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Erwachet! 1976
g76 22. 1. S. 13-15

Die Seezigeuner von Mindanao

Vom „Awake!“-Korrespondenten auf den Philippinen

WENN wir den Ausdruck „Zigeuner“ hören, denken wir gewöhnlich zuerst an das braunhäutige, schwarzäugige Wandervolk Europas mit den fremdländischen Bräuchen und der farbenfrohen Kleidung. Hast du aber schon einmal etwas von den Seezigeunern gehört, die im Fernen Osten leben?

Du kannst sie bei uns auf den Philippinen, und zwar in der hübschen Hafenstadt Zamboanga (Mindanao) sowie auf den südlicher gelegenen Suluinseln, sehen. Eigentlich heißen sie Bajau, und sie gehören zu den 81 ethnischen Gruppen unseres Landes. Weil sie auf ihren Schiffen umherziehen, werden sie auch Seezigeuner genannt. Seit Jahrhunderten leben sie in Hausbooten oder in Pfahlbaudörfern entlang von Sandstränden und Korallenriffen.

Seezigeuner gibt es in Malaysia, Indonesien und Birma, und die Seezigeuner auf den Philippinen sollen ebenfalls indomalaiischer Abstammung sein. Die Völkerkundler nehmen an, daß ihre Vorfahren von den Küstengebieten Borneos ausgewandert sind. Ein typischer Bajau hat ein verwittertes Gesicht, und die Sonne, der er ständig ausgesetzt ist, hat sein Haar etwas gebleicht, so daß es jetzt eine rötlichbraune Farbe hat. Er hat ein schmales Gesicht, eine niedere Stirn und vorstehende Backenknochen.

Im Jahre 1521 soll Fernão de Magalhães, der einen anderen Seeweg nach Südostasien suchte, schwimmende Dörfer zwischen Borneo und unseren Inseln gesichtet haben. Aber schon vor jener Zeit zogen die Bajau von einem Ankerplatz zum anderen und gingen nur an Land, um Fische und Perlen zu verkaufen oder gegen Lebensmittel einzutauschen, zum Beispiel gegen Maniok, Reis, Zuckerrohr und Kokosnüsse, oder gegen tropische Früchte wie Durionen, Brotfrüchte, Zwillingspflaumen und Mangostanen. Manche Bajau bleiben nur wenige Stunden an Land, andere dagegen viele Wochen oder Monate. Wenn sie so lange bleiben, entsteht jeweils für diese Zeit ein Dorf.

Das Volk der Bajau

Die storchbeinigen Hütten der Bajau, die im Gezeitenwasser stehen, sind lediglich durch wackelige Behelfsbrücken miteinander verbunden. Häufig besteht eine solche „Brücke“ sogar nur aus einem einzigen Brett oder aus einem Bambusstab, und sie ist auch nicht mit einem Geländer versehen. Treppen gibt es ebenfalls nicht. Von der allgemeinen Brücke oder vom seichten Wasser aus führt lediglich ein einziger Balken zum Hauseingang hoch. Neben und unter diesen Hütten liegen Paddelboote, die hier lipalipa genannt werden, ferner Auslegerboote, Einbäume und Hausboote. Unter den Bajau herrscht ein guter Zusammenhalt. In einer Hütte oder auf einem Hausboot wohnt eine ganze Sippe: Eltern, verheiratete Kinder und Enkelkinder.

Die Kinder, meist nackt, schwimmen und tollen im Gezeitenwasser umher. Einige Frauen waschen Wäsche und baden, oder sie kochen oder plaudern am Eingang ihrer Hütte. Andere beschäftigen sich mit den Kindern, flicken Fischernetze oder flechten Matten. Wieder andere suchen eßbare Meerestiere wie Muscheln, Algen und Seeigel. Die Männer bauen Boote oder machen ihre Geräte zum Fischen fertig. Um einen Einbaum herzustellen, benötigen sie drei Monate, und nach ungefähr drei Jahren muß er durch einen neuen ersetzt werden. Sie benutzen ganz einfache Werkzeuge: hölzerne Meißel, eine Art Beil und andere. Manchmal gehen die Männer gruppenweise fischen. Etwa zehn Boote bilden dann eine horizontale Linie. Sobald ein Fischschwarm gesichtet wird, machen die Männer Lärm und treiben so die Fische gegen Klippen oder an eine andere Stelle, wo sie sie leicht mit dem Speer töten können. Sie fangen Fische wie Haie, Rochen, Tintenfische und Thunfische.

