Vorsicht vor den Mücken mit der Leier auf dem Rücken!
Vom „Awake!“-Korrespondenten auf Trinidad
VIELE tropische und subtropische Länder leiden unter einem kleinen Insekt, das erst nach Einbruch der Dunkelheit sein Unwesen treibt. Diese Nachtschwärmerin ist an der leierförmigen Zeichnung auf dem Rücken oder dem Thorax zu erkennen. Ihr Summen, das sie ertönen läßt, während sie einherfliegt, wird nicht durch die Leier hervorgerufen, sondern durch das Vibrieren ihrer Flügel. Es ist kein tröstendes, sondern ein drohendes Summen, denn sie ist auf der Suche nach einer Blutmahlzeit. Dieses Insekt überträgt das gefürchtete Gelbfieber. Es ist die Stechmücke Aedes aegypti.
Sozusagen jedermann hat schon gelesen, welch eine Geißel dieses Insekt für die Arbeiter war, die den Panamakanal gebaut haben. Seit jener Zeit hat man im Kampf gegen diese Fiebermücke beachtliche Erfolge erzielt, ja es sind solche Fortschritte erzielt worden, daß heute nur selten Gelbfieberepidemien ausbrechen. Die Ursache dieses Erfolges ist ein unablässiger Kampf gegen diesen gefährlichen Feind.
Bezweifelst du, daß Länder, die besonders gefährdet sind, im Kampf gegen die Aedes aegypti nicht nachlassen dürfen, dann beachte folgende Statistik: Im Jahre 1965 erkrankten in Senegal (Afrika) 243 Personen an Gelbfieber, davon starben 216. Im gleichen Jahr betrug in den südamerikanischen Ländern die Zahl der Gelbfieberkranken 73, die der Todesfälle 69. In diesen Ländern erkrankten im Jahre 1966 170 Personen an Gelbfieber, davon starben 97; in den ersten sieben Monaten des Jahres 1967 betrug die Zahl der Gelbfieberkranken in diesen Ländern 11, die der Todesfälle ebenfalls 11.
Der Übeltäterin auf der Spur
In den Gelbfieber-Gegenden kennt die Bevölkerung diese Krankheit schon lange. So besitzen wir eine Beschreibung einer Gelbfieberepidemie in Mexiko aus dem Jahre 1648. Ein Mann namens Schotte berichtete, daß in Senegal im Jahre 1778 unter den britischen Truppen eine Gelbfieberepidemie ausbrach, und schilderte ihr Wüten. In den Vereinigten Staaten haben zwei Epidemien traurige Berühmtheit erlangt, eine 1793 in Philadelphia und die andere 1905 in New Orleans. Das Gelbfieber raffte auch Tausende der Arbeiter dahin, die am Panamakanal bauten. Die Mücke, die diese Krankheit überträgt, stammt offenbar aus Afrika. Bestimmt ist diese Krankheit und die Mücke durch den Sklavenhandel in Amerika eingeschleppt worden.
Im Jahre 1881 begann Carlos Findlay als erster die Erforschung der Ursache des Gelbfiebers. Seine Forschungen erstreckten sich über eine Zeit von mehr als zwanzig Jahren. Dann wies er darauf hin, daß die Schuldige das Mückenweibchen mit der Leier sei. Seine Forschungsergebnisse wurden später bestätigt. Aedes aegypti ist die Überträgerin, durch sie wird die Krankheit von einem Opfer auf das andere übertragen. Der Erreger des Gelbfiebers wird als Virus bezeichnet. Man kann es leicht durch Wärme abtöten und durch Kühlung am Leben erhalten.
Wird ein Mensch, der gegen das Gelbfieber nicht immun ist, von einer infizierten Mücke gestochen, dann entwickelt sich das Virus im Laufe von drei bis sechs Tagen. Der Patient hat Fieber, Schüttelfrost und Kopfschmerzen. Er wird matt, und es mag sich auch eine Gelbsucht entwickeln.
Nur im Laufe der ersten drei Tage der Krankheit kann sich eine andere Mücke infizieren, wenn sie den Kranken sticht. Aber jede Aedes-aegypti-Mücke, die in dieser Zeit einen Kranken sticht, kann als Überträgerin dienen. Etwa zwölf Tage nachdem eine solche Mücke einen Gelbfieberkranken gestochen hat, kann sie eine Person, die nicht immun ist, infizieren, ja von da ab kann sie das bis an ihr Lebensende tun — etwa vier bis sechs Wochen lang.
