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Die verschiedenen Formen der GeisteskrankheitErwachet! 1975 | 8. Oktober
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unter diesen Patienten so viele ihrem Leben ein Ende machen. Die Zahl der Selbstmörder unter ihnen ist 36mal höher als unter der Bevölkerung im allgemeinen. Depressive Patienten glauben oft, völlig wertlos zu sein oder sich schwer verschuldet zu haben. Sie sind weder an Nahrung noch an Kleidung, noch an dem anderen Geschlecht interessiert. Oftmals sind das auch die Symptome eines Zustandes, der im Volksmund die Bezeichnung „Nervenzusammenbruch“a führt. Bei Frauen treten Depressionen häufiger auf als bei Männern.
Die schwerere Form der Depression wird „depressive Psychose“ genannt. Viele dieser Patienten wechseln zwischen Phasen, in denen sie in gehobener Stimmung und rastlos tätig sind, und Phasen tiefer Niedergeschlagenheit. Dieses „Auf und Ab“ nennt man „manisch-depressiv“. Die Patienten neigen dazu, aggressiv und zerstörungswütig zu sein. Während der „manischen Phase“ kommt es bei ihnen gelegentlich zu einer Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit.
Die Schizophrenien
Die Schizophrenie ist eine der schwersten und am weitesten verbreiteten Geisteskrankheiten. Auch von dieser Krankheit gibt es viele Formen. Deshalb sprechen die Psychiater oft von Schizophrenien. In den Vereinigten Staaten handelt es sich bei den hospitalisierten psychisch Kranken größtenteils um Schizophrene. Treffend hat jemand das Wort geprägt: „Herzversagen verursacht die meisten Todesfälle, die Schizophrenie das meiste Herzeleid.“
Etwa drei Prozent der Weltbevölkerung werden sich irgendeinmal während ihres Lebens — vorwiegend zwischen dem 16. und 30. Lebensjahr — mehr oder weniger schizophren verhalten. Mit Recht gilt die Schizophrenie als eine Krankheit, die wie kaum eine andere „den Zerfall der psychischen Persönlichkeit und Lebensuntauglichkeit zur Folge hat“. Auch soll sie „eines der fürchterlichsten Erlebnisse sein, die ein Mensch haben kann“.
Viele Schizophrene meiden die Umwelt und ziehen sich in eine innere Phantasiewelt zurück. Es treten Halluzinationen auf und/oder andere Täuschungen. Die Funktion ihrer Sinne und Gefühle sowie ihre Verhaltensweise verändern sich. Menschen und Gegenstände mögen dem Patienten merkwürdig erscheinen; die Nahrung mag komisch schmecken; Gerüche mögen ihn anwidern; Geräusche mögen ihm unerträglich laut oder kaum hörbar erscheinen. Der Schizophrene mag auch unter Depressionen, Spannungen und Müdigkeit leiden. Eine der schweren Formen von Schizophrenie ist die paranoide Schizophrenie. Diese Form von Geistesgestörtheit ist verbunden mit Wahnideen, wie Größenwahn und Verfolgungswahn, ferner ist der Patient oft feindselig. Eine weitere Form der Schizophrenie ist die Katatonie. Bei diesem Typ kommt es zu dem sogenannten Stupor: Der Patient kann nicht mehr sprechen und/oder seine Glieder nicht mehr bewegen.
Wer an einer Form von Schizophrenie leidet, ist gewöhnlich für die Menschen seiner Umgebung eine weit geringere Gefahr als für sich selbst. So erklärte ein Psychiater, daß es in einem Stadtviertel, in dem nur Schizophrene wohnen würden, zu weit weniger Gewalttätigkeiten kommen würde als in einem Wohnviertel mit „normaler“ Bevölkerung. Aber unter den Schizophrenen ist die Zahl der Selbstmorde zwanzigmal höher als unter der übrigen Bevölkerung. Schätzungsweise heilt bei einem Drittel der an Schizophrenie Leidenden die Krankheit spontan, bei einem Drittel bleibt der Zustand unverändert, und bei einem Drittel verschlimmert er sich.
Es muß jedoch erwähnt werden, daß der Schizophrene im allgemeinen während des größten Teils seines Lebens nicht wirklich geistesgestört ist. Schizophrene haben schon Hervorragendes geleistet.
