Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • Entwickelt eine inbrünstige Liebe zueinander
    Der Wachtturm 1975 | 1. September
    • Entwickelt eine inbrünstige Liebe zueinander

      „Liebt einander inbrünstig von Herzen“ (1. Petr. 1:22).

      1, 2. (a) Von welcher Bedeutung ist die Liebe? (b) Weshalb geben selbst atheistische Wissenschaftler zu, daß Liebe unerläßlich ist?

      LIEBE ist eine wichtige Voraussetzung für Frieden, Glück und Zufriedenheit. Daß das Leben ohne Liebe gar nicht lebenswert wäre, geben selbst materialistisch denkende Wissenschaftler zu. „Ich möchte behaupten“, so sagte der bekannte Wissenschaftler Sir Julian Huxley, „daß die Liebe von einzigartiger Bedeutung ist ... Liebe ist unerläßlich.“

      2 Warum heben selbst Personen, die die Existenz eines Schöpfers bestreiten, die Bedeutung der Liebe hervor? Weil wir Menschen, wie wissenschaftliche Studien zeigen, ein Bedürfnis nach Liebe haben. So, wie wir unseren Hunger stillen müssen, um am Leben zu bleiben, müssen wir auch lieben und geliebt werden. Der Wissenschaftler Ashley Montagu schrieb: „Aufgrund der Beobachtungen mehrerer Ärzte und Forscher wissen wir heute, daß die Liebe bei der Ernährung eines jeden Kleinkindes eine wichtige Rolle spielt und daß sich sein Organismus nicht gesund entwickelt, wenn es nicht geliebt wird ... Selbst bei guter physischer Ernährung mag es abnehmen und sterben.“

      WESHALB MENSCHEN LIEBE HABEN

      3. (a) Wieso erhalten Kinder gewöhnlich die Liebe, die sie benötigen? (b) Wie erhielten die Menschen die Fähigkeit zu lieben?

      3 Glücklicherweise besteht jedoch wenig Gefahr, daß ein Kind die zärtliche, selbstlose Fürsorge, die es benötigt, nicht erhalten wird. Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß „eine nährende Mutter“ von Natur aus, wie die Bibel sagt, „ihre eigenen Kinder hegt und pflegt“ (1. Thess. 2:7). Woher haben Mütter diese Liebe zu ihren Kindern? Sie haben sie nicht zufällig entwickelt. Ist es nicht einleuchtend, daß ihnen diese Liebe von einem liebevollen Schöpfer verliehen worden ist? Jeder von uns hat die Fähigkeit zu lieben, und wenn er diese Eigenschaft pflegt, kann er sie auf höchst bewundernswerte und wohltuende Weise zum Ausdruck bringen.

      4. (a) Wieso wissen wir, daß Adam mit dieser Eigenschaft, der Liebe, erschaffen wurde? (b) Welchen Beweis gibt es dafür, daß Adam Liebe zu Eva hatte und daß er seinen Nachkommen die Fähigkeit, eine Person vom anderen Geschlecht zu lieben, vererbt hat?

      4 Jehova Gott verlieh dem ersten Menschenpaar diese Gabe, die Liebe, schon bei der Erschaffung. Denn wir wissen, daß Adam „im Bilde Gottes“ erschaffen wurde, und da „Gott Liebe ist“ — das heißt, Liebe ist seine vorherrschende Eigenschaft —, müßte ein Geschöpf, das in seinem Bilde gemacht ist, ebenfalls Liebe haben (1. Mose 1:26, 27; 1. Joh. 4:8). Daß Adam, dem ersten Menschen, Liebe zu seiner hübschen jungen Frau verliehen worden war, zeigen die freudigen Worte, die er bei ihrem Anblick äußerte: „Dies ist endlich Bein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch“ (1. Mose 2:23). Obgleich Adam sündigte und die Vollkommenheit verlor, vermittelte er seinen Nachkommen nicht nur die Fähigkeit zu lieben, sondern auch die Fähigkeit, eine Person vom anderen Geschlecht anziehend und reizvoll zu finden. Ja, für einen weisen Mann des Altertums zählte, wie er sagte, „der Weg eines körperlich tauglichen Mannes mit einem herangereiften Mädchen“ zu den vier Dingen, die für ihn zu wunderbar waren, um sie zu verstehen (Spr. 30:19; 1. Mose 24:67; 26:8).

      LIEBE IST UMFASSEND

      5. Was zeigt, daß es außer der romantischen Liebe zwischen Mann und Frau auch eine Liebe unter Blutsverwandten gibt?

      5 Aber außer dieser romantischen Liebe, die zwischen Mann und Frau entstehen kann, empfinden Menschen gewöhnlich auch zu ihren Blutsverwandten eine starke natürliche Zuneigung. Als daher Joseph nach vielen Jahren der Trennung Benjamin wiedersah, waren „seine inneren Empfindungen seinem Bruder gegenüber ... erregt“. Später „fiel er Benjamin, seinem Bruder, um den Hals und brach in Weinen aus, und Benjamin weinte an seinem Halse“ (1. Mose 43:30; 45:14). Diese unter Familienangehörigen herrschende Liebe veranlaßte auch Andreas, nachdem er den Messias gefunden hatte, seinen Bruder Petrus zu suchen, um ihm diese großartige Nachricht zu überbringen (Joh. 1:40-42).

      6. Welche biblischen Beispiele zeigen, daß sich jemandes Liebe außer auf Blutsverwandte auch auf andere Personen erstrecken kann?

      6 Doch diese Eigenschaft, die Liebe, kann sich außer auf Blutsverwandte auch auf andere Personen erstrecken. Jonathan, der Benjaminiter, der Sohn König Sauls von Israel, war von den guten Eigenschaften Davids, eines Nachkommen Judas, so sehr bewegt, daß sich seine „Seele mit Davids Seele verband, und Jonathan begann ihn zu lieben wie seine eigene Seele“. Als Jonathan später getötet worden war, fühlte sich David bewogen, ihn „Bruder“ zu nennen und zu sagen: „Ich bin bekümmert deinetwegen, mein Bruder Jonathan, sehr angenehm warst du mir. Wunderbarer war mir deine Liebe als die Liebe von Frauen.“ Die Liebe, die Ruth, die Moabiterin, zu ihrer Schwiegermutter Noomi empfand, ist ein weiteres Beispiel dafür, daß sich Liebe über Blutsverwandte hinaus auf andere Personen erstrecken kann (1. Sam. 18:1; 2. Sam. 1:26; Ruth 1:16, 17).

      7. Wie umfassend muß die Liebe eines Christen sein?

      7 Auch Personen, die wahre Christen werden, müssen — ungeachtet der Rasse, der Nationalität, der gesellschaftlichen Stellung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer christlichen Brüder und Schwestern — herzliche brüderliche Liebe zueinander haben. Dies zeigte Jesus, als er sagte: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe unter euch habt“ (Joh. 13:35). Dennoch darf sich die Liebe eines wahren Christen nicht nur auf diejenigen beschränken, die mit ihm zusammen Gott dienen. Sie muß sich auch noch auf andere erstrecken. Ja, Jesus gebot: „Fahrt fort, eure Feinde zu lieben und für die zu beten, die euch verfolgen, damit ihr euch als Söhne eures Vaters erweist, der in den Himmeln ist“ (Matth. 5:44, 45).

      DIE LIEBE, DIE WIR ENTWICKELN MÜSSEN

      8. Erkläre, inwiefern Liebe unterschiedlich stark und mit verschiedenen Gefühlen verbunden zum Ausdruck gebracht werden kann.

      8 Selbstverständlich kann diese Eigenschaft, die Liebe, die Gott den Menschen verliehen hat, unterschiedlich stark und mit verschiedenen Gefühlen verbunden zum Ausdruck gebracht werden. Wieso? Weil es sich offensichtlich bei der Liebe, die ein Christ zu einem Feind hat, der ihn verfolgt, nicht um dieselbe innige Zuneigung handeln kann, wie sie eine nährende Mutter zu ihrem Kleinkind hat oder wie sie Joseph zu Benjamin und Jonathan zu David empfand oder wie sie ein Christ zu einem Glaubensbruder empfindet. Gott erwartet von uns nicht, daß wir einem Feind von Herzen zugetan sind oder überhaupt Zuneigung zu ihm haben. Dennoch sind wir verpflichtet, ihn zu lieben. Ist das nicht ein Widerspruch?

