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Vereinigte Staaten von Amerika (Teil 2)Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1975
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DER WELTKRIEG SCHÜRT DAS FEUER DER GEWALTTAT
Gewaltanwendung durch Pöbelrotten hatte auf dem Kongreß 1939 begonnen. Das Feuer der Gewalttat würde jedoch mit Ausbruch des Weltkrieges noch weit stärker angefacht werden. Es sollte zwar bis Ende 1941 dauern, bis die Vereinigten Staaten Deutschland, Italien und Japan den Krieg erklären würden, doch schon lange vorher herrschte im ganzen Land ein starker Nationalismus.
Während der ersten Monate des Zweiten Weltkrieges traf Jehova Gott ganz besondere Vorkehrungen für sein Volk. Im englischen Wachtturm vom 1. November 1939 (deutsch: 1. Dezember 1939) erschien ein Artikel mit dem Thema „Neutralität“. Folgende Worte Jesu Christi über seine Jünger bildeten den Leittext: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin“ (Joh. 17:16, Elberfelder Bibel). Das Studium der christlichen Neutralität zu diesem Zeitpunkt bereitete Jehovas Zeugen im voraus auf die schweren Zeiten vor, die noch kommen würden.
BRANDSTIFTUNG AUF DER KÖNIGREICHSFARM ANGEDROHT
Die Königreichsfarm in der Nähe von South Lansing (New York) versorgte die Glieder des Hauptbüros der Gesellschaft ausreichend mit Obst, Gemüse, Fleisch, Milch und Käse. David Abbuhl arbeitete auf der Königreichsfarm, als der Friede und die Stille dort 1940 ein Ende nahmen. „Einen Tag vor dem Flaggentag, am Abend des 13. Juni 1940“, berichtet Bruder Abbuhl, „sagte uns ein alter Mann, der hier jeden Tag auf dem Weg zur Wirtschaft in South Lansing vorbeikam, wo er sich Whisky kaufte, daß die Bewohner des Ortes zusammen mit Anhängern der American Legion vorhatten, alle unsere Gebäude niederzubrennen und unseren Maschinenpark zu zerstören.“ Man benachrichtigte den Sheriff.
Schließlich trafen die Feinde ein. John Bogard, damals Farmdiener, gab einmal folgenden anschaulichen Bericht der Ereignisse: „Ungefähr um 6 Uhr abends begannen sich die Unruhestifter zusammenzurotten; ein Wagen nach dem anderen kam angefahren, insgesamt waren es schließlich 30 oder 40 vollbesetzte Wagen. Der Sheriff und seine Leute waren jedoch zur Stelle. Sie hielten jeden Wagen an, prüften die Papiere der Fahrer und warnten sie davor, irgend etwas gegen die Königreichsfarm zu unternehmen. Bis spät in die Nacht hinein fuhren die Unruhestifter die Straße, die an unserem Grundstück vorbeiführte auf und ab. Aber die Polizei sorgte dafür, daß sie auf der Straße bleiben mußten, und vereitelte so ihren Plan, Schaden zu stiften. Es war für uns alle dort auf der Farm eine sehr aufregende Nacht, aber wir dachten an die Zusicherung, die Jesus seinen Nachfolgern durch die Worte gegeben hatte: ,Ihr werdet um meines Namens willen Gegenstand des Hasses aller Menschen sein. Und doch wird bestimmt kein Haar von eurem Haupt verlorengehen‘ (Luk. 21:17, 18).“
So wurden der Angriff und die Brandstiftung abgewendet. Schätzungsweise 1 000 Autos mit möglicherweise 4 000 Mann waren aus dem ganzen Westen des Staates New York herbeigekommen, um das Eigentum der Gesellschaft auf der Königreichsfarm zu zerstören, doch umsonst. Kathryn Bogard schreibt: „Ihr Vorhaben mißlang jedoch, und einige von denen, die zu der Rotte gehörten, sind heute selbst Zeugen Jehovas, ja sie stehen sogar im Vollzeitpredigtdienst.“
