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  • Nonnen heute — Und morgen?
    Erwachet! 1975 | 8. Mai
    • Nonnen heute — Und morgen?

      WAHRSCHEINLICH zeigt sich die Krise, die in der katholischen Kirche aufgetreten ist, nirgends deutlicher als bei den weiblichen Orden und Kongregationen. Die Nonnen verlassen die Ordensgemeinschaften in großer Zahl. Und die Unzufriedenheit unter den Zurückgebliebenen wächst.

      In der Presse erscheinen immer wieder Artikel, deren Überschriften diese Krise widerspiegeln. Beispielsweise konnte man lesen: „IM LETZTEN JAHR GABEN IN DEN USA 9 000 NONNEN AUF‘“a1. „KLOSTER OHNE NONNEN“b2. „NONNEN IM SOG DER FRAUENBEFREIUNGSBEWEGUNG“c3. „ABWANDERUNG DER NONNEN: KRISE IN DEN SCHULEN“d4. „AUS MANGEL AN ORDENSSCHWESTERN MUSS KATHOLISCHES KRANKENHAUS SCHLIESSEN“e5.

      Vor kurzem arbeitete Mary Modde, eine Franziskanerin, an einer großangelegten Untersuchung, die 70 Prozent der Nonnen in den USA betraf. Sie schrieb, die Studie habe den Zweck, „zu beweisen oder zu widerlegen“, ob es heute, wie allgemein geglaubt werde, nicht mehr um die Frage gehe: „Wo sind die Ordensschwestern geblieben?“, sondern daß man jetzt sagen müsse: „ALLE Ordensschwestern SIND FORT.“

      Ist die Lage wirklich so ernst? Gefährdet die heutige Entwicklung tatsächlich den Fortbestand der Orden und Kongregationen der Kirche?

      Es gibt katholische Autoritäten, die diese Frage bejahen. Anita Caspary, die früher Generaloberin (Vorsteherin einer Klostergemeinschaft) war, schrieb, daß die Kirche „ihre sämtlichen Ordensfrauen“ verliere, wenn das Ordensleben nicht erneuert werde.

      Gabriel Moran, Vorsteher der Schulbrüder vom heiligen Johannes B. de la Salle (Bezirk Long Island und New England) schrieb: „Etwas vom Tragischsten in der jüngeren Geschichte der katholischen Kirche ist der Zerfall der geistlichen Orden. ... es gibt Zehntausende von Menschen, die sich in zusammengebrochenen Organisationen umsonst abmühen.“ Moran schloß mit dem Satz: „Das Gesamtbild ist niederschmetternd, und das ist der Grund, warum es fast nie ehrlich gezeichnet wird.“

      Das Ausmaß der Abwanderung

      Es ist schwierig, zuverlässige Statistiken über die Abwanderung der Nonnen zu erhalten. Katholische Quellen vermitteln indessen einen Begriff von ihrem Ausmaß. Daraus geht zum Beispiel hervor, daß es 1965 in der ganzen Welt 1 201 159 Nonnen gab, im Jahre 1971 dagegen nur noch 879 939 — 321 220 Nonnen weniger in nur sechs Jahren! In einigen Gebieten ist der Rückgang besonders stark gewesen. So schrumpfte in Südamerika die Zahl der Nonnen in einem Jahr von 87 593 auf 52 163 zusammen. Das ist ein Rückgang von 40 Prozent.

      Auch anderswo ist ein starker Rückgang zu beobachten. In Kanada gab es im Jahre 1960 über 59 000 Nonnen, im Jahre 1972 dagegen nur noch 45 000. Mitte der 1960er Jahre betrug in den USA die Zahl der Ordensfrauen noch 180 000, im vergangenen Jahr waren es indessen nicht einmal mehr 140 000. Doch was für Nonnen und Schwestern die Ordensgemeinschaften verlassen, fällt noch mehr ins Gewicht als die Zahl der Austritte.

