Junge Leute fragen sich:
Gibt es wirklich Liebe auf den ersten Blick?
DAVIDS Augen ließen Janet nicht mehr los. Sie hatten sich gerade zum erstenmal bei einer Party gesehen. Er fühlte sich angezogen von ihrer schönen Figur und ihrer Haarlocke, die immer, wenn sie lachte, über ihren Augen wippte. Janet war wie verzaubert von seinen dunkelbraunen Augen und seiner geistreichen Unterhaltungskunst. Sie hatten das Gefühl, dies sei der Anfang einer großen Sache.
In den nächsten drei Wochen waren David und Janet unzertrennlich. Sie unterhielten sich stundenlang und entdeckten zahllose gemeinsame Interessen. Beide sagten, sie seien noch nie zuvor jemandem so nahe gewesen. Doch eines Abends erhielt Janet von einem früheren Freund einen Anruf, der niederschmetternd war. Danach rief sie David an, um Trost zu erhalten. Da sich David aber bedroht fühlte und verwirrt war, reagierte er kühl. Janet fühlte sich zurückgestoßen. Was ihnen als Liebe auf den ersten Blick erschienen war — eine Liebe, die sie für so stark hielten, daß sie ewig bestehen würde —, erstarb an jenem Abend.
Das Ende dieser Bindung steht in auffallendem Gegensatz zu dem Eindruck, den die meisten Leute durch die heutige Unterhaltung und Werbung erhalten. Es wird ein bezauberndes Bild von Männern und Frauen gezeichnet, die schon nach einem Blick unbeschreiblich ineinander verliebt sind, und das für das ganze Leben. Als junger Mensch magst du dich fragen: Nimmt die Liebe so ihren Anfang? Ist Liebe auf den ersten Blick wirklich beständig?
Gewiß ist die körperliche Anziehungskraft ein Faktor, der zwei Personen einander näherbringt. Gewöhnlich ist sie das erste, was man bemerkt. „Man muß verstehen, daß es schwer ist, die Persönlichkeit eines Menschen zu ,sehen‘“, sagte der 21jährige Guy.
Aber worin besteht das, was man „liebt“, wenn die Bekanntschaft lediglich einige Stunden oder Tage alt ist? Ist es nicht das Bild, das du dir selbst von der betreffenden Person machst? Eigentlich weißt du nicht viel über die Gedanken, Hoffnungen, Sorgen, Pläne, Gewohnheiten, Fertigkeiten oder Fähigkeiten dieser Person. Im Grunde hast du nur das Äußere, nicht „die verborgene Person des Herzens“ gesehen (1. Pet. 3:4).
Aber das Äußere übt eine gewaltige Wirkung aus!
Das „Gesicht“ und die Person
In vielen Ländern erstrahlen auf der Kinoleinwand und auf dem Fernsehbildschirm, in Zeitungsanzeigen, auf Titelseiten und Plakaten die Gesichter gutaussehender Männer und bezaubernder Frauen. Daher bleibt es nicht aus, daß körperliche Schönheit in den Träumen junger Leute eine Rolle spielt. Durch die Überbetonung des „Gesichts“ könnte aber leicht die Persönlichkeit übersehen werden, die dahintersteckt.
Bei einer Studie wurde festgestellt, daß (in der eigenen Vorstellungswelt) die Tendenz besteht, gewisse positive Persönlichkeitsmerkmale mit einer körperlich attraktiven Person zu verbinden. Ein Bericht in Psychology Today sagt: „Wir stellten fest, daß Studenten dachten, gutaussehende Personen seien im allgemeinen empfindsamer, freundlicher, interessanter, stärker, ausgeglichener, bescheidener, geselliger, mitteilsamer und anregender als andere.“
Doch sicher kennst du manche körperlich attraktive Menschen, die alles andere als freundlich, bescheiden und empfindsam sind. Die äußere Erscheinung kann trügen. Die Bibel hat recht, wenn sie sagt: „Anmut mag Trug sein, und Schönheit mag nichtig sein.“ Selbst die reizendste Verpackung kann ein nutzloses Geschenk enthalten (Spr. 31:30).
Die Bibel vergleicht die körperliche Schönheit mancher Frauen mit einem goldenen Nasenring. „Wie ein goldener Nasenring im Rüssel eines Schweines, so ist eine Frau [oder ein Mann], die [der] schön ist, sich aber von Verständigkeit abwendet“ (Spr. 11:22). Nasenringe waren in biblischen Zeiten sehr beliebt, und in einigen Ländern sind sie es heute noch. Gewöhnlich wurden sie an der rechten Nasenseite befestigt und waren von vorzüglicher Beschaffenheit — oft aus purem Gold, verziert mit wertvollen Juwelen oder Korallen. Da dieser Ring an einer solch auffälligen Stelle getragen wurde, war er das erste Schmuckstück, das man sah, wenn man die Person begrüßte.
