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Die rote Verfolgung heute überwindenDer Wachtturm 1955 | 15. März
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die um so bemerkenswerter ist, wenn man an die Rassen- und Sprachenschranken denkt.
Zu der Zeit, da die Dominikanische Republik das Werk der Zeugen Jehovas untersagte, nämlich im Jahre 1949, hatten die Zeugen dort eine Höchstzahl von 274 Verkündigern erreicht. Obwohl viele eingesperrt wurden, sind die Zeugen dort keine Kompromisse eingegangen, sondern haben furchtlos unterirdisch weitergepredigt. Als Ergebnis nahmen 371 Verkündiger im Jahre 1954 am Predigtwerk teil; das ergibt eine durchschnittliche jährliche Zunahme von nahezu sieben Prozent. Ohne Frage haben sie die Verfolgung überwunden.
Im Jahre 1950 haben über 20 000 Zeugen regelmäßig die gute Botschaft in Ostdeutschland gepredigt, als die Kommunisten das Werk verboten und alle Brüder in Gewahrsam nahmen, die im Hauptbüro in Magdeburg dienten, ferner die reisenden Vertreter und die Aufseher an den verschiedenen Orten. Insgesamt wurden mehr als 2000 verhaftet, und gegenwärtig sind dort 1283 im Gefängnis. Trotz den vermehrten Schwierigkeiten des Predigens unter Verbot und der fortwährenden Gefahr der Verhaftung haben sich ihre Reihen nachgefüllt, so daß es heute in Ostdeutschland wieder über 20 000 tätige Zeugen gibt. Viele sind der Äußerungen der Freude, die von den Zeugen aus Ostdeutschland kommen, sowohl von innerhalb als auch von außerhalb der Gefängnisse.
Der furchtlose Lauf der Zeugen Jehovas in Ostdeutschland ruft bei vielen Bewunderung hervor. Zum Beispiel wurde nach den Kongressen der Neuen-Welt-Gesellschaft im Jahre 1953 auf die Tätigkeit von Haus zu Haus in Ostdeutschland Gewicht gelegt. In einer Versammlung nahmen zwanzig Verkündiger an dieser Arbeit teil und arbeiteten ihre Stadt durch. Zwei davon kamen bei dieser Aktion zufällig auch beim Bürgermeister vorbei. Befragt, ob sie Zeugen Jehovas seien, stellten sie ihm die Gegenfrage, wer nach seinem Dafürhalten Jehovas Zeugen seien. Der Bürgermeister erwiderte darauf unumwunden: „Ich weiß, daß ihr es seid, aber ihr braucht nicht zaghaft zu sein. Ich bewundere euren Eifer und Mut.“ Die zwei Zeugen konnten ein gutes Zeugnis über ihre Glaubensansichten und ihr Werk geben und vereinbarten, wieder bei ihm vorzusprechen. Viele solche Erfahrungen könnten erzählt werden, die zeigen, wie Jehovas Zeugen die Verfolgung in Ostdeutschland überwinden.
In der Tschechoslowakei, in Ungarn, Rumänien, Polen und Jugoslawien, wo das Werk der Zeugen Jehovas seit Jahren verboten gewesen ist, stellen wir ein gleiches Überwinden der Verfolgung fest. Im Jahre 1946 waren in diesen Ländern 11 131 christliche Zeugen Jehovas tätig; im Jahre 1950 war ihre Zahl auf 28 183 angestiegen. Und wie viele waren es im Jahre 1954? Fast viermal soviel wie im Jahre 1946, nämlich 42 767.
DIE VERFOLGUNG IN RUSSLAND ÜBERWINDEN
Von vielleicht größtem Interesse jedoch sind die Tatsachenberichte, wie Jehovas Zeugen die Verfolgung in Rußland überwinden. Im Jahre 1946 gab es 6000 Zeugen in Rußland; im Jahre 1949 waren es 10 000. Wie kamen sie dorthin? Einige sind Zeugen geworden, weil sie Zeugnis erhalten hatten, als sie mit der russischen Armee in Deutschland dienten, andere, weil sie mit Jehovas Zeugen in deutschen Gefängnissen und Konzentrationslagern zusammenkamen. Die meisten jedoch gelangten dadurch in das Gebiet Rußlands, daß Rußland die baltischen Staaten und Teile von Polen, Ungarn, Rumänien und der Tschechoslowakei übernahm.
