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Bibelkritiker revidieren ihre AnsichtDer Wachtturm 1982 | 1. Februar
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Bibelkritiker revidieren ihre Ansicht
IM 20. Jahrhundert sind in dem Bemühen, die Genauigkeit des Bibeltextes zu erhöhen, große Fortschritte gemacht worden. Die Entdeckung vieler früher Handschriften, besonders der Chester-Beatty- und der Bodmer-Papyri sowie der Schriftrollen vom Toten Meer, hat einen Text ermöglicht, der den Originalen sehr viel näher kommt, als es viele Gelehrte erhofft hatten. Ein besseres Verständnis der Ursprachen Hebräisch und Griechisch hat genauere Übersetzungen der Bibel in viele Sprachen der Welt ermöglicht. Man würde meinen, daß Ansichten, die vor 200 Jahren gehegt wurden, weit hinter diesem Fortschritt zurückbleiben, wenngleich man der damals geleisteten Arbeit viel verdankt.
Deshalb überrascht es vielleicht etwas, daß heute wieder die Ansichten von Johann Jakob Griesbach (1745—1812) im Gespräch sind. Im Jahre 1976 fand in Münster eine Konferenz statt, die ausschließlich der Arbeit dieses Gelehrten gewidmet war. Warum befaßt man sich heute erneut mit seinen Studien?
Nachdem Griesbach mit 23 Jahren einen akademischen Grad erlangt hatte, begab er sich auf eine Europareise und untersuchte in verschiedenen Bibliotheken Handschriften der Christlichen Griechischen Schriften. Die Ergebnisse dieser Forschungen wurden 1774 und 1775 veröffentlicht. Griesbachs griechischer Text (spätere Ausgaben) wurde von mehreren Bibelübersetzern herangezogen, unter anderem von Erzbischof Newcome, Abner Kneeland, Samuel Sharpe, Edgar Taylor und Benjamin Wilson (in The Emphatic Diaglott).
Griesbach berücksichtigte zum erstenmal Lesarten, die älter waren als diejenigen, die Erasmus für seinen griechischen Text von 1516 u. Z. benutzt hatte. Die Bedeutung dieser Forschungsarbeit kommt durch den folgenden Kommentar zum Ausdruck: „Griesbach bemühte sich fast Tag und Nacht, unter den vielen Varianten im Neuen Testament die besten Lesarten zu finden. Sein Werk schuf die Grundlagen der modernen Textkritik, und er ist in nicht geringem Maße für den gesicherten Text des Neuen Testaments verantwortlich, über den wir heute verfügen“ (J. J. Griesbach: Synoptic and Text-Critical Studies, 1776—1976, S. xi).
Im Jahre 1776 gab Griesbach seine Synopse der Evangelien Matthäus, Markus und Lukas heraus, deren Text zu Vergleichszwecken in Parallelspalten angeordnet war. Seither nennt man sie die „synoptischen“ Evangelien, weil sie eine „gleiche Sicht“ bieten. Griesbach glaubte fest daran, daß diese Evangelien von den gleichnamigen Personen geschrieben wurden, daß Matthäus ein Augenzeuge der Ereignisse war, über die er berichtete, und daß „die Apostel durch den heiligen Geist dazu befähigt waren, die Lehre ohne gefährlichen Irrtum zu verstehen und zu übermitteln“.
Aufgrund seiner Studien kam Griesbach zu dem Schluß, daß das erste Evangelium von Matthäus geschrieben wurde, das zweite von Lukas und das dritte von Markus. Doch schon zu Lebzeiten Griesbachs wurde von G. S. Storr die Ansicht vertreten, Markus habe das erste Evangelium geschrieben. Diese Theorie fand von da an eine ebenso breite Unterstützung wie die Ansicht, den Evangelien liege eine unbekannte, verlorengegangene schriftliche Quelle zugrunde, die man abgekürzt „Q“ nannte. Später wurde diese Theorie von anderen Gelehrten durch zusätzliche Aspekte und Quellen erweitert. Die Erörterung und Weiterentwicklung der Theorie füllte Dutzende von Büchern und lieferte Stoff für Tausende von Artikeln. Sie gewann so sehr an Bedeutung, daß sie für viele Theologen sogar zu einer Art „Glaubensartikel“ wurde. Als Folge davon verwarf man Griesbach und übte häufig scharfe Kritik an ihm.