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Vereinigte Staaten von Amerika (Teil 3)Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1975
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Vereinigte Staaten von Amerika (Teil 3)
GEWALTTÄTIGKEIT IN LITCHFIELD
Etwa zur selben Zeit, als die Königreichsfarm angegriffen und in Brand gesetzt werden sollte, flammte in Litchfield (Illinois) Verfolgung gegen Jehovas Zeugen auf. „Irgendwie müssen die Verfolger in Litchfield erfahren haben, was wir vorhatten, so daß sie uns schon erwarteten, als wir in die Stadt gefahren kamen“, erinnert sich Clarence S. Huzzey. „Der Priester des Ortes läutete als Signal die Kirchenglocken, und dann trieben sie die Brüder zusammen, um sie ins Gefängnis zu bringen. Einige Brüder wurden heftig geschlagen, und die Pöbelrotte drohte sogar damit, das Gefängnis anzuzünden. Einige von ihnen fanden die Autos der Brüder und verwüsteten sie, bis nur noch ein Haufen Blech übrigblieb.“
Walter R. Wissman sagt: „Nachdem die Brüder von der Pöbelrotte geschlagen worden waren, wurden sie von Angehörigen der Landesverkehrspolizei zu ihrem eigenen Schutz im Gefängnis eingepfercht. Charles Cervenka, einer der Brüder, wurde zu Boden geschlagen, als er sich weigerte, die Fahne zu grüßen. Man schlug ihn mit der Fahne ins Gesicht und trat ihn heftig in den Leib und an den Kopf. Er war von allen Brüdern der am schwersten Verletzte. Er erholte sich nie völlig von den Schlägen. Wenige Jahre darauf starb er. Er sagte einmal, er habe während der Schläge gedacht, daß er froh sei, daß dies ihm passiert sei und nicht einem der neueren Brüder, da er wußte, daß er es ertragen konnte, während vielleicht ein neuerer schwach geworden wäre und nachgegeben hätte.“
„Die Stadt Litchfield war sehr stolz auf das, was sie getan hatte“, erinnert sich Bruder Wissman. „Eine ganze Reihe von Jahren später, Ende der 1950er Jahre, veranstaltete Litchfield seine Hundertjahrfeier mit einem Umzug von Festwagen, die die besonderen Ereignisse der Geschichte der Stadt darstellten. Einer dieser Festwagen war zur Erinnerung an die Pöbelaktion gegen die Zeugen Jehovas im Jahre 1940 gestaltet worden. Die Stadtväter waren der Ansicht, daß dies ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte ihrer Stadt gewesen sei. Möge Jehova es ihnen vergelten!“
UNBEACHTETE AUFFORDERUNGEN
Die gewalttätigen Angriffe gegen die Zeugen Jehovas waren so schwerwiegend und zahlreich, daß der Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten, Francis Biddle, und Eleanor Roosevelt, die Frau von Präsident Franklin D. Roosevelt, die Öffentlichkeit zur Einstellung der Tätlichkeiten aufriefen. Am 16. Juni 1940, dem Tag des Zwischenfalls in Litchfield, stellte Biddle in einer Rundfunksendung der National Broadcasting Company, die im gesamten Land ausgestrahlt wurde, folgendes fest:
„Jehovas Zeugen sind wiederholt angegriffen und geschlagen worden. Obwohl sie keines Verbrechens schuldig waren. Der Pöbel sprach sie jedoch schuldig und übte Lynchjustiz. Der Justizminister ordnete eine sofortige Untersuchung der Ausschreitungen an.
Das Volk muß auf der Hut und wachsam sein und vor allem einen klaren Kopf behalten. Da Pöbelausschreitungen die Arbeit der Regierung ungemein erschweren, werden sie nicht geduldet. Wir besiegen den Nazi-Terror nicht dadurch, daß wir seine Methoden nachahmen.“
Doch solche Bitten konnten der Welle der Feindseligkeit gegen Jehovas Zeugen nicht Einhalt gebieten.
