Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • g85 8. 9. S. 13-18
  • Dein Recht als Patient — Die Gerichte sprechen!

Kein Video für diese Auswahl verfügbar.

Beim Laden des Videos ist ein Fehler aufgetreten.

  • Dein Recht als Patient — Die Gerichte sprechen!
  • Erwachet! 1985
  • Zwischentitel
  • Ähnliches Material
  • Der Fall Randolph — Tod nach Transfusion
  • Der Fall Doreen Shorter — Lazeration und Perforation des Uterus
  • Der Fall Jackson — Mutter und Tochter sind wohlauf
  • [Quellenangaben]
  • Unsere Kinder vor einer Bluttransfusion schützen
    Unser Königreichsdienst 1992
  • Der Patient hat das Recht zu entscheiden
    Wie kann Blut dein Leben retten?
  • Jehovas Zeugen und die Blutfrage
    Jehovas Zeugen und die Blutfrage
  • Wem gehört dein Körper?
    Erwachet! 1972
Hier mehr
Erwachet! 1985
g85 8. 9. S. 13-18

Dein Recht als Patient — Die Gerichte sprechen!

DREI Gerichtsfälle aus jüngerer Vergangenheit mögen vielleicht auch dein Leben und deine medizinische Betreuung betreffen. Ärzte, Krankenschwestern, Richter und Zeugen Jehovas haben die Fälle mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Jeder, der mit der Problematik vertraut ist, wird über die Bedeutung erfreut sein, die diese Fälle im Hinblick auf die Menschenrechte, den rechtlichen Schutz und die Respektierung der Gesetze Gottes angenommen haben.

Der Fall Randolph — Tod nach Transfusion

Einen genauen Einblick in den ersten Fall gewinnen zu wollen dürfte schwerfallen. Warum? Weil viele Zeitungen und medizinische Veröffentlichungen ihn entstellt wiedergegeben haben. Ja, diese entstellten Wiedergaben mißfielen offensichtlich Richter Bambrick vom Obersten Gericht des Staates New York, der in diesem Fall den Vorsitz geführt hatte. Um der Falschdarstellung entgegenzutreten, verfaßte er eine 53seitige Gegendarstellung.1

Darin bemerkte Richter Bambrick, „der vierte Arm der Regierung, die Presse“, habe den Fall derart verdreht, daß er sich gezwungen sehe, „die Sache richtigzustellen und die Rechtsprobleme des Falls, so wie sie den Geschworenen vorgelegt worden waren, erneut darzulegen“. Die Presse hat bedauerlicherweise über diese wertvolle Stellungnahme, die ihr Fehlverhalten in den Brennpunkt rückte, Stillschweigen bewahrt. Daher freut es uns, wichtige Einzelheiten dessen, was Richter Bambrick geschrieben hat, an unsere Leser weitergeben zu können. Sein genauer Bericht kann sich auf die Rechte jedes einzelnen in medizinischen Fragen auswirken, ganz gleich, ob er Arzt oder Jurist oder auch nur ein Bürger ist, der um seine Rechte in bezug auf eine medizinische Behandlung besorgt ist.

Der veröffentlichten Stellungnahme des Richters sind folgende grundlegende Tatsachen entnommen worden, wobei beachtenswerte Punkte durch Kursivschrift hervorgehoben werden: Im Juli 1975 wurde Frau Bessie Randolph (45 Jahre alt) in ein New Yorker Krankenhaus eingeliefert, um dort durch Kaiserschnitt von ihrem vierten Kind entbunden zu werden. In den Unterlagen des Krankenhauses wurde vermerkt, daß sie als Zeugin Jehovas die Transfusion von Blut ablehne.a Da sie diese Entscheidung als geschäftsfähige erwachsene Person bewußt getroffen hatte, akzeptierte ihr Arzt ihre tiefe religiöse Überzeugung. Nach der erfolgreichen Entbindung wurde wegen einer Erkrankung der Gebärmutter eine totale Hysterektomie vorgenommen. Richter Bambrick stellte jedoch fest: „Die starken Blutungen traten bei Frau Randolph sowohl aufgrund ihrer Erkrankung als auch zufolge des Operationsverfahrens ein.“