      Der Redakteur einer katholischen Zeitung schrieb: „In den letzten Jahren hat eine noch nie dagewesene Zahl bestausgebildeter Schwestern die Ordensgemeinschaften verlassen.“ Die Franziskanerin Mary Modde drückte sich noch deutlicher aus. Sie schrieb, daß es sich bei den austretenden Ordensschwestern um „junge Frauen und um Frauen in mittleren Jahren“ handle, „die größtenteils sehr gut ausgebildet“ seien und zum „Kerntrupp der apostolischen Gemeinschaft“ gehört hätten.

      Was bedeutet das? Gabriel Moran, der Vorsteher der Schulbrüder vom heiligen Johannes B. de la Salle, schrieb ganz offen: „Der größte Teil der jungen, tatkräftigen Ordensschwestern hat die Ordensgemeinschaften verlassen.“

      Werden sie ersetzt?

      Zukunftsaussichten

      Die Antwort darauf gibt uns der 32seitige Bericht „Studie über Eintritte und Austritte bei den weiblichen Orden und Kongregationen in den Vereinigten Staaten von 1965 bis 1972“. Mary Modde, die aus dieser Studie zitierte, schrieb, daß alle Orden und Kongregationen, die in der Studie erfaßt seien, 1965 noch 4 110 Novizinnen gehabt hätten, 1972 jedoch nur noch 553. Während also Tausende von Nonnen die Ordensgemeinschaften verlassen, treten immer weniger junge Mädchen in einen Orden ein. Wie wirkt sich das aus?

      Vor allem die katholischen Schulen leiden darunter, denn es stehen immer weniger Nonnen als Lehrerinnen zur Verfügung. Und da die Beschäftigung weltlicher Lehrerinnen teuer ist, müssen ständig viele katholische Schulen schließen — täglich ungefähr eine. Die Zahl der Grund- und Mittelschüler in katholischen Schulen ist von 1967 bis 1971 um 1 700 000 zurückgegangen — ein Rückgang von 30 Prozent. Und die Lage verschlimmert sich weiter. In der katholischen Zeitschrift Commonweal (Ausgabe vom 2. Februar 1973) konnte man unter der Überschrift „Die Abwanderung der Nonnen“ lesen:

      „Um diese Jahreszeit schreiben die Ordensschwestern ihrem Pastor, wenn sie im Herbst nicht mehr in seine Schule zurückkehren wollen. Und in diesem Jahr sind die Briefe besonders zahlreich.“

      In dem Artikel werden dann Dutzende von Schulen in den Staaten New York, Massachusetts und Minnesota erwähnt, aus denen sich die Ordensschwestern zurückziehen. Abschließend wird darin gesagt:

      „Wie ist die Lage? Wahrscheinlich ist sie bei keinem Orden so schlimm wie bei den Schwestern des heiligen Joseph zu Boston. Aber ihr Nachwuchsproblem vermittelt einen Begriff von den Schwierigkeiten, mit denen heutzutage die Ordensgemeinschaften im allgemeinen in dieser Hinsicht zu kämpfen haben. In der Zeit von 1966 bis 1971 betrug die Zahl der Novizinnen zwanzig; in der gleichen Zeit schieden wegen Tod, Alter oder aus anderen Gründen 563 Schwestern aus. Das entspricht einem Verhältnis von 28 zu 1.“

      Was für Nonnen bleiben in den Ordensgemeinschaften? Diese Frage kann für zuständige katholische Stellen niederdrückend sein. In den Vereinigten Staaten ist jede dritte Nonne 60 Jahre alt oder älter. Das Durchschnittsalter der Nonnen des bedeutendsten Ordens für Erziehung und Unterricht in der Erzdiözese Boston ist nahezu 60 Jahre. Wie der Leiter der Zentralstelle für kirchliche Statistik des Erzbistums Seattle, James Eblen, schrieb, „lag noch vor zwanzig Jahren das Alter der meisten Nonnen zwischen 20 und 40 Jahren“.

      Ist es da verwunderlich, daß manch einer befürchtet, die geistlichen Orden würden bald aussterben? Es sieht so aus, als würden auch jetzt viele Nonnen nur auf eine Gelegenheit warten, ihre Ordensgemeinschaft zu verlassen, und weitere würden das ebenfalls tun, wenn sie könnten. Gabriel Moran ließ das in seinem Artikel durchblicken, der in der Zeitschrift National Catholic Reporter erschien:

      „Einige bleiben in ihrer Ordensgemeinschaft, weil sie alt, krank oder hilflos sind. Sie haben keine andere Wahl, als sich verzweifelt an das zu klammern, was noch übrig ist. Es gibt aber auch andere, die ohne weiteres gehen könnten, doch sie sind sich nicht schlüssig, ob sie dann ein besseres Leben hätten.

