Werden die Nahrungsmittel reichen?
DIE Franzosen bezeichnen es als nourriture, die Griechen als trophé und die Japaner als shokuji. Und wie heißt es in Deutsch? Nahrungsmittel!
Wie auch immer du es in deiner Muttersprache nennst, läßt dir, wenn du hungrig bist, der Gedanke an ein gutes Essen nicht das Wasser im Mund zusammenlaufen? Ja, eine gute Mahlzeit ist etwas höchst Angenehmes, erfreut unseren Gaumen und nährt den Körper.
Die Vorstellung von Hunger dagegen ist erschreckend. Seine Folgen sind vernichtend. Er hemmt das körperliche und geistige Wachstum und beraubt Millionen Menschen der Möglichkeit, ein normales Leben zu führen. Aber er kann noch weit Schlimmeres nach sich ziehen: den Tod.
Zugegeben, wenn du beispielsweise in Europa oder Nordamerika lebst, wirst du nicht an Hunger denken. Natürlich bist du über die hohen Preise, die du für Nahrungsmittel bezahlen mußt, nicht erfreut, aber es gibt in deinem Land gewiß nicht viele Menschen, die wirklich hungern.
In manchen Ländern sieht es jedoch anders aus.
Wie viele sind betroffen?
Vielleicht bist du schockiert zu erfahren, daß heute etwa eine Milliarde Menschen hungern. Dieser Schätzwert stammt vom Welternährungsrat, einem Sonderorgan der UN. Die Zahl stellt etwa 25 Prozent der Weltbevölkerung dar. Daher betrachten viele Experten den Kampf um genügend Nahrung als das größte Problem der Menschheit.
Aber läßt das Problem nicht wenigstens etwas nach? Nein. „Das Problem des Welthungers wird schlimmer statt besser“, erklärte Sol Lonowitz, Vorsitzender der amerikanischen Kommission für Welthunger. Er fügte hinzu: „Uns steht eine große Krise bevor, wenn nicht vereinte Anstrengungen unternommen werden, sie abzuwenden.“
Auch im U.S. News & World Report hieß es: „Wenn die USA und andere Länder nicht mutig zur Tat schreiten, wird in den nächsten 20 Jahren der Weltfrieden durch eine Ernährungskrise bedroht werden, die bedenklicher ist als die gegenwärtige Energiekrise.“
Warum ist der Hunger eine Bedrohung des Weltfriedens? Weil die verzweifelten Bemühungen armer Menschen, einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen, möglicherweise den gefährlichsten Zündstoff unserer heutigen Welt bilden. Eine Milliarde aufgebrachter und verzweifelter Menschen stellen eine wahre Bedrohung der internationalen Ordnung dar.
Die Bedrohung könnte sogar noch größer sein. Die Royal Bank of Canada schätzt, daß „40 Prozent der Weltbevölkerung an Unterernährung leiden“. Das sind mehr als 1,6 Milliarden Menschen. Zum Beispiel sagt man von einem bestimmten afrikanischen Land, daß dort 45 Prozent der Kinder sterben, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen.
Warum Verschlimmerung?
Warum verschlimmert sich die Situation? Gibt es nicht Berichte über eine größere Nahrungsmittelproduktion in einigen Ländern? Ja, es sind Zunahmen zu verzeichnen. Allerdings hat die Weltbevölkerung noch schneller zugenommen.
Insgesamt gesehen, ist also die Menge der Nahrungsmittel, die pro Person zur Verfügung steht, zurückgegangen. Eine Studie des World-Watch-Instituts beispielsweise gibt folgende Zahlen an:
WELTWEITE JÄHRLICHE NAHRUNGSMITTEL-PRODUKTION PRO PERSON
1970—76 (Höchstzahl) 1979
Fisch 19,5 kg 16,3 kg
Rindfleisch 11,8 kg 10,9 kg
Hammelfleisch 1,9 kg 1,8 kg
Getreide 342 kg 318 kg
Wie stark nimmt die Weltbevölkerung gegenwärtig zu? Jährlich etwa um 70 bis 80 Millionen. Das entspricht der Einwohnerzahl Pakistans. Zudem bewirkt dieses Bevölkerungswachstum, daß immer mehr Ackerland für andere Zwecke genutzt wird. Heute werden auf ehemaligem Ackerboden Häuser, Einkaufszentren, Fabriken, Straßen, Flughäfen, Schulen und andere Einrichtungen gebaut.
Aus diesem Grund gehen der Nahrungsmittelproduktion jeden Tag weltweit Tausende von Hektar verloren. Die Menschheit wird früher oder später die Auswirkung dieser fehlenden Anbauflächen verspüren. In den Vereinigten Staaten wird der tägliche Verlust von Landflächen, die als Ackerland genutzt wurden oder genutzt werden könnten, auf durchschnittlich 10 km2 geschätzt. Das entspricht, auf ein Jahr umgerechnet, einem Landstreifen von 0,8 km Breite, der sich von New York nach San Francisco erstreckt.
Schon so manche Weidefläche ist durch Überweidung zur Wüste geworden. Ein Beamter der Vereinten Nationen ließ verlauten, daß sich die Sahara schätzungsweise sechs Kilometer pro Jahr nach Süden ausdehnt — hauptsächlich wegen Überweidung. Laut Berichten dehnen sich auch andere Wüsten aus, einschließlich der Arabischen Wüste, der Kalahari in Südwestafrika und der Wüstengebiete im mexikanischen Bundesstaat Sonora und im Süden der Vereinigten Staaten.
In dem afrikanischen Magazin To the Point wurde über diese Wüsten berichtet: „Sie verdrängen jedes Jahr 60 000 km2 urbares Land, und in einigen Gebieten schieben sie sich im Jahr 11 km vor.“ Weiter hieß es: „Wissenschaftler bezeichnen diesen Vorgang jetzt als den ,Hautkrebs der Erde‘ und sagen, er breite sich wie eine bösartige Wucherung aus. Sie schätzen, daß jedes Jahr bis zu einem Prozent der urbaren Landfläche der Erde zur Wüste wird. ... Die meisten Experten meinen, daß hauptsächlich der Mensch daran schuld ist. Raubbau ... ist die eigentliche Ursache.“
Ein anderes Problem sind die hohen Kraftstoffpreise — ein wesentlicher Kostenfaktor bei der Nahrungsmittelerzeugung. Düngemittel, Traktoren, Lkws und andere technische Einrichtungen sind vom Erdöl abhängig. Der Landwirtschaftsexperte Lester Brown sagte: „Die Kombination aus steigenden Energiekosten und rückläufiger Ertragfähigkeit chemischer Dünger führt ebenfalls zu einem Stillstand in der Steigerung der Getreideproduktion.“
Die ohnehin schon kritische Ernährungslage wird noch durch einen anderen negativen Faktor beeinträchtigt: Heutzutage wird immer mehr Getreide zur Herstellung von Alkohol verwendet, mit dem Autos und Lkws betrieben werden. Je mehr Kraftstoff aus Getreide hergestellt wird, um so weniger Getreide wird für Nahrungsmittel übrigbleiben.
Gibt es denn nicht, um die drohende Gefahr abzuwenden, neuere Verfahren der Nahrungsmittelproduktion? Wie steht es beispielsweise mit der „Grünen Revolution“?