      9, 10. (a) Inwiefern ist uns die Kenntnis über die Bedeutung des Wortes agápe und die Art und Weise, wie Jehova diese Liebe offenbart, eine Hilfe, um zu verstehen, daß man Personen lieben kann, aber nicht unbedingt Zuneigung zu ihnen haben muß? (b) Auf welche Weise können wir bösen, unsittlichen Personen Liebe erweisen?

      9 Nein, daran ist nichts Widersprüchliches, wenn wir die Bedeutung des hauptsächlich gebrauchten griechischen Wortes verstehen, das in den Christlichen Griechischen Schriften oder im sogenannten Neuen Testament mit „lieben“ wiedergegeben wird. Die Hauptwort-Form dieses Wortes ist agápe. Über Gottes agápe zur Menschheit heißt es in dem Werk An Expository Dictionary of New Testament Words von W. E. Vine: „Diese Liebe hat nichts mit Selbstzufriedenheit oder Zuneigung zu tun; das heißt, sie wird nicht durch irgendwelche Tugenden derjenigen hervorgerufen, denen sie gilt.“ Und es steht ja fest, daß die Menschheit als Ganzes nicht besonders liebenswert ist. Doch daran ist sie eigentlich nicht selbst schuld (Eph. 4:17-19; Tit. 3:3).

      10 Zufolge des von Adam hinterlassenen Erbes sind alle Menschen in Sünde empfangen und mit einer Neigung zum Unrechttun hervorgebracht worden (Ps. 51:5). Gott weiß dies. Er ist der Menschheit daher nicht deswegen in Liebe zugetan, weil sie es verdient oder besondere Tugenden aufzuweisen hätte, sondern besonders deshalb, weil er weiß, daß schließlich viele Menschen auf seine Liebe reagieren und ihr Leben mit seinem Willen in Einklang bringen werden (Röm. 5:8-11). Mit dem Wort agápe ist somit eine Liebe gemeint, die sich durch Achtung vor Grundsätzen auszeichnet. Wenn wir daher unseren himmlischen Vater nachahmen, werden wir sogar diejenigen lieben, die nicht den Beweis dafür erbringen, daß sie unsere Liebe verdienen. Sie mögen zynisch, selbstsüchtig und sogar unmoralisch oder kriminell sein. Wir werden das, was sie tun und sagen, hassen, gleichzeitig aber an ihrem persönlichen Wohl interessiert sein. Wir werden alles tun, was wir können, um sie zu ermuntern, Gottes Liebe zu erwidern. Entwickelst du eine solche Liebe zur Menschheit im allgemeinen, eine Liebe, die von Grundsätzen beherrscht wird?

      11, 12. (a) Sollte die Liebe eines Christen zu seinen Brüdern nur von Grundsätzen beherrscht werden? (b) Inwiefern zeigen sowohl die unter Ehegatten herrschende Liebe als auch die Liebe Jehovas zu seinem Sohn, daß agápe mehr einschließt als nur eine von Grundsätzen beherrschte Liebe?

      11 Der Apostel Petrus dachte indes nicht an eine Liebe, die nur von Grundsätzen beherrscht wird und Zuneigung und Wärme vermissen läßt, als er an Mitchristen die Worte schrieb: „Liebt einander inbrünstig von Herzen“ (1. Petr. 1:22). Achtung vor Grundsätzen ist zwar ein kennzeichnendes Merkmal der agápe, doch kann diese Liebe auch Zuneigung und Zärtlichkeit einschließen. So heißt es zum Beispiel: „Ehemänner [sind] verpflichtet, ihre Frauen zu lieben [agapáo (Verbform)]“ (Eph. 5:28). Das bedeutet offensichtlich nicht, daß christliche Ehemänner ihre Frau nur so lieben sollten, wie sie ihre Feinde lieben. Nein, vielmehr bedeutet die Aufforderung, „ihre Frauen zu lieben“, daß Männer eine herzliche, zärtliche Zuneigung zu ihrer Frau verspüren sollten, wie es der Schöpfer beabsichtigt hatte.

      12 Daß das griechische Wort agápe ein sehr starkes Gefühl der Zuneigung und Zärtlichkeit einschließen kann, zeigen auch noch weitere biblische Hinweise. So lesen wir zum Beispiel: „Der Vater liebt den Sohn“ (Joh. 3:35). Die Liebe des Vaters zu seinem Sohn, zu Jesus Christus, wird nicht lediglich von der Achtung vor Grundsätzen beherrscht. Jehova hat eine innige Zuneigung zu Jesus und empfindet mit ihm, was in der Bibel durch die Worte zum Ausdruck kommt: „Der Vater hat Zuneigung zum Sohn und zeigt ihm alle Dinge, die er selbst tut.“ Jehova Gott sagte: „Dieser ist mein Sohn, mein geliebter, an dem ich selbst Wohlgefallen gefunden habe“ (Joh. 5:20; 2. Petr. 1:17).

      13. (a) Welche Art Liebe sollten Christen zueinander entwickeln? (b) Inwiefern zeigt die grundlegende Bedeutung des griechischen Wortes für „inbrünstig“ das richtige Maß unserer Liebe?

      13 Diese Liebe ist es also, die Christen zueinander entwickeln sollten. Es ist weder eine halbherzige Liebe noch eine Liebe, die lediglich aus Pflichtbewußtsein Personen gegenüber bekundet wird, denen man vielleicht noch nicht einmal zugetan ist. Es handelt sich vielmehr um eine herzliche, innige Zuneigung zu anderen, vergleichbar mit der innigen Liebe, die man für einen nahen Verwandten hegt oder die Jehova zu seinem geliebten Sohn empfindet. Der Apostel Petrus betont, daß unsere Liebe zueinander von dieser Art sein oder dieses Maß erreichen sollte, wenn er uns auffordert: „Liebt einander inbrünstig“ oder, gemäß anderen Wiedergaben, „innig und stark“, „mit all eurer Kraft“ (1. Petr. 1:22, Bruns; The New English Bible). Das ursprüngliche griechische Wort, das mit „inbrünstig“ wiedergegeben wird, bedeutet buchstäblich „ausgestreckt“ (Kingdom Interlinear Translation). Unsere Liebe muß daher sozusagen alles daransetzen, bis zum Äußersten gehen. Entwickelst du diese Art Liebe?

      14. (a) Weshalb müssen wir uns bemühen, Liebe zu entwickeln? (b) Wie können wir lernen, einander zu lieben?

      14 Wir alle müssen uns bemühen, diese Liebe zu entwickeln, denn die Menschheit ist zufolge des Ungehorsams Adams seit 6 000 Jahren der Sünde und der Unvollkommenheit verfallen, wodurch unsere Fähigkeit, Jehovas vorherrschende Eigenschaft der Liebe widerzuspiegeln, beeinträchtigt worden ist. Selbst die unter nahen Verwandten normalerweise herrschende angeborene Liebe kann mitunter völlig entartet sein, wie es bei Kain, Esau und den Halbbrüdern Josephs der Fall war. Und die Bibel sagt voraus, daß dies auch „in den letzten Tagen“ zu beobachten sei, denn dann würden die Menschen „ohne natürliche Zuneigung“ sein (2. Tim. 3:1-3). Wir müssen uns also bemühen, die Liebe in unserem Herzen lebendig zu erhalten. Aber wie können wir, die wir in dieser kritischen Zeit — in den „letzten Tagen“ — leben, lernen, einander zu lieben? Der Apostel Paulus erklärte: „Was jedoch die Bruderliebe betrifft, habt ihr nicht nötig, daß wir euch schreiben, denn ihr selbst seid von Gott gelehrt, einander zu lieben“ (1. Thess. 4:9). Auf welche Weise lehrt Gott uns dies?

      WIE GOTT UNS LEHRT ZU LIEBEN

      15. (a) Auf welche Weise lehrt uns Jehova sozusagen, einander zu lieben? (b) Welche Art Liebe einander zu erweisen, sind Christen verpflichtet?

      15 Er belehrt uns darüber auf verschiedene Weise. Wir können sagen, daß Gott uns dadurch, daß er uns Menschen in seinem Bilde erschaffen und uns die Fähigkeit zu lieben verliehen hat, tatsächlich veranlaßt, Liebe zu offenbaren, obgleich wir heute sündig sind. Gott hat uns ferner dadurch gelehrt, einander zu lieben, daß er wiederholt geboten hat, anderen Liebe zu erweisen. Wie Jesus Christus zeigte, war das Gebot: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ eines der beiden wichtigsten Gebote des Gesetzes, das Gott den Israeliten gegeben hatte. Der Jünger Jakobus nannte es das „königliche Gesetz“ (Matth. 22:39; 3. Mose 19:18; Jak. 2:8). Jesus, der als Gottes Vertreter sprach, zeigte jedoch, daß Christen noch größere Liebe haben müssen; sie sollten einander ebenso lieben, wie er seine Jünger liebte (Joh. 13:34; 1. Joh. 3:16). Aber Jehova Gott hat die Menschen noch auf eine andere, besonders ansprechende Weise gelehrt, einander zu lieben.