      Was ist die Ursache des Niedergangs der geistlichen Orden? Warum „fühlen sich“ — wie die Katholiken sich ausdrücken — so viele Nonnen „zum Ordensleben nicht mehr berufen“?

  • Warum sie ihren Orden verlassen
    Erwachet! 1975 | 8. Mai
    • Warum sie ihren Orden verlassen

      ES HAT immer einige Nonnen gegeben, die aus ihrem Orden ausgetreten sind. Aber die heutige Abwanderungsbewegung, die Zehntausende von Nonnen erfaßt hat, ist sowohl in bezug auf die Zahl als auch auf die Wirkung ohne Beispiel. Warum die vielen Austritte?

      Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Zur Hauptsache sind jedoch Struktur und Leitung der Kirche dafür verantwortlich. Mercedes Alonso, eine ehemalige Nonne, schrieb: „Die Krise entsteht nicht durch die steigende Zahl von Ordensschwestern, die ihren Orden verlassen, sondern dadurch wird sie lediglich offenbar.“

      Was veranlaßt die Nonnen, die Ordensgemeinschaften zu Tausenden zu verlassen?

      Ein Hauptgrund für die Austritte

      Die Nonnen sind insbesondere mit Traditionen und Einschränkungen, die sie für sinnlos halten, nicht einverstanden. Als Beispiel sei das Zölibatsgebot der Kirche erwähnt.

      Das Zölibatsgebot wurde vor Jahrhunderten von der Kirche erlassen; es ist zugegebenermaßen nicht biblisch. Das bestätigte auch Papst Johannes XXIII. wie folgt: „Der priesterliche Zölibat ist kein Dogma. Die Heilige Schrift fordert ihn nicht. Es ist sogar leicht, eine Änderung herbeizuführen.“

      Tausende von Nonnen und Priestern haben eine solche Änderung gefordert, einige haben sogar die Heilige Schrift als Autorität zitiert. Der katholische Theologe Hans Küng erinnerte zum Beispiel daran, daß „Petrus und die Apostel verheiratet waren und auch in der vollkommenen Nachfolge blieben, was dann durch viele Jahrhunderte für die Gemeindevorsteher vorbildlich blieb“ (Matth. 8:14; 1. Kor. 9:5). Doch die Kirche weigert sich, das Zölibatsgebot zu ändern.

      Viele Nonnen verlassen ihren Orden, weil sie es nicht für richtig halten, daß man sie zwingt, sich einem Gebot von Menschen zu unterwerfen. Einige sind sogar aus der katholischen Kirche ausgetreten. Sie sind zweifellos durch folgende biblische Warnung in ihrem Entschluß bestärkt worden: „Der Geist aber sagt ausdrücklich: In den späteren Zeiten werden manche vom Glauben abfallen und Irrgeistern sich zuwenden und Lehren von Dämonen ... Sie verbieten das Heiraten“ (1. Tim. 4:1-3, Kürzinger).

      Einschränkende Bestimmungen

      Die erzwungene Ehelosigkeit ist nur eines der Kirchengebote, die die Nonnen als Zwang empfinden. Ärger erregen auch die Vorschriften über das Tragen der Ordenstracht. Nicht wenige finden, die Ordenstracht sei ungeeignet und unbequem.

      Viele Nonnen halten es auch für eine unnötige Demütigung, sich den Kopf kahlscheren lassen zu müssen, um die Haube tragen zu können. „In all den Jahren, die ich als Ordensfrau zubrachte, konnte ich mich nicht an die Tatsache gewöhnen, keine Haare zu haben; wenn ich keine Haube trug, mied ich die Spiegel. Ich blickte nur hinein, wenn es gar nicht anders ging“, sagte eine ehemalige Nonne.