Doch in welchem Ausmaße sie die Verfolgung überwanden, war nicht bekannt, weil der Eiserne Vorhang nichts durchließ, und so blickten die Zeugen Jehovas in anderen Teilen der Welt Jahr für Jahr umsonst in ihrem Jahrbuch nach Berichten über das Zeugnis in Rußland aus. Im Jahre 1951 traf der Präsident der Watch Tower Society einen Radiomann in Wien, Österreich, der Gefangener in Rußland gewesen war und dort viele Zeugen Jehovas im Gefängnis angetroffen hatte. Im Dezember 1953 wurde ein Zeuge Jehovas, der im Jahre 1948 in ein russisches Gefangenenlager gekommen war, weil er zwei russischen Soldaten Zeugnis gegeben hatte, wegen schlechter Gesundheit und weil er über sechzig Jahre alt war, freigelassen. Er erzählte, wie er den Russen Zeugnis gegeben habe, als er im Lager weilte, und wie er dort einige Zeugen getroffen habe, die überglücklich gewesen seien, mit ihm zusammenzutreffen.
Dann, im Februar 1954, erschienen in The Observer, London, verschiedene Artikel über Zustände in russischen Arbeitslagern, die aus der Feder einer deutschen Journalistin, Frau Brigitte Gerland, stammten, welche kurz vorher aus einem dieser Lager freigelassen worden war. Sie war im Jahre 1946 in Ostdeutschland verhaftet und zu sieben Jahren Zwangsarbeit in kommunistischen Gefangenenlagern verurteilt worden. Schließlich war sie nach Vorkuta, der Hauptstadt des arktischen Rußlands, gesandt worden, wo etwa eine halbe Million Gefangene leben.
Sie erstattete einen vorzüglichen Bericht über die Gefangenen in Vorkuta. Unter denen, die sie beschrieb, waren „die Gläubigen“. „Sie hatten sich aus Gewissensgründen geweigert, für den Staat zu arbeiten, und sie hatten nach jahrelangem hartem Kampf die Lagerverwaltung dazu gebracht, ihre Gewissensskrupel zu respektieren und sie nur noch zu Arbeiten für ihre Mitgefangenen zu verwenden. Ihr Erfolg bewies, daß innerhalb des Lagers Widerstand möglich war.“
Sie erwähnte besonders eine gläubige Tochter, eine gelernte Technikerin, die ein Mitglied der Kommunistischen Jugendorganisation gewesen war, aber sich nicht befriedigt gefühlt hatte. Da sie zufällig auf ein „Neues Testament“ stieß, wurde sie dadurch zum Christentum bekehrt. Bei ihrer Arbeit in einer Fabrik traf sie ein Mädchen, das an das Evangelium glaubte und sie bei anderen einführte, die ebenfalls daran glaubten. Die zwei Mädchen gaben ihre Arbeit auf und gingen nach Zentralasien, Sibirien, wo sie in einem Krankenhaus arbeiteten und die Bibel predigten. Die Geheimpolizei hörte von ihrer Tätigkeit und verurteilte sie zu fünfzehn Jahren Zwangsarbeit wegen religiöser Agitation. Frau Gerland sagt über sie: „Die Geschichte ihrer Bekehrung, ihres Apostolates [ihrer Predigttätigkeit] und ihrer Verhaftung ist typisch für das Schicksal von vielen Hunderten, die ich traf, und von Tausenden anderer; es ist die Geschichte einer Bewegung, die immer noch außerhalb der Lager fortwirkt.“
Als Erwiderung auf eine Frage über Jehovas Zeugen in Rußland antwortete Frau Gerland: „Ich traf davon eine ganze Menge in den arktischen Lagern. Die meisten waren Westukrainer [früher polnisch] oder Leute aus den baltischen Staaten, doch gab es unter ihnen auch Russen und andere Sowjetleute, selbst Tataren und Armenier. Ich denke, daß es allein im Lagerbezirk von Vorkuta mehr als zweitausend gewesen sind, vielleicht sogar dreitausend. Sie sind sehr freundliche und hilfreiche Leute, und alle Gefangenen hatten sie gern. Von den Lagerchefs wurden sie wegen ihrer Glaubensansichten nicht behelligt.“