Nachdem die „Quellentheorie“ lange Zeit das Feld beherrscht hat, ist sie heute selbst Gegenstand der Kritik. Viele Gelehrte revidieren ihre Ansicht und kommen wieder auf die Ausführungen Griesbachs zurück. Man hat festgestellt, daß dieses Gedankengut — wenn durch gewisse Änderungen auf den neuesten Stand gebracht — zu den Fragen über die Evangelien eine passendere Lösung liefert als andere Ansichten.
Die „Quellentheorie“ hat den Glauben vieler an die göttliche Inspiration der Bibel zerstört (2. Tim. 3:16, 17). So etwas ist nichts Neues, denn der Apostel Paulus wies Timotheus an, gewissen Leuten zu gebieten, „nicht eine andere Lehre zu lehren noch unwahren Geschichten und Geschlechtsregistern Aufmerksamkeit zu schenken, die zu nichts führen, sondern eher Fragen zur Nachforschung hervorrufen [„Anlaß zu spitzfindigen Untersuchungen ... geben“, Menge], als irgend etwas von Gott darzureichen, was mit Glauben in Verbindung ist“ (1. Tim. 1:3, 4).
Bischof B. C. Butler, der vor einigen Jahren fast als einziger die Ansicht verteidigte, daß Matthäus sein Evangelium zuerst schrieb, trifft interessanterweise den Kern des Problems, wenn er sagt: „Jemand, der unvoreingenommen die Wahrheit herauszufinden wünscht, wird, wenn er die synoptischen Evangelien als ganze Bücher immer wieder liest, im allgemeinen zu dem Schluß kommen, daß die Autoren ehrliche Männer waren und das niederlegten, wovon sie aufrichtig überzeugt waren, daß es wahr war. Ihm wird klar, daß sie von der Wahrhaftigkeit dieser Dinge nur dann überzeugt sein konnten, wenn sich diese im wesentlichen so verhielten, wie sie sie darstellen“ (Searchings, S. 85).
Matthäus, Markus, Lukas und Johannes griffen für ihre Evangelien nicht auf eine uninspirierte, verlorengegangene schriftliche Quelle zurück. Sie schrieben unter dem Einfluß des heiligen Geistes Jehovas. Natürlich mögen irrige menschliche Theorien sehr lange — in diesem Fall 200 Jahre — dominieren. Währenddessen wird bei vielen der Glaube an Gottes Wort untergraben. Wir handeln aber vernünftig, wenn wir das umfangreiche Beweismaterial beachten, das die Zuverlässigkeit und die göttliche Inspiration der Bibel bestätigt. Dann können wir es den Kritikern überlassen, ihre Ansichten zu revidieren, und das so oft sie wollen.
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Matthäus verkündet: Der Messias ist gekommen!Der Wachtturm 1982 | 1. Februar
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Matthäus verkündet: Der Messias ist gekommen!
WELCHES sind die bedeutendsten Ereignisse in der Menschheitsgeschichte? Zweifellos die Geburt, das öffentliche Wirken, der Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt Jesu Christi, des Sohnes Gottes.
Im Einklang mit dem göttlichen Grundsatz „Aus zweier oder dreier Zeugen Mund wird jede Sache bestätigt werden“ sorgte Jehova Gott dafür, daß vier Berichte über das Leben Jesu Christi erstellt wurden, damit die Wahrhaftigkeit der Geschehnisse bestätigt werde (5. Mo. 17:6; 2. Kor. 13:1, Elberfelder Bibel). Die Namen der vier Evangelisten sind Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Mit Recht wird gesagt, daß jeder seinen Bericht unter ein bestimmtes Thema gestellt und ein bestimmtes Ziel verfolgt habe; daß die Berichte die Persönlichkeit ihres Schreibers widerspiegeln würden und daß sich jeder an einen bestimmten Leserkreis gewandt habe.
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