      Zu erwähnen wären außerdem die Regeln über die Disziplin. Midge Turk, die achtzehn Jahre lang Ordensfrau war, schreibt in ihrer Autobiographie The Buried Life (Das begrabene Leben, 1971): „Der Disziplin diente eine dreißig Zentimeter lange Peitsche, die aus Schnüren geflochten war und am Ende in vier geknotete Schnüre auslief. Man sagte uns, wir sollten sie gemäß den Ordensregeln nur mittwochs und freitags nachmittags während einer bestimmten Zeit zur Selbstzüchtigung gebrauchen und nur Rücken, Beine oder Gesäß damit geißeln.“ In der Bibel findet diese „strenge Behandlung des Leibes“ keine Stütze, außerdem halten viele diese Sitte für einen mittelalterlichen Zwang und für menschenunwürdig (Kol. 2:20-23).

      Ferner bestehen Regeln, die das Schweigen zur Pflicht machen und festlegen, wann gebetet und wann meditiert werden soll usw. Diese unzähligen Vorschriften, die von den Nonnen zum Teil als ungerecht und lächerlich empfunden werden, rufen bei ihnen Frustrationen hervor. Sogar Kardinal Suenens schrieb in seinem 1963 erschienenen Buch The Nun in the World (Die Nonne in der Welt), daß die Nonnen in vieler Hinsicht Gefangene veralteter Regeln seien, durch die ihre Kräfte und ihre Leistungsfähigkeit vergeudet würden.

      „Wir Nonnen durften nur mit Erlaubnis miteinander sprechen, sonst hatten wir Schweigepflicht“, erklärte eine Nonne, die mehr als siebzehn Jahre in einem Kloster in Brooklyn (New York) gewesen war. „In den Ordensregeln stand sogar, daß wir einander nicht einmal berühren durften. Diese Regel war eine übertriebene Reaktion auf die Beschuldigung, viele Nonnen seien Lesbierinnen. Allerdings war im Mittelalter die lesbische Liebe in den Nonnenklöstern weit verbreitet.“

      In den vergangenen zehn Jahren sind jedoch einige der erwähnten Regeln geändert worden. Aber die Neuerungen mußten erkämpft werden. Die Kirchenleitung, mit der langwierige, zähe Verhandlungen geführt wurden, willigte erst in die Reformen ein, als zu sehen war, daß die weiblichen Orden und Kongregationen nur dadurch vor ihrer völligen Auflösung bewahrt werden konnten. Viele Nonnen verließen die Ordensgemeinschaften, weil sie bei ihren Bemühungen, Reformen herbeizuführen, überall behindert wurden.

      Im Jahre 1970 traten in Los Angeles (Kalifornien) rund 315 der 380 Schwestern der Kongregation der Schwestern vom unbefleckten Herzen Mariens aus der Ordensgemeinschaft aus. Sie wurden von ihrer Vorsteherin, Anita Caspary, die ihren Klosternamen Mutter Humiliata schon früher aufgegeben hatte, angeführt.

      Aber nicht nur die veralteten Regeln und der Widerstand gegen die Versuche, Reformen einzuführen, haben Nonnen veranlaßt, die Ordensgemeinschaften zu verlassen, sondern der Hauptgrund ist wahrscheinlich die Atmosphäre in den Klöstern.

      Beziehungen untereinander und Leitung

      Viele Nonnen sagen, im Kloster herrsche oft eine gewisse Lieblosigkeit und Unfreundlichkeit. Das hat viele bewogen, ihre Ordensgemeinschaft zu verlassen. Man kann sich gut vorstellen, daß Regeln wie die Schweigepflicht und das Verbot, sich frei auszusprechen und einander zu berühren, zu einer kühlen, förmlichen Atmosphäre in den Klöstern beitragen.