Der obige Bericht darüber, wie Jehovas Zeugen die Verfolgung in Rußland überwinden, ruft uns die zuversichtlichen Worte ins Gedächtnis zurück, die im Jahrbuch 1950 zum Ausdruck gebracht worden waren: „Wo sie auch sein mögen, fahren sie fort, die frohe Botschaft zu predigen. Jehovas Zeugen allerorts werden Jehova bitten, daß er diese treuen Brüder segnen und führen und leiten möge, damit auch sie durch ihre unverbrüchliche Lauterkeit trotz der schweren Zeiten, die sie ertragen, einen Anteil an der Rechtfertigung des Namens Jehovas haben. Ihr leuchtender Glaube ist ein Anreiz, ein Ansporn für Jehovas Zeugen allüberall; denn sie verharren treu im Dienste Jehovas.“
Und was ist dazu nötig, heute diese Verfolgung zu überwinden? Vor allem Erkenntnis. Ohne Erkenntnis Jehovas und seiner Eigenschaften, seiner Vorsätze und seines Willens für sie und des Grundes, warum er sie leiden läßt, hätten sie dem „roten“ Terror nicht widerstehen können. Und diese Erkenntnis muß einen lebendigen Glauben zeitigen, denn wenn man Glauben hat, ‚vermag man alles‘, denn alles ‚geschehe dir nach deinem Glauben‘. Zudem ist Hoffnung nötig, denn Hoffnung ist für den Christen, was ein Anker ist für ein Schiff und der Helm für den Soldaten, nämlich Schutz in Zeiten der Gefahr. — Phil. 4:13; Matth. 9:29; Heb. 6:19; Eph. 6:17.
Die Verfolgung zu überwinden erfordert auch Jehovas heiligen Geist, denn es kann nicht durch Menschenmacht oder -kraft geschehen. (Sach. 4:6) Und vor allem ist Liebe nötig, denn ohne Liebe sind wir nichts. Ferner: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.“ (1. Joh. 4:18, NW) Ja, wahre Christen können und werden Verfolgung überwinden, so wie dies von den Zeugen Jehovas in der ganzen Welt bewiesen wird.
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Warum viele Kirchenstühle leer sindDer Wachtturm 1955 | 15. März
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Warum viele Kirchenstühle leer sind
IN EINER gewissen Zeitung in Kalifornien (USA) erschien einen Monat lang folgendes Inserat: „Gesucht werden Männer, Frauen und Kinder, die sonntags morgens von 10 bis 12 Uhr in der Armona-Methodistenkirche, Ecke der 14. Avenue und der Hanford-Armona-Autostraße, kaum gebrauchte Kirchenstühle besetzen.“ Die folgende Erfahrung wirft etwas Licht auf die Frage, warum die Stühle dieser Kirche an den Sonntagen nicht besetzt sind.
„Ich besuchte diese Kirche 25 Jahre lang, und jedesmal, wenn ein Prediger die Frage stellte, warum die Kirchen versagten, spürte ich immer mehr, daß an den Kirchen etwas verkehrt war. Vor eineinhalb Jahren bat ich den Prediger, der das obige Inserat in die Zeitung gesetzt hatte, mir Harmagedon und Teile aus der Offenbarung zu erklären. Sowohl er als auch seine Frau, die ebenfalls ordinierter Prediger ist, sagten mir, sie wüßten das nicht und wären auch nicht an der Offenbarung interessiert, weil es uns nicht zustehe, sie zu begreifen. Man sagte mir auch, ich würde meinen Verstand verlieren, wenn ich mit Jehovas Zeugen studierte, weil sie in der Welt von den falschen Zeugen die schlimmsten seien.