In der darauffolgenden Stunde verlor sie viel Blut. Um 12.45 Uhr wurde die Transfusion einer Einheit Blut eingeleitet, und um 13.30 Uhr folgte eine zweite Transfusion. Bei Frau Randolph setzte jedoch die Herztätigkeit aus, und um 14 Uhr wurde sie für tot erklärt. Ihr Ehemann (kein Zeuge Jehovas) verklagte später die Ärzte und das Krankenhaus. Ein Arzt beendete den Prozeß durch Vergleich. Später, im Februar 1984, wurde Herrn Randolph eine Entschädigung zuerkannt. Darüber äußerten sich die Zeitungen sehr kritisch. In einer juristischen Fachzeitschrift hieß es: „Ein Gericht sprach dem Ehemann einer Patientin, die Zeugin Jehovas war und nach Verweigerung einer Bluttransfusion starb, 1,25 Millionen Dollar zu.“ Berichte wie dieser hinterließen den Eindruck, daß Ärzte, die die Entscheidung von Zeugen Jehovas respektierten, dennoch gerichtlich belangt wurden. Zufolge der verdrehten Darstellung in der Presse haben sich verschiedene Ärzte gefragt, ob sie mit Jehovas Zeugen weiterhin zusammenarbeiten sollten. Einige Krankenhäuser sind sogar dazu übergegangen, Patienten, die Bluttransfusionen ablehnen, die Aufnahme zu verweigern. Eine solche Verfahrensweise ist vom juristischen und wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet unvernünftig, da Diskriminierung aufgrund der Rasse, Religion oder Hautfarbe in den USA durch Bundesgesetz verboten ist.

Daher versteht man, daß Richter Bambrick den Wunsch hatte, „die Sache richtigzustellen“. In seiner Gegendarstellung betonte er, daß der Rechtsstreit nicht um den Tod einer Patientin gegangen sei, der eingetreten sei, weil man ihre nach hinreichender Aufklärung erfolgte Weigerung respektiert habe. Vielmehr drehte sich der Rechtsfall um ärztliche Fahrlässigkeit. Er erklärte:

„Niemand bestreitet, daß es sich bei Bessie Randolph um eine geschäftsfähige erwachsene Person gehandelt hat, die gegenüber den Beklagten unzweideutig erklärte, daß sie etwaige Bluttransfusionen unter allen Umständen verweigere. Das gesetzlich verankerte Recht, eine Behandlung abzulehnen, ist, wie bereits erwähnt wurde, Teil des jedermann zustehenden Rechts auf Selbstbestimmung oder des Rechts auf körperliche Unversehrtheit ...

Man sollte sich ins Gedächtnis zurückrufen, daß dies kein Fall war, in dem es um ‚das Recht auf den Tod‘ ging. Ganz im Gegenteil, Bessie Randolph hatte den sehnlichen Wunsch zu leben. Da ihr aber ihre religiöse Überzeugung verbot, sich lebensrettende Bluttransfusionen geben zu lassen, war ihr religiöses ‚Recht auf ewiges Leben‘ wichtiger für sie. ... Man könnte sogar dahin gehend argumentieren, daß der Gläubige, der eine Bluttransfusion akzeptiert und somit das ewige Leben aufgibt, aus der Perspektive eines Zeugen Jehovas gesehen, ‚geistigen Selbstmord‘ beginge.“

Man kann sich vorstellen, in welch schwierige Lage die Ärzte gerieten, als sie erkannten, daß ihre Patientin sterben könnte. Doch Richter Bambrick sagte: „Die gegenwärtige Rechtsprechung stuft das Recht des Patienten, nach hinreichender Aufklärung in die Art einer Behandlung einzuwilligen oder nicht, höher ein als anderweitige Pflichten des Arztes zur medizinischen Hilfeleistung. ... Die ethische Integrität des Arztberufes wird nicht besudelt, wenn ein geschäftsfähiger Patient eine empfohlene Behandlung, selbst wenn diese zur Erhaltung des Lebens erforderlich ist, ablehnt und der Arzt die nach hinreichender Aufklärung getroffene Entscheidung seines Patienten respektiert.“

Wie verhält es sich mit dem Interesse des Staates, daß Kinder in einer Familie nicht vernachlässigt werden? Richter Bambrick bemerkte, daß Herr Randolph Polizist und somit in der Lage war, für seine Kinder aufzukommen und sie zu betreuen. Daher schrieb der Richter: „Unter den gegebenen Umständen war Herr Randolph in der Lage, für seine Kinder zu sorgen; und die Frage der Vernachlässigung der Kinder ist nie angeschnitten worden.“

Jeder Geschworene war mit diesen Tatsachen über Frau Randolph vertraut und kannte das gesetzlich verbriefte Recht, eine Transfusion zu verweigern und Ärzte von ihrer Haftung zu befreien. Die Geschworenen waren wie folgt unterrichtet worden: „Eine geschäftsfähige volljährige Person hat das jedermann zustehende Recht, eine medizinische Behandlung abzulehnen oder anzunehmen, ungeachtet der Tatsache, daß die Behandlung für die Erhaltung des Lebens des Patienten förderlich oder sogar notwendig sein mag. Das Recht des Patienten, die Art seiner Behandlung zu bestimmen, ist von höherem Rang als anderweitige Pflichten des Arztes zur medizinischen Hilfeleistung.