Diese Mücke kann auch das Denguefieber, das ebenfalls zuweilen epidemisch auftritt, übertragen. Dieses Fieber ist zwar nicht tödlich, aber das geographische Gebiet, in dem es sich verbreiten kann, ist größer als beim Gelbfieber. Die Krankheit dauert etwa drei Wochen, und der Patient leidet an heftigen Gelenk- und Muskelschmerzen. Weil ein an Denguefieber Erkrankter völlig arbeitsunfähig ist, kann eine Epidemie die Industrie sehr schnell lahmlegen.
Diese Mücke ist leicht zu erkennen, nicht nur wegen der leierförmigen Zeichnung auf dem Thorax, sondern auch wegen der weißen Ringe an den Beinen und am Hinterleib. Sie hält sich gern in den Wohnungen auf und lebt fast ausschließlich von Menschenblut. Da wir nun genau wissen, daß diese Mücke das Gelbfieber und das Denguefieber überträgt, sollten wir gegen diese Fiebermücke kämpfen, indem wir ihr keinen Unterschlupf gewähren.
Ihre Lebensweise
Die Fiebermücke mit der Leier bevorzugt zur Eiablage sauberes, frisches Wasser, und sie hat dafür einen untrüglichen Spürsinn. Man kann ihrer Eier habhaft werden, indem man mit frischem Wasser gefüllte Behälter aufstellt. Wenn man eine solche Falle an einen schattigen Ort stellt, werden bald Eier darauf liegen, sofern ein Weibchen mit reifen Eiern in der Nähe ist. Rinnsteine, Blumentöpfe, Blechdosen, Regenwassertonnen, Löcher in Baumstrünken oder Regenpfützen — das sind alles Orte, an denen diese Fiebermücke ihre Eier ablegen könnte. Von der Eiablage bis zur vollen Entwicklung der Mücke vergehen meist neun Tage, und in dieser Verbindung zeigt sich bei dieser Mücke ein Merkmal, das als Dauerhaftigkeit des Eis bekannt ist.
Bei der Anopheles-Mücke, die die Malaria überträgt, schlüpfen die Larven alle gleichzeitig, und zwar nach einer Woche; fehlt das notwendige Wasser, dann sterben sie. Anders ist es mit den Eiern der Aedes aegypti. Ihre Eier können bei Trockenheit längere Zeit überdauern, ja sogar ein ganzes Jahr, und wenn dann das nasse Wetter kommt, beginnen sich die Embryonen zu entwickeln.
Wie leicht ist es daher für die Fiebermücke mit der Leier, ihre Nachkommenschaft auf weite Reisen zu schicken! Den besten Unterschlupf bieten große und kleine Schiffe, die zwischen den Hafenstädten der Antillen und denen Südamerikas verkehren. Erforderlich ist lediglich ein Stapel alter Reifen auf einem offenen Deck oder irgendein Behälter, in dem sich Wasser ansammeln kann. Das Fiebermückenweibchen legt seine Eier hinein, und diese werden dann mitgenommen in ferne Länder.
Unermüdliche Anstrengungen
Die Gesundheitsbehörden, die die Eigenschaften und Lebensgewohnheiten dieser gefährlichen Krankheitsüberträgerin genau kennen, sind imstande, sie wirksam zu bekämpfen. Aber sie dürfen in dem Kampf nicht nachlassen. Der Kampf wird auf zweierlei Arten geführt: durch Vernichtung der Mücken und Massenschutzimpfungen. Auf Trinidad gibt es zum Beispiel viele dichte Wälder. Ungefähr alle zwanzig Jahre werden die Brüllaffen in diesen Wäldern mit dem Gelbfiebervirus infiziert. Die Stechmücke Haemagogus speggazzinii, ein Freilandtier, dient als Überträgerin, und darauf infizieren sich auch andere Mücken dieses Gebietes. Begibt sich dann eine Person, die gegen das Gelbfieber nicht immun ist, in den Urwald, so mag sie mit Gelbfieber angesteckt werden. Kehrt diese Person in eine Stadt zurück, in der andere Mücken heimisch sind, so sind alle Voraussetzungen für eine schwere Epidemie erfüllt.