      16. (a) Auf welch besonders vortreffliche Weise lehrt uns Jehova, einander zu lieben? (b) Wodurch hat Gott seine Liebe am eindrucksvollsten bewiesen?

      16 Dies geschah durch sein eigenes Beispiel. In der alten römischen Provinz Galatien (Kleinasien) sprach der Apostel Paulus zu einer Volksmenge und sagte über Gott: „Er [tat] Gutes ..., da er euch Regen vom Himmel und fruchtbare Zeiten gab und euer Herz mit Speise und Fröhlichkeit erfüllte“ (Apg. 14:17). Gott gebietet uns also nicht nur, einander zu lieben, sondern zeigt auch durch sein Beispiel, wie wir es tun sollten (Matth. 5:44, 45). Das vorzüglichste Beispiel der Liebe gab er dadurch, daß er seinen kostbarsten Besitz für uns dahingab. Die Bibel sagt: „Gott [hat] seinen einziggezeugten Sohn in die Welt gesandt ..., damit wir durch ihn Leben erlangen könnten. ... Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, dann sind wir selbst verpflichtet, einander zu lieben“ (1. Joh. 4:9-11).

      17. Was sollte es bei uns zur Folge haben, wenn wir die Wahrheit über Jehova und seine wunderbaren Vorkehrungen kennenlernen?

      17 Wenn wir daher all das Wunderbare in Betracht ziehen, was Gott für uns bereitet hat — die reichlichen materiellen Segnungen, besonders aber die Gabe seines Sohnes, die ewiges Leben in einem gerechten neuen System möglich macht —, begreifen wir, welch ein vortrefflicher Gott und Schöpfer Jehova ist. Was sollte die Folge sein, wenn wir diese wunderbare Erkenntnis über Jehovas Vorkehrungen in uns aufnehmen und dann in Übereinstimmung damit leben? Der Apostel Petrus sprach von „ungeheuchelter brüderlicher Liebe als Ergebnis“. Ja, es sollte ein schönes familiäres Verhältnis der Brüderlichkeit und Liebe entstehen. Und was sollten wir unbedingt tun, wenn wir dies wertschätzen? Petrus fügte hinzu: „Liebt einander inbrünstig von Herzen“ (1. Petr. 1:22).

      WESHALB INBRÜNSTIGE LIEBE DAMALS UNERLÄSSLICH WAR

      18. Wann schrieb Petrus seinen ersten Brief, und was war damals nahe?

      18 Um zu verstehen, weshalb inbrünstige Liebe in den Tagen des Petrus unerläßlich war, müssen wir uns ein Bild von den damaligen Verhältnissen machen. Petrus erklärte: „Das Ende aller Dinge aber hat sich genaht. Seid daher gesunden Sinnes, und seid wachsam im Hinblick auf Gebete. Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander“ (1. Petr. 4:7, 8). Ja, das Ende war damals nahe. Petrus schrieb diese Worte irgendwann zwischen den Jahren 62 und 64 u. Z., und schon kurze Zeit später, im Jahre 70, ging das jüdische System der Dinge schließlich zu Ende. Die römischen Heere verwüsteten ganz Judäa, besonders die Stadt Jerusalem. Eine Prophezeiung Jesu hilft uns verstehen, weshalb die Christen damals „inbrünstige“ Liebe zueinander haben mußten.

      19. (a) Welches Zeichen gab Jesus, damit Christen wüßten, daß das Ende nahe wäre, und wie erfüllte es sich? (b) Wodurch war es Christen möglich, dem Gebot Jesu zu gehorchen und zu fliehen, und war es weise, daß sie gehorchten?

      19 Jesus hatte vorausgesagt: „Wenn ihr ferner die Stadt Jerusalem von Heeren umlagert seht, dann erkennt, daß ihre Verwüstung nahe gekommen ist“ (Luk. 21:20; Matth. 24:15). Die römischen Heere unter Cestius Gallus umzingelten Jerusalem im November des Jahres 66 u. Z. Sie drangen in die Stadt — ein Ort den die Juden als „heilig“ betrachteten — ein und trugen einen Angriff bis gegen die Tempelmauer vor, die sie untergruben. Die Römer hätten die ganze Stadt leicht erobern können, doch plötzlich ließ der Feldherr Gallus davon ab und trat ohne triftigen Grund den Rückzug an. Das gab Christen die Gelegenheit, die Aufforderung Jesu zu befolgen: „Dann sollen die, die in Judäa sind, in die Berge zu fliehen beginnen“ (Luk. 21:21-24). Später kehrten die römischen Heere unter dem Feldherrn Titus zurück und verwüsteten das Land, was gemäß Berichten allein in Jerusalem 1 100 000 Menschen das Leben kostete. Es war tatsächlich eine „große Drangsal“!

      20. Welchen Beweis gibt es dafür, daß Christen Jesu Gebot beachteten?

      20 Wie verhielt es sich aber mit den Christen? Eusebius von Caesarea, ein Historiker, der im dritten Jahrhundert lebte, schrieb, daß „die Kirchengemeinde in Jerusalem in einer Offenbarung, die ihren Führern geworden war, die Weissagung erhalten hatte, noch vor dem Krieg die Stadt zu verlassen und sich in einer Stadt Peräas, namens Pella, niederzulassen“a. Ja, die Christen beachteten anscheinend Jesu Anweisungen und flohen, nachdem sich Cestius Gallus mit seinen Heeren zurückgezogen hatte, in die Berggegend von Pella, wodurch sie ihr Leben in Sicherheit brachten. Doch sie hatten es nicht leicht.

      21. (a) Weshalb hatte Jesus Nachdruck darauf gelegt, daß man unverzüglich fliehe? (b) In welcher Lage mögen sich die fliehenden Christen befunden haben?

      21 Da Jesus gewußt hatte, daß es die Entwicklung der Ereignisse in Verbindung mit der Rückkehr der römischen Soldaten — unter dem Feldherrn Titus — in kurzer Zeit nahezu unmöglich machen würde, die zum Untergang verurteilte Stadt zu verlassen, hatte er lange zuvor warnend erklärt: „Wer auf dem Hausdach ist, steige nicht hinab, um die Güter aus seinem Hause zu holen; und wer auf dem Felde ist, kehre nicht ins Haus zurück, um sein äußeres Kleid mitzunehmen“ (Matth. 24:17, 18). Aufgrund dessen machten sich Hunderte oder vielleicht Tausende gehorsamer Christen sobald sich Gallus mit seinen Heeren zurückgezogen hatte, in Eile auf und nahmen nur wenig mit. Es war gut, daß sie nicht schwer beladen waren, denn die Reise war lang; auch war der Boden uneben, und das Wetter stellte zweifellos zu jener Jahreszeit eine Belastung dar. Unter solchen Umständen konnte es unter den Flüchtlingen leicht zu Streit oder anderen Schwierigkeiten kommen. Außerdem erhob sich die Frage, wo sie alle wohnen sollten.

      22. (a) Welche Verhältnisse mögen in der ganzen Gegend geherrscht haben? (b) Weshalb war es für Christen damals unerläßlich, den Rat des Petrus anzuwenden?

      22 Vielleicht schlugen sie in der Nähe von Pella Behelfsunterkünfte auf, indem sie dort in den Bergen eine Art Flüchtlingslager einrichteten. Wir wissen darüber nichts Genaues. Wie es sich aber auch verhielt, es war für sie bestimmt sehr beschwerlich. In der ganzen Gegend mögen Verknappung und andere Härten aufgetreten sein. Das Ende jenes ganzen jüdischen Systems der Dinge hatte sich genaht. Wie passend war es daher, daß Petrus die Leser seines Briefes, die „zeitweilig Ansässige“ waren, mit den inspirierten Worten ermunterte: „Das Ende aller Dinge ... hat sich genaht. ... Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander.“! (1. Petr. 1:1; 4:7, 8). Wenn sie eine solche Liebe hatten, so bedeutete dies, daß sie nicht selbstsüchtig waren und einander nicht aufreizten, sondern miteinander teilten und einander vertrauten und sich gegenseitig stärkten, um die prüfungsreichen Verhältnisse, in denen sie sich befanden, ertragen zu können.

