Genügt die Goldene Regel?
Viele Leute erklären, sie führten einen guten Lebenswandel. Damit meinen sie, daß sie ihren Mitmenschen kein Leid zufügen, ja, ihnen in materieller Hinsicht oft Gutes tun. Wird dies zu ewigem Leben führen? Oder ist mehr erforderlich?
CHRISTUS Jesus stellte die sogenannte Goldene Regel auf: „Alles daher, was ihr wollt, daß euch Menschen tun, sollt ihr gleicherweise auch ihnen tun.“ (Matth. 7:12, NW) Diese Regel der Nächstenliebe muß von allen befolgt werden, die ewiges Leben in Gottes neuer Welt erlangen möchten. Es gibt jedoch Leute, die denken, das Befolgen der Goldenen Regel sei alles, was Gott fordere. Haben wir aber wirklich unsere Pflicht Gott gegenüber gänzlich erfüllt, wenn wir anderen Gutes getan haben? Zeigt die Heilige Schrift, daß die Goldene Regel genügt?
Wenn wir uns Gottes Wort zuwenden, stellen wir tatsächlich fest, daß jemand des ewigen Lebens verlustig gehen kann, obwohl er sich an einem ganzen Programm aufbauender, guter Werke beteiligt. Dies ist ein Hauptpunkt, den Christus Jesus selbst betonte. Der biblische Schreiber Lukas berichtet über einen Vorfall in einem Hause, wo Jesus zu Gast war:
„Ein gewisses Weib, namens Martha, nahm ihn als Gast in das Haus auf. Dieses Weib hatte auch eine Schwester, Maria genannt, und diese setzte sich zu den Füßen des Meisters nieder und lauschte unablässig seinem Wort. Martha dagegen wurde abgelenkt, indem sie sich vieler Pflichten annahm. So trat sie denn hinzu und sprach: ‚Meister, machst du dir nichts daraus, daß meine Schwester es mir überläßt, mich der Dinge anzunehmen? Sage ihr doch, daß sie mir helfe.‘ Als Antwort sagte der Meister zu ihr: ‚Martha, Martha! du bist besorgt und beunruhigt um viele Dinge. Wenig jedoch oder nur eines ist nötig. Maria ihrerseits hat das gute Teil erwählt, und es wird nicht von ihr genommen werden.‘“ — Luk. 10:38-42, NW.
Offenbar völlig damit beschäftigt, die verschiedenen Gerichte für ein Essen zuzubereiten, wurde Martha „abgelenkt, indem sie sich vieler Pflichten annahm“. Sie hatte gute Beweggründe; sie wollte Jesus soviel Gutes tun, wie sie nur konnte. Maria, ihre Schwester dagegen, saß zu den Füßen des Meisters und „lauschte unablässig seinem Worte“. Maria ahnte, daß die Erkenntnis, nämlich die Erkenntnis über Gott und sein Vorhaben, wichtig sei. Martha, die sich durch viele Hausgeschäfte sehr in Anspruch nehmen ließ, wurde ungehalten und forderte Jesus auf, Maria anzuweisen, ‚ihr zu helfen‘. Der Meister zeigte Martha dann aber deutlich, was in Wirklichkeit wichtig ist. Er sagte, sie sei „besorgt und beunruhigt um viele Dinge“, daß es aber in Wirklichkeit nur eines gebe, was wichtig sei, und daß Maria dieses gute Teil erwählt habe.
Welche Bedeutung hat dies nun für uns? Es bedeutet, daß Dienst gegenüber unseren Mitmenschen allein nicht genügt, ja, daß es möglich ist, uns vom Wichtigsten ablenken zu lassen, ‚indem wir uns vieler Pflichten annehmen‘, die zu erfüllen an und für sich etwas Freundliches und Wertvolles ist, die aber der Anlaß dafür sein können, daß wir des ewigen Lebens verlustig gehen. Ein Lebensprogramm voll sehr nützlicher Tätigkeit an sich allein genügt nicht.