Die Beklagten ... können daher nicht beschuldigt werden, irgendwelche Gesetzes- oder Standespflichten verletzt zu haben, als sie das Recht von Bessie Randolph respektierten, eine medizinische Behandlung abzulehnen, insbesondere eine Transfusion.“

Wie waren die Geschworenen zu ihrem Urteil, eine Entschädigung zuzuerkennen, gelangt?

Richter Bambrick schrieb: „Hätte sich ... [der Arzt] in allem an die Weisungen von Frau Randolph gehalten und unter keinen Umständen Blut transfundiert, hätte man ihn für eine unterlassene Transfusion nicht zur Verantwortung ziehen können, selbst wenn eine solche Unterlassung als unmittelbare Todesursache betrachtet worden wäre. ... Der Gegenstand der Untersuchung war hier jedoch, daß ... [er] am 17. Juli 1975 um 12.45 Uhr Bessie Randolph eine Bluttransfusion gab, und die Geschworenen mußten sich mit den Konsequenzen dieses Eingreifens beschäftigen.“

Das Geschworenengericht erhob in der Verhandlung Sachverständigenbeweis über Art und Qualität der Behandlung, die erfolgte, nachdem der Arzt gegen den Wunsch der Patientin eine Transfusion eingeleitet hatte. Somit wurde die Frage der Fahrlässigkeit berührt. Der Richter berichtete: „Das Geschworenengericht kam einstimmig zu dem Ergebnis, daß die Beklagten ... in ihrer Behandlung von Bessie Randolph fahrlässig waren und daß eine solche Fahrlässigkeit die unmittelbare Ursache für ihren Tod war. ... Demgemäß bestätigte das Gericht, daß das einstimmige Urteil der Geschworenen zugunsten des Klägers [Herr Randolph] in der Frage der Haftung von den Beweisen voll getragen war.“

Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Wie das Berufungsgericht entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Doch wie auch immer das Berufungsverfahren ausgehen wird, die Stellungnahme des Richters Bambrick verdient unsere Aufmerksamkeit. Sie stellt klar, was geschehen ist, und sie zeigt, daß die verdrehte Darstellung in der Presse in rechtswidriger Weise die medizinische Meinung manipuliert hat und somit einen Eingriff in die Rechte unschuldiger Patienten darstellt.

Der Fall Doreen Shorter — Lazeration und Perforation des Uterus

Am 11. Januar 1985 wurde ein weiterer Fall entschieden, und zwar vom Obersten Gericht des Staates Washington.2 Dabei ging es ebenfalls um Fahrlässigkeit. Die Berichte in den Medien waren diesmal aber genau und positiv. Sie konzentrierten sich auf einen hilfreichen Schritt, den Zeugen Jehovas unternehmen, um Ärzte und medizinisches Personal von der Sorge um eine mögliche Haftung zu befreien. Die Zeugen unterzeichnen ein Schriftstück, in dem es heißt, daß sie andere nicht für Schäden verantwortlich machen, die sich aus ihrer Verweigerung von Blut ergeben. Selbst wenn jemand kein Zeuge Jehovas ist, steht doch der Fall von Doreen Shorter auch mit seinen Rechten als Patient in Beziehung.

Doreen und Elmer Shorter unterzeichneten ein solches Formular zur Haftungsfreistellung, als sie [Doreen] ins Krankenhaus aufgenommen wurde. Dieses christliche Ehepaar sah sich mit der Diagnose konfrontiert, daß Frau Shorters ungeborenes Kind im Mutterleib nicht mehr lebte und nicht abgestoßen worden war. Aus der Urteilsbegründung des Obersten Gerichts des Staates geht hervor, daß ihr Arzt, Dr. Drury, eine Reinigung des Uterus durch „Dilatation und Kürettage“ empfahl, was eine sorgfältige Ausschabung der Gebärmutterhöhle einschließt.