      WESHALB INBRÜNSTIGE LIEBE HEUTE UNERLÄSSLICH IST

      23. Sind die warnenden Hinweise der Bibel über die Nähe des Endes für uns heute von Bedeutung?

      23 Wir wollen aber nicht nur einen Blick zurück in die damalige Zeit werfen. Denn Jesu Prophezeiung über den „Abschluß des Systems der Dinge“ erfüllt sich auch in der heutigen Zeit; ja, sie findet heute ihre größere Erfüllung. Und so verhält es sich auch mit den eindringlichen Worten des Petrus: „Das Ende aller Dinge ... hat sich genaht.“ Gott beabsichtigt, das gesamte böse System zu beseitigen und in der unmittelbaren Zukunft sein neues System, „neue Himmel und eine neue Erde“, herbeizuführen (Matth. 24:3-22; 2. Petr. 3:13). Folglich leben wir unmittelbar vor der „großen Drangsal“, die die schreckliche Zerstörung Jerusalems und der umliegenden Orte weit in den Schatten stellen wird. Die Prüfungen, denen sich die meisten Christen während der „großen Drangsal“ gegenübersehen werden, mögen mit denen zu vergleichen sein, die Christen vor einiger Zeit in zwei Ländern durchzumachen hatten.

      24, 25. (a) Was hatten malawische Zeugen Jehovas durchzumachen, und inwiefern war es für sie wichtig, den Rat des Petrus zu befolgen? (b) Welche Selbstprüfung sollten wir vernünftigerweise anstellen?

      24 Im ersten Fall betraf es Jehovas Zeugen in Malawi. Unter der Schlagzeile „Jehovas Zeugen fliehen um ihr Leben“ war am 22. Oktober 1972 in der New York Times zu lesen: „Letzte Woche sind aus dem kleinen ostafrikanischen Land Malawi Berichte über Massenverfolgungen eingetroffen ... Weibliche Mitglieder der Zeugen wurden vergewaltigt, ihre Häuser wurden niedergebrannt, und die meisten der 23 000 Anhänger der Gruppe wurden praktisch gewaltsam aus dem Land vertrieben.“ Wegen ihrer Treue zu Gottes Gesetz wurden die malawischen Zeugen über die Grenze getrieben und in ein großes Flüchtlingslager gepfercht, wo es ihnen zunächst an dem Lebensnotwendigen mangelte. Viele starben zufolge der Schwierigkeiten. Unter diesen jämmerlichen Verhältnissen kam es darauf an, den inspirierten Rat zu befolgen: „Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander.“

      25 Die meisten der malawischen Zeugen gingen aus dieser Erfahrung geistig gestärkt hervor und blieben Gott treu. Was ihnen sicherlich dabei half, war ihr Gehorsam gegenüber dem obigen Rat der Bibel. Wie steht es mit uns? Bereiten wir uns auf die kommenden Prüfungen vor? Entwickeln wir eine innige Zuneigung zueinander, so, wie sie Joseph zu seinem Bruder und Jonathan zu David hatte oder wie sie Jehova Gott zu seinem geliebten Sohn, Jesus Christus, hat? Es ist in diesen „letzten Tagen“ wirklich wichtig, eine solche Liebe zu haben.

      26, 27. (a) Was geschah im Dezember 1972 in Managua (Nicaragua), und wovon könnte es eine Vorschau kleinen Umfangs gewesen sein? (b) Auf welche Weise zeigten Jehovas Zeugen während dieser Katastrophe in Managua Liebe zueinander?

      26 Auch die Katastrophe, über die in der Zeitschrift Erwachet! vom 22. Juni 1973 berichtet wurde, könnte als eine Vorschau auf die vor uns liegenden Schwierigkeiten angesehen werden. In dem Bericht hieß es: „Das Ortsschild steht noch. Als stummer Zeuge verkündet es: MANAGUA, 404 700 EINWOHNER. Und im Zentrum der Stadt steht ein anderer stummer Wächter als Zeuge. Die Uhr am Haupteingang des Nationalpalastes steht auf 0.35 Uhr. In dieser frühen Morgenstunde am Sonnabend, dem 23. Dezember 1972, noch in der Dunkelheit, ging die Hauptstadt Nicaraguas in einem furchtbaren Erdbeben unter.“ Ja, in der Stadt schien fast alles außer Funktion zu sein: Die Wasserversorgung brach zusammen, es gab keinen Strom mehr; alles hörte praktisch auf. Dies wird bald nicht nur mit einer einzigen Stadt geschehen, sondern mit einer Stadt nach der anderen — das ganze System der Dinge wird untergehen. Was zu offenbaren ist unter solchen Umständen unerläßlich?

      27 Viele Hunderte von Zeugen Jehovas aus Nicaragua und benachbarten Ländern zeigten, wie die Zeitschrift Erwachet! berichtete, ihre inbrünstige Liebe: „Sofort wurden Maßnahmen ergriffen, um diese [vom Erdbeben betroffenen] Zeugen und ihre Familien zu versorgen. Hier offenbarte sich bestimmt die echte Liebe, die unter Gottes Volk herrscht. Am Sonnabendnachmittag traf ein Zeuge Jehovas mit einem Lastwagen und 1 300 Litern Wasser von einer 25 Kilometer entfernten Versammlung ein. ... Dann, um 22 Uhr, trafen die ersten beiden Lastwagenladungen mit Hilfsgütern von den Zeugen Jehovas aus Liberia (Costa Rica) ein. Kurz darauf trafen zwei weitere Lastwagen von den Zeugen aus Tegucigalpa (Honduras) ein. So standen innerhalb von etwa 24 Stunden nach dem Unglück Nahrung, Kleidung, Medizin, Wasser und Benzin zur Verfügung!“

      28. (a) Was lernen wir aus dieser Erfahrung? (b) Wodurch sind Jehovas Zeugen auch noch geschult worden, einander Liebe zu erweisen?

      28 Aus dieser Erfahrung können wir etwas lernen. Wenn große Schwierigkeiten auftreten oder sich überall Katastrophen ereignen, müssen wir vor allem inbrünstige Liebe zueinander haben. Und überlegen wir doch einmal: Haben wir als Zeugen Jehovas nicht eine gute Schulung erhalten, solchen Verhältnissen ins Gesicht zu sehen? Wir kommen regelmäßig zu größeren oder kleineren Kongressen zusammen, wo wir vorzüglich unterwiesen und ermuntert werden, einander zu lieben. Wir haben auch Cafeterias, in denen unsere Brüder für unsere Mahlzeiten sorgen, und wir stellen Mitchristen gastfreundlich Unterkünfte in unserer Wohnung zur Verfügung. Ist dies nicht wirklich eine vortreffliche Schulung, einander zu lieben und füreinander zu sorgen? Aber wir müssen diese Liebe, die Gott den Menschen verliehen hat, weiterhin offenbaren — diese wunderbare Eigenschaft, die in den vergangenen ungefähr 6 000 Jahren von den sündigen, unvollkommenen Menschen entstellt und verfälscht worden ist. Da sich das Ende aller Dinge genaht hat, müssen wir jetzt unbedingt eine inbrünstige Liebe zueinander entwickeln.

  • Liebe deckt eine Menge von Sünden zu
    Der Wachtturm 1975 | 1. September
    • Liebe deckt eine Menge von Sünden zu

      „Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander, denn Liebe deckt eine Menge von Sünden zu“ (1. Petr. 4:8).

      1, 2. (a) Welche Fehler machen wir alle, und wieso könnte es sein, daß wir sie immer häufiger begehen? (b) Was wird uns helfen, auftretende Probleme zu überwinden?

      HAST du schon einmal jemanden barsch angefahren und gleich darauf gewünscht, du hättest es nicht getan? Oder hast du schon einmal jemanden sonstwie unfreundlich behandelt und es dann bedauert? Zweifellos ist das uns allen schon passiert. Und während der Druck und die Schwierigkeiten zunehmen, je mehr wir uns dem Ende dieses Systems der Dinge nähern, mag es immer häufiger vorkommen, daß wir jemand anders verletzen oder beleidigen. Was sollten wir daher tun, wenn es zu Problemen kommt?

      2 Um darauf eine Antwort zu erhalten, wird es nützlich sein, sich einmal etwas näher mit 1. Petrus 4:7, 8 zu beschäftigen. Dort heißt es, das Ende aller Dinge habe sich genaht; daher sollten wir „gesunden Sinnes“ und „wachsam im Hinblick auf Gebete“ sein, doch vor allem sollten wir „inbrünstige Liebe zueinander“ haben. Nun beachte, weshalb diese Liebe so wichtig ist. In dem Bericht heißt es weiter: „Denn Liebe deckt eine Menge von Sünden zu.“ Das ist ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt.

