Ein Rettungssanitäter erzählt
AN EINEM Sonntagvormittag ging bei den Rettungssanitätern der Feuerwehr von Huntington Beach in Kalifornien ein Hilferuf ein. Am andern Ende der Telefonleitung schrie jemand verzweifelt: „Kommen Sie schnell! Mein Mann stirbt!“ Als mein Kollege und ich am Ort des Notfalls eintrafen, war überall in der Wohnung Blut verspritzt, und am Boden lag ein Mann, der die Hände auf den Hals preßte. Mit jedem Herzschlag spritzte arterielles Blut heraus. Was war geschehen? Er war im Wirtshaus gewesen, und als er heimkam, verprügelte er seine Frau, worauf sie nach einem über 20 Zentimeter langen Fleischmesser griff und es ihm in den Hals stieß. Dabei verletzte sie die Halsschlagader, die das Gehirn mit Blut versorgt. In panischer Angst war er dann durch die ganze Wohnung gerannt.
Jetzt krümmte und wand er sich auf dem Boden. Er glaubte, mit ihm gehe es zu Ende. Ich klemmte die Halsschlagader ab und begann, in jeden der beiden Arme Ringerlactatlösung zu transfundieren, um das Blutvolumen aufzufüllen. Dann rasten wir mit ihm ins Krankenhaus. Da es Sonntag war, hatte der Chirurg im Operationssaal fast keine Hilfe. Ich sprang ein. Er nahm aus dem Bein des Patienten ein Stück Vene und setzte es in die Halsschlagader ein. Der Mann überlebte.
Während meiner Tätigkeit als Rettungssanitäter befriedigte es mich immer sehr, Menschen aus Lebensgefahr zu retten. Ein besonders großer Segen aber war es, daß mich das, was ich bei dieser Arbeit erlebte, in bezug auf eine andere lebenrettende Tätigkeit wachrüttelte. Sie ist noch weit wichtiger, weil es dabei um Millionen Leben, auch um mein eigenes, geht.
Als ich fünf Jahre alt war, wurde mein Vater Zeuge Jehovas und begann, mich und meine beiden Brüder entsprechend zu erziehen. Doch im Alter von 16 Jahren wurde ich ziemlich aufsässig und fühlte mich als Zeuge Jehovas zu sehr eingeengt. Kurz bevor ich 17 wurde, erklärte ich meinem Vater, nicht mehr in die Zusammenkünfte und auch nicht mehr von Haus zu Haus predigen gehen zu wollen.
Darauf mußte ich mich mit ihm hinsetzen, und er versuchte, mir anhand der Bibel klarzumachen, daß die Liebe zu Jehova das Wichtigste in seinem Leben war. Er sagte, solange ich in seinem Hause wohnen würde, erwarte er von mir, die Zusammenkünfte zu besuchen und predigen zu gehen. Ich konnte nicht verstehen, daß jemand diesen Gott Jehova mehr liebte als seine Kinder. So zog ich zu Hause aus und wohnte von da an bei einem Schulfreund.
Nach der High-School konzentrierte ich mich darauf, Dinge zu erwerben, die mir wichtig erschienen. Auch ging ich weiterhin mit einem jungen Mädchen, das schon in der High-School meine Freundin war. Mit 19 glaubte ich nicht nur, alles zu wissen, sondern auch ehereif zu sein. Deshalb heiratete ich Pam, meine Jugendliebe. Wir sind jetzt 15 Jahre verheiratet und haben zwei Töchter. Als ich in die reiferen Jahre kam, erkannte ich, daß es noch etwas anderes als das gegenwärtige Leben geben muß. Wie würde die Welt in fünf oder zehn Jahren für die beiden Mädchen aussehen, die ich in die Welt gesetzt hatte? Was würde ihnen das gegenwärtige System der Dinge bieten? Was konnte ich ihnen bieten?
