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Pilze sammeln — Etwas für dich?Erwachet! 1980 | 8. Juni
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Pilze sammeln — Etwas für dich?
Vom „Awake!“-Korrespondenten in der Bundesrepublik Deutschland
HÄTTEST du Lust, ein schmackhaftes Gericht aus selbstgesammelten Pilzen zu essen? Vielleicht sagst du: „Lust hätte ich schon, aber mein Leben ist mir lieber!“ Dabei denkst du an die Opfer von Pilzvergiftungen, die alljährlich im Herbst, während der Pilzsaison, zu beklagen sind. Eine Zeitungsnotiz vom 12. September 1978 gibt einem zu denken: „Trotz aller Aufklärung gibt es in der Bundesrepublik jährlich etwa 80 Fälle von schwerer Pilzvergiftung, darunter 30 tödliche.“
Doch muß ein Pilzsammler nicht ein solch trauriges Ende nehmen. Jeder, auch ein Anfänger, ist in der Lage, eine Anzahl eßbarer Pilzsorten kennenzulernen, damit er sich öfter ein leckeres Pilzgericht ohne nachfolgende Beschwerden schmecken lassen kann.
Wer schon viele Jahre Pilze sammelt, wird feststellen, daß einige Arten, die zu den beliebtesten gehören, immer seltener zu finden sind. Offensichtlich steigt die Zahl der Pilzfreunde. Heute wird die Freude am Sammeln und auch der Mut dazu durch das reiche Angebot an Fachbüchern unterstützt, die dem Sammler eine genaue Artenbeschreibung und naturgetreue Farbtafeln zur Erweiterung seiner Kenntnisse liefern. Auch Pilzberatungsstellen und Ausstellungen vermitteln Belehrung.
Die Sammelleidenschaft hat sich in manchen Gegenden so stark bemerkbar gemacht, daß einige beliebte Pilzarten, wie der Steinpilz und der Pfifferling, von der Ausrottung bedroht sind. Scharen von Pilzsammlern — in Omnibussen herangefahren — haben sich schon auf pilzreiche Gegenden „gestürzt“. Deshalb mußten mitunter gesetzliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Es ist sogar notwendig geworden, gewisse Gegenden für jegliches Sammeln zu sperren.
Pilzarten und ihre Merkmale
Wer in Mitteleuropa lebt, hat eine recht beachtliche Auswahl, denn allein im deutschsprachigen Raum kommen etwa 50 Pilzarten vor, die eßbar sind und eine Größe haben, daß sich das Sammeln lohnt. Außerdem gibt es natürlich noch Arten, die ungenießbar oder nur bedingt eßbar sind, sowie Pilze, die ausgesprochen giftig sind. Insgesamt schätzt man, daß es in Mitteleuropa etwa 3 000 bis 5 000 höhere Pilzarten gibt. Hierzu zählen allerdings viele Sorten, die so klein sind, daß wir sie kaum sehen können. Von den mikroskopisch kleinen Pilzarten, wie den Schimmel-, Brand-, Schorf- oder Hefepilzen, die Pflanzen, Tiere und sogar den Menschen befallen können, soll hier aber nicht die Rede sein.
Wußtest du, daß das Gebilde, das du beim Spaziergang siehst und Pilz nennst, gar nicht der eigentliche Pilz ist? Es ist lediglich sein Fruchtkörper, denn im streng botanischen Sinne ist der eigentliche Pilz unter der Erde. Dort bildet sich der „Pilz“ unter einer dünnen Schicht faulenden Laubes oder unter einer Moos- oder Nadelschicht des Waldbodens. Er besteht aus einem Netzwerk verästelter Fäden, Myzel genannt, das oft feiner als ein Spinnwebengeflecht und nahezu unsichtbar ist. Häufig wird vermoderndes Laub durch solch ein Pilzmyzel regelrecht zusammengewoben. Das Myzel entwickelt sich aus den mikroskopisch kleinen Sporen des Fruchtkörpers eines anderen Pilzes. Bei günstigen Bedingungen, vor allem nach reichlichem Regen, bildet ein solches Myzel innerhalb von wenigen Tagen Fruchtkörper, manchmal mehrere nebeneinander. Obwohl der Pilzsammler sich natürlich weniger für das unterirdische Geschehen des Pilzwachstums interessiert, sollte er doch beim Sammeln darauf achten, daß das Myzel nicht zerstört wird, damit das Nachwachsen der Pilze nicht beeinträchtigt wird.
