„Dein Wille geschehe auf Erden“ (27. Teil)
Gemäß dem elften Kapitel der Prophezeiung Daniels, sagte Jehovas Engel voraus, daß das Reich Alexanders des Großen nach dessen Tod in vier hellenistische oder griechische Reiche aufgeteilt würde, die dann unter vier Feldherren Alexanders standen. Das Geschlecht der Könige eines dieser Feldherren würde der „König des Nordens“ werden, weil er nördlich von Jerusalem herrschen würde. Das Geschlecht der Könige eines anderen dieser Feldherren würde der „König des Südens“ werden, weil es südlich von Jerusalem herrschte. Die Erfüllung der Prophezeiung beweist, daß der „König des Nordens“ zuerst die Linie der Könige war, die von Syrien aus als Nachkommen des Feldherrn Seleukos Nikator herrschten, während der Rivalen-„König des Südens“ anfänglich die Linie der Könige war, die von Ägypten aus als Nachkommen des Feldherrn Ptolemäos Lagi herrschten. Im Jahre 187 v. Chr. wurde der König des Nordens durch König Seleukos IV. von Syrien vertreten. In seinen Tagen gelangte Ptolemäos VI. Philometor von Ägypten in die Stellung als Repräsentant des Königs des Südens, und er erhielt die Unterstützung der wachsenden Macht von Rom, Italien.
48. Wie fiel dieser König des Nordens und wurde nicht mehr gefunden, und wer war sein Nachfolger?
48 Der König des Nordens, Seleukos IV., brauchte Geld, um den großen Tribut zu entrichten, den er als Folge der Niederlage seines Vaters bei Magnesia den Römern entrichten sollte. Bekanntlich waren in Jerusalems wiederaufgebautem Tempel oder Heiligtum große Schätze aufbewahrt. Onias III. war damals jüdischer Hoherpriester. Um in den Besitz dieser Schätze zu gelangen, sandte Seleukos IV. seinen Schatzmeister, Heliodor, nach Jerusalem, mit dem Auftrag, den Tempel Jehovas zu plündern. In der Absicht, den syrischen Thron als König des Nordens selbst einzunehmen, ermordete Heliodor nun Seleukos IV. Doch Eumenes und Attalos, die Könige von Pergamon, hinderten den mörderischen Heliodor an der Thronbesteigung und sorgten dafür, daß der Bruder des ermordeten Königs als Anti̱ochos IV. auf den Thron kam.
49. Welchen Beinamen nahm der König des Nordens nun an, und was bedeutete dieser Name?
49 Der neue König, Anti̱ochos IV., hatte vierzehn Jahre lang als Geisel in Rom gelebt. Er regierte ungefähr zwölf Jahre (175—163 v. Chr.) und erhielt den Beinamen Epi̱phanes. Dieser Beiname war eine Kurzform des Titels Theo̱s Epiphane̱s, den Anti̱ochos IV. sich selbst auf Münzen, die er schlagen ließ, gab. Dieser Name bedeutet: „Gott, der sich kundgibt“, das heißt Gott, der erscheint oder sich offenbart. Die Ägypter übersetzten diese Inschrift als „Gott, der hervortritt“, das heißt, der wie die leuchtende Sonne, Horus, am östlichen Horizont erscheint. Die Ägypter identifizierten also König Anti̱ochos IV. Epi̱phanes mit dem im Triumph erscheinenden Gott.
50. Auf welche Weise suchte Anti̱ochos IV. Epi̱phanes mächtiger zu werden als Jehova Gott?
50 Er wollte mächtiger werden als Jehova Gott. Er versuchte, Judäa und Jerusalem zu hellenisieren, das heißt unter den Einfluß der griechischen Kultur zu bringen. Im Interesse dieser Bestrebungen enthob er den Hohenpriester Onias III. seines Amtes und setzte, gegen Bestechung, Jesus, den Bruder des Hohenpriesters, in dieses hohe Amt ein. Er ging sogar so weit, daß er die Religion der Juden, die Anbetung Jehovas Gottes, auszurotten suchte. Ihrem Gott zum Hohn weihte er den Tempel, der durch den Landpfleger Serubbabel erbaut worden war, dem olympischen Zeus oder Jupiter. Der Hohepriester des neugeweihten Tempels war Jesus, der seinen Namen auf die griechische Version Jason abänderte. Am 15. Kislev des Jahres 145 der seleukidischen Ära oder im Dezember des Jahres 168 v. Chr. wurde über dem großen Altar Jehovas, der im Tempelvorhof stand und auf dem man Jehova die täglichen Brandopfer darzubringen pflegte, ein heidnischer Altar errichtet. Zehn Tage später, am 25. Kislev, wurde auf dem heidnischen Altar zum erstenmal ein Opfer dargebracht. (1. Makkabäer 1:54-59) Dieses Opfer wurde dem Zeus des Olymps (in Griechenland) dargebracht.a