Ich kündigte bei dem Chef der Schlosserei, in der ich arbeitete, und zwar wegen der langen Arbeitszeit und der geringen Aufstiegschancen, und wurde Feuerwehrmann. Bei der Feuerwehr hatte ich jeweils 24 Stunden Dienst und dann einen ganzen Tag frei. Ich hatte also mehr freie Zeit, als mir lieb war.
Deshalb kam ich auf den Gedanken, mir an diesen freien Tagen etwas hinzuzuverdienen, so daß ich noch einiges anschaffen könnte. Ich nahm daher zusätzlich eine Stelle auf dem Bau an. Von da an arbeitete ich 24 Stunden als Feuerwehrmann und dann einen ganzen Tag auf dem Bau. Das bedeutete, daß ich jeweils 34 Stunden von zu Hause weg war. Verständlicherweise belastete das meine Ehe.
Zu jener Zeit führte die Feuerwehr der Stadt Huntington Beach ein neues Programm ein: das Rettungssanitäterprogramm. Ich meldete mich, und in den darauffolgenden acht Monaten besuchte ich in der Irvine-Klinik der Universität von Kalifornien einen Schulungskurs. Alles, was wir in den Unterrichtsstunden — täglich 16 — lernten, war auf die Notfallmedizin ausgerichtet. Speziell ausgebildete Ärzte, sogenannte Unfallchirurgen oder Traumatologen, brachten uns bei, was man — nicht im keimfreien OP-Saal eines Krankenhauses, sondern in ausgebrannten Häusern, kaputtgefahrenen Autos, schmutzigen Gassen, rauchgeschwängerten Kneipen, auf unbebauten Grundstücken oder sonstwo — in lebensbedrohlichen Situationen tun muß. Ich verbrachte viele Stunden in Not-OP-Sälen und schaute den Chirurgen zu, die Operationen am offenen Herzen ausführten oder an der offenen Lunge oder übel zugerichtete Leiber wieder in Form brachten.
Während meiner Ausbildung wurde mir klar, wie zerbrechlich das Leben ist. Ich begann über das nachzudenken, was mich mein Vater in bezug auf Gott, den Schöpfer, gelehrt hatte. Auch mußte ich immer wieder an die ehrfurchtsvollen Worte des Psalmisten David denken: „Ich [bin] auf furchteinflößende Weise wunderbar gemacht“ (Psalm 139:14). Allmählich begann ich, etwas von der göttlichen Weisheit und Gestaltungskraft zu erahnen, die der menschliche Körper verrät — aber auch die Tiere, die Pflanzen, die Erde und die Milliarden von Galaxien mit ihren Billionen von Sternen.
Und nachdem mir das alles klargeworden war, fiel mir vieles wieder ein, was mein Vater mir eingeprägt hatte. Ich dachte an Situationen — Jahre nachdem ich zu Hause ausgezogen war —, in denen ich ihn gebraucht hatte. Er war stets für mich dagewesen — liebevoll, gütig. Er hatte mich nie aufgegeben, vielmehr hatte er immer dafür gesorgt, daß ich, ganz gleich, wo ich wohnte, die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! bekam. Aus meiner Erfahrung habe ich vor allem eins gelernt: Man darf seine Kinder nie, nie, gar nie aufgeben. Man weiß nie, ob es bei ihnen nicht plötzlich klickt wie beim verlorenen Sohn in Jesu Gleichnis (und wie bei mir) und sie zurückkommen und Jehova wieder dienen (Lukas 15:11-24).
Als ich den achtmonatigen Rettungssanitäterkurs beendet hatte, unternahm ich mit meiner Familie eine zweimonatige Urlaubsreise. In diesen zwei Monaten wurde unser gestörtes Verhältnis wieder einigermaßen wie früher. Ich verliebte mich buchstäblich von neuem in meine Frau. Ich sah ein, daß ich sie vernachlässigt hatte, und mir wurde klar, daß es für einen Mann nichts Kostbareres gibt als eine Frau, die ihn liebt und unterstützt. Ferner wurde mir klar, daß man seinen Kindern nichts Wertvolleres geben kann als sich selbst.