Überaktive und autistische Kinder
Geistige und psychische Störungen treten auch schon bei kleinen Kindern auf. Ein modernes Leiden, von dem immer mehr Kinder befallen werden, ist die Hyperkinese (Überaktivität). Kinder, die daran leiden, wollen sich immer betätigen. Sie sind unstet, schwierig und können sich nur ganz kurze Zeit konzentrieren; sie springen immer von einer Sache zur anderen. Fünf Prozent der amerikanischen Kinder — über eineinhalb Millionen —, meist Knaben, leiden an dieser psychischen Störung.
Ganz gegenteilig verhalten sich autistische Kinder. Autismus wird wie folgt definiert: ein Zustand, bei dem durch Hingabe an die eigenen Phantasie- und Vorstellungsinhalte der Kontakt zur Umwelt gestört ist. Diese Störung tritt bei Jungen viermal so häufig auf wie bei Mädchen. Noch vor dreißig Jahren war der Autismus sowohl als Begriff als auch als Leiden verhältnismäßig unbekannt. Aber heute ist er ziemlich verbreitet. In Amerika, Großbritannien, Deutschland und Japan (alles hochindustrialisierte Länder, in denen die Menschen unter Streß und Belastungen leiden) gibt es sogar Gesellschaften für autistische Kinder.
Im vorliegenden Aufsatz sind nur die bekannteren und häufig vorkommenden Geisteskrankheiten behandelt worden. Es gibt tatsächlich viele verschiedene solche Leiden; außerdem gibt es noch zahlreiche Abstufungen davon — von einer ganz milden bis zu der schwersten Form. Und kein Fall gleicht genau dem anderen, ganz gleich, wie man diese Störungen und Leiden nennen mag.
Warum gibt es jedoch Menschen, die für Geisteskrankheiten oder psychische Störungen und Leiden anfälliger sind als andere? Was sind die eigentlichen Ursachen von Geisteskrankheiten?
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Wo liegen die Wurzeln des Problems?Erwachet! 1975 | 8. Oktober
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Wo liegen die Wurzeln des Problems?
ERFREUST du dich einer guten geistigen Gesundheit? Wenn ja, dann hast du Grund, dankbar zu sein. Dennoch wäre es für dich von Vorteil, einige der wichtigsten Faktoren kennenzulernen, die den Verlust dieses kostbaren Gutes bewirken können. Es genügt nicht, zu wissen, daß Belastungen wie ein Unglücksfall, eine schwere Krankheit und Arbeitslosigkeit eine Geisteskrankheit auszulösen vermögen. Solche Faktoren können das Auftreten einer Geisteskrankheit nur zur Folge haben, wenn eine Prädisposition vorhanden ist, die zur Störung des inneren Gleichgewichts beiträgt.
Die Faktoren, die die Menschen zu Geisteskrankheiten prädisponieren, können in drei hauptsächliche Kategorien aufgeteilt werden: 1. soziales Gefüge oder „Umwelt“ (Beziehungen zu den Mitmenschen, wirtschaftliche Verhältnisse usw.), 2. biologische Faktoren (Vererbung, Stoffwechsel usw.) und 3. Persönlichkeitsdefekte.
Der „Umwelt“-Faktor
Wegen des Stresses und der Belastungen des modernen Lebens kann von der Umwelt gesagt werden, sie spiele bei den geistigen Erkrankungen eine große Rolle. Diese Tatsache wird von vielen anerkannt. Das Buch Life Stress and Mental Health (Lebensstreß und geistige Gesundheit) von Langner und Michael setzt sich ausschließlich mit diesem Thema auseinander. Auch in einem Aufsatz von Dr. Karl Evang (früherer Generaldirektor des Gesundheitswesens in Norwegen) ist zu lesen: „Obwohl zahlreiche Menschen imstande sind, einigen der gefürchtetsten körperlichen Krankheiten zu widerstehen, scheint fast jeder Mensch geistigen Erkrankungen gegenüber empfänglich zu sein, falls die Belastung und der Druck stark genug und das soziale Klima entsprechend ungünstig ist.“
Auch in The Schizophrenias—Yours and Mine (Die Schizophrenie des einzelnen und der Allgemeinheit) wird diese Tatsache anerkannt. Wir lesen: „Was kann ein Schizophrener
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