser etwas unternehme. Ich suchte auch verschiedene einheimische Parlamentsmitglieder auf. Wie Jehova einen für solche Aufgaben stärkt, wenn man gebetsvoll darangeht! Zu unserer Freude wurde das Einfuhrverbot nach einer gewissen Zeit aufgehoben. Das Studium des Wachtturms war uns zwar trotzdem nie entgangen, da die Hauptartikel im Land gedruckt worden waren.
GILEAD UND DANN NACH INDIEN
Nach dem Zweiten Weltkrieg füllte ich ein Bewerbungsformular für die Gileadschule, eine Schule zur Vorbereitung auf den Missionardienst, aus. Ich konnte es kaum glauben als ich kurz danach nach Gilead eingeladen wurde. Welch ein Vorrecht! Mitte Juni 1946 traf ich in der Zentrale der Wachtturm-Gesellschaft in Brooklyn (New York) ein. Es war ein Vorrecht, in der achten Klasse der Gileadschule, der ersten internationalen Klasse, zu sein. Es war ein Genuß, mit den Klassenkameraden aus so vielen Ländern zusammen zu sein. Schließlich wurde ich Indien zugeteilt. So bin ich jetzt, vierundzwanzig Jahre später, in Indien und predige immer noch die gute Botschaft von Gottes Königreich. Während dieser Zeit genoß ich viele Vorrechte. Als der Präsident der Wachtturm-Gesellschaft im April 1947 nach Indien kam, um unserem Kongreß in Bombay beizuwohnen, erlebte ich eine Überraschung: Ich erhielt das Vorrecht, durch ganz Indien zu reisen und unsere ersten Kreiskongresse zu besuchen. Im September 1947, etwa zwei Wochen nach der Teilung Indiens in Indien und Pakistan, trat ich diese Reise an. Tausende Menschen wurden damals aus religiösem Haß getötet. Wie passend war daher das Thema des öffentlichen Vortrages, den ich auf diesen Kongressen hielt: „Gesegnet sind die Friedensstifter“!
Nachdem ich Gottes Wort acht Jahre lang in den Städten Bombay, Ahmednagar und Puna gepredigt hatte, erhielt ich das Vorrecht, als Kreisdiener oder -aufseher die christlichen Versammlungen zu besuchen, um sie zu ermuntern. So war ich denn dreizehn Jahre größtenteils unterwegs, vom schneebedeckten Himalaja bis fast zum Kap Comorin an der Südspitze Indiens. Eine Zeitlang reiste ich zweimal im Jahr durch halb Indien und legte dabei Tausende von Kilometern zurück. Auf diesen Reisen habe ich viele Tiere in freier Wildbahn gesehen: Elefanten, Pfauen, Affen, Kobras, ja sogar einen Tiger!
Selbstverständlich ist das Leben in Indien anders. Man ist umgeben von viel Armut und Elend. Aber ich liebe meine indischen christlichen Brüder, ganz gleich, ob sie in Maharashtra, Gujarat, Mysore, Tamil Nadu, Kerala, Bengalen, Andhra Pradesh, Delhi oder in irgendeinem anderen Gebiet Indiens leben. In all den erwähnten Gebieten sprechen sie verschiedene Sprachen, aber sie sind alle vereint in der Anbetung des wahren Gottes, Jehovas.
Meine indischen christlichen Brüder sind immer sehr lieb zu mir gewesen, und wir haben jetzt viele reife indische Zeugen. Als ich im Jahre 1947 nach Indien kam, hatten wir etwa zweihundert Verkündiger des Königreiches Gottes. Jetzt sind es über 3 300. Ich habe mit den indischen Zeugen zusammen gelebt, habe mit ihnen manchmal auf dem Boden gesessen und von Bananenblättern, die uns als Teller dienten, gegessen. Dennoch aber, welche Liebe!
Anfang 1953 war ich überrascht, als ich zum Besuch des Neue-Welt-Gesellschaft-Kongresses in New York eingeladen wurde. Welch ein wunderbarer Kongreß das war! Im Jahre 1958 war ich auch bei dem unvergeßlichen internationalen Kongreß „Göttlicher Wille“ in New York zugegen. Im Jahre 1966 kehrte ich nach achtjähriger Abwesenheit nach England zurück, um dort einen längeren Urlaub zu verbringen. Ein weiteres unvergeßliches Jahr war das Jahr 1969, in dem ich auf dem Weg zum internationalen Kongreß „Friede auf Erden“, der in London stattfand, Israel besuchte und damit eine Besichtigung von Cäsarea, Megiddo, Galiläa, Nazareth, Jerusalem, Bethlehem, Jericho und anderen Orten verband, die durch die Taten Jehovas und die irdische Tätigkeit Jesu Christi bekanntgeworden sind.
In Indien habe ich viele geistige Brüder und Schwestern, Väter und Mütter. Ich habe nie geheiratet, da ich fand, es sei für mich besser ledig zu bleiben. Ich kenne überall in diesem großen Land viele meiner indischen Brüder, und ich kann sagen, daß ich sie sehr liebe. Es läßt mein Herz höher schlagen und ich bin überglücklich, wenn ich sie auf den Kongressen sehe. Wir bilden eine Einheit mit dem ganzen Volk Jehovas auf der ganzen Erde.
Ich bin nun zweiundsechzig Jahre alt und fahre immer noch mit meinem Fahrrad durch Delhi, das im Juni eine der heißesten Hauptstädte der Welt ist! Ich führe meine Bibelstudien durch und gehe von Haus zu Haus, um die gute Botschaft zu predigen und zu lehren. Wirklich, ein wunderbares Leben! Ich bin Jehova Gott dankbar für alles, womit er uns durch seine Organisation ausrüstet, zum Beispiel für den Wachtturm, der in sieben unserer indischen Sprachen erscheint. Ich habe auch eine nette Wohnung. Es ist in der Tat etwas Wunderbares, dem Dienste Gottes seine ganze Zeit widmen zu können. Wie dankbar bin ich, daß ich ‘unablässig suchte’ und so das gefunden habe, wonach ich so lange geforscht habe: Gottes Wahrheit!