‚SEINEM WORTE LAUSCHEN‘
Jesus sagte zu Martha, Maria habe „das gute Teil erwählt“, weil sie ‚unablässig seinem Worte lauschte‘. Maria hatte in der Tat ein gutes Teil erwählt, denn es ist so, wie Simon Petrus einmal zu Jesus sagte: „Du hast Worte ewigen Lebens.“ Da Jesus, der Sohn Gottes, die Erkenntnis dieser „Worte ewigen Lebens“ auf eine höhere Stufe setzte als das Erweisen von Liebesdiensten gegenüber unseren Mitmenschen, können wir erkennen, was er hervorheben wollte, nämlich daß unser Gutestun gegenüber unseren Nächsten im richtigen Verhältnis stehen muß zu unserem regelmäßigen Brauche, ‚zu den Füßen des Meisters‘ zu sitzen und ‚seinen Worten‘ zu lauschen. — Joh. 6:68, NW.
Der wahre Christ muß also wie Maria handeln. Er muß durch sein Tun zeigen, daß er tatsächlich an die Worte Jesu glaubt: „Nicht vom Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jeder Äußerung, die durch den Mund Jehovas ausgeht.“ — Matth. 4:4, NW.
Jehovas Worte sind in der Bibel zu finden. Diesem Buche müssen wir uns zuwenden. Aus ihm können wir uns eine Erkenntnis über Jehova und sein Vorhaben aneignen. Für diese Erkenntnis gibt es keinen Ersatz. Sie ist lebenswichtig. Die Errettung hängt davon ab. Ein Apostel Christi erklärte: „Dies ist recht und annehmbar in den Augen unseres Erretters, Gottes, dessen Wille es ist, daß Menschen aller Arten gerettet werden und zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“ (1. Tim. 2:3, 4, NW) Jesus betonte die Wichtigkeit einer genauen Erkenntnis, als er in seinem Gebet zu seinem himmlischen Vater sagte: „Dies bedeutet ewiges Leben, daß sie fortwährend Erkenntnis in sich aufnehmen über dich, den allein wahren Gott, und über Jesus Christus, den du ausgesandt hast.“ — Joh. 17:3, NW.
Da Erkenntnis Leben bedeutet, muß auch das Gegenteil wahr sein, nämlich daß Mangel an Erkenntnis Tod bedeutet. Dies war der Fall beim ehemaligen Volke Israel. Als es halsstarrig wurde und die Unterweisung Jehovas zurückwies, ließ Gott ihm durch seinen Propheten sagen: „Mein Volk wird vertilgt aus Mangel an Erkenntnis; weil du die Erkenntnis verworfen hast, so verwerfe ich dich.“ (Hos. 4:6) Wenn wir uns nicht bemühen, eine genaue Erkenntnis zu erlangen, wird Gott auch uns verwerfen; er wird uns nicht als solche einschätzen, die ‚zum ewigen Leben recht eingestellt‘ sind. — Apg. 13:48, NW.
DAS GRÖSSTE GEBOT
Wenn wir durch ein Studium der Schrift zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit kommen, wird uns klar, daß es ein Gebot gibt, das von größerer Tragweite und Wichtigkeit ist als die Goldene Regel der Nächstenliebe. Der Sohn Gottes zeigte, welches der richtige Gesichtspunkt in dieser Sache ist, als er erklärte: „‚Du sollst Jehova, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Sinn.‘ Dies ist das größte und erste Gebot. Das zweite, ihm gleichkommende, ist dieses: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘ An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ — Matth. 22:37-40, NW.
Wie klar ist die Sache uns nun! Es gibt also zwei Gebote des Lebens. Beide sind unerläßlich. Um des ewigen Lebens würdig erachtet zu werden, müssen wir beide Regeln befolgen. Doch ein Gebot ist größer als die Goldene Regel der Nächstenliebe, nämlich das Gebot, Jehova Gott „mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Sinn“ zu lieben.