51. Welche Folgen hatte diese Entweihung des Tempels, und wie endete die Herrschaft der Makkabäer schließlich?
51 Diese Entweihung des Heiligtums Jehovas verursachte den Aufstand der Juden, der im Jahre 167 v. Chr. unter der Führung der Makkabäer ausbrach. Drei Jahre lang führte Anti̱ochos IV. Epi̱phanes einen erbitterten Krieg gegen die Juden, in dessen Verlauf es sich zeigte, daß er — im Vergleich zu Jehova — kein Gott war. Im Jahre 165 v. Chr., genau am Jahrestag der Entweihung des Heiligtums, weihte Judas Makkabäus, der Anführer, den Tempel wieder Jehova und führte damit das Fest der Tempelweihe (Chanukkah) ein. (Joh. 10:22) Die täglichen oder beständigen Opfer wurden wieder dargebracht. Im Jahre 161 v. Chr. schlossen die Makkabäer jedoch ihr erstes aufgezeichnetes Bündnis mit Rom. Aber erst im Jahre 104 v. Chr. gründeten sie ein Königreich, indem Aristobulos I. den Königstitel annahm. In den darauffolgenden Jahren entstanden mancherlei Schwierigkeiten. Schließlich wurde Rom gebeten, einzugreifen. Der römische Feldherr Gnäus Pompejus kam aus der nun römischen Provinz Syrien herbei und begann mit der Belagerung Jerusalems. Nach drei Monaten, im Hochsommer des Jahres 63 v. Chr., nahm er die Stadt ein. Es heißt von ihm, er habe das Heiligtum, ja sogar das Allerheiligste betreten. Er ernannte Hyrkanus II. zum Hohenpriester im Tempel. Im Jahre 40 v. Chr. setzte der römische Senat Herodes, den Idumäer, als König über Judäa ein. Diesem gelang es jedoch erst im Jahre 37 v. Chr., Jerusalem einzunehmen und sich als König durchzusetzen, wodurch die Herrschaft der Makkabäer endete.
52. Auf wen wenden jüdische und katholische Kommentatoren die übrigen Verse von Daniel 11 an, doch wer zeigt mit Bestimmtheit und durch welche Prophezeiung, daß ein Wechsel eintritt und daß im Laufe der Zeit ein anderer die Rolle des Nordkönigs übernehmen würde?
52 Sowohl jüdische als auch römisch-katholische Kommentatoren wenden das, was in den übrigen Versen des 11. Kapitels des Buches Daniel — und zwar bis zum letzten Vers (45) — über den König des Nordens gesagt wird, ebenfalls auf den König Anti̱ochos IV. Epi̱phanes an. Vom 20. Verse an tritt jedoch ein Wechsel ein, und der „König des Nordens“ wird nun nicht mehr durch die syrischen Könige aus dem seleukidischen Herrscherhaus verkörpert, sondern durch Rom, die aufsteigende Weltmacht, die schon seit einiger Zeit in den Angelegenheiten im Nahen Osten das Machtwort sprach. Daß der König des Nordens nicht bis zum 45. Vers von Daniel 11 durch die gleiche Persönlichkeit verkörpert wurde, ist offensichtlich, denn Jesus Christus nahm auf Daniel 11 Bezug, um zu zeigen, daß im Laufe der Zeit ein anderer, ein neuzeitlicherer, einer, der sogar unserem zwanzigsten Jahrhundert entspricht, König des Nordens sein werde. In seiner wunderbaren Prophezeiung über die „Zeit des Endes“ dieser Welt zitierte Jesus aus Daniel 11:31. Diese Prophezeiung äußerte er im Frühjahr 33 n. Chr., also 195 Jahre nach dem Todesjahr des Königs Anti̱ochos IV. (163 v. Chr.).