Nach unserer Urlaubsreise sagte ich zu meiner Frau, daß wir als Familie die Bibel studieren sollten und daß ich es gern hätte, wenn ein Zeuge Jehovas das mit uns tun würde. Pam hatte in ihrer Jugend gelernt, Jehovas Zeugen zu hassen. Deshalb war ich überrascht und auch erfreut, als sie sofort einverstanden war. Wir begannen zu studieren, und ein Jahr später, 1974, ließen wir uns taufen.
Ich habe erzählt, daß ich während meiner Ausbildung zu der Erkenntnis kam, daß das Leben sehr zerbrechlich ist, aber als ich dann meinen Beruf als Rettungssanitäter ausübte, beeindruckte mich die Zähigkeit des menschlichen Körpers immer wieder sowie seine Fähigkeit, Kräfte zu mobilisieren, um die furchtbarsten Verletzungen zu heilen.
Um einen solchen Fall handelte es sich bei dem Mann, von dem ich eingangs erzählte, dessen Frau mit dem Messer auf ihn losgegangen war. Wie erwähnt, überlebte er, aber er konnte nicht mehr richtig sprechen und war rechtsseitig gelähmt. Die Ursache: Sein Gehirn war nicht ausreichend mit Blut versorgt worden. Als er auf dem Weg der Genesung war, besuchte ich ihn einmal. Es kam öfter vor, daß ich Leute, denen ich geholfen hatte, wieder aufsuchte. Das gab mir Gelegenheit, ihnen Zeugnis von unserer Hoffnung in Verbindung mit dem Königreich Gottes zu geben. Ich erklärte dem Mann, daß seine jetzige Genesung nur eine zeitweilige sei, daß er aber hier, auf der Erde, unter der Herrschaft des Königreiches für immer ganz gesund werden könne. Meine Frau und ich studierten mit diesem Ehepaar vier Monate lang die Bibel. Doch schließlich trennten sich die beiden. Wir haben jedoch erfahren, daß der Mann noch mit Jehovas Zeugen studiert.
Ein anderes Mal wurde ich bei einem Badeunfall gerufen. Als wir am Unfallort eintrafen, hatte ein Nachbar soeben ein siebenjähriges Mädchen aus einem Schwimmbecken gezogen. Ihr Puls war nicht mehr tastbar, und sie atmete nicht mehr. Medizinisch wird das als klinischer Tod bezeichnet. Doch der biologische Tod war noch nicht eingetreten. Der Lebensfunke war noch in ihr. Wir gaben ihr eine Infusion und injizierten Herzmittel, auch versuchten wir, durch Stromstöße das Herz wieder zum Schlagen zu bringen.
Dann kamen ihre Eltern. Beide wurden hysterisch und mußten festgehalten werden. Wir setzten die Wiederbelebungsversuche 22 Minuten fort, aber ohne Erfolg. Wir bleiben immer mit einem Arzt des Krankenhauses, dem wir angeschlossen sind, telefonisch in Verbindung, und in diesem Fall sagte er, wir sollten aufhören und sie ins Krankenhaus bringen. Aber wir hatten das Gefühl, fast am Ziel zu sein, und erhielten vom Arzt das O. K., mit den Wiederbelebungsversuchen noch eine Zeitlang fortzufahren.
So machten wir mit der kardiopulmonalen Reanimation weiter. Ich gab dem Mädchen eine Spritze direkt ins Herz. Und es begann, ganz schwach zu schlagen. Wir setzten die Beatmung fort, und als das Herz kräftiger schlug, fing das Mädchen auch selbst wieder an zu atmen. Sie war gerettet! Allerdings hatte das Gehirn etwas gelitten, was sich auf die Beine auswirkte, doch weil sie noch so jung war, führte die Rehabilitation zum Erfolg, und jetzt, sieben Jahre später, ist alles in Ordnung.