Es ist allgemein üblich, die Bevölkerung die in der Nähe dichter Wälder wohnt, zu impfen. Als Impfstoff werden abgeschwächte Gelbfieberviren verwendet, er wird in Laboratorien erzeugt und führt die Bezeichnung 17D. Die Impfung ist fast schmerzlos und hat nur geringe oder keine Nachwirkungen. Die Immunität, die man sich dadurch erwirbt, dauert mindestens zehn Jahre.
Nationale und internationale Organisationen sind bemüht, den Schaden, den die Nachtschwärmerin mit der Leier anrichtet, einzudämmen und zu verhindern, daß sie von einem Land ins andere ziehen kann. Gewisse Antillen-Staaten und sogar die Vereinigten Staaten von Amerika zeigten wenig Eifer für diese Mückenbekämpfungsprogramme, denn sie waren der Meinung, das sei für sie überflüssig. In den Jahren 1963 und 1964 wurden die Antillen und der Süden der Vereinigten Staaten von einer schweren Denguefieber-Epidemie heimgesucht. Damals gab es auf Trinidad und auf Tobago keinen einzigen Denguefieber-Fall.
Nun haben die Vereinigten Staaten umfangreiche Maßnahmen zur Vernichtung und Bekämpfung dieser Fiebermücke ergriffen, die sie Millionen von Dollar kosten; andere Länder schließen sich ihnen in diesem Kampf an. Im Jahre 1967 wurden auf der Tagung der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation in Washington, D. C., Pläne für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ländern aufgestellt. Worin besteht das Ziel? Den amerikanischen Kontinent von der gefürchteten Krankheitsüberträgerin, der Aedes aegypti, zu befreien.
Die Maßnahmen zur Mückenbekämpfung werden von Fachleuten durchgeführt. Es werden Leute in alle Teile des Landes gesandt, um nach den Brutstätten der Mücken zu fahnden. In den Wohnungen werden Insektizide versprüht. Wasserbehälter auf den Schiffen, in den Häusern und vor den Häusern werden nach Larven abgesucht. Entdeckt man irgendwelche Spuren dieser Mücke, dann machen sich die Mückenbekämpfungseinheiten sofort an die Arbeit und sprühen so lange, bis jede Spur, die auf die Anwesenheit dieser Mücke schließen läßt, beseitigt ist.
Aedes aegypti entwickelt eine Resistenz gegen verschiedene Chemikalien, die als Sprühmittel verwendet werden. Früher war auf Trinidad ein Sprühmittel, das Dieldrin enthielt, wirksam. Im Jahre 1959 stellte man fest, daß die Mücke dagegen resistent geworden war. Darauf benutzte man Dieldrin und Gamma B.H.C., und nach einem Jahr war man der Mücken Herr geworden. Gegenwärtig benutzt man mit gutem Erfolg Insektizide, die organisches Phosphat enthalten. Aber wie lange man damit erfolgreich sein wird, weiß niemand.
Was du tun kannst
Wer in Gelbfiebergebieten wohnt oder die Absicht hat, in solche Gebiete zu reisen, kann sich vor dieser Geißel schützen. Als Familienvorstand kannst du darauf achten, daß nichts herumsteht, worin sich Regen oder anderes Wasser ansammeln kann. Eine Wassertonne, die im Freien steht, sollte mindestens mit einem Netz zugedeckt sein, das so fein ist, daß keine Mücken hindurchkriechen können. Das Netz darf aber nirgendwo ins Wasser hinabhängen, sonst finden die Mücken wieder einen Ort, wo sie ihre Eier ablegen können. Wohnst du in einem Gebiet, in dem es Fiebermücken gibt, dann wäre als einfache Maßnahme das Schlafen unter einem Moskitonetz zu empfehlen.
Jeder einzelne muß selbst entscheiden, ob er sich einer Schutzimpfung unterziehen will. Hast du aber vor, in ein tropisches Land zu reisen, dann mag es sein, daß du ein gültiges Gelbfieberimpfzeugnis vorweisen mußt. Wenn das der Fall ist, dann denke daran, daß du dich mindestens zehn Tage vor deiner Abreise impfen lassen solltest. Dann kannst du deinen Aufenthalt in den Tropen genießen, ohne Angst haben zu müssen vor dem Summen der Nachtschwärmerin, des Zweiflüglers mit der Leier auf dem Rücken.