53. Welche Ansicht über die Erfüllung von Daniel 11:31 brachte Jesus in seiner Prophezeiung zum Ausdruck, und von welcher Nationalität wäre dann der Nordkönig?
53 Jesus erwiderte auf die Frage der Apostel: „Wenn ihr daher das abscheuliche Ding erblickt, das Verödung verursacht, wovon Daniel, der Prophet, geredet hat und das an heiliger Stätte steht (der Leser wende Urteilsvermögen an), dann mögen jene, die sich in Judäa befinden, beginnen, zu den Bergen zu fliehen … denn dann wird große Drangsal herrschen, wie es keine gegeben hat von Anfang der Welt an bis jetzt, nein, noch je wieder geben wird.“ (Matth. 24:15-21, NW) In den Augen Jesu hatten sich die Worte in Daniel 11:31 nicht in den Tagen des syrischen Königs Anti̱ochos IV. Epi̱phanes erfüllt, sondern sollten sich noch in ferner Zukunft erfüllen. Zur Zeit der historischen Erfüllung der Worte in Daniel 11:31 wird der König des Nordens nicht durch einen syrischen oder seleukidischen König verkörpert. Folglich muß nach Daniel 11:19 in bezug auf Persönlichkeit und Nationalität des Nordkönigs ein Wechsel eintreten. Wie die geschichtlichen Tatsachen es zeigen, trat dieser Wechsel mit dem nächsten Vers (Dan. 11:20) ein. Von da an wurde der König durch Rom verkörpert.
54. Inwiefern beugte sich Anti̱ochos IV. Epi̱phanes dem Diktat Roms, und wie wurde Syrien schließlich eine römische Provinz, was zweifellos einen Wechsel in Verbindung mit dem Nordkönig anzeigt?
54 Rom hatte schon vor Anti̱ochos IV. Epi̱phanes im Nahen Osten eine führende Rolle gespielt und Syrien zu diktieren begonnen. Selbst dieser sogenannte „Gott, der sich kundgibt“, beugte sich dem Diktat Roms. Aus seinem Krieg mit Ägypten ging Anti̱ochos IV. zwar als Sieger hervor. Er ließ sich als König von Ägypten krönen. Doch dann brachte der römische Gesandte Gajus Popillius Länas, der mit der römischen Flotte eintraf, den Befehl des römischen Senats, daß Anti̱ochos IV. auf sein Königtum in Ägypten verzichten und das Land verlassen müsse. Der syrische König fügte sich, behielt jedoch Kölesyrien, Palästina und Phönizien in seiner Gewalt. Im Jahre 163 v. Chr. starb er als Tempelräuber in Persien. Ihm folgten noch einige unabhängige Könige des seleukidischen Herrscherhauses in Syrien. Aber im Jahre 65 v. Chr. entthronte der römische General Pompejus der Große den letzten, Anti̱ochos XIII. Asiaticus, und im Jahre 64 v. Chr. wurde Syrien römische Provinz. Damals übernahm Rom entschieden die Rolle des Nordkönigs, unter dessen Herrschaft im Jahre 63 v. Chr. Jerusalem zu stehen kam. Der ägyptische König des Südens hatte keine Macht, dies zu verhindern.
55. Wie lange bestand das ptolemäische Herrscherhaus noch, und was wurde aus Ägypten?
55 Das ptolemäische Herrscherhaus in Ägypten vermochte seine Stellung als König des Südens noch etwas länger zu halten. Im Jahre 31 v. Chr. fand die entscheidende Schlacht bei Aktium statt, bei welcher die ägyptische Königin Kleopatra die Flotte ihres römischen Geliebten, Antonius, verließ, worauf dieser geschlagen wurde. Der Sieger, Octavius, der Großneffe von Julius Cäsar, schritt darauf zur Unterwerfung Ägyptens. Im Jahre 30 v. Chr. beging Kleopatra Selbstmord. Ägypten wurde römische Provinz und kam dadurch unter die Herrschaft des neuen Königs des Nordens.