Einmal ging ich wie gewohnt mit der Königreichsbotschaft von Tür zu Tür. In einem Haus schrie mich eine Frau wütend an und befahl mir, sofort wegzugehen, lief hinter mir her bis auf die Straße und schimpfte die ganze Zeit. Dort wandte ich mich um und fragte sie: „Hatte nicht vor sechs Monaten in diesem Haus ein Säugling einen Atemstillstand, so daß man dachte, er sei tot?“ Sie schaute mich überrascht an. Ganz sanft fragte sie: „Woher wissen Sie das?“
„Ich bin der Sanitäter, der dem Kind das Leben gerettet hat.“
Das sagte ich nicht, um sie zu beschämen, sondern um ihr vor Augen zu führen, daß Jehovas Zeugen der Allgemeinheit gute Dienste leisten und nicht, wie sie behauptet hatte, aufdringlich sind und die Leute am Wochenende belästigen. Sie bat mich, mit ihr in die Wohnung zurückzugehen. Wir unterhielten uns etwa 20 Minuten über die Tätigkeit der Zeugen Jehovas und den Grund unserer Hausbesuche. Ich ließ ihr je eine Ausgabe der beiden Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! zurück.
Etwas Ähnliches passierte meiner Frau, als sie mit der Königreichsbotschaft von Tür zu Tür ging. Sie wollte einen älteren Mann ansprechen, doch dieser fauchte sie an: „Ich brauche nichts. Machen Sie, daß Sie hier wegkommen!“ Währenddessen sprach ich in einem anderen Haus vor. Als ich mich mit Pam wieder traf und wir den Weg gemeinsam zurückgingen, erzählte sie mir den Vorfall. Dabei kamen wir am Haus dieses Mannes vorbei. Er stand vor der Haustür. Ich erkannte ihn. Seine Frau hatte einen schweren Schlaganfall erlitten und war beinahe gestorben. Ich war der Rettungssanitäter, der auf seinen Hilferuf hin gekommen war. Mit meiner Frau an meiner Seite ging ich zu ihm hin und fragte: „Wie geht es denn Ihrer Frau?“ Auch stellte ich ihm meine Frau vor. Er sollte ruhig wissen, daß es meine Frau war, die er so grob behandelt hatte, und daß auch ich mich an diesem biblischen Erziehungswerk beteiligte. Das brachte ihn zum Nachdenken, und er entschuldigte sich bei Pam.
Ein anderes Mal, als ich in einem Haus vorsprach, kam eine Frau an die Tür. Ich stellte mich mit Namen vor und begann zu sprechen. „Moment!“ unterbrach sie mich. „Sie sind Larry Marshburn! Ich erinnere mich an Sie. Sie haben meinen Mann aus einem brennenden Flugzeug gezogen.“ Dann fuhr sie fort: „Sie waren so nett zu mir und beruhigten mich, indem Sie sagten, mein Mann werde überleben und alles werde wieder gut.“ Er überlebte, doch hatte er schwere Brandverletzungen erlitten. Sie hatte meinen Namen nicht vergessen. Es war ein sehr netter Besuch, und sie nahm auch biblische Schriften entgegen.
Ähnliches habe ich schon häufig erlebt, aber nicht nur im Predigtdienst. Ich bin schon in Geschäften und auf der Straße angesprochen worden: „Sie haben mein Töchterchen wiederbelebt“ oder: „Sie haben meine Mutter gerettet“ oder was für eine Situation es gewesen sein mag. Das befriedigt einen sehr.
Allerdings muß ich gestehen, daß nicht alle Fälle befriedigend sind. Bei einem Einsatz umklammerte die Patientin meinen Arm und sagte: „Ich werde sterben.“ Der klinische Tod trat auch ein. Mein Kollege und ich begannen mit der kardiopulmonalen Wiederbelebung. Ab und zu fing das Herz an zu schlagen, hörte dann aber wieder auf. Drei Stunden lang arbeiteten wir an ihr, und schließlich gelang es uns, sie wieder zurückzuholen. Ihre ersten Worte waren: „Sie hätten mich sterben lassen sollen.“ „Das darf nicht wahr sein!“ entfuhr es mir. Sie war alt, krank und lebensmüde. Wir überführten sie ins Krankenhaus. Sie hatte einen solchen Herzschaden, daß man ihr einen Herzschrittmacher einsetzen mußte. Soweit ich weiß, lebt sie immer noch.