      3. (a) Welcher Tatsache müssen wir uns alle bewußt sein? (b) Welche zutreffende Bemerkung macht die Bibel über uns?

      3 Wir müssen uns der Tatsache bewußt sein, daß wir alle aufgrund des Ungehorsams und der Unvollkommenheit unserer Ureltern Adam und Eva die Neigung ererbt haben, Böses zu tun oder zu sündigen (Röm. 5:12). Wir alle verfehlen häufig das Ziel, gerecht zu handeln. Wir haben eine eingewurzelte Neigung, neidisch zu sein, uns aufreizen zu lassen, zu prahlen, nachtragend zu sein usw. Und ärgern wir uns nicht, wenn wir manchmal diesen sündigen Neigungen nachgeben? Doch diese schlechten Neigungen sind nun einmal da, und wir müssen uns einfach eingestehen, daß sie bei Gelegenheit in Wort und Tat zum Ausdruck kommen. Der Jünger Jakobus, der unter Gottes Inspiration schrieb, bemerkte treffend: „Wir alle straucheln oft. Wer nicht im Worte strauchelt, der ist ein vollkommener Mann.“ Aber niemand ist vollkommen. „Da ist kein Mensch, der nicht sündigt“, sagt die Bibel (Jak. 3:2; 1. Kö. 8:46).

      4. (a) Wie sollten wir nicht reagieren, wenn jemand eine Sünde begeht, und was sollten wir statt dessen tun? (b) Was wird es uns ermöglichen, die Sachlage realistisch zu beurteilen, wenn Probleme auftauchen?

      4 Daher müssen wir hinsichtlich unserer zwischenmenschlichen Beziehungen realistisch sein. Bei jedem Christen werden sündige Neigungen zum Vorschein kommen, ganz gleich, wie sehr er sich bemüht, das zu verhindern (Röm. 7:15-20). Wir sollten darüber nicht erschüttert und entsetzt sein und vielleicht zu dem Schluß kommen, solche Verfehlungen seien ein Anzeichen dafür, daß wir nicht mit der wahren Christenversammlung verbunden seien. Nein; vielmehr sollten wir nach Beweisen dafür Ausschau halten, daß Liebe diese Sünden zugedeckt hat. Daher ist es nötig, daß wir Liebe üben, um zu beweisen, daß wir zur wahren Christenversammlung gehören. Es ist jedoch nicht immer leicht, richtig und liebevoll zu handeln. Die Bibel hilft uns das verstehen. Sie vermittelt uns einen Einblick in die Vorgänge, die sich in der Christenversammlung des ersten Jahrhunderts abspielten, und ermöglicht uns daher eine realistische Beurteilung der Sachlage, so daß wir unser Gleichgewicht bewahren können, falls Probleme auftauchen sollten.

      EIN PROBLEM UNTER FRAUEN IN PHILIPPI

      5. (a) Beschreibe die Geschichte der Versammlung in Philippi. (b) Was für einen Brief schrieb der Apostel Paulus an diese Versammlung?

      5 Beschäftigen wir uns zunächst mit einem Problem, das in der Christenversammlung von Philippi, der Hauptstadt des Bezirks Mazedonien, auftrat. Der Apostel Paulus gründete diese Versammlung im Jahre 50 anläßlich eines Besuches während seiner zweiten Missionsreise (Apg. 16:11-40). Ein paar Jahre später, auf seiner dritten Missionsreise, konnte es Paulus offensichtlich einrichten, die Versammlung in Philippi noch einmal zu besuchen (Apg. 20:1-6). Dann, etwa zehn Jahre nach der Gründung der Versammlung, fühlte sich Paulus durch die außerordentlichen Taten christlicher Güte und durch den Eifer der Philipper veranlaßt, ihnen mit bewegten Worten einen liebevollen und ermunternden Brief zu schreiben. Er war voll des Lobes über sie; nur gegen Ende seines Briefes finden wir einen kurzen Hinweis auf eine Zurechtweisung.

      6. Was schrieb Paulus über Euodia und Syntyche, und welche Fragen erheben sich dadurch?

      6 Paulus schrieb: „Daher, meine geliebten und ersehnten Brüder, meine Freude und Krone, steht in dieser Weise fest im Herrn, Geliebte.“ Doch nun beachte seine nächste Äußerung: „Euodia ermahne ich und Syntyche ermahne ich, gleichen Sinnes im Herrn zu sein“ (Phil. 4:1, 2). Warum schrieb Paulus das? Warum ermunterte er die Versammlung, ‘in dieser Weise fest im Herrn zu stehen’, und griff dann diese zwei Frauen, Euodia und Syntyche, heraus, um sie zu ermahnen, gleichen Sinnes im Herrn zu sein?

      7. (a) Was war möglicherweise der Grund dafür, daß die beiden Frauen nicht gleichen Sinnes im Herrn waren? (b) Was läßt die Tatsache erkennen, daß Paulus von ihrem Problem wußte?

      7 Offensichtlich hatten diese beiden Frauen ein Problem; sie waren anscheinend nicht gleichen Sinnes. Die Bibel sagt nicht, worin ihre Schwierigkeiten bestanden oder was zu dem Problem Anlaß gegeben hatte. Vielleicht waren sie irgendwie eifersüchtig aufeinander. Möglicherweise hatten beide eine starke Persönlichkeit und waren einander einfach auf die Nerven gefallen, bis sie nicht mehr zusammen sprachen. Wie dem auch sei, es war zu einem Bruch gekommen, denn sie waren nicht „gleichen Sinnes im Herrn“. Und Paulus, der sich zu der Zeit in Rom befand — Hunderte von Kilometern entfernt —, von wo aus er seinen Brief schrieb, wußte davon, was erkennen läßt, daß die Schwierigkeiten möglicherweise schon lange bestanden und unter den Brüdern recht gut bekannt waren.

      8. (a) Was für Frauen waren Euodia und Syntyche im Grunde genommen, und woraus geht das hervor? (b) Was können wir aus diesem Vorfall lernen?

      8 Doch gleichzeitig waren beide im Grunde genommen gute Christen. Sie dienten Jehova Gott zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern, denn Paulus schreibt in seinem Brief weiter: „Stehe diesen Frauen weiterhin bei, die für die gute Botschaft Seite an Seite mit mir gestritten haben“ (Phil. 4:3). Euodia und Syntyche waren demgemäß schon eine Zeitlang Christen und hatten früher bereits mit Paulus zur Förderung des Predigtwerkes zusammengearbeitet. Doch jetzt hatten sie ein Problem. Wenn es daher in der Versammlung des ersten Jahrhunderts solche Schwierigkeiten gab, sollten wir uns da übermäßig aufregen, wenn heute ähnliches vorkommt? Doch nicht nur Frauen hatten derartige Probleme.

      SCHWIERIGKEITEN UNTER CHRISTLICHEN ÄLTESTEN

      9, 10. (a) Was ereignete sich in Verbindung mit Johannes Markus auf der ersten Missionsreise des Paulus und Barnabas? (b) Warum mag Barnabas den Wunsch gehabt haben, Markus auf die zweite Missionsreise mitzunehmen, doch wie dachte Paulus darüber?

      9 Auch christliche Älteste hatten Probleme, sogar prominente Älteste. Denke zum Beispiel an den Apostel Paulus und an Barnabas, seinen ersten Reisegefährten. Sie hatten ihre erste Missionsreise abgeschlossen, auf der sie eine Anzahl von Christenversammlungen gegründet hatten, und nun planten sie, wie die Bibel erklärt, eine zweite Reise: „Nach einigen Tagen nun sagte Paulus zu Barnabas: ,Vor allem laß uns zurückkehren und die Brüder in jeder der Städte besuchen, in denen wir das Wort Jehovas verkündigt haben, um zu sehen, wie es ihnen geht‘“ (Apg. 15:36). Auf jener ersten Reise waren sie von Johannes Markus begleitet worden, aber aus irgendeinem ungenannten Grund war ‘Johannes von ihnen geschieden und nach Jerusalem zurückgekehrt’, wo seine Mutter Maria lebte (Apg. 13:13).