DER „FÜRST DES BUNDES“ ZERBROCHEN
56. Wer wurde der erste römische Kaiser, und was sagt Daniel 11:20 über ihn?
56 Octavius (Oktavian), der schließlich als Alleinherrscher Roms aus dem Machtkampf hervorging, wurde der erste römische Reichsherrscher. Er lehnte die Titel rex („König“) und dictator zwar ab; doch im Jahre 27 v. Chr. wurde er durch eine Verordnung des römischen Senats schließlich zum Augustus ernannt. Die Griechen übersetzten diesen Titel mit Sebasto̱s, was „Majestät“ bedeutet. (Apg. 25:21, 25) Auf sein Vorgehen als König des Nordens, der an die Stelle der syrischen Könige aus dem seleukidischen Herrscherhaus trat, nahm Jehovas Engel in seiner auf lange Sicht eingestellten Prophezeiung über den Kampf zwischen dem Norden und dem Süden weiter Bezug: „Und an seiner Statt wird einer aufstehen, welcher einen Eintreiber … durch die Herrlichkeit des Reiches ziehen läßt; aber in wenigen Tagen wird er zerschmettert werden, und zwar weder durch Zorn noch durch Krieg.“ (Dan. 11:20) Zu der „Herrlichkeit des Reiches“ des Cäsar Augustus gehörte auch das „Land der Zierde“ des Volkes Daniels. — Dan. 11:16.
57. Wann ließ er diesen „Eintreiber“ durch „die Herrlichkeit des Reiches“ ziehen, und was berichtet Lukas hierüber?
57 Der „Eintreiber“ wurde im Jahre 2 v. Chr. ausgesandt. Der christliche Geschichtsschreiber Lukas berichtet über dieses besondere Ereignis folgendes: „Und in jenen Tagen ging eine Verordnung von Cäsar Augustus aus, nach der sich die ganze bewohnte Erde einschreiben mußte (diese erste Einschreibung fand statt, als Quirinius Statthalter von Syrien war); und alle Leute zogen hin, um sich einschreiben zu lassen, ein jeder nach seiner Stadt. Natürlich begab sich auch Joseph von Galiläa aus der Stadt Nazareth nach Judäa hinauf, in die Stadt Davids, die Bethlehem genannt wird, weil er dem Hause und der Familie Davids angehörte, um sich mit Maria, seiner Verlobten, die schwanger war, einschreiben zu lassen. Während sie dort waren, erfüllten sich ihre Tage, und sie sollte gebären. Und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen, und sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil im Gasthof für sie kein Platz war.“ — Luk. 2:1-7, NW.
58. Wann war dieser Quirinius Statthalter in Syrien, und weshalb war diese Einschreibung eines der bedeutsamsten Ereignisse während der Regierung des Augustus, die mit gutem Grund in Daniels Prophezeiung erwähnt wird?
58 P. Sulpicius Quirinius, der römische Senator, war zweimal römischer Statthalter von Syrien, das erstemal um die Zeit, da König Herodes der Große starb, der den Tempel in Jerusalem neu gebaut hatte. Diese Amtszeit erstreckte sich vom Jahre 750 bis 753 (von der Gründung Roms an gerechnet) oder über die Jahre 4 bis 1 v. Chr.b Dieser Zensus oder diese Einschreibung war nicht nur eine Volkszählung, sondern diente auch dem Zweck, die Steuern einzuziehen und die Männer für den Militärdienst auszuheben. Diese besondere Volkszählung war eines der bedeutendsten Ereignisse in der Zeit, da Cäsar Augustus als Nordkönig herrschte. Sie hatte auch zur Folge, daß der Zimmermann von Nazareth und seine Frau, Maria, nach Bethlehem zogen, so daß Jesus, in Erfüllung von Micha 5:1, dort geboren werden konnte. (Matth. 2:1-11) Mit gutem Grund erwähnte also Jehovas Engel dieses wichtige Ereignis in Daniels Vision, um uns dadurch einen weiteren Anhaltspunkt zu geben, der uns erkennen hilft, von wann an nicht mehr die syrischen Könige der fünften Weltmacht, sondern die römischen Herrscher der sechsten Weltmacht die Rolle des prophetischen „Königs des Nordens“ spielten.