Schauen wir uns nun einen Vertreter der giftigen Pilze etwas genauer an — den Fliegenpilz. Auf seiner Unterseite hat er viele eng nebeneinanderstehende, fächerartige Stege, die wie die Speichen eines Rades angeordnet sind. Man nennt sie Lamellen oder Blätter. Daher gehört der Fliegenpilz zur Familie der Blätterpilze. Er würde uns aber als Nahrungsmittel schlecht bekommen, da er giftig ist. Für den Sammler ist es daher wichtig, nicht nur die Merkmale der eßbaren, sondern besonders auch die der giftigen Pilze genau kennenzulernen. Pilzberater empfehlen den Sammlern sogar, die Merkmale der giftigen Pilze regelrecht auswendig zu lernen.
Bei anderen Pilzen besteht die Hutunterseite aus einem sogenannten „Röhrenfutter“, einer Schicht, die von unzähligen feinen Röhrchen durchsetzt ist, als ob sie durch Hunderte von Nadelstichen erzeugt worden wäre. Zwischen den Kanälen dieses Futters oder auch zwischen den Lamellen werden die Sporen herangebildet, die im Reifezustand zu Millionen ausströmen.
Die Unterscheidung und Klassifizierung der Pilze wird im wesentlichen aufgrund der Verschiedenheit der Fruchtkörper vorgenommen. Die unterschiedliche Größe, Form und Farbe des Stieles und des Hutes sowie dessen einzelne Teile und Zonen, aber auch die Beschaffenheit des Pilzfleisches ergeben eine Vielzahl an Erkennungsmerkmalen. Selbst bei großer Ähnlichkeit zweier Arten läßt sich irgendein bestimmtes Merkmal finden, anhand dessen der Pilz mit Sicherheit identifiziert werden kann. Auch der Standort und die Wachstumszeit helfen uns, zwei ähnliche Pilze nicht zu verwechseln.
Einige Tips für das Sammeln
Eine strapazierfähige Kleidung und festes Schuhwerk gehören beim Pilzesammeln zur richtigen Ausrüstung, denn du magst ganz unversehens durch eine „heiße Spur“ in dichtes Unterholz gelockt werden. Da man die Pilze am besten gleich an Ort und Stelle vom gröbsten Schmutz sowie von Schnecken und Wurmfraß säubert, ist es wichtig, ein kleines, spitzes und sehr scharfes Messer bei sich zu haben. Wer voraussichtlich längere Zeit die Pilze mit sich herumtragen muß, sollte keine geschlossenen Beutel oder Gefäße, sondern einen offenen Korb als Sammelbehälter verwenden. Hättest du Freude daran, deine schönsten Funde auch noch im Bild festzuhalten? Eine lichtstarke Kamera, mit der man Nahaufnahmen machen kann, sowie ein Blitzgerät werden dir gute Dienste leisten.
Da die meisten Sammler ihren Fund zu Hause als leckeres Pilzgericht verspeisen möchten, entsteht natürlich die Frage, welche Pilze eßbar und welche giftig sind. Kurz gesagt: Es gibt nur sehr wenige Arten, deren Gift tödlich ist, und diese kannst du schnell kennenlernen, indem du einen erfahrenen Sammler oder Pilzbücher zu Rate ziehst. Für den Anfänger und den, der weitere Pilzarten kennenlernen möchte, empfiehlt sich ein Pilzbestimmungsbuch mit naturgetreuen Abbildungen und genauen Beschreibungen.