Wenn indes jemand schön war, ohne „Verständigkeit“ zu haben, verhielt es sich so, als wäre der hübsche Nasenring im Rüssel eines Schweines befestigt. Wie würde man doch erschrecken, wenn man sein Auge lediglich auf diesen glitzernden Nasenring richten und dann plötzlich feststellen würde, daß er zu einem Schwein gehört! Ist es nicht besser, herauszufinden, ob die Person, zu der du dich körperlich hingezogen fühlst, solche „Verständigkeit“ hat, also mit Verstand und Vernunft begabt ist? „Man muß sich wirklich Zeit nehmen“, sagte die 20jährige Sandra. „Ein Mensch offenbart einem nicht einfach seine Persönlichkeit, indem er sagt: ,So bin ich. Jetzt weißt du alles über mich.‘ Das geht eben nicht so. Es braucht Zeit.“
Warte ab, um die „Person des Herzens“ zu sehen
Ein Pärchen hatte das Empfinden, daß es nicht zu warten brauchte. „Ich hatte mich einfach verliebt, schnell und unwiderstehlich“, erklärte die 20jährige Jill. „Wenn es einen erwischt, dann gründlich.“ Nach dem Wirbelsturm einer zweimonatigen Romanze heirateten sie. Aber dann begann sich die „verborgene Person des Herzens“ zu zeigen.
Jill — eine leidenschaftliche Blondine mit hellblauen Augen — begann, einen Teil ihrer Unsicherheit und Ichbezogenheit zu offenbaren. Ihr gutaussehender Mann verlor, nachdem seine Lebensträume den Familienpflichten zum Opfer gefallen waren, seinen romantischen Zauber und wurde selbstsüchtig. Nach etwa zwei Jahren Ehe warf Jill eines Tages ihrem Mann schreiend vor, er sei „billig“, „faul“ und als Ehemann ein „Versager“. Rick erwiderte ihr, indem er ihr mit der Faust ins Gesicht schlug. Tränenüberströmt verließ Jill das Haus — und die Ehe.
Natürlich wäre es ihnen eine Hilfe gewesen, wenn sie den Rat der Bibel befolgt hätten, der zeigt, wie Ehepartner miteinander umgehen sollten (Eph. 5:22-33). Aber wieviel leichter hätten sie sich in ihrer Ehe einander anpassen können, wenn sie sich besser miteinander vertraut gemacht hätten! Wenn sie sich mehr Zeit genommen hätten, dann hätten sie die Persönlichkeit des anderen besser erkennen und feststellen können, wie er unter Streß reagieren würde. Dann hätte ihre Liebe nicht einem „Wunschbild“, sondern einer wirklichen Person mit Schwächen und Stärken gegolten. Doch um all das zu erfahren, hätten sie Zeit benötigt — Zeit, die ihrer Bekanntschaft vor der Ehe fehlte.
Diejenigen jungen Leute, die erkennen, daß wahre Liebe nicht über Nacht entsteht, sind weise. Zum Beispiel stand ein junges Mädchen in Briefkontakt mit einem jungen Mann, den sie bei einem religiösen Kongreß getroffen hatte. „In einem seiner Briefe schrieb er, daß er ,mich lieben‘ würde“, berichtete Barbara. „Ich war sprachlos. Ich hatte ihn nur einmal gesehen. Wir wußten nichts wirklich Wichtiges voneinander. Wie um alles in der Welt konnte er sagen, daß er mich liebte? Ich glaube, daß mir in dem Moment ein Licht aufging. Ich erkannte, daß zu wahrer Liebe mehr gehört, als nur die äußere Erscheinung zu lieben und sich zu einer Person körperlich hingezogen zu fühlen.“ Ist auch dir „ein Licht aufgegangen“?
Schließlich lernte Barbara einen Mann kennen, zu dem sie Liebe entwickelte. „Anfangs fühlte ich mich zu Stephen nicht übermäßig körperlich hingezogen“, bekannte Barbara. „Aber als ich ihn näher kennenlernte, änderte sich das. Ich sah, wie sich Stephen um andere kümmerte und immer die Interessen anderer seinen eigenen voranstellte. Das waren die Eigenschaften, von denen ich wußte, daß sie einen guten Ehemann ausmachen würden. Ich fühlte mich zu ihm hingezogen und begann ihn zu lieben.“ Ihre Bekanntschaft führte zu einer guten Ehe. Ja, bleibendes Glück ist den Paaren beschieden, die wahre Liebe entwickeln und den Trugschluß meiden, es gäbe echte Liebe auf den ersten Blick.
[Bilder auf Seite 18]
Obwohl ein Nasenring etwas Schönes ist, schwindet seine Schönheit, wenn er am Rüssel eines Schweines befestigt wird. Dasselbe trifft auf eine schöne Person zu, die sich von Verständigkeit abwendet. Es braucht Zeit, festzustellen, ob die Schönheit nur hauttief ist.
[Bild auf Seite 19]
Ist es Liebe auf den ersten Blick oder nur Verliebtheit?