59. Wie wurde er als König des Nordens „in wenigen Tagen“ zerschmettert, und zwar ‚weder durch Zorn noch durch Krieg‘?
59 Kaiser Augustus gründete die kaiserliche Leibwache, deren Glieder als Prätorianer bekannt waren und die von seinem Nachfolger später noch verstärkt wurde. Er starb im fünfundvierzigsten Jahr seiner Regierung, am 19. August des Jahres 14 n. Chr. Das waren verhältnismäßig ‚wenige Tage‘, nachdem die wichtige Einschreibung stattgefunden hatte, während der Jesus, der Sohn Gottes, in der Stadt des Königs David als dessen königlicher Erbe geboren wurde. Wie ein Schauspieler im Theater hatte Augustus seine Rolle als Herrscher gut gespielt. Man zählte ihn zu den römischen Göttern und errichtete zu seiner Ehre Tempel und Altäre.
60, 61. (a) Wer war der ‚Verachtete‘, der dann aufstand, und wie kam es, daß er mit Kaiser Augustus verwandt wurde? (b) Inwiefern wurde ihm die „königliche Würde“ nicht zugedacht?
60 Die Prophezeiung des Engels zeigte, daß auch der Nachfolger des Augustus mit Gottes einziggezeugtem Sohn, als dieser auf Erden lebte, näher in Berührung kommen sollte. „An seiner Statt wird ein Verachteter aufkommen, dem man die königliche Würde nicht zugedacht hatte; aber er wird unversehens kommen und sich der Herrschaft durch Verstellung [Schmeicheleien, Elb] bemächtigen. Und die Streitkräfte werden vor ihm weggeschwemmt und zerbrochen werden, dazu auch der Bundesfürst [der Fürst des Bundes, Elb].“ (Dan. 11:21, 22, SB) Der hier erwähnte rätselhafte ‚Verachtete‘ war Kaiser Tiberius, Livias Sohn. Livia war die dritte Frau von Kaiser Augustus geworden, und dadurch wurde Tiberius natürlich der Stiefsohn des Kaisers. Kaiser Augustus wollte jedoch nicht Tiberius zu seinem Nachfolger machen, denn er haßte ihn wegen seiner schlechten Eigenschaften. Schließlich wurde dem Tiberius, wenn auch nur ungern, die „königliche Würde“ übertragen. Augustus sah sich gezwungen, ihn als Thronfolger anzuerkennen, als es keine andere Hoffnung mehr gab. Wie kam es soweit?
61 Kaiser Augustus hatte keine Söhne. Seine Schwester hatte einen Sohn, Marcellus, doch dieser Neffe starb. Seine Tochter hatte zwei Söhne, Gajus und Lucius, die Augustus zu seinen Nachfolgern bestimmte. Aber diese beiden wurden ihm ebenfalls durch den Tod entrissen. Sein von ihm geliebter Stiefsohn Drusus, der jüngere Bruder des Tiberius, starb auch schon früh, nämlich am 14. September des Jahres 9 v. Chr. So kam nur noch Tiberius, ein tüchtiger Feldherr und Soldat von höchstem Rang im Römischen Reiche, in Betracht. Im Jahre 12 v. Chr. starb Agrippa, der große Feldherr des Kaisers Augustus, im Alter von einundfünfzig Jahren. Daraufhin gelang es Livia, der Mutter des Tiberius — allerdings nur nach Überwindung großer Schwierigkeiten —, den Kaiser dazu zu bewegen, den verstorbenen Agrippa durch ihren Sohn Tiberius zu ersetzen. Doch um Agrippas Stelle einnehmen zu können, mußte Tiberius der Schwiegersohn des Kaisers werden. So mußte sich Tiberius zu seinem großen Leidwesen von Agrippina, der Tochter des Feldherrn Agrippa, trennen, um sich mit Julia, der Tochter des Kaisers, zu vermählen. Im Jahre 4 n. Chr. wurden Tiberius und Agrippa Postumus von Kaiser Augustus adoptiert. Neun Jahre später wurde Tiberius durch ein Sondergesetz zum Mitregenten des Kaisers Augustus erhoben. Im darauffolgenden Jahr, nämlich am 19. August des Jahres 14, starb Augustus, und Tiberius wurde zum Kaiser ausgerufen. So kam es, daß dieser ‚Verachtete‘ gegen den Willen des Kaisers Augustus an dessen Statt ‚aufkam‘ oder die Macht übernahm.