Einige der gefährlichsten Giftpilze sind Grüner und Weißer Knollenblätterpilz, Rißpilz, Riesenrötling, Bleiweißer Trichterling und in rohem Zustand die Lorcheln. Auch der Pantherpilz, der Fliegenpilz, der Tigerritterling und einige weitere Arten sind sehr gefährlich. Sie rufen je nach Art des Giftes Kopfschmerzen, Unwohlsein, Magenschmerzen, Verdauungsstörungen und Erbrechen hervor. In jüngster Zeit hat man herausgefunden, daß bei manchen Menschen sogar gewisse eßbare Pilze — zum Beispiel der Hallimasch, wenn er in großen Mengen häufig genossen wird — Allergien verursachen, die zu Dauerschäden oder sogar zum Tode führen können.
Die meisten Pilze gehören wohl zur Gruppe derer, die zwar nicht giftig, jedoch wegen ihres beißenden, bitteren oder üblen Geschmacks ungenießbar sind. Die Gruppe der eßbaren Pilze teilt der kundige Sammler in wohlschmeckende und minderwertige Sorten ein. Die Arten Steinpilz, Pfifferling, Champignon, Maronenröhrling, Rotkappe, Stockschwämmchen, Speisemorchel und Speisetäubling zählen zu den besten Speisepilzen, die es in Mitteleuropa gibt. Aber andere Arten, die es oft in großen Mengen gibt und die ebenfalls sehr wohlschmeckend sind, werden viel zuwenig beachtet.
Zubereitung und Wert
Wie werden Pilze am besten zubereitet? Da sie sehr oft von Maden befallen werden, empfiehlt es sich, die Pilze sofort nach der Heimkehr zu säubern und Hut und Stengel zu halbieren. So ist es leicht, dem weiteren Wurmfraß Einhalt zu gebieten. Wenn die Pilze auf sandigem Boden gewachsen sind, wird man um eine sehr gründliche Reinigung nicht herumkommen. Bei einigen Arten mag man die Haut des Hutes abziehen wollen, besonders wenn sie unansehnlich oder schleimig ist. Auch die zähen Stiele gehören nicht in ein feines Pilzgericht. Das Röhrenfutter braucht aber nur bei Pilzen entfernt zu werden, die älter sind oder nicht mehr gut aussehen.
Viele Pilzsammler haben die Gewohnheit, schon frühmorgens auf die „Jagd“ zu gehen, so daß sie nach ihrer Heimkehr am Vormittag noch Zeit haben, die Pilze in frischem Zustand für ein Mittagsmahl zuzubereiten. Doch auch wenn du erst am Nachmittag vom Sammeln zurückkehrst und die Pilze nicht gern am Abend genießen möchtest, weil sie schwer verdaulich sind, mußt du nicht darauf verzichten. Du könntest sie locker in einem luftdurchlässigen Gefäß in einem kühlen Raum bis zum nächsten Tag aufbewahren. Einige leichtverderbliche Arten, wie der Schopftintling, müssen allerdings sofort verzehrt werden.
Es gibt viele Verwendungsmöglichkeiten für Pilze. Die kleinen, oft sehr aromatischen Pilzsorten, wie Stockschwämmchen oder Nelkenschwindlinge, werden gern als Zutaten in Suppen verwendet. Zu Pilzsoßen eignen sich neben den frischen auch besonders gut getrocknete Pilze, da sie während des Trocknens oft ein kräftiges Aroma entwickelt haben. Bei festfleischigen, trockenen und sehr wohlschmeckenden Pilzen sollte man das Braten vorziehen. Die Pilze werden zerkleinert, indem man sie in nicht zu dünne Scheiben schneidet. Bei einigen Arten kann man jedoch auch ganze Hüte braten (Schirmlinge, Maronen, Brätlinge), wenn sie madenfrei sind. Besonders große Exemplare des Steinpilzes schmecken ausgezeichnet als „Schnitzel“, wenn man den Hut in dicke Scheiben schneidet und paniert.
