Ist Gott an der Umweltverschmutzung schuld?
EINE Gruppe hoch aufragender Mammutbäume; ein dunkler Regenwald; ein gewaltiger blauer Ozean, der gegen die felsige Küste donnert; eine Wüste im Frühling, die von einem Blumenteppich bedeckt ist; ein Gebirgszug schneeweißer Gipfel, die sich aus den dunkelgrünen Wäldern erheben und sich in den blauen Seen spiegeln — das sind Szenen, die einst dem staunenden Betrachter den ehrfürchtigen Ausruf entlockten: „Das ist Gottes Land!“
Heute ist eine neue Generation herangewachsen, die sich die schmutzige braune Luft ansieht, die Flüsse, die mit Industrieabfällen verseucht sind, die toten Seen, den vergifteten Boden, die Elendsviertel der Großstädte, die großen Müllabladeplätzen gleichen, und sagt: „Das ist Gottes Land.“
Die Umweltverschmutzung, sagen sie, sei Gottes Fehler. Ihre Beschuldigung stützen sie auf die Äußerung, die in 1. Mose 1:28 zu finden ist, wo es heißt: „Auch segnete Gott sie, und Gott sprach zu ihnen: ,Seid fruchtbar und werdet viele und füllet die Erde und unterwerft sie euch, und haltet euch die Fische des Meeres und die fliegenden Geschöpfe der Himmel untertan und jedes lebende Geschöpf, das sich auf der Erde regt.‘“
Dieser Auftrag Gottes sei der Ursprung der Umweltverschmutzung, behauptet der britische Historiker Arnold J. Toynbee in einem Artikel, der im Sommer 1973 in der Zeitschrift Horizon erschien und Anfang 1974 in der Zeitschrift Das Beste nachgedruckt wurde. Der Artikel war betitelt: „Vom Ursprung der Umweltverschmutzung“. Toynbee ist nur einer der letzten in einer langen Reihe von Anklägern.
Lynn White jr. schrieb in dem Artikel „Die historischen Wurzeln unserer ökologischen Krise“, der in der Zeitschrift Science vom 10. März 1967 veröffentlicht wurde: „Dadurch, daß das Christentum den heidnischen Animismus zerstörte, wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, daß die Natur mit völliger Gleichgültigkeit ausgebeutet wurde.“ Er behauptete, das Christentum trage eine gewaltige Schuld an der sich verschlimmernden ökologischen Krise.
Whites Artikel wurde in das Buch The Environmental Handbook aufgenommen, das im Jahre 1970 von den „Freunden der Erde“ verfaßt wurde. Im gleichen Jahr veröffentlichte der Sierra Club sein Handbuch Ecotactics, und dort hieß es auf Seite 82 und 83: „Der Mensch hat sich in seinen Bestrebungen bisher von dem Gott der Genesis leiten lassen. Meistens sind wir stolz darauf gewesen, daß wir uns den Planeten unterworfen haben. Jetzt stellen wir fest, daß unsere Bestrebungen fehlgeleitet wurden und zerstörerisch waren.“
Ian McHarg, der an der Universität von Pennsylvanien lehrt, schrieb in seinem Buch Design with Nature, das 1971 veröffentlicht wurde: „In der Tat, wenn jemand einen Freibrief für diejenigen sucht, die die Radioaktivität erhöhen, Kanäle und Häfen mit Hilfe von Atombomben schaffen, hemmungslos Giftgase anwenden oder für eine Bulldozermentalität eintreten möchten, dann gibt es keine bessere Aufforderung als diesen Text (1. Mose 1:28). Hier kann man die Erlaubnis und die Aufforderung finden, die Natur zu besiegen — den Feind, die Bedrohung für Jehova.“ Viele weitere, darunter einige Geistliche, schließen sich der Anklage an, Gott sei an der Umweltverschmutzung schuld.
Die entscheidende Frage lautet: Gab Gott, als er das erste Menschenpaar beauftragte, sich die Erde zu unterwerfen und über die Tiere zu herrschen, dadurch „Adam und Eva die Erlaubnis, damit zu machen, was sie wollten“, wie Toynbee behauptet? War das Jehovas Vorsatz? Oder hatte Gott vorgesehen, daß der Mensch, der in Gottes Bild und Gleichnis erschaffen worden war, der Hüter der Erde oder ihr Verwalter sein sollte, und das nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern auch zum Nutzen der Pflanzen- und Tierwelt? Wer vernünftig ist, wird sich zunächst über die Tatsachen informieren, statt leichtsinnig Beschuldigungen zu erheben, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Bibel warnt uns: „Eine Frage zu beantworten, bevor man sie ganz gehört hat, ist sowohl töricht als auch beleidigend“ (Spr. 18:13, New English Bible).
Gott nimmt auf Pflanzen und Tiere Rücksicht
Als der Mensch in den Garten Eden gesetzt wurde, erhielt er nicht die Erlaubnis, damit zu machen, was er wollte. Er durfte nur eingeschränkt schalten und walten. Wie die Bibel sagt, sollte er den Garten Eden ‘bebauen und ihn pflegen’. Die Pflanzen waren nicht nur für den Menschen gedacht. Sie wurden auch „jedem wildlebenden Tier der Erde und jedem fliegenden Geschöpf der Himmel und allem, was sich auf der Erde regt, in welchem Leben als eine Seele ist, ... zur Speise gegeben“ (1. Mose 2:15-17; 1:30).
Der Gesetzesbund, den Gott später der Nation Israel gab, zeigte, wie sich der Mensch die Erde „unterwerfen“ sollte. Er sollte sie nicht bis zum letzten ausbeuten, sondern jedes siebente Jahr sollte „ein Sabbat vollständiger Ruhe für das Land“ sein. Nichts, was in diesem Jahr wuchs, sollte geerntet werden. Es sollte den Armen überlassen bleiben sowie „deinem Haustier und dem Wild, das in deinem Lande ist“ (3. Mose 25:3-7).
Heute sind über achthundert Tierarten und Unterarten von der Ausrottung bedroht. Hat Gott das gewollt, als er dem Menschen den Auftrag gab, sich die Tierwelt untertan zu machen? Aus anderen Gesetzen, die Gott Israel gab, geht hervor, daß der Schöpfer Rücksicht auf Tiere nahm. Zum Beispiel durfte einem dreschenden Stier nicht das Maul verbunden werden, da er das Recht hatte, etwas von dem Getreide zu fressen. Ein Stier und ein Esel durften nicht zusammen an einen Pflug gespannt werden. Das wäre dem kleineren, schwächeren Tier gegenüber unfair gewesen. Wenn das Lasttier eines Nachbarn in Not