      10 Als nun Paulus und Barnabas die Pläne für ihre zweite Missionsreise besprachen, kam Markus zur Sprache. Die Bibel berichtet uns, was dann geschah: „Barnabas war für seinen Teil entschlossen, auch Johannes mitzunehmen, der Markus genannt wurde. Paulus aber hielt es nicht für richtig, diesen mitzunehmen, da er von Pamphylien aus von ihnen weggegangen war und sich nicht mit ihnen an das Werk begeben hatte“ (Apg. 15:37, 38). Hier gab es also eine Meinungsverschiedenheit. Barnabas war vielleicht der Ansicht, Markus habe eine gute Entschuldigung dafür gehabt, während der ersten Reise nach Jerusalem zurückzukehren; vielleicht war seine Mutter erkrankt, so daß er zurückkehrte, um bei ihr zu sein. Doch wir wissen es nicht. Falls dagegen seine Abreise ein übereilter, unentschuldbarer Schritt gewesen war, so hatte Barnabas offensichtlich den Eindruck, er habe etwas daraus gelernt und werde diesmal bei der Arbeit bleiben. Doch Paulus war anderer Ansicht. Er wollte Markus nicht mehr mitnehmen. Würde man jetzt nicht erwarten, daß diese beiden reifen christlichen Ältesten eine solche Meinungsverschiedenheit freundschaftlich hätten beilegen können? Doch was geschah?

      11. (a) Wozu führte die Meinungsverschiedenheit zwischen Paulus und Barnabas? (b) Bewiesen diese Schwierigkeiten unter christlichen Ältesten, daß sie keine Diener des wahren Gottes waren?

      11 Die Bibel sagt: „Dadurch gab es einen heftigen Zornausbruch, so daß sie sich voneinander trennten; und Barnabas nahm Markus mit und segelte nach Zypern weg. Paulus erwählte sich Silas und begab sich auf den Weg“ (Apg. 15:39, 40). Stell dir das vor! Hier kam es zwischen zwei prominenten Ältesten nicht nur zu einem geringfügigen Wortwechsel, sondern zu einem „heftigen Zornausbruch“, und das wegen einer anscheinend geringfügigen Sache. Daher trennten sie sich, und zwar offensichtlich nicht gerade in herzlichem Einvernehmen. Hättest du, wenn du damals dabeigewesen wärest, aus dem Verhalten dieser prominenten Ältesten gefolgert, eine Organisation, in der so etwas vorkomme, könne nicht Gottes Organisation sein?

      12. Welche Sünde beging Petrus bei einem Besuch in Antiochia, und was veranlaßte ihn, so zu handeln?

      12 Oder betrachte ein weiteres, etwas anders geartetes Ereignis, das sich in Antiochia abspielte. Als der Apostel Petrus diese Stadt in Syrien besuchte, pflegte er mit der ganzen Versammlung Gemeinschaft und ließ sich auch von Heidenchristen zum Essen einladen und war mit ihnen gesellig beisammen. Er wußte, daß das ganz in Ordnung war, denn Jahre zuvor hatte Gott ihn angewiesen, Kornelius zu predigen, der dann als erster unbeschnittener Heide zum Christentum bekehrt wurde. Als jedoch einige jüdische Christen, die von Jesu Halbbruder Jakobus aus Jerusalem kamen, Antiochia besuchten, zog sich Petrus zurück und trennte sich von den Heidenchristen, da er befürchtete, von „denen aus der Gruppe der Beschnittenen“ kritisiert zu werden. Andere beschnittene jüdische Christen begannen seinem Beispiel zu folgen. Das war gewiß nicht recht. Es war eine Sünde, daß Petrus in der Christenversammlung eine Spaltung verursachte.

      13. (a) Wie reagierte Paulus, als er in Antiochia war und sah, was dort vor sich ging? (b) Warum handelte Petrus heuchlerisch, doch wie muß ihm zumute gewesen sein, als er vor der ganzen Versammlung zurechtgewiesen wurde?

      13 Um die gleiche Zeit befand sich auch Paulus in Antiochia, und er war über diese Vorgänge erzürnt. In seinem Brief an die Galater erklärte er: „Als ich aber sah, daß sie nicht den geraden Weg gemäß der Wahrheit der guten Botschaft wandelten, sagte ich vor ihnen allen zu Kephas [Petrus]: ,Wenn du, obwohl du ein Jude bist, so lebst wie die Nationen und nicht wie Juden, wie kommt es, daß du Leute von den Nationen nötigst, gemäß jüdischem Brauch zu leben?‘“ (Gal. 2:11-14). Petrus wußte, daß das mosaische Gesetz nicht mehr in Kraft war, und er hatte das schon früher gezeigt, indem er ungezwungen mit Heiden Gemeinschaft gepflegt hatte (Apg. 10:28, 29). Doch nun führte er aus Furcht die Spaltung wieder ein, die im mosaischen Gesetz vorgesehen war, das aber, wie er wußte, für jüdische Christen nicht mehr galt (Eph. 2:13-18). Daß er sich von den Heidenchristen ‘zurückzog und sich absonderte’, war offensichtlich eine heuchlerische Handlungsweise, veranlaßt durch Befürchtungen davor, was bestimmte Judenchristen, besonders die aus Jerusalem, von ihm denken könnten. Und daher stellte Paulus die Heuchelei des Petrus vor der ganzen Versammlung bloß. Wie wärest du dir vorgekommen, wenn du Petrus gewesen wärest? (Hebr. 12:11).

      SÜNDEN MIT LIEBE ZUDECKEN

      14. (a) Wie hätte Petrus auf diese Zurechtweisung durch Paulus reagieren können? (b) Wie können wir aus der Einstellung, die Petrus später gegenüber Paulus hatte, erkennen, daß er das Problem mit Liebe zudeckte?

      14 Überlege einmal, was Petrus empfunden haben mag. Er hatte eine prominente Stellung unter den Aposteln, denn Jesus Christus selbst hatte ihn früher mit besonderen Dienstvorrechten betraut (Matth. 16:18, 19; Apg. 2:14-41; 10:34-48). Paulus war kürzere Zeit mit der Christenversammlung verbunden als er, und nun widerstand er ihm vor der ganzen Versammlung ins Angesicht. „Wie kann es sich Paulus nur erlauben, vor der ganzen Versammlung so zu mir zu sprechen?“ hätte Petrus verärgert denken können. Aber nein, Petrus war demütig. Er nahm die Zurechtweisung an und ließ nicht zu, daß seine Liebe zu Paulus erkaltete. Denn beachte, wie Petrus später Paulus in einem ermunternden Brief an Mitchristen bezeichnete: „Betrachtet ferner die Geduld unseres Herrn als Rettung, so, wie euch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm verliehenen Weisheit ebenfalls schrieb“ (2. Petr. 3:15). Ja, Petrus deckte das Problem, das in diesem Fall durch seine eigene Sünde aufgekommen war, mit Liebe zu. Gewiß bekundete Petrus die Eigenschaft, durch die sich die wahre Christenversammlung auszeichnet!

      15. (a) Wurde die Unstimmigkeit zwischen Paulus und Barnabas beigelegt, und was läßt erkennen, ob dies der Fall war? (b) Welche Anzeichen gibt es dafür, daß Paulus zugegeben haben mag, daß er Markus falsch beurteilt hatte?

      15 Doch was ist über die Meinungsverschiedenheit zu sagen, die zwischen Paulus und Barnabas in Verbindung mit Markus aufgekommen war? Wurde dieses Problem, das in einem heftigen Zornausbruch gipfelte, im Laufe der Zeit ebenfalls mit Liebe zugedeckt? Ja, offensichtlich. Denn später erwähnte Paulus, als er während seiner Missionartätigkeit in Ephesus einen Brief an die Versammlung in Korinth schrieb, Barnabas zusammen mit Petrus und den anderen Aposteln als einen engen Mitarbeiter (1. Kor. 9:5, 6). Paulus hatte offenbar zugegeben, daß er Markus falsch beurteilt hatte, und es kann gut sein, daß er sich demütig bei Markus und Barnabas entschuldigte. Später sprach Paulus nämlich sehr günstig über Markus. Ja, in einem seiner Briefe an Timotheus schrieb er sogar: „Lukas allein ist bei mir. Nimm Markus und bring ihn mit dir, denn er ist mir für den Dienst nützlich“ (2. Tim. 4:11; Kol. 4:10).

      16. (a) Ist es vernünftig, anzunehmen, daß Euodia und Syntyche ihre Unstimmigkeiten beilegten? (b) Welche verkehrte Einstellung hätten sie auch bekunden können?