      Häufig wird erwähnt, daß menschliche Empfindungen fehlen. „Versuche, eine normale, schöne Freundschaft zu pflegen, wurden nicht gern gesehen, ja man beobachtete sie argwöhnisch“, erklärte eine ehemalige Nonne. Eine andere sagte: „Ich vermißte das vertraute Verhältnis, das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das man nur empfindet, wenn man einer großen, festgefügten Familie angehört.“

      Die Nonnen erheben auch den Vorwurf, daß in der Kirche das aufrichtige Interesse am Wohl des anderen fehle. Midge Turk, die als Nonne mit Verwaltungsaufgaben betraut worden war, schrieb: „Während der Konferenzen mit Mitgliedern der Diözesanverwaltung wurde nie ein Wort über die Menschenwürde derer, mit denen ich zusammen arbeitete, verloren.“ Zweifellos dachte ein katholischer Redakteur an diese Einstellung, als er schrieb manche Nonne verlasse ihre Ordensgemeinschaft, „weil diese dem christlichen Leben eher hinderlich als förderlich“ sei.

      Viele Nonnen treten auch aus ihrem Orden aus, weil sie das Gefühl haben, unterdrückt zu werden — jegliche Initiative und Neuerung wird im Keim erstickt. Im Jahre 1967 verließ Jacqueline Grennan, eine in den USA allgemein bekannte Pädagogin, ihre Ordensgemeinschaft. Ihren Schritt begründete sie unter anderem wie folgt: „Ich erkannte, daß das Gelübde des Gehorsams ... es mir unmöglich machte, als verantwortungsbewußtes und produktives menschliches Wesen zu leben.“

      Häufig wird von Nonnen auch der Vorwurf erhoben, sie würden wie Kinder behandelt. Sozusagen jede Entscheidung und jeder Schritt wird ihnen vorgeschrieben. Begünstigt wird das durch die Struktur der katholischen Kirche. Der Oberin wird zum Beispiel große Macht über das Leben der Nonnen gewährt. Das trägt dazu bei, daß sie das Gefühl hat, etwas Besonderes zu sein. Eine ehemalige Nonne, die sieben Jahre in Klöstern in Argentinien und Chile zubrachte, berichtete:

      „Die Oberinnen forderten absoluten Gehorsam. Das kam in Wirklichkeit einer Verehrung gleich, denn sie sagten, Gott habe sie in dieses Amt eingesetzt und deshalb seien alle verpflichtet, ihnen unbedingt zu gehorchen. ... Der Gehorsam, den sie forderten schloß auch ein, daß man sich vor ihnen niederbeugte und niemals etwas anzweifelte, was sie taten.“

      Der katholische Priester Luke Delaney, der ungefähr ein Vierteljahrhundert darauf verwandt hat, Klostermissionen zu organisieren, wies darauf hin, daß die Massenabwanderung der Nonnen aus den irischen Klöstern auf ein solches Verhalten der Oberinnen zurückzuführen sei. Er schrieb:

      „Es gibt Oberinnen, die nicht nur störrisch und eigensinnig, sondern auch eingebildet und konservativ sind ... Sie auferlegen Einschränkungen ... Heutzutage lassen sich junge Frauen von der Oberin nicht mehr diktieren. Sie verlassen einfach die Ordensgemeinschaft.“

      Allerdings sei erwähnt, daß es das alles generationenlang gegeben hat — die Ehelosigkeit, die einschränkenden Regeln, die Lieblosigkeit, die autoritäre Zucht usw. Deshalb mag der eine oder andere fragen: „Warum ist es gerade in den vergangenen zehn Jahren zu einer solchen Abwanderung der Nonnen gekommen?“

      Warum jetzt diese Massenaustritte?

      Den Anstoß dazu hat eigentlich das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965), das um Erneuerungen bemüht war, gegeben. Papst Johannes XXIII. sagte, das Konzil habe den Zweck, „etwas frische Luft in die Kirche einströmen zu lassen“. Die Ordensleute wurden also gleichsam aufgefordert, ihr Ordensleben einer Prüfung zu unterziehen und selbst darüber nachzudenken. Was hatte das zur Folge?