Ein anderes Mal waren drei Feuerwehrleute schneller am Ort des Notfalls als ich. Sie saßen im Wohnzimmer und hatten feuchte Augen. Einer von ihnen deutete wortlos auf die Küche. Ein älteres Ehepaar lag auf dem Boden — beide tot. Der Mann war beinamputiert. Die beiden hatten sich das Leben genommen. Die Frau hatte sich auf den Boden gelegt, unter den Kopf ein Kissen geschoben und das Gesicht von ihrem Mann abgewandt; er hatte ihr dann einen Schuß in den Hinterkopf gegeben. Darauf hatte er sich neben sie gelegt, den Arm um sie geschlungen, die Waffe auf seinen Kopf gerichtet und abgedrückt. Aus dem hinterlassenen Brief an ihre Kinder ging hervor, daß sie sich liebten, aber mit ihren wirtschaftlichen und gesundheitlichen Problemen nicht mehr fertig wurden und lebensmüde waren. Deshalb hatten sie beschlossen, gemeinsam zu sterben. Eine erschütternde Tragödie! Kein Wunder, daß die Feuerwehrleute feuchte Augen hatten.
In den fünf Jahren, in denen ich als Rettungssanitäter tätig war (jetzt halte ich überall in den Vereinigten Staaten Vorträge über Feuerschutz, doch ein paarmal monatlich arbeite ich noch im Rettungsdienst), habe ich 70 bis 80 Menschen sterben sehen. Die meisten klammerten sich an das Leben und wollten nicht sterben. Das habe ich so häufig beobachtet.
Wenn ich die Augen schließe, sehe ich noch heute den jungen Mann vor mir, der in seinem Auto eingeklemmt war, das sich überschlagen hatte und brannte. Ich kroch durch das Fenster und umfaßte ihn nur. Seine vor Schreck geweiteten Augen flehten mich an, ihn zu retten. Ich wußte, daß er sterben würde. Ich wußte etwas, was ihm unbekannt war — die untere Körperhälfte war irreparabel verletzt. Wir konnten ihn nicht herausziehen. Ich nahm seinen Kopf in meine Hände und sprach mit ihm, bis er starb.
Bei meiner Arbeit werde ich auch immer wieder Zeuge eines furchtbaren Drogenmißbrauchs. Ich kann mich erinnern, daß wir wiederholt zu Personen gerufen wurden, die das Rauschgift Phencyclidin (PCP), allgemein als Engelsstaub bekannt, genommen hatten. Dieses Rauschgift ruft Geistesstörungen hervor und führt zu plötzlichen Gewaltausbrüchen.
Einmal wurden wir um ein Uhr nachts von der Mutter eines jungen Mannes alarmiert. Er hatte auf nichts mehr reagiert. Als wir bei ihr eintrafen, saß er im Wohnzimmer auf der Couch. Er war etwa 1,75 Meter groß und wog vielleicht 60 Kilogramm. Zwei Polizisten waren bereits anwesend und schrieben auf, was die Mutter zu Protokoll gab.
Mein Kollege und ich versuchten, den Sohn anzusprechen, aber er war „weg“, halluzinierte. Sein Blick war starr, Arme und Beine hielt er steif ausgestreckt. Dreißig Minuten saß er so da. Setz dich einmal auf einen Stuhl, und versuche, Arme und Beine nur drei Minuten ausgestreckt zu halten, und dann stell dir vor, daß er das zehnmal so lange tat. Wir begannen, Blutdruck, Herzschlag, Atmung usw. zu überprüfen. Sein Zustand war stabil; er befand sich anscheinend nicht in Gefahr. Deshalb beschlossen wir, mit ihm ins Krankenhaus zu fahren. Zu dem Zeitpunkt wußten wir noch nicht, was für eine Droge er genommen hatte, aber einer der Polizisten vermutete PCP.