      16 Nun, und wie steht es mit Euodia und Syntyche? Legten sie ihre Meinungsverschiedenheiten bei, und deckten sie die Sünden, die sie gegeneinander begangen haben mögen, mit Liebe zu? Die Bibel berichtet uns nicht, wie die Sache ausging. Aber da beide gute Frauen waren, die Seite an Seite mit Paulus in seinem christlichen Dienst gekämpft hatten, ist es vernünftig, anzunehmen, daß sie den erteilten Rat demütig annahmen. Wir können uns gut vorstellen, daß sie nach der Zusammenkunft, in der der Brief des Paulus vorgelesen wurde, aufeinander zugingen und ihr Problem im Geist der Liebe beilegten. Es hätte natürlich auch sein können, daß sie durch den Rat verhärtet wurden. Sie hätten die Einstellung bekunden können: „Mit welchem Recht schreibt Paulus der ganzen Versammlung über unser Problem?“ Auf diese Weise hätten sie ihre Unstimmigkeiten nicht beilegen können, und alles wäre nur noch schlimmer geworden. Doch was, wenn das geschehen wäre?

      17. (a) Wie hätten sich die Dinge entwickeln können, wenn Euodia und Syntyche ihre Unstimmigkeiten nicht beigelegt hätten? (b) Können wir heute etwas aus einer solchen möglichen Entwicklung lernen?

      17 Nun, der Brief an die Philipper wurde um das Jahr 60 u. Z. geschrieben. Ein paar Jahre später, im Jahre 64, steckte der römische Kaiser Nero Rom in Brand und gab den Christen dafür die Schuld. Bald danach brach eine große Christenverfolgung aus. Was nun, wenn sich diese Verfolgung auch nach Philippi ausgebreitet hätte und Euodia und Syntyche ins Gefängnis gesteckt worden wären, wie auch Paulus und Silas schon Jahre zuvor dort inhaftiert worden waren? (Apg. 16:19-34). Was, wenn sie zusammen in das gleiche Gefängnis, ja in die gleiche Zelle gesteckt worden wären? Was wäre geschehen, wenn sie nicht gleichen Sinnes gewesen und wenn ihre Unstimmigkeiten in gegenseitigen Haß umgeschlagen wären? Sie hätten sich gegenseitig geistig zugrunde richten und vielleicht sogar ihr Verhältnis zu Jehova Gott zerstören können. Wie traurig wäre das doch gewesen! Und wie traurig wäre es auch heute, wenn wir keine inbrünstige Liebe zueinander hätten, wenn die „große Drangsal“ über dieses System der Dinge kommt! (Matth. 24:21).

      LIEBE IST UNERLÄSSLICH, WÄHREND DAS ENDE NÄHER RÜCKT

      18. (a) Was müssen wir heute lernen? (b) Wieso bekräftigt die mögliche Entwicklung der Weltlage, während das Ende herannaht, die Notwendigkeit, daß wir die Brüder und Schwestern in unserer eigenen Versammlung lieben?

      18 Das ist etwas, worüber wir ernsthaft nachdenken sollten. Das Ende aller Dinge hat sich genaht, und wir müssen inbrünstige Liebe haben, um die „Menge von Sünden“, die wir alle haben, zuzudecken (Jak. 3:2). Wir müssen lernen, unsere Brüder und Schwestern trotz ihrer Schwächen, trotz ihrer unangenehmen Angewohnheiten und trotz anderer Eigenarten, die uns stören mögen, zu lieben. Denn bedenke folgendes: Dieses System geht seinem völligen Zusammenbruch in der „großen Drangsal“ entgegen. Zweifellos werden dann die Kommunikationswege unterbrochen werden, und man wird sich nicht mehr der modernen Transportmittel bedienen können. Mit wem werden wir uns dann in Verbindung setzen können, um unsere Hilfe anzubieten oder Hilfe zu erhalten? Nicht mit unseren Brüdern in einer Versammlung, die tausend oder hundert Kilometer entfernt ist. Vielleicht noch nicht einmal mit Brüdern, die zwanzig oder zehn Kilometer entfernt wohnen. Nein, aber Jehova Gott hat uns in unserer eigenen Versammlung Mitchristen geschenkt, die uns stärken und uns helfen können. Besonders diese Brüder in unserer Nähe, unsere engen christlichen Gefährten, müssen wir lieben, und wir brauchen auch ihre Liebe. Wie wichtig wird doch dieses enge Verhältnis in den vor uns liegenden schwierigen Tagen sein!

      19. Was kann passieren, wenn wir keine inbrünstige Liebe zueinander haben?

      19 Wenn wir keine inbrünstige Liebe zu den Brüdern und Schwestern in unserer eigenen Versammlung haben, so kann das schwerwiegende Folgen haben. Der Apostel Paulus zeigte dies, als er den Christen in Galatien schrieb, die offensichtlich Schwierigkeiten hatten, miteinander auszukommen. Er ermahnte sie: „Durch Liebe dient einander wie Sklaven. Denn das ganze ,Gesetz‘ ist in e i n e m Ausspruch erfüllt, nämlich: ,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘ Wenn ihr jedoch einander fortgesetzt beißt und verschlingt, so seht euch vor, daß ihr nicht voneinander vertilgt werdet“ (Gal. 5:13-15). Ja, wenn wir jetzt keine Liebe zueinander haben, kann es passieren, daß wir gegenseitig unser Verhältnis zu Jehova beeinträchtigen oder sogar zerstören. Das könnte dazu führen, daß wir die „große Drangsal“, die so nahe ist, nicht überleben!

      20. Wie zeigt die Bibel, daß Liebe zu Gott mit der Liebe zu unseren Brüdern Hand in Hand gehen muß?

      20 Wir müssen also wirklich daran arbeiten, Liebe zueinander zu entwickeln. Wir können einfach nicht nach der Wahrheit handeln und gleichzeitig gegen unsere Brüder einen Groll hegen oder sie sonstwie lieblos behandeln. Die Bibel drückt sich in dieser Hinsicht ganz unmißverständlich aus: „Wenn jemand erklärt: ,Ich liebe Gott‘ und doch seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er gesehen hat, kann Gott nicht lieben, den er nicht gesehen hat. Und wir haben dieses Gebot von ihm, daß der, der Gott liebt, auch seinen Bruder liebe.“ Es besteht kein Zweifel, wir sind verpflichtet, einander zu lieben (1. Joh. 4:20, 21; 3:14-16).

      VON DEN BESTEN LEHRERN LERNEN

      21. (a) Wie mögen einige über ihre christlichen Brüder denken? (b) Welches Beispiel gibt Jehova Gott in dieser Hinsicht?

      21 Jemand mag jedoch sagen: „Ihr versteht mich nicht richtig. Einige in unserer Versammlung benehmen sich nicht wie wahre Christen. Sie sind so aufreizend und unangenehm in ihrer Art.“ Es kann gut sein, daß einige noch viel an sich arbeiten müssen, um wahre christliche Eigenschaften zu entwickeln. Aber Jehova Gott, unser vollkommener Schöpfer, liebt sie. Er wartet nicht erst ab, bis wir nahezu vollkommen sind, ja noch nicht einmal, bis wir anfangen, unsere Persönlichkeit nach seinen Maßstäben neuzugestalten, bevor er uns liebt. Nein, sondern die Bibel sagt: „Gott aber empfiehlt seine eigene Liebe zu uns dadurch, daß Christus für uns starb, während wir noch Sünder waren“ (Röm. 5:8). Ja, Jehova liebte uns schon, als wir noch tief in unseren Sünden verstrickt waren und abstoßende, selbstsüchtige Neigungen hatten. Dieses Beispiel Gottes sollten wir nachahmen (Eph. 5:1, 2).

      22, 23. (a) Welchen schlechten Charakterzug ließen die Apostel Jesu in der Nähe von Kapernaum erkennen? (b) Wie machte sich dieser Charakterzug später wieder bemerkbar, und welchen Rat gab Jesus?

      22 Jesus Christus gab uns in dieser Hinsicht ebenfalls ein wunderbares Beispiel. Er scharte Jünger um sich, die im Grunde genommen gute Menschen waren. Aber sie hatten auch schlechte Charakterzüge. Zum Beispiel gerieten sie auf dem Wege nach Kapernaum in einen Wortstreit. Der Bibelbericht sagt darüber: „Sie kamen nach Kapernaum. Als er [Jesus] nun drinnen im Hause war, stellte er ihnen die Frage: ,Was habt ihr auf dem Wege erörtert?‘ Sie schwiegen, denn auf dem Wege hatten sie untereinander erörtert, wer größer sei.“ Daher stellte Jesus ein kleines Kind in ihre Mitte, schloß es in seine Arme und sagte ihnen, sie müßten genauso demütig werden wie kleine Kinder und sollten nicht nach einer prominenten Stellung streben (Mark. 9:33-37; Matth. 18:1-6).