Das Gericht erklärte: „Die Operation verlief nicht komplikationslos. Ungefähr eine Stunde nach dem operativen Eingriff setzten bei Frau Shorter innere Blutungen ein, und es kam zu einem Schockzustand. Bei einem operativen Eingriff, der von anderen Chirurgen durchgeführt wurde, um die Ursache der Komplikation zu ermitteln, wurde festgestellt, daß Frau Shorters Uterus von Dr. Drury schlimm lazeriert worden war.“ Sie verblutete.

Herr Shorter erhob danach Klage wegen fahrlässiger Tötung und machte geltend, daß der Tod von Frau Shorter unmittelbar durch die Fahrlässigkeit von Dr. Drury verursacht worden sei ... Das Gericht entschied, daß Dr. Drury fahrlässig gehandelt hatte und daß seine Fahrlässigkeit ‚unmittelbar den Tod von Doreen Shorter verursachte‘. Es wurde ein Schadenersatz von 412 000 Dollar zuerkannt.“ Die Geschworenen waren jedoch der Meinung, daß der Standpunkt, den das Ehepaar Shorter eingenommen hatte, zu diesem Ausgang beitrug, und daher wurde die Entschädigung auf 103 000 Dollar herabgesetzt.

Ein bedeutender Streitpunkt war die Rechtsgültigkeit eines Dokuments zur Haftungsfreistellung bei Nichtgebrauch von Blut, das auch das Ehepaar Shorter unterzeichnet hatte. Ist es für Zeugen Jehovas angebracht, ein solches Schriftstück zu unterschreiben?b Ist ein derartiges Dokument für Ärzte und Krankenhäuser ein Schutz? Wird das medizinische Personal dadurch von jeglicher Haftung befreit, einschließlich Fahrlässigkeit (Kunstfehlern) während eines operativen Eingriffs?

Das Oberste Gericht des Staates sagte: „Bei der besonderen Problematik, die entsteht, wenn sich ein Patient aus religiösen Gründen weigert, notwendigen oder ratsamen Transfusionen von Blut zuzustimmen, halten wir die Verwendung eines Formulars zur Haftungsfreistellung, wie es in diesem Fall unterzeichnet wurde, für angebracht. ... Die Alternative, daß Ärzte oder Krankenhäuser Jehovas Zeugen eine Behandlung versagen, ist anstößig in einer Gesellschaft, die versucht, jedem ihrer Glieder medizinische Betreuung zukommen zu lassen.

Wir glauben, daß das hier angewandte Verfahren, freiwillig ein Dokument auszufertigen, das den Arzt, das Krankenhaus und den Patienten schützt, eine angemessene Alternative darstellt und den Interessen der Allgemeinheit nicht widerspricht.“

Dennoch mag die Frage entstehen, wie es sich verhält, wenn ein Chirurg während eines Eingriffs fahrlässig handelt. Ist er für diesen Kunstfehler weiterhin verantwortlich?

Man beachte, was das Gericht weiter ausführte: „Frau Shorter war zwar bereit, die Folgen, die sich aus der Verweigerung einer Bluttransfusion ergeben könnten, auf sich zu nehmen, aber das schloß nicht die Konsequenzen der Fahrlässigkeit von Dr. Drury ein, die nach dem Urteil des Gerichts die unmittelbare Ursache des Todes von Frau Shorter war.“

Es ist erwähnenswert, daß vier der neun Glieder des Obersten Gerichts des Staates der Ansicht waren, daß die Höhe der Entschädigung nicht wegen eines „Mitverschuldens“ herabgesetzt werden sollte. Sie schrieben: „Die von dem Ehepaar Shorter unterzeichnete schriftliche Verweigerung sagt aus, daß beide Dr. Drury bei nicht fahrlässigem Vorgehen von seiner Pflicht, Blut zu verabreichen, befreiten. ... Hätte Dr. Drury den Eingriff ohne Fahrlässigkeit vorgenommen und wäre Frau Shorter dennoch verblutet, dann hätte man den Arzt nicht haftbar machen können.“ Man beachte aber folgendes:

„Den Shorters waren die Risiken der ... [Dilatation und Kürettage] niemals ausführlich erklärt worden; man hatte ihnen weder erklärt, daß dieser Eingriff nach drei Methoden durchgeführt werden kann, noch hatte man ihnen gesagt, daß die Methode, die Dr. Drury anwenden wollte, am ehesten zu einer Perforation des Uterus und zu starken Blutungen führen konnte.“ Folglich vertraten diese Richter die Ansicht: „Dr. Drurys Fahrlässigkeit vergrößerte in hohem Maße die Möglichkeit, daß Frau Shorter verblutete; somit wurde das ‚Maß‘ des Risikos erhöht.“ Nach ihrer Meinung sollte die volle Summe von 412 000 Dollar gewährt werden.