Der Krankenwagen kam, und so standen sechs Hilfspersonen zur Verfügung. Als wir ihn nehmen und auf die Trage legen wollten, wurde er gewalttätig. Er schüttelte uns alle von sich ab. Ich stand hinter ihm und hatte den Arm um seinen Hals gelegt, doch er langte einfach nach mir, packte mich am Hemd und warf mich buchstäblich über seinen Kopf hinweg zu Boden. Ich bin 1,83 Meter groß und wiege 85 Kilogramm, aber er schleuderte mich zu Boden, als sei ich ein Fünfpfünder. Schließlich gelang es uns, ihn festzuhalten, ihm Handschellen anzulegen und ihn auf die Trage zu schnallen. Er lebte. PCP führt gewöhnlich nicht zum Tod, aber durch den ständigen Konsum dieser Droge kann, wie ein Pharmakologe sagte, der sich besonders damit beschäftigt hatte, das Gehirn „blau“ (dieses Wort gebrauchte er) werden. In diesem Zustand ist der Betreffende unfähig, zu sprechen oder selbständig zu denken.
Ein anderes Mal wurden wir, mein Kollege und ich, von der Polizei zu einer wilden Strandparty gerufen. Die Polizisten, die vor uns dort eingetroffen waren, versuchten, einen Mann zu bändigen, der PCP genommen hatte. Mit unserer Hilfe gelang es ihnen schließlich, ihm Handschellen anzulegen. Die Handschellen der Polizei sind stabil; eine starke Eisenkette verbindet die beiden Metallringe, die um die Handgelenke gelegt werden. Der junge Mann geriet in eine solche Wut, daß er die Kette zerriß, die die Metallringe verband. Die zwei Polizisten und wir beide konnten nichts anderes tun, als ihn auf den Boden zu zwingen. Erst als einer der Polizisten seinen Knüppel gebrauchte, gelang es, den Mann zu überwältigen. Sie legten ihm dann zwei Handschellen an, und wir fuhren mit ihm ins Krankenhaus.
Diese beiden Fälle zeigen deutlich, daß PCP zu solch ungeheuren Gewaltausbrüchen führen kann, daß man es erlebt haben muß, um es glauben zu können. Und selbst wenn man es mit eigenen Augen sieht, kann man es kaum glauben.
Auch mit Heroinsüchtigen hatten wir wiederholt zu tun. Heroin beeinträchtigt die Funktion des zentralen Nervensystems und kann einen Atemstillstand bewirken. In einem Fall hatte ein Heroinabhängiger einen Kollaps erlitten. Seine Kumpane — alle „high“ — standen um ihn herum. Die Nadel steckte noch in seinem Arm. Er atmete nicht mehr und wurde schon blau. Ich gab ihm eine Infusion, und mein Kollege schob ihm einen Schlauch in den Hals, so daß wir ihn beatmen konnten. Allmählich bekam er wieder eine normale Farbe, und darauf verabreichten wir ihm etwas „Narcan“, ein Narkotikaentwöhnungsmittel. Es hebt die Wirkung des Heroins fast sofort auf. (Gegen PCP gibt es kein solches Mittel.) Nach wenigen Sekunden war der Mann wieder da. Als die anderen Süchtigen es sahen, suchten sie uns das „Narcan“ zu entreißen. Sie wollten es haben, weil sie dachten, der Heroinkonsum sei für sie dann ungefährlicher.