62. Wie bemächtigte sich Kaiser Tiberius ‚der Herrschaft durch Schmeicheleien‘?
62 Daß die Schmeichelei bei Tiberius, dem neuen König des Nordens, eine Rolle spielte, geht aus der Encyclopædia Britannica, Band 26, Seite 916, elfte Ausgabe, hervor, wenn es dort heißt: „Geschichtsschreiber des alten Rom beschreiben Tiberius hauptsächlich als jenen Herrscher, unter dessen Herrschaft Fälle von Anklagen wegen Hochverrats, auf Grund des geringsten Verdachts, zum erstenmal überhandnahmen und da zum erstenmal zugelassen wurde, daß haßerfüllte Angeber sich um die Wette an Gewinn bereicherten, den sie durch Justizmorde erlangten … Die Geschichte der Staatsprozesse, die während der Regierung des Tiberius geführt wurden, läßt jedoch deutlich erkennen, daß die Vergewaltigung des Gesetzes in erster Linie eine Folge der Schmeicheleien des Senats war … und daß er [Tiberius] diese gegen Ende seiner Regierung mit einer gewissen verächtlichen Gleichgültigkeit zuließ, bis er schließlich, zufolge seiner Furcht, die Bereitwilligkeit entwickelt hatte, Blut zu vergießenc.“
63. Wie wurden die überschwemmenden „Streitkräfte“ dann „vor ihm weggeschwemmt“?
63 Als Tiberius König des Nordens wurde, befehligte sein Neffe, Germanicus Cäsar, die römischen Truppen am Rhein. Kurz nach der Thronbesteigung des Tiberius entstand unter diesen Truppen eine gefährliche Meuterei, aber Germanicus konnte die unzufriedenen Legionen davon zurückhalten, nach Rom zu marschieren. Im Jahre 15 n. Chr. führte Germanicus seine Truppen gegen den germanischen Helden Arminius (Hermann) und schlug diesen in die Flucht. Er nahm sogar dessen Weib, Thusnelda, gefangen und brachte ihm im darauffolgenden Jahr eine Niederlage bei. Schließlich verfolgte Rom eine friedliche Außenpolitik, das heißt, es suchte seine Grenzen zu sichern und war hierin ziemlich erfolgreich. „Mit wenigen Ausnahmen hatten die römischen Streitkräfte an den Grenzen weiter nichts zu tun, als zuzusehen, wie sich die Leute auf der anderen Seite gegenseitig umbrachtend.“ Auf diese Weise wurden die „Streitkräfte“ in Schach gehalten oder „vor ihm weggeschwemmt und zerbrochen“.
(Fortsetzung folgt)
[Fußnoten]
a Siehe auch Jüdische Alterthümer, von Josephus, 12. Buch 5. Kap., Abschn. 4; ferner 2. Makkabäer 6:2.
b Siehe Zumpts Commentat. epigraph., II. 86—104, De Syria romana provincia, 97, 98, und Mommsens Res gestae divi Augusti. Ferner Dictionnaire du Nouveau Testament in der französischen Bibelübersetzung von Canon A. Crampon, Ausgabe 1939, S. 358. Siehe auch das Buch Und die Bibel hat doch recht, von Werner Keller, Ausgabe 1955, S. 329, 330, wo gesagt wird, daß, gemäß einem bei Antiochia, Syrien, aufgefundenen Fragment einer römischen Inschrift, Quirinius zur Zeit des Prokonsuls Saturnius schon vor der christlichen Zeitrechnung einmal als Legat des Kaisers Augustus in Syrien tätig gewesen war und damals seinen Regierungssitz und sein Hauptquartier in Syrien aufgeschlagen hatte.
c Siehe auch The Eighteen Christian Centuries von James White, 1884, S. 18, 19, und Dein Königreich komme von C. T. Russell, 1914, engl. 1891, S. 25, Abschn. 3, und S. 26, Abschn. 1.
d The Encyclopædia Britannica, Band 26, S. 915, Abschn. 2, 3.
[Karte auf Seite 92]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
PALÄSTINA ZUR ZEIT DER MAKKABÄER (167-63 v. CHR.)
(Mittelmeer)
PHÖNIZIEN
Tyrus
Sidon
LIBANON
PANIAS
(Cäsarea Philippi)
HERMON
NABATÄA
Damaskus
Philadelphia
GALILÄA
KARMEL
See Genezareth
Jordan
(Totes Meer)
GAULANITIS
Pella
SAMARIA
Samaria
Alexandrium
Joppe
Antipatris
Modein
Jamnia
Jericho
Jerusalem
Hyrkania
JUDÄA
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