Ärzte und Krankenhausverwaltungen können aus den Fällen Randolph und Shorter erkennen, daß die Gerichte es als „angebracht“ anerkennen, bei der Behandlung von Zeugen Jehovas ein Dokument zur Haftungsfreistellung zu verwenden. Eine schriftliche Ablehnung von Blut durch einen Erwachsenen kann selbst dann respektiert werden, wenn minderjährige Kinder und andersgläubige Verwandte einbezogen sind. Doch in dem Shorter-Gutachten hieß es weiter: „Durch solch eine Haftungsfreistellung werden die Betreffenden jedoch nicht der Verantwortung für ihre eigene Fahrlässigkeit bei der Behandlung des Patienten enthoben.“ Das ist sowohl dem Arzt als auch dem Patienten gegenüber fair.

In den Fällen von Randolph und Shorter trat, wie nachgewiesen wurde, der Tod infolge von Fahrlässigkeit ein. Ein anderer, noch aktuellerer Fall nahm jedoch einen besseren Verlauf.

Der Fall Jackson — Mutter und Tochter sind wohlauf

Im Februar 1984 setzten bei Ernestine Jackson nach 26 Schwangerschaftswochen die Wehen ein. Die Ärzte des Mercy Hospital in Baltimore (Maryland, USA) stellten fest, daß wegen eines früheren Eingriffs und aufgrund der Lage des Fetus das Risiko einer Ruptur des Uterus bestand. Sie empfahlen eine Kaiserschnittentbindung. Herr und Frau Jackson willigten ein; sie baten aber darum, daß kein Blut transfundiert werde. Beide wollten sich an den christlichen Glauben der Zeugen Jehovas halten, mit denen sie die Bibel studierten.

Nach Ansicht der Ärzte des katholischen Krankenhauses benötigte Frau Jackson zu 50 Prozent eine Bluttransfusion. Als sie „sich standhaft weigerte, einen Kompromiß einzugehen“, beantragte das Krankenhaus beim Kreisrichter Greenfeld die Bestellung eines „Pflegers“, damit dieser die Transfusion erlaube. Nach einer Anhörung am Krankenbett lehnte Richter Greenfeld den Antrag des Krankenhauses ab.

„Was geschah weiter?“ mag man sich fragen. Nun, die Ärzte nahmen den Kaiserschnitt vor, ohne die Erlaubnis zu haben, Blut zu verwenden. Es wurde kein Blut benötigt. Sowohl Mutter als auch Tochter überstanden die Operation und konnten später das Krankenhaus verlassen. Ihnen geht es immer noch gut.

Damit schien der Fall abgeschlossen zu sein. Aber es kam anders. Das Krankenhaus machte die folgende Frage zum Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens: „War ... der Richter im vorliegenden Fall im Unrecht, als er entschied, daß eine geschäftsfähige Schwangere ein höheres Recht zur Verweigerung einer Bluttransfusion aufgrund ihrer religiösen Ansichten hat?“

Das Gericht von Maryland, das für besondere Berufungsverfahren zuständig ist,3 erklärte, die Frage sei nicht mehr dringend, da Frau Jackson und ihr Kind die Operation überstanden hätten, ohne daß Blut benötigt worden sei. Diese Instanz verneinte das Rechtsschutzbedürfnis wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage jedoch nicht.

Das Gericht stellte fest, daß das Mercy Hospital geltend machte, es werde unter der Leitung eines katholischen Ordens geführt und widme sich der Erhaltung des Lebens. Doch das Gericht sagte, das Mercy Hospital könne „mit dem Argument, Frau Jacksons religiöse Überzeugung sei zum Nachteil des Krankenhauses respektiert worden, nicht gehört werden. ... Religionsfreiheit schließt das Recht ein, seiner religiösen Überzeugung ohne Einmischung von religiöser oder nichtreligiöser Seite oder seitens der Regierung zu folgen.“