Bei kleinen Pilzmengen läßt sich das fast fertig geschmorte Bratgut mit einem Ei etwas verlängern und dabei geschmacklich vorteilhaft abrunden. Neben den zum Braten üblichen Zutaten wie Butter, Zwiebeln und Salz mag auch eine Prise schwarzer Pfeffer beigegeben werden.
Will man die Pilze trocknen, schneidet man Hüte und Stiele in Scheiben, legt sie auf Packpapier oder Karton dicht nebeneinander und läßt sie an der Sonne dörren. Du kannst die Pilze auch einwecken oder sogar einfrieren, doch solltest du in diesen Fällen genau den Hinweisen in Koch- und Pilzrezeptbüchern folgen. Vom Genuß roher Pilze ist im allgemeinen abzuraten, weil einige in diesem Zustand nicht völlig giftfrei sind, obwohl manche spezielle Arten sich doch gut für rohe Salate eignen.
Ein Pilzgericht ist mehr als nur eine Gaumenfreude. Pilze weisen eine beträchtliche Menge an Vitamin B1, B2 und D sowie viele Mineralstoffe auf. Der Nährwert der Pilze läßt sich mit dem von Gemüse vergleichen.
Pilze sind eine Besonderheit im Reich der Pflanzen. Sie besitzen kein Chlorophyll, mit dessen Hilfe andere Pflanzen durch die Photosynthese den Kohlenstoff der Luft ausnutzen. Daher holen sie sich diesen wichtigen Baustein für ihr Wachstum aus bereits vorhandenem organischen Material, meist von absterbenden Pflanzen. Im Kreislauf der Natur bilden Pilze eine wichtige Brücke bei den Umsetzungsvorgängen im Waldboden und im Ackerland. Es ist daher gut, daß sie nicht völlig ausgerottet werden können. Winzigkeit, Ungenießbarkeit und Giftigkeit bewahren sie davor.
Wem aber verdanken diese eigenartigen Pflanzen ihr Dasein, ihren Zweck und ihre Vielfalt? Sie können nicht das Ergebnis eines blinden Zufalls sein. Wie bei den übrigen Organismen, die für die Aufrechterhaltung des Lebens auf der Erde äußerst wichtig sind, so erkennt man auch im Reich der Pilze die überragende Weisheit und Genialität eines Schöpfers. Neben dem Nutzeffekt im Haushalt der Natur erfüllen Pilze eine weitere, sehr angenehme Aufgabe: Sie erfreuen das Herz des Menschen, vor allem das des Pilzsammlers. Was meinst du dazu? Wäre das Pilzesammeln etwas für dich? (Eingesandt.)
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Nach dem Augenschein urteilenErwachet! 1980 | 8. Juni
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Nach dem Augenschein urteilen
Wie genau ist ein Urteil über eine andere Person, das auf den ersten Eindrücken beruht? Bei einer Jahreskonferenz des Instituts für Personalchefs in England deutete ein Test an, daß sich selbst diese „Profis“ beim ersten Eindruck kein ausgewogenes Urteil bildeten. Nachdem sie sich angehört hatten, wie zehn verschiedene Personen, die auf Videoband aufgenommen worden waren, über verschiedene Themen sprachen, zeigten sie eine Bevorzugung der Personen, die ihnen selbst ähnelten, und stuften sie als intelligenter ein. Doch die meisten Beurteilungen waren verkehrt. „Leute mit Universitätsabschluß zeigten kein besseres Urteilsvermögen als andere“, hieß es in einem Bericht der Zeitschrift Psychology Today. Das weibliche Urteilsvermögen erlitt eine Niederlage. „Die Männer erzielten im Durchschnitt bessere Ergebnisse als die Frauen.“ Wir können uns über den von Gott ernannten Richter der Menschheit freuen, denn „er wird nicht nach dem bloßen Augenschein richten noch einfach gemäß dem zurechtweisen, was seine Ohren hören“ (Jes. 11:3).
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