CHRISTLICHE ZUSAMMENKÜNFTE WERDEN GESPRENGT
Während jener bewegten Jahre wurden Christen in den Vereinigten Staaten manchmal angegriffen, während sie friedlich zum Studium der Bibel versammelt waren. Dies geschah zum Beispiel während des Jahres 1940 in Saco (Maine). Während die Zeugen Jehovas in ihrem Königreichssaal im ersten Obergeschoß alles vorbereiteten, um einen auf Schallplatte aufgenommenen biblischen Vortrag abzuspielen, rotteten sich nach Aussage Harold B. Duncans 1 500 bis 1 700 Menschen zusammen. Er erinnert sich noch genau, daß ein Priester dabei war, der in einem Wagen vor dem Königreichssaal saß. „Der Mann im [benachbarten] Rundfunkreparaturgeschäft drehte jedes Radio, das funktionierte, auf volle Lautstärke, um den Vortrag zu übertönen, sagt Bruder Duncan. Er fährt fort: „Dann begann die Pöbelrotte, die Fensterscheiben mit Steinen einzuwerfen. Polizisten in Zivil zeigten mit dem Lichtstrahl ihrer Taschenlampe auf die Fenster, die eingeworfen werden sollten. Das Polizeirevier war nur etwas mehr als eine Querstraße entfernt. Ich bin zweimal dorthin gegangen und sagte Bescheid, was vorginge. Man antwortete mir: ,Wenn ihr die amerikanische Fahne grüßt, helfen wir euch.‘ Die Menge warf 70 [kleine Fensterscheiben] des Saales ein, und ein Stein, der so groß war wie meine Faust, ging ganz knapp an Schwester Gertrude Bobs Kopf vorbei und schlug ein Stück Putz aus der Wand.“
Pöbelgewalttaten gab es auch auf dem Kongreß in Klamath Falls (Oregon) im Jahre 1942. Don Milford erzählt, daß Angehörige der Pöbelrotte die Telefondrähte durchschnitten, durch die ein Vortrag aus einer anderen Kongreßstadt übertragen wurde. Aber ein Bruder, der eine Abschrift des Vortrages hatte, sprang sofort ein, so daß das Programm fortgesetzt werden konnte. Schließlich brach der Pöbel in den Saal ein. Die Zeugen wehrten sich, und als die Tür wieder geschlossen wurde, lag einer der Angreifer — „ein großer, kräftiger Mann“ — bewußtlos im Saal. Er war Polizeibeamter, und man fotografierte ihn mit seinem Dienstabzeichen. „Wir riefen beim Roten Kreuz an“, sagt Bruder Milford, „das dann zwei Frauen mit einer Trage schickte, die ihn hinausbrachten. Später soll er gesagt haben: ,Ich hätte nicht gedacht, daß sie kämpfen würden.‘ “ Die Polizei weigerte sich, den Zeugen zu helfen, und es dauerte über 4 Stunden, bis die Nationalgarde die Menge zerstreut hatte.
IM STRASSENDIENST ANGEGRIFFEN
Wenn auch die Polizei an manchen Orten die Zeugen Jehovas nicht beschützte, so war dies doch nicht überall so. Als zum Beispiel L. I. Payne vor vielen Jahren in Tulsa (Oklahoma) Straßendienst verrichtete, sah er, daß ein Polizist ständig in seiner Nähe war. „Deshalb“, sagt Bruder Payne, „fragte ich ihn eines Tages, warum er immer so dicht dabeistehe. Er sagte, er sei zwar zuständig für einen großen Bezirk, doch er bleibe trotzdem in der Nähe, weil er nicht wolle, daß mich jemand wegjage oder verprügele. Er hatte davon gelesen, wie man die Zeugen in den Kleinstädten behandelte, und konnte nicht verstehen, warum irgend jemand etwas gegen diese Tätigkeit haben könnte.“
Doch so, wie die Dinge lagen, kam es oft vor, daß Jehovas Diener während des Zeugnisgebens auf der Straße mit dem Wachtturm und der Zeitschrift Trost von gewalttätigen Pöbelrotten angegriffen wurden. George L. McKee berichtet zum Beispiel, daß in einer Gemeinde Oklahomas die Zeugen, die sich am Straßendienst beteiligten, Woche für Woche von Pöbelrotten, bestehend aus 100 bis zu weit über 1 000 wütenden Männern, angegriffen wurden. Der Bürgermeister, der Polizeichef und andere Beamte kümmerten sich nicht um ihren Schutz. Wie Bruder McKee sagt, wurden die Pöbelmengen meistens von einem bekannten Arzt und Führer der American Legion angeführt, der ein Cousin von Belle Starr, einer berüchtigten Verbrecherin, war. Zuerst begannen Betrunkene, die Zeugen zu belästigen. Darauf folgte die Pöbelrotte, bewaffnet mit Billardstöcken, Keulen, Messern, Hackbeilen und Feuerwaffen, um sie damit aus der Stadt zu jagen. Doch jeden Samstag legten die Königreichsverkündiger im voraus fest, wie lange sie Straßendienst verrichten wollten, und obwohl sich die Pöbelrotte oft schnell zusammenfand, blieben sie doch so lange, wie sie es beschlossen hatten. Sie gaben viele Zeitschriften bei denen ab, die einkauften.
Eines Samstags wurden etwa 15 Zeugen belästigt. „Uns wurde bewußt, daß wir uns auf Jehova Gott und auf ein gutes Unterscheidungsvermögen verlassen mußten, wenn wir mit dem nackten Leben davonkommen wollten“, sagt Bruder McKee. Er fährt fort: „Ohne Vorwarnung fingen sie an, drei von uns mit Messern und Knüppeln anzugreifen. ... Mit gebrochenen Armen, Platzwunden am Kopf und anderen Verletzungen versuchten wir es bei 4 verschiedenen Ärzten am Ort, doch keiner wollte uns behandeln. Wir mußten 80 Kilometer weit fahren, um einen Arzt zu finden, der uns half. Doch die blauen Flecken heilten schnell, und wir faßten bald wieder Mut. Am nächsten Samstag standen wir wieder mit der guten Botschaft vom Königreich an der Straßenecke. Diesen Geist hatten die Brüder während all der Zeit der Schwierigkeiten durch die Verfolgungswelle.“
RASEREI IN CONNERSVILLE
Unter den Pöbelaktionen ragten besonders die Vorfälle hervor, die sich 1940 in Connersville (Indiana) ereigneten. Dort standen einige Christinnen vor Gericht, fälschlich der „aufrührerischen Verschwörung“ angeklagt. Als Bruder Rainbow, ein Zonendiener, sowie Victor und Mildred Schmidt am ersten Tag der Verhandlung aus dem Gerichtsgebäude fuhren, stürzten etwa 20 Männer auf ihr Auto zu, drohten, sie zu töten, und versuchten, das Fahrzeug umzustürzen.
Am letzten Tag der Verhandlung verwendete der Staatsanwalt den größten Teil seines Plädoyers, um zum Aufruhr anzustacheln, wobei er sich bisweilen direkt an die bewaffneten Männer im Gerichtssaal wendete. Gegen 21 Uhr kam der Urteilsspruch: „Schuldig.“ Dann brach ein Sturm der Gewalttat los. Schwester Schmidt erzählt, daß sie zusammen mit ihrem Mann Victor, der einer der Rechtsanwälte bei dem Fall war, und zwei anderen Brüdern von den anderen Zeugen abgeschnitten und von einer Pöbelrotte, die zwischen 200 und 300 Personen stark war, belästigt wurde. Sie sagt uns:
„Gleich darauf ging ein Sperrfeuer von allem möglichen Obst und Gemüse sowie von Eiern auf uns nieder. Später erzählte man uns, daß die Pöbelrotte eine ganze Lastwagenladung voll auf uns abgeladen hatte.
Wir versuchten, zu unserem Wagen zu rennen, doch man kam uns zuvor und trieb uns zur Landstraße, die aus der Stadt hinausführte. Dann ging der Pöbel auf uns los. Die Brüder wurden zusammengeschlagen, und mich schlugen sie auf den Rücken, was wie Peitschenhiebe wirkte. Mittlerweile war ein Gewitter in vollem Gange. Der Regen strömte unablässig vom Himmel, und der Wind peitschte wütend auf uns ein. Die ,Wut‘ des Sturms war jedoch gar nichts im Vergleich mit der Wut dieser dämonenbesessenen Pöbelrotte. Wegen des Gewitters holten sich viele ihr Auto und fuhren neben uns her, wobei sie brüllten und uns verfluchten und dabei immer Jehovas Namen in ihren Flüchen gebrauchten, was uns zutiefst im Herzen traf.
Doch es schien, daß uns trotz des Gewitters wenigstens 100 Männer zu Fuß umringten. Einmal versuchte Schwester Jacoby (jetzt Schwester Crain) aus Springfield in Ohio, die Brüder im Wagen hatte, uns zu Hilfe zu kommen, doch die Pöbelrotte stürzte den Wagen beinahe um, trat dagegen und riß an den Türen. Während der Pöbel versuchte, uns von dem Wagen wegzureißen, erhielten wir nur noch mehr Schläge. Die Freunde mußten ohne uns weiterfahren. Während wir weitergetrieben wurden und das Gewitter unvermindert anhielt, rief die Menge fortwährend im Chor: ,Werft sie in den Fluß! Werft sie in den Fluß!‘ Dieser endlose Sprechchor erfüllte mich mit Schrecken. Als wir uns der Brücke näherten, um den Fluß zu überqueren, hörte der Sprechchor plötzlich auf. Kurz darauf hatten wir die Brücke tatsächlich hinter uns. Es war, als ob die Pöbelrotte durch Einwirkung der Engel Jehovas nicht merkte, wo wir waren. Ich dachte: ,O Jehova, hab Dank!‘
Dann fingen die großen, stämmigen Männer wieder an, die Brüder zu schlagen. Es war sehr schwer, zusehen zu müssen, wie jemand, den man liebt, geschlagen wird. Victor wankte bei jedem Schlag, doch er fiel nie hin. Diese Schläge waren Schläge des Entsetzens für mich ...
Immer wieder kamen sie von hinten an mich heran und versetzten mir diesen peitschenhiebgleichen Schlag. Zum Schluß wurden wir von den beiden Brüdern getrennt, und während wir fest eingehakt gingen, sagte Victor: ,Wir haben noch nicht soviel ertragen wie Paulus. Wir haben noch nicht bis aufs Blut widerstanden.‘ [Vergleiche Hebräer 12:4.]
Es war sehr dunkel und wurde spät (wie ich später hörte, etwa 23 Uhr). Wir waren aus der Stadt heraus und nahe dem Zusammenbrechen, als plötzlich ganz dicht neben uns ein Wagen anhielt. Eine bekannte Stimme sagte: ,Schnell! Steigt ein!‘ Es war Ray Franz, der junge tüchtige Pionierbruder, der uns aus den Händen dieser gewalttätigen Pöbelrotte befreite. ...
Auch hier hatten wir alle wieder das Gefühl, daß die Engel Jehovas die Feinde nicht sehen ließen, wie wir in den Wagen stiegen. Im Auto, geschützt vor der Menge, waren unser lieber Bruder Rainbow, seine Frau und noch drei andere. Irgendwie paßten wir alle acht in das kleine Auto. Wir alle fühlten, daß es Jehovas Engel waren, die dafür sorgten, daß der Feind nicht sah, wie wir in den Wagen einstiegen. Die Pöbelrotte war immer noch wütend gegen uns und gab keine Anzeichen, daß sie uns freigelassen hätte. Es war so, als ob Jehova mit seinen liebenden Armen zugepackt und uns gerettet hätte. Später fanden wir heraus, daß die beiden Brüder, die von uns abgedrängt wurden, in einem Heuhaufen Zuflucht gefunden hatten, und früh am Morgen wurden sie von einigen Brüdern entdeckt. Einer der beiden war durch einen Gegenstand schwer verletzt worden, mit dem sie nach ihm geworfen hatten.
Gegen 2 Uhr morgens kamen wir zu Hause an; wir waren naß und froren, da das Gewitter eine Hitzewelle beendet und kalte Luft gebracht hatte. Unsere Brüder und Schwestern betreuten uns. Sie mußten in Victors Gesicht fünf offene Wunden verbinden. Wie dankbar waren wir doch, von unseren Brüdern so liebevoll versorgt zu werden!“
Doch Jehova stützt und stärkt seine Diener trotz solcher harten Prüfungen. Schwester Schmidt sagt: „Jehova hat uns in seiner Barmherzigkeit geholfen, daß wir eine weitere Prüfung ertrugen und daß ,das Ausharren sein Werk vollständig‘ hatte“ (Jak. 1:4).
WEITERE PÖBELGEWALTTATEN
Pöbelaktionen, die sich gegen Jehovas Zeugen richteten, gab es sehr viele. In Winnsboro (Texas) wurde im Dezember 1942 eine Gruppe von Zeugen Jehovas im Straßendienst von einer Pöbelrotte belästigt. Unter den Zeugen befand sich O. L. Pillars, ein Diener für die Brüder (Kreisaufseher). Während die Pöbelrotte näher kam, sahen die Zeugen, daß unter diesen Umständen kein Straßendienst mehr möglich war. So machten sie sich auf den Weg zu ihren Autos. „Mitten auf der Hauptstraße stand der Baptistenprediger C. C. Phillips mit seinem Lautsprecherwagen“, erinnert sich Bruder Pillars. „Er hatte gerade über Christus und seine Kreuzigung gepredigt, doch sobald er uns sah, änderte er seine Predigt. Er begann, dagegen zu lärmen und zu toben, daß Jehovas Zeugen die Fahne nicht grüßten. Er sagte, daß er mit Freuden für das Sternenbanner sterben würde und daß jeder, der die Fahne nicht grüße, aus der Stadt gejagt werden solle. Als wir an seinem Wagen vorbeigingen, sahen wir uns einer weiteren Pöbelrotte gegenüber, die uns entgegenkam. Sie hatte uns bald umringt und hielt uns fest, bis die Polizei kam und uns festnahm.“
Später drang ein Teil der Pöbelrotte in die Amtsräume des Polizeichefs ein, der keinerlei Anstalten traf, die Zeugen zu schützen, so daß sich der Pöbel ihrer bemächtigte. Bruder Pillars war einer von denen, die auf der Straße mit Fäusten geschlagen wurden. Er sagt: „Ich verspürte dabei einen ungewöhnlichen Beistand. Ich mußte entsetzliche Prügel über mich ergehen lassen. Das Blut strömte aus der Nase, dem Mund und aus Wunden im Gesicht, doch ich fühlte wenig oder gar keinen Schmerz. Sogar während all dies geschah, konnte ich darüber staunen, und mir war, als ob dies ein Ausdruck der Hilfe der Engel wäre. ... Es half mir zu verstehen, wie unsere deutschen Brüder die Glut der Naziverfolgung standhaft und treu ertragen konnten.“
Bruder Pillars wurde mehrfach bewußtlos geschlagen, darauf wieder zu Bewußtsein gebracht und nochmals geschlagen. Als sie ihn schließlich nicht mehr zum Bewußtsein bringen konnten, übergossen sie ihn mit kaltem Wasser und versuchten, ihn zu veranlassen, eine 5 × 10 Zentimeter große Fahne zu grüßen, nach den Worten Bruder Pillars „die einzige Fahne, die diese großen ,Patrioten‘ auftreiben konnten“. Während sie die Fahne hochhielten, hielten sie auch seinen Arm zum Fahnengruß hoch, doch er ließ die Hand sinken, um zu zeigen, daß er nicht grüßen würde. Kurz darauf legten sie ihm einen Strick um den Hals, stießen ihn zu Boden und schleppten ihn zum Gefängnis. Er konnte gerade noch verstehen, wie sie sagten: „Kommt, wir hängen ihn! Dann sind wir diese Zeugen Jehovas für immer los.“ Es dauerte nicht lange, und sie begannen damit. Bruder Pillars schreibt: „Sie legten ein neues Hanfseil von über einem Zentimeter Dicke um meinen Hals, banden eine Schlaufe hinter meinem Ohr und zerrten mich hinaus auf die Straße. Dann warfen sie den Strick über ein Rohr, das aus dem Gebäude hervorragte. Vier oder fünf Mann fingen an, an dem Seil zu ziehen. Ich wurde vom Boden abgehoben, die Schlinge zog sich zu, und ich wurde bewußtlos.“
Das nächste, woran sich Bruder Pillars erinnern kann, war daß er wieder in dem ungeheizten Gefängnis lag. Ein Arzt untersuchte ihn und sagte: „Wenn ihr wollt, daß er am Leben bleibt, dann bringt ihn schnell ins Krankenhaus, denn er hat schon viel Blut verloren, und seine Pupillen haben sich geweitet.“ Darauf erwiderte der Polizeichef: „Das ist der verstockteste Kerl, den ich je gesehen habe.“ „Diese Worte ermutigten mich sehr“, sagt Bruder Pillars, „denn jetzt wußte ich, daß ich keine Kompromisse geschlossen hatte.“
Nachdem der Arzt gegangen war, kam einer nach dem anderen von der Pöbelrotte durch das kalte, dunkle Gefängnis. Sie zündeten Streichhölzer an, um Bruder Pillars Gesicht zu sehen, und er hörte, wie sie fragten: „Ist er schon tot?“ Einer antwortete: „Nein, aber er wird bald sterben.“ Bruder Pillars, der naß bis auf die Haut war und sehr fror, versuchte, nicht zu zittern, in der Hoffnung, daß sie ihn für tot halten würden. Schließlich gingen sie, und alles war still. Nach einer Weile öffnete sich die Tür, und Angehörige der Landespolizei von Texas kamen herein. Sie ließen Bruder Pillars mit dem Krankenwagen nach Pittsburg (Texas) ins Krankenhaus bringen. Er war der Pöbelrotte 6 Stunden lang ausgeliefert gewesen. Doch was war geschehen, als sie ihn hängten? Wieso war er noch am Leben? „Das habe ich erst am Ende des nächsten Tages erfahren“, sagt Bruder Pillars. Er berichtet:
„Bruder Tom Williams besuchte mich in der Gefangenenabteilung des Krankenhauses von Pittsburg, wo ich mich wieder etwas erholte. Er war Anwalt in Sulphur Springs und war ein richtiger Kämpfer für die Gerechtigkeit. Nachdem er sich erfolglos bemüht hatte, herauszufinden, wo ich war, hatte er gedroht, die Stadt zu verklagen. Daraufhin hatten sie zugegeben, daß ich im Krankenhaus war. Wie gut war es doch, einen Bruder zu sehen! Dann erzählte er mir, was zur Zeit das Stadtgespräch war — ich war gehängt worden, doch das Seil war gerissen.
Als später das FBI eine offizielle Untersuchung anstellte und einen Prozeß vor einem Geschworenengericht empfahl, war eine Gruppe von Anhängern der Pfingstgemeinde bereit auszusagen. Sie sagten: ,Heute sind es Jehovas Zeugen, morgen wir.‘ Über das Hängen sagten sie: ,Wir haben gesehen, wie er am Seil baumelte. Dann riß es. Als wir sahen, wie das Seil riß, wußten wir: Das hat der Herr getan.‘ “
Der Polizeichef und andere Beamte flüchteten in einen anderen Bundesstaat. So kamen sie nie vor Gericht. Bruder Pillars erholte sich wieder und war weiterhin als Diener für die Brüder in jenem Gebiet tätig.
AUSHARREN UNTER UNMENSCHLICHER VERFOLGUNG
Du magst sagen: „Solch unmenschliche Verfolgung könnte ich nie aushalten!“ Aus eigener Kraft kannst du es auch nicht. Doch Jehova kann dich stärken, wenn du dir seine Vorkehrungen, geistig stark zu werden, jetzt zunutze machst. Der Hauptgrund für die Verfolgung hängt mit der Streitfrage der universellen Souveränität zusammen. Satan forderte praktisch Gott heraus und behauptete, daß kein Mensch Jehova treu bleiben würde, wenn er, der Teufel, ihn prüfte. Es ist ein großes Vorrecht, gegenüber Gott die Lauterkeit zu bewahren, wodurch man Satan zum Lügner stempelt und die Seite Jehovas in der Streitfrage unterstützt (Hiob 1:1 bis 2:10; Spr. 27:11).
In den Jahren, die seit den aufregenden Tagen der vielen Pöbelangriffe auf Jehovas Zeugen in den Vereinigten Staaten vergangen sind, ist es dem Volke Gottes immer mehr bewußt geworden, daß es sich vollständig auf Jehova verlassen muß. Obwohl Gottes Diener sich und ihre Familie in Übereinstimmung mit christlichen Grundsätzen verteidigen würden, rüsten sie sich doch nicht mit todbringenden Waffen aus, um auf Angriffe vorbereitet zu sein (Matth. 26:51, 52; 2. Tim. 2:24). Sie erkennen vielmehr, daß ‘die Waffen ihrer Kriegführung nicht fleischlich sind’ (2. Kor. 10:4; siehe Wachtturm vom 1. September 1968, S. 537—542).
THEOKRATISCHER KONGRESS IN SAINT LOUIS
Die Menschheit war in die Kämpfe des Zweiten Weltkrieges verstrickt, und Verfolgung entbrannte gegen Gottes Diener. Doch ‘Jehova der Heerscharen war mit ihnen’ (Ps. 46:1, 7). Er sorgte dafür, daß sie geistig reichlich mit guten Dingen versorgt wurden. Dabei ragt besonders der „Theokratische Kongreß“ der Zeugen Jehovas in Saint Louis (Missouri) vom 6. bis 10. August 1941 hervor.
Jehovas Dienern war sehr daran gelegen, bei diesem Kongreß zugegen zu sein. Es waren also viele von ihnen in Richtung Saint Louis unterwegs. „Wir fanden bald heraus“, sagt Schwester A. L. McCreery, „daß die Zeugen alle eine Zeitschrift [Der Wachtturm oder Trost] am Wagenfenster anbrachten und sich so kenntlich machten; so taten wir es auch. Während der ganzen Fahrt winkten wir völlig fremden Leuten zu, die wir aber an ihrem freundlichen Gesicht und ihrem Winken als unsere Brüder erkannten.“
Trotz des Drucks von seiten der Katholischen Aktion und einer Kriegsveteranenvereinigung ließ sich die Stadionverwaltung nicht bewegen, den Vertrag mit Jehovas Zeugen rückgängig zu machen. Doch die katholischen Gemeinden verbreiteten Propaganda, die viele Wohnungsinhaber veranlaßte, die Zimmer abzusagen, die sie eigentlich an Delegierte vermieten wollten. „Nonnen gingen von Haus zu Haus und sagten den Leuten, sie sollten keine Zimmer an Jehovas Zeugen vermieten“, erzählt Robert E. Rainer. Bei der Ankunft in Saint Louis waren daher „so viele Zeugen ohne Unterkunft, daß man Säcke mit Stroh vollstopfen mußte, die als Matratzen dienen konnten, damit sie auf dem Gelände des Stadions schlafen konnten“, sagt Margaret J. Rogers.
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