Wie steht es mit dem Interesse des Staates? „Der Bundesstaat Maryland ... griff in dieses Berufungsverfahren ein, indem er als sachverständiger Berater des Gerichts einen Schriftsatz einreichte und trotz der Einwendungen des Mercy Hospital darauf hinwies, daß das Interesse des Staates an der Bewahrung des Lebens nicht notwendigerweise absolut ist.“ Des weiteren bemerkte das Gericht, das Gesetz des Staates Maryland enthalte „das ausdrückliche rechtliche Gebot, daß der Wille des Patienten hinsichtlich der anzuwendenden Heilbehandlung vorrangig ist. Die Gesetzesvorschrift geht so weit, zu sagen, daß in letzter Konsequenz der Patient selbst entscheidet, ob eine Behandlung überhaupt erfolgen soll.“

Bemerkenswert ist, zu welchem Schluß das Gericht kam: „Richter Greenfeld sagte bei der Ablehnung des Antrages des Mercy Hospital auf Bestellung eines Pflegers für Frau Jackson: ‚Das Gericht ist der Ansicht, daß eine geschäftsfähige volljährige Schwangere ein vorrangiges Recht hat, entsprechend ihrer religiösen Überzeugung eine Bluttransfusion zu verweigern, wenn eine solche Entscheidung bewußt und freiwillig getroffen wird und dadurch die Entbindung, das Überleben oder das Austragen der Leibesfrucht nicht gefährdet ist. Diese Schlußfolgerung ist mit dem Recht des Patienten auf eine nach hinreichender Aufklärung gegebene Einwilligung in eine medizinische Behandlung ... und dem sich daraus ergebenden Recht, in eine medizinische Behandlung nicht einzuwilligen, ... in Übereinstimmung.‘ Das Gericht stimmt dem zu. URTEIL BESTÄTIGT“ (4. April 1985).c

Diese Fälle sind wirklich von Bedeutung. Sie unterstreichen, daß ein jeder von uns das Recht hat, über eine medizinische Behandlung zu entscheiden, und daß sich in unserer Entscheidung tiefste religiöse oder ethische Überzeugungen widerspiegeln können. Ärzte und Krankenhausverwaltungen können des weiteren daraus erkennen, daß sie ohne Bedenken unterschiedslos allen die gewünschte medizinische Betreuung zukommen lassen können. Dabei werden sie feststellen, daß sich Zeugen Jehovas als dankbare Patienten erweisen, die zur Zusammenarbeit bereit sind und deren starker Lebenswille wesentlich zu ihrer Genesung beiträgt.

[Quellenangaben]

1. Randolph gegen die Stadt New York, N.Y.L.J., 12. Okt. 1984, at 6, col. 4 (N.Y. Sup. Ct. 1. Okt. 1984).

2. Shorter gegen Drury, 103 Wash. 2d 645, 695 P.2d 116 (1985).

3. Mercy Hospital, Inc. gegen Jackson, 62 Md. App. 409, 489 A.2d 1130 (Md. Ct. Spec. App. 1985).

4. St. Mary’s Hospital gegen Ramsey, 465 So. 2d 666 (Fla. Dist. Ct. App. 1985).

[Fußnoten]

a Eine Abhandlung über die religiösen und ethischen Gründe enthält die Broschüre Jehovas Zeugen und die Blutfrage (1977), herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft.

b In der Mustersammlung Medicolegal Forms With Legal Analysis (1976), Seite 85 stellt die Medizinische Gesellschaft Amerikas ein Formular zur Haftungsfreistellung zur Verfügung. Jehovas Zeugen haben von diesem Formular weitgehend Gebrauch gemacht.

c Am 27. März 1985 gelangte das Vierte Bezirksberufungsgericht von Florida zu einer ähnlichen Entscheidung.4 Es bestätigte, daß ein 27jähriger Mann, obwohl er ein minderjähriges Kind versorgen mußte, das Recht hatte, in einer lebensbedrohlichen Situation eine Transfusion zu verweigern. Außerdem wurde gesagt: „Bluttransfusionen sind überdies nicht ohne Risiko, und das Gericht nimmt Kenntnis von den möglichen nachteiligen Folgen einer Transfusion verunreinigten Blutes, die für den Empfänger schrecklich sein mögen.“

    Deutsche Publikationen (1950-2025)
    Abmelden
    Anmelden
    • Deutsch
    • Teilen
    • Einstellungen
    • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
    • Nutzungsbedingungen
    • Datenschutzerklärung
    • Datenschutzeinstellungen
    • JW.ORG
    • Anmelden
    Teilen