Ich hatte schon ein paar Monate lang mit einer jungen Zeugin Jehovas die Bibel studiert. Sie hatte an meiner Tür vorgesprochen und versicherte mir, ich verlöre nicht meinen Verstand, wenn ich mit ihr weiterstudierte. Nach vier Monaten wurde ich getauft, und der Fortschritt, den ich machen konnte, ist erstaunlich, da ich doch im Alter von vierundfünfzig Jahren als ein Bibelunkundiger begann. Jetzt bin ich mit der Hilfe Jehovas imstande, von Tür zu Tür zu predigen und Bibelstudien zu leiten. An meiner allerersten Tür nahm ich ein Wachtturm-Abonnement auf. Wie ich glaube, hat das jede Prüfung, jede Kritik und alles andere aufgewogen, was ich über mich ergehen lassen mußte. Nebenbei gesagt, der Prediger und seine Frau, die mir erklärt hatten, ich verlöre meinen Verstand, wenn ich mit Jehovas Zeugen studierte, mußten wegen Unstimmigkeit ihre Kirche verlassen.
P. S. Mein Verstand ist tatsächlich um vieles verbessert worden!“
Kein Wunder, wenn die Kirchenstühle leer sind! Warum sich die Mühe machen und in die Kirche gehen, wenn wir die Bibel nicht verstehen sollen? Wenn wir sie aber verstehen sollen, müssen wir an einem anderen Ort danach Ausschau halten als an den Anbetungsstätten, an denen solche Prediger lehren.
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„Ein hervorragender Christ von seltener Art“?Der Wachtturm 1955 | 15. März
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„Ein hervorragender Christ von seltener Art“?
Dr. W. R. Matthews, der gegenwärtige Doyen der St.-Pauls-Kathedrale in London, nannte in seinen Worten über das Hinscheiden seines Vorgängers Sir W. R. Inge, des „düsteren Doyens“, diesen einen „hervorragenden Christen von seltener Art. Er gab manchen Leuten Anstoß, doch brachte er sie zum Nachdenken.“
Zu den Erklärungen, wodurch Inge recht vielen Leuten zum Anstoß wurde, gehörte auch jene, daß er weder an den Himmel noch an die Hölle noch an die Sozialisten Englands glaubte. Natürlich kann jemand, der Christ zu sein behauptet, sein Vertrauen weder auf die Sozialisten Englands setzen noch auf die Liberalen oder die Tories, sondern muß an das Reich Christi glauben. Und (sofern wir Inge die Wohltat des Zweifels gewähren wollen) wenn er sagte, er glaube nicht an die Hölle, mag er gemeint haben, er glaube nicht an eine Feuerhölle. Wie aber kann jemand, der sich vor den Menschen der Welt als christlicher Geistlicher ausgibt, erklären, daß er nicht an den Himmel glaube? Für Christus Jesus war der Himmel etwas sehr Wirkliches. Er sagte, er sei vom Himmel herabgekommen und kehre in den Himmel zurück, ferner, sein Vater wohne im Himmel; sein Königreich sei vom Himmel; der Lohn für seine Fußstapfen-Nachfolger sei im Himmel aufbewahrt, und sie sollten sich Schätze im Himmel aufhäufen.
Was will Dr. Matthews sagen, wenn er erklärt, Dr. Inge habe die Leute zum Nachdenken gebracht? Veranlaßte er sie zu der Frage, ob es wirklich einen Gott gebe, ob die Bibel das Papier wert sei, auf das sie geschrieben wurde? Seine Bemerkungen waren bestimmt nicht derart, daß sie zur rechten Art des Nachdenkens über Gott und die Bibel ermutigen. Kann ein solcher zu Recht als „ein hervorragender Christ von seltener Art“ bezeichnet werden? Offensichtlich ist etwas grundverkehrt an der Auffassung Dr. Matthews’ über das, was einen Christen ausmacht. Wenn führende Geistliche sich zu einer Philosophie wie zu der eines Inge bekennen, ist es dann verwunderlich, daß es so große religiöse Unwissenheit, Gleichgültigkeit und Heuchelei in der Welt gibt, daß so viele Menschen ‚das Vergnügen mehr lieben als Gott und eine Form der Gottergebenheit haben, doch hinsichtlich deren Kraft sich als falsch erweisen‘? — 2. Tim. 3:4, 5, NW.
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