      23 Doch nicht lange danach, als sie auf dem Wege nach Jerusalem waren, traten die Apostel Jakobus und Johannes auf Jesus zu und baten ihn um die ersten Plätze in seinem Königreich, nämlich um den Platz zu seiner Rechten und um den zu seiner Linken. Die Bibel berichtet: „Als dann die zehn anderen davon hörten, fingen sie an, über Jakobus und Johannes unwillig zu werden.“ Daher sprach Jesus noch einmal mit ihnen über diesen schlechten Charakterzug, den sie hatten. Er sagte ihnen: „Ihr wißt, daß die, die über die Nationen zu herrschen scheinen, den Herrn über sie spielen und ihre Großen über sie Gewalt ausüben. Unter euch ist dies aber nicht so, sondern wer irgend unter euch groß werden will, soll euer Diener sein, und wer irgend unter euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein“ (Mark. 10:35-45)

      24. (a) Welches Beispiel der Demut gab Jesus seinen Aposteln anläßlich des letzten gemeinsamen Passahs, doch worüber stritten sie sich bald danach? (b) Wie erwies Jesus seinen Aposteln weiterhin Liebe, und mit welchem Ergebnis?

      24 Wahrscheinlich etwas mehr als eine Woche danach kam Jesus mit seinen Jüngern zusammen, um das letzte Passahmahl mit ihnen zu essen. Er kannte das Problem, das unter ihnen bestand. Was tat Jesus daher zu Beginn dieses letzten gemeinsamen Mahles? Er nahm ein Becken, füllte es mit Wasser und ging damit von einem Apostel zum anderen und wusch jedem die Füße (Joh. 13:4-17). Welch ein vortreffliches Beispiel der Demut gab Jesus ihnen dadurch! Doch was geschah später, noch am gleichen Abend? Die Bibel berichtet uns: „Es entstand indessen auch ein hitziger Wortstreit unter ihnen darüber, wer von ihnen der Größte zu sein scheine“ (Luk. 22:24). Kannst du dir das vorstellen? Doch Jesus rang nicht verzweifelt die Hände, und er sagte nicht: „Bei euch ist Hopfen und Malz verloren! Ich gebe es auf. Ihr werdet es nie lernen, meine wahren Nachfolger zu werden.“ Nein, Jesus liebte sie trotz ihrer sündigen Neigungen. Er ermahnte sie weiterhin und gab ihnen weiteren Rat (Luk. 22:25-27). Und schließlich lernten sie es doch, denn später arbeiteten sie in Einheit zusammen, und keiner von ihnen suchte ehrgeizig Prominenz und Ansehen.

      25. (a) Welche guten Auswirkungen hat es, Sünden mit Liebe zuzudecken? (b) Warum ist es so wichtig, daß wir jetzt einander inbrünstig lieben?

      25 Liebe deckt tatsächlich „eine Menge von Sünden“ zu. Ja, wenn wir Liebe üben, indem wir versöhnlich und hilfsbereit sind und einander ermuntern, werden wir verhindern, daß Sünden bleibenden Schaden oder unlösbare Probleme verursachen. Vergiß nie, was der Apostel Petrus über die Wichtigkeit der Liebe schrieb, die man in dieser kritischen Zeit der Geschichte bekunden sollte: „Das Ende aller Dinge aber hat sich genaht. Seid daher gesunden Sinnes, und seid wachsam im Hinblick auf Gebete. Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander, denn Liebe deckt eine Menge von Sünden zu.“ Wir müssen jetzt inbrünstige Liebe bekunden. Nur dann werden wir in Gottes gerechtes neues System hinüberleben können (1. Petr. 4:7, 8).

      [Bild auf Seite 540]

      Um seinen Jüngern zu helfen, einen schlechten Charakterzug zu überwinden, stellte Jesus ein Kind in ihre Mitte und sagte ihnen, sie müßten so demütig werden wie kleine Kinder.

  • Fragen von Lesern
    Der Wachtturm 1975 | 1. September
    • Fragen von Lesern

      ● Würde ein Christ, der aufgrund seines Bestrebens, in Übereinstimmung mit der Bibel zu handeln, verhaftet und von der weltlichen Obrigkeit zu einer Geldstrafe verurteilt wird, einen Kompromiß eingehen, wenn er die Strafe bezahlte? Würde es an der Sache etwas ändern, wenn er zwischen einer Geldstrafe und einer Gefängnisstrafe wählen könnte?

      Jesus Christus sagte voraus, daß seine Nachfolger ‘örtlichen Gerichten ausgeliefert’ und ‘um seinetwillen vor Statthalter und Könige gestellt würden, ihnen zu einem Zeugnis’ (Mark. 13:9). Ein solches Vorgehen der Obrigkeit mag darauf zurückzuführen sein, daß Christen die gute Botschaft vom Königreich predigen oder irgend etwas anderes tun, was ihnen ihr christliches Gewissen vorschreibt. (Vergleiche Apostelgeschichte 4:1-3, 18-21; 5:27-40; 1. Petrus 4:15, 16.) Ein Gericht mag gegen sie entscheiden und von ihnen verlangen, eine Geldstrafe zu zahlen. Das Urteil mag entweder nur auf Geldstrafe lauten oder auch die Wahl einer Haftstrafe freistellen oder sowohl aus einer Gefängnisstrafe als einer Geldstrafe bestehen.

      In der Vergangenheit haben es Jehovas Zeugen im allgemeinen abgelehnt, eine Geldstrafe zu zahlen, wenn es um ihre Predigttätigkeit ging. Man war der Ansicht, das Bezahlen der Geldstrafe könne als Eingeständnis, tatsächlich ein Unrecht begangen zu haben, betrachtet werden. Man glaubte auch, der „Verteidigung und gesetzlichen Befestigung der guten Botschaft“ sei besser gedient, wenn man es ablehne, die Geldstrafe zu zahlen, und statt dessen eine Gefängnisstrafe verbüße (Phil. 1:7). Dadurch wurde in vielen Fällen sehr viel Gutes bewirkt, und die Behörden waren von unserer Standhaftigkeit und Entschlossenheit, Gott zu dienen, beeindruckt. Ganz offensichtlich fand dieses Verhalten den Segen Jehovas. In einigen Fällen mag dies zufolge der herrschenden Umstände auch heute noch als ein vernünftiger Weg angesehen werden. Uns interessiert hier jedoch vor allem die Frage, ob das Bezahlen einer Geldstrafe mit der Bibel im Einklang ist oder nicht.

      In der Bibel werden Geldbußen (englisch: fine, was auch Geldstrafe bedeutet) erwähnt; sie waren unter dem Gesetzesbund eine übliche Strafform (5. Mose 22:19; vergleiche 2. Mose 21:29-32; Sprüche 19:19; 21:11). Aus Esra 7:26 geht hervor, daß die persischen Beamten eine „Geldbuße“ unter andere Formen der Bestrafung wie Gefängnis, Verbannung und Tod mit einreihten. Heute verhält es sich so, wie es in dem Werk World Book Encyclopedia von 1973 heißt: „Eine Geldstrafe [fine] ist meistens die Strafe für ein minderes Delikt (eine geringfügigere Übertretung).“ (In der neuen Fassung des deutschen Strafgesetzes vom 1. Januar 1975 ist der Begriff „Geldbuße“ nicht mehr enthalten.)

      Eine Geldstrafe (fine) sollte demnach nicht so betrachtet werden, als ob sich der Angeklagte aus dem Gefängnis „freikaufen“ möchte. Sie gleicht nicht einem Bestechungsgeld, wie es z. B. der Statthalter Felix von dem Apostel Paulus zu erhalten hoffte und das Paulus nicht zahlte (Apg. 24:26, 27). Demnach kann ein Christ zu Recht eine ihm auferlegte Geldstrafe als eine Form der Strafe ansehen, und sein Gewissen mag es ihm gestatten, die Geldstrafe als Ausdruck seiner Unterwürfigkeit unter die obrigkeitlichen Gewalten dieser Welt zu zahlen, obgleich er davon überzeugt sein mag, kein Unrecht verübt, sondern im Einklang mit Gottes Wort gehandelt zu haben (Röm. 13:1, 2; 1. Petr. 2:13, 14). Es stimmt natürlich, daß bei

Deutsche Publikationen (1950-2025)
Abmelden
Anmelden
  • Deutsch
  • Teilen
  • Einstellungen
  • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
  • Nutzungsbedingungen
  • Datenschutzerklärung
  • Datenschutzeinstellungen
  • JW.ORG
  • Anmelden
Teilen