Wie bekunden wir diese Art Liebe zu Gott? Die Bibel antwortet: „Dies ist es, was die Liebe Gottes bedeutet, daß wir seine Gebote beobachten, und seine Gebote sind nicht schwer (drückend).“ (1. Joh. 5:3, NW) Obwohl wir die Goldene Regel, so gut es Menschen möglich ist, halten mögen, bleiben wir doch in der Liebe zu Gott zurück, wenn wir verfehlen, die anderen Gebote Gottes zu halten, und das ist eine ernste Sache.
Bevor jemand die Gebote Gottes halten kann, muß er sie kennen. Das bringt uns wieder auf das Thema der großen Notwendigkeit, genaue Erkenntnis des Wortes Gottes zu erlangen. Wir verstehen nun, weshalb Jesus zu Martha, die so sehr auf das Befolgen der Goldenen Regel bedacht war, sagte, Maria habe das gute Teil erwählt, weil Maria es vorzog, Erkenntnis zu erlangen. Ohne Erkenntnis können wir nicht wissen, was Gott von uns fordert. Wenn wir seine Gebote nicht kennen, können wir sie unmöglich halten, und wenn wir sie nicht halten, bleiben wir im Halten des größten Gebotes zurück.
ERFORDERNISSE ZUM ERLANGEN DES LEBENS
Die göttlichen Erfordernisse beschränken sich nicht nur auf einen Tag in der Woche, sondern erstrecken sich auf unser ganzes tägliches Leben. Das wahre Christentum bewirkt etwas bei einem Menschen, es bewirkt eine Änderung bei ihm. Seine ganze Lebensanschauung wird verändert; er wird eine neue Persönlichkeit. Man beachte, wie weitreichend Gottes Gebot ist: „Streift die alte Persönlichkeit ab mit ihren Praktiken und kleidet euch mit der neuen Persönlichkeit, die durch genaue Erkenntnis erneuert wird nach dem Bilde dessen, der sie schuf.“ (Kol. 3:9, 10, NW) Um dies zu tun, muß ein Mensch wirklich demütig sein; er muß Gerechtigkeit lieben. Gott fordert folgendes: „Ehe denn über euch komme der Tag des Zornes Jehovas! Suchet Jehova, alle ihr Sanftmütigen des Landes, die ihr sein Recht gewirkt habt; suchet Gerechtigkeit, suchet Demut; vielleicht werdet ihr geborgen am Tag des Zornes Jehovas.“ — Zeph. 2:2, 3.
Die neue Welt wird eine vollständig gerechte sein. Die alte gesetzlose Welt muß verschwinden. Sie wird nun bald, nämlich in Harmagedon, vernichtet werden. Daher verlangt Gott jetzt: „Da nun alle diese Dinge aufgelöst werden, solltet ihr da nicht Menschen sein, die heilige Taten des Wandels und der Gottergebenheit vollbringen, indem ihr erwartet und fest im Sinn behaltet die Gegenwart des Tages Jehovas, durch den die Himmel, in Feuer geraten, aufgelöst und die Elemente in Gluthitze zerschmelzen werden!“ — 2. Pet. 3:11, 12, NW.
Wir müssen Gottes Wort beständig studieren und unseren Mitmenschen in geistiger Hinsicht eine Hilfe sein. Sie müssen von Gottes neuer Welt und der nahe bevorstehenden Schlacht von Harmagedon Kenntnis erhalten. Unsere Liebe zu Gott und unseren Menschen kommt darin zum Ausdruck, daß wir anderen Jehovas Vorhaben kundtun. Das ist es, was die Neue-Welt-Gesellschaft der Zeugen Jehovas tut. Du kannst an dem Werke teilnehmen, das Jesus für diese letzten Tage anordnete und das wie folgt beschrieben wird: „Diese gute Botschaft vom Königreich wird gepredigt werden auf der ganzen bewohnten Erde, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das vollendete Ende kommen.“ — Matth. 24:14, NW.
Geistiges Geben resultiert aus dem Befolgen der Goldenen Regel. Aber nur wenn gepaart mit „heiligen Taten des Wandels“ zeigt es, daß unsere Liebe zu Gott vollständig ist. Die Goldene Regel in ihrem engen Sinne anzuwenden, indem wir auf buchstäbliche Weise Gutes tun, genügt nicht.