Junge Leute wollen einfach nicht glauben, daß die durch Rauschmittel verursachten seelischen und körperlichen Schädigungen fünf bis zehn Jahre nach der Entwöhnung noch vorhanden sein mögen. Man kann ihnen die Gefahr noch so eindringlich vor Augen führen, sie glauben es nicht, weil sie es nicht glauben wollen. Vielleicht würden ihnen die Augen aufgehen, wenn sie nur einen Tag mit mir in die Psychiatrische Abteilung des UCI-Krankenhauses in Kalifornien gehen und sich dort die Leute ansehen würden, die viele Jahre drogenabhängig gewesen sind. Jetzt leiden sie an Paranoia (sich in festen Wahnvorstellungen äußernde Geisteskrankheit) oder an Katatonie (eine Form der Schizophrenie). Ich habe Personen gesehen, die über 1 000 LSD-Trips hinter sich hatten, aber eigentlich kann man sie nicht mehr als Menschen bezeichnen. Sie sind schwachsinnig und vegetieren nur noch so dahin.
Rettungssanitäter und Zeuge Jehovas zu sein ist eine wundervolle Kombination. Als Rettungssanitäter leiste ich Notfallpatienten Erste Hilfe, und manchmal kann ich sogar klinisch Tote wiederbeleben. Es ist eine befriedigende Tätigkeit. Noch mehr befriedigt es mich aber, Menschen mit den Wahrheiten über Jehovas Königreich unter Christus bekannt zu machen, ihnen in geistiger Hinsicht Hilfe zu leisten und ihnen beizustehen, geistig lebendig zu werden. Die guten Taten, die man als Rettungssanitäter vollbringt, sind temporär; doch das, was man in geistiger Beziehung an Gutem vollbringt, kann auf einer paradiesischen Erde ewig währen. Bei meiner Tätigkeit als Rettungssanitäter sehe ich viele Menschen leiden; bei meiner Tätigkeit als Zeuge Jehovas kann ich den Leuten erklären, wie alle Leiden ein Ende nehmen und wie die Menschen mit Gesundheit, Glück und ewigem Leben gesegnet werden. Es schmerzt mich zutiefst, all die Trauer, das Leid und das Sterben zu sehen; dagegen erfüllt es mich mit Freude, wenn ich an folgende Verheißung Jehovas denke:
„Das Zelt Gottes ist bei den Menschen, und er wird bei ihnen weilen, und sie werden seine Völker sein. Und Gott selbst wird bei ihnen sein. Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch wird Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz mehr sein. Die früheren Dinge sind vergangen“ (Offenbarung 21:3, 4).
Wie froh bin ich, so wie der verlorene Sohn zur Vernunft gekommen und zu meinem himmlischen Vater, Jehova Gott, zurückgekehrt zu sein! (Erzählt von Larry Marshburn.)
„Und alles Volk suchte ... [Jesus] anzurühren, weil Kraft von ihm ausging und sie alle gesund machte“ (Lukas 6:19).
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Während meiner Ausbildung wurde mir klar, wie zerbrechlich das Leben ist.
[Herausgestellter Text auf Seite 7]
Ich gab dem Mädchen eine Spritze direkt ins Herz. Und es begann, ganz schwach zu schlagen.
[Herausgestellter Text auf Seite 8]
„Hatte nicht vor sechs Monaten in diesem Haus ein Säugling einen Atemstillstand, so daß man dachte, er sei tot?“
[Herausgestellter Text auf Seite 8]
Ich nahm seinen Kopf in meine Hände und sprach mit ihm, bis er starb.
[Herausgestellter Text auf Seite 9]
Er langte einfach nach mir, packte mich am Hemd und warf mich buchstäblich über seinen Kopf hinweg zu Boden.
[Herausgestellter Text auf Seite 10]
Er geriet in eine solche Wut, daß er die Kette zerriß, die die Metallringe verband.
[Bilder auf Seite 11]
Bei meiner Tätigkeit als Rettungssanitäter sehe ich viele Menschen leiden; bei meiner Tätigkeit als Zeuge Jehovas kann ich den Leuten erklären, wie alle Leiden ein Ende nehmen werden.