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Missionare werden aufgefordert, loyal und barmherzig zu seinDer Wachtturm 1972 | 1. Februar
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Missionare werden aufgefordert, loyal und barmherzig zu sein
DER 7. September 1971 war für die hundert Studenten der 51. Klasse der Missionarschule Gilead, die von der Wachtturm-Gesellschaft unterhalten wird, der Tag der Abschlußfeier. Die Veranstaltung, die in der Kongreßhalle der Zeugen Jehovas in New York stattfand, begann mit einigen kurzen treffenden Ansprachen der Unterweiser der Schule. Den Höhepunkt bildete ein Vortrag des Schulpräsidenten, N. H. Knorr.
„Jehova ist ‚loyal in all seinen Werken‘“, sagte Präsident Knorr zu den Absolventen, „es fragt sich nur: Wirst du ihm gegenüber loyal sein?“ (Ps. 145:17, NW) Nachdem der Präsident der Gesellschaft gezeigt hatte, wie wichtig es ist, Gott gegenüber loyal zu bleiben, betonte er die Notwendigkeit, auch Gottes Organisation gegenüber loyal zu sein. Er sagte den Studenten, manchmal könnten gewisse Dinge einen daran hindern, loyal zu sein. Es könnten zum Beispiel durch das enge Zusammenleben mit anderen in einem Missionarheim Probleme entstehen. „Was würdet ihr tun, wenn euch jemand, zum Beispiel ein Aufseher, ein Unrecht zufügte?“ fragte er.
Um seinen Zuhörern zu helfen, die Sache richtig zu verstehen, betonte Bruder Knorr, daß alle Christen Sünder seien. „Auch Aufseher machen Fehler. Würdest du in einem solchen Fall deine Sachen zusammenpacken und dein Missionargebiet verlassen? Oder würdest du Gottes Organisation gegenüber loyal bleiben?“ fragte er. Er sagte zu den Studenten, sie sollten stets daran denken, daß Jehova seine Organisation leite und daß sie deshalb ihr gegenüber loyal bleiben sollten.
Er führte Matthäus 18:15-17 an, wo wir die Worte Jesu lesen, mit denen er zeigte, wie man vorgehen sollte, um etwas mit einem christlichen Bruder zu bereinigen, daß man zu ihm hingehen und mit ihm sprechen und wenn er nicht hören würde, einen oder zwei reife Christen mitnehmen sollte. Manchmal würden aber aus Furcht vor einem Aufseher diese beiden wichtigen Schritte zur Bereinigung einer Sache unterlassen, sagte Bruder Knorr und führte dann Sprüche 29:25 (NW) an: „Vor Menschen zu zittern ist das, was eine Schlinge legt.“ Menschenfurcht dürfe uns also nicht davon abhalten, das zu tun, was Gott verlange, betonte Bruder Knorr. Wenn man nicht zu dem Betreffenden hingehe, könne das vielleicht nicht nur einem selbst, sondern auch anderen zu einer Schlinge oder einem Fallstrick werden.
Wie mag aber jemand aus Furcht anderen eine Schlinge legen? Indem er mit anderen über einen Aufseher schwatzt und dadurch bewirkt, daß sie sich ebenfalls vor ihm fürchten. „Wer über die Schwächen eines Aufsehers schwatzt, beweist keine Loyalität gegenüber der Organisation Gottes. Wenn also zufolge der menschlichen Unvollkommenheit Schwierigkeiten entstehen“, sagte Bruder Knorr, „dann geh zu deinem Bruder hin und befolge Jesu Rat, und du wirst Frieden haben.“
Dann lenkte der Präsident der Gesellschaft die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit, barmherzig zu sein. Anhand des Beispiels, das Joseph durch seine Barmherzigkeit gegenüber seinen Brüdern gab, zeigte er den Absolventen, daß sie gegenüber Neuen in Gottes Organisation, gegenüber anderen Missionaren im Heim und gegenüber Aufsehern barmherzig sein sollten, da Jesus gesagt habe: „Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer.“ (Matth. 9:13) Bruder Knorr empfahl ihnen daher, von Barmherzigkeit erfüllt zu sein.
Im Verlauf seiner Ansprache sagte der Präsident der Gesellschaft seinen Zuhörern auch, daß am 13. September 1971 im Bethelheim der Zentrale der Gesellschaft mit dem turnusgemäßen Wechsel der Aufseher begonnen werde, der auf den Kongressen „Göttlicher Name“ angekündigt worden sei. Er erklärte, daß die Glieder der leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas künftig abwechslungsweise je eine Woche lang die morgendliche Bibeltextbetrachtung und jeweils das Wachtturm-Studium am Montagabend leiten würden. Die Zentrale der Gesellschaft werde also mit dem turnusgemäßen Wechsel über ein Jahr vor den Versammlungen beginnen.
Vor dem Hauptvortrag erklärte der Vizepräsident der Gesellschaft, F. W. Franz, den Absolventen die Bedeutung der Worte in Markus 9:49, 50: „Ein jeder muß mit Feuer gesalzen werden. ... Habt Salz in euch selbst, und haltet Frieden untereinander.“
Sind mit dem „Feuer“ in Vers 49 Verfolgungen oder Prüfungen gemeint? „Nein“, erklärte er, denn der Zusammenhang zeige, daß das „Feuer“ der Gehenna erörtert
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