      Eine Nonne, die fast achtzehn Jahre den Einsiedlerinnen von der Heimsuchung Mariä in Bayridge (Brooklyn) angehörte und die im Jahre 1972 aus dieser Ordensgemeinschaft austrat, schrieb in ihrem Austrittsgesuch: „Viele der Schwestern fühlten sich enttäuscht, als wir uns bemühten, unsere Bräuche und Traditionen zu modernisieren. Diejenigen dagegen, die die Modernisierung ablehnten, leisteten heftigen Widerstand. Es ist daher nicht zu verwundern, daß viele Nonnen die Ordensgemeinschaften verlassen.“

      Die von Ordensfrauen angestellten Untersuchungen ergaben, daß zahlreiche Vorschriften, die ihr Leben regelten, sinnlos waren und sie unnötig einengten, anstatt ihnen zu helfen, ein christliches Leben zu führen. Sie stellten zum Beispiel fest, daß ihre Ordenstracht, das Habit, die heiligen Ursprungs sein sollte, lediglich die Tracht war, die Bauersfrauen vor Jahrhunderten trugen. Ferner erfuhren sie, daß die Vorhänge um ihre Betten, die eine heilige Bedeutung haben sollten, ursprünglich lediglich dem Zweck dienten, die Schläferin warm zu halten. Deshalb sind sie heute, da es die Zentralheizung gibt, völlig überflüssig.

      Das Zweite Vatikanische Konzil hatte zwar zu den Untersuchungen aufgefordert, aber die Modernisierungsversuche führten dann doch nur zu Enttäuschungen und Konflikten. Aber für die Massenabwanderung der Nonnen gibt es noch einen weiteren Grund. Es ist die veränderte Einstellung der Frau sowie ihre neue Stellung in der Welt.

      Die Nonnen sind in den Sog der Frauenbefreiungsbewegung geraten, die Mitte der 1960er Jahre viel von sich reden machte. Diese Bewegung, die den Frauen ein neues Gefühl der Unabhängigkeit verliehen hat, gab enttäuschten Nonnen den Mut, ihre Ordensgemeinschaft zu verlassen. Andere haben dann ihr Beispiel nachgeahmt, und so nimmt die Abwanderungsbewegung einen immer größeren Umfang an.

      Ein weiterer wichtiger Grund

      Die Bemühungen um die Erneuerung der Kirche führten noch zu weiteren Entdeckungen, die viele Nonnen verwirrten. Heilige wurden gestrichen, freitags darf jetzt Fleisch gegessen werden, und aus vielen Kirchen wurden die Bilder entfernt. Aber das ist nicht alles. Eine ehemalige Nonne sagte: „Ich erfuhr auch, daß wichtige Lehren der katholischen Kirche wie die Lehre von der Dreifaltigkeit, von der Unsterblichkeit der Seele, vom Fegfeuer und von der Hölle nicht aus der Bibel, sondern aus dem Heidentum stammen.“

      Es zeigt sich deutlich, daß die katholische Kirche das, was die Bibel über Gott und seine Vorsätze sagt, einfach nicht lehrt. Kein Wunder, daß immer mehr Nonnen den Mut verlieren. „Ich war geistig völlig ausgehungert“, bemerkte eine ehemalige Nonne aus Adams (Massachusetts). „In unserem Kloster wurde weder vom Königreich Gottes gesprochen, noch setzte jemand seine Hoffnung darauf. Wir sprachen selten aus freiem Antrieb von Gott.“ Sogar in der katholischen Presse wird jetzt zugegeben, daß eine geistige Armut besteht. Vor kurzem schrieb der katholische Priester Andrew M. Greeley:

      „In der Kirche besteht eine religiöse Energiekrise die noch ernster ist als die Benzinknappheit. Zahllose Menschen hungern nach Religion; sie möchten über schwierige Fragen — Fragen über Leben und Tod, Gut und Böse, Liebe und Haß, Einheit und Vielheit, Gott und Mensch — Auskunft und Klarheit haben.

      Im Jahre 1974 erhalten sie diese Klarheit am allerletzten in der katholischen Kirche (aber auch in anderen Kirchen ergeht es ihnen nicht viel besser)“ (The National Catholic Reporter, 11. Januar 1974).

      Kann man es den Nonnen verargen, daß sie sich von einer Kirche abwenden, deren eigene Priester sogar ein solches Bild entwerfen? Aber wenn auch in anderen Kirchen eine so große geistige Armut herrscht, wo erfährt man dann die Wahrheit über Gott und über seine Vorsätze?

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