Die Bajau sind friedfertige Menschen und möchten in Ruhe gelassen werden. Sobald sie sich durch Landbewohner belästigt oder gestört fühlen, verschwinden sie aufs Meer. Für sie ist das Meer ein Zufluchtsort, ein sicherer Hafen. Wenn sie auf das Meer hinaus flüchten, löst sich das ganze Dorf auf.

Kinder des Meeres

Die meisten Bajau kommen zu Hause zur Welt. „Zu Hause“ — das ist ein Boot. Dieses Boot ist in der Regel aus einem einzigen großen Stamm verfertigt, der von der Insel Borneo stammt oder aus dem Meer gefischt worden ist und den dann die Männer mit viel Geduld von Hand ausgehöhlt und mit einem Palmwedeldach versehen haben. Schwimmer aus Bambus — sie sehen aus wie Schlittenkufen — sind zu beiden Seiten angebracht, um zu verhindern, daß das Boot allzuleicht kentert.

Es heißt, daß die Bajau ihre Kinder, wenn sie noch ganz klein sind, ins Wasser werfen. Schwimmen sie auf dem Wasser, gelten sie als echte Kinder des Meeres. Die Bajau sind ausgezeichnete Schwimmer und daher auch die besten Perlenfischer in dieser Gegend. Sie tauchen besser als alle übrigen Eingeborenen und können minutenlang ohne Taucherausrüstung unter Wasser bleiben.

Ausgezeichnete Seefahrer

Dem Bajau sind die Gewässer um die Suluinseln so vertraut wie die Linien seiner Handteller. Für ihn sind Entfernung und Dunkelheit keine Hindernisse. Jederzeit kann er den Standort seines Bootes bestimmen. Dazu benötigt er weder einen Kompaß noch andere Navigationshilfen. Er folgt einfach den Sternen, taucht die Hand ins Meer und leckt daran, um festzustellen, wie das Wasser schmeckt. Warum? Nun, es heißt, daß der Salzgehalt des Wassers überall verschieden sei und daß die Bajau aufgrund des Salzgehalts den Standort ihres Bootes bestimmen könnten. Nachdem sie die Fließgeschwindigkeit des Wassers zwischen den Inseln abgeschätzt haben, können sie ausrechnen, wie weit sie vom Land entfernt sind und wann sie im Hafen sein werden.

Ihr großes Wissen über das Meer beruht auf Erfahrung und auf einer Vertrautheit mit Wellen, Wind und Seegang; und dieses Wissen ist von einer Generation zur anderen überliefert worden. Ihre Kenntnisse sollen es ihnen auch ermöglichen, Stürme vorherzusagen. Wenn die Bajau in den Hafen strömen, wissen die Landbewohner, daß ein Sturm im Anzug ist, selbst wenn der Himmel sich noch nicht bezogen hat, kein Lüftchen weht und das Meer spiegelglatt ist.

Ihre Religion

Die Bajau sind weder „Christen“ noch Moslems. Sie bekennen sich zu keinem besonderen Glauben oder Kult. Ältere unter ihnen sagen, sie wüßten einiges aus der Bibel und aus dem Koran und nach ihrer Ansicht seien beides gute Bücher. Man erhält ganz unterschiedliche Antworten, wenn man Fragen über Gott und über seinen Vorsatz oder über andere, ähnliche Themen stellt. Unter der Inselbevölkerung vertreten einige den Standpunkt, die Bajau verehrten uneingeschränkt das Meer und würden deshalb unwiderstehlich vom Meer angezogen.

Jehovas Zeugen auf Mindanao und den Suluinseln verkündigen den Bajau bereitwillig die „gute Botschaft vom Königreich“ (Matth. 24:14). Wenn die Bajau in Jolo oder im Hafen von Zamboanga vor Anker gehen, ergreifen junge Zeugen Jehovas die seltene Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Sie springen dann von einem Hausboot zum anderen, versuchen, in Tausog zu radebrechen, und bieten Literatur in Arabisch an. Die sprachlichen Schwierigkeiten werden oft durch Gesten und ein Lächeln überwunden, und die Schriften werden entgegengenommen.

Heiratssitten

Im Auftrag der „University of the East“ in Manila studierte Abdul Mari Imao diesen Stamm, der in unserem Land zu den Minderheiten zählt. In seinem Bericht, den die Zeitschrift Chronicle Magazine (Ausgabe vom 28. September 1968) veröffentlichte, schildert er anschaulich die Sitten dieses Volkes, auch seine Heiratssitten. Er schreibt, daß bei den Bajau früh geheiratet wird, manchmal schon im Alter von 13 oder 14 Jahren. Die Mädchen heiraten sogar noch früher, aber die Angehörigen erlauben den ehelichen Verkehr erst, wenn das Mädchen die Geschlechtsreife erlangt hat. Der Ehepartner wird von den Eltern ausgesucht.

Die Trauung findet immer im Haus des Häuptlings statt. Besonders in den „Altarmonaten“, Oktober und November, und wenn Vollmond ist, werden viele Paare getraut. Vor der Hochzeit findet unter anderem das traditionelle „Hochzeitsbad“ statt. Der Imam, d. h. der eingeborene Geistliche, leitet die Zeremonie, unterstützt von einem Mädchen, das die Braut mit einem mit Quasten geschmückten Schirm deckt. Es werden Gebete gesprochen, Wasser wird ausgeschüttet, und rituelle Tänze werden aufgeführt.

Wenn sich der Bräutigam am Hochzeitstag dem Eingang des Hauses der Braut nähert, werden zu Ehren des Paares Schwärmer abgebrannt. In einer Wolke von Weihrauch findet die Trauzeremonie statt. Der Imam segnet den Bräutigam und bittet ihn um den Ring. Ein Vermittler eilt darauf zur Braut und fragt sie, ob sie den Mann als ihren gesetzlich angetrauten Ehegefährten akzeptiere. Bejaht sie die Frage, wird ihr der Ring des Bräutigams an den Finger gesteckt. Danach wird dem Bräutigam das Jawort mitgeteilt. Darauf wird er gefragt, ob er gewillt sei, alle Pflichten eines Ehemannes auf sich zu nehmen. Wenn er bejaht, nimmt der Imam die Hand des Bräutigams und legt sie auf die Stirn der Braut. Das bedeutet, daß die beiden nun Mann und Frau sind.

Bei den Bajau ist die Hochzeit kein kostspieliger Anlaß. Nicht Verschwendung, sondern Sparsamkeit zeichnet dieses Fest aus. Die Braut erhält kein panulong oder Geldgeschenk. Es wird kein Festessen veranstaltet, und es werden keine Einladungen zu einem Empfang verschickt, aber es wird zur Teilnahme an einer Flußparade eingeladen. Diese Parade findet vor der Trauung statt. Das Boot, das auch einen kulintanga-Spieler an Bord hat, fährt um das ganze Dorf, um die Hochzeit anzukündigen. Unterwegs steigen Gäste zu. Der Erfolg wird nach der Zahl der vornehmen Gäste beurteilt, die an der Hochzeit teilnehmen.

Ehescheidungen sind unter den Bajau häufig. Manch eine Sechzehn- oder Siebzehnjährige ist schon das 13. Mal verheiratet. Es passiert, daß die Ehe bereits nach vierzehn Tagen oder nach ein bis zwei Monaten in die Brüche geht. Die Scheidung wird unter anderem beantragt wegen Faulheit und Unfähigkeit des Mannes, für die Frau zu sorgen, weil der Mann das Vermögen der Frau verschleudert, wegen Mißhandlung der Frau oder wegen seelischer Grausamkeit.

Ungewisse Zukunft

Trotz der Fortschritte, die in unserem 20. Jahrhundert erzielt worden sind, und trotz einer besseren Betreuung durch die Regierung sind die Bajau in Gefahr auszusterben. Mangelnde Schulbildung, Krankheiten und Fehlernährung sind die für die Dezimierung dieses Volkes verantwortlichen Faktoren. Sogar auf Tawitawi und Si Tangkay, den letzten Bollwerken dieser Seenomaden, wo ihre einzigartigen Sitten und Bräuche seit Jahrhunderten bewahrt worden sind, verfällt ihre Kultur allmählich. Die jüngere Generation der Bajau hat die moderne Lebensweise angenommen. Ihre Welt des Meeres — die farbenprächtigen Sonnenuntergänge, die Seevögel, die mit ausgebreiteten Schwingen dahingleiten, und der scheinbar endlose blaue Himmel — wird nicht vergehen, aber ihre einfache, ruhige und bescheidene Lebensweise wird vielleicht bald der Vergangenheit angehören.

[Fußnote]

a Ein Schlaginstrument aus acht Messinggongs, die in einer Reihe angeordnet und in der Größe abgestuft sind. Sie liegen in einem Gestell, das aussieht wie ein Boot und mit feinen Verzierungen geschmückt ist. Die Gongs werden mit Klöppeln angeschlagen, an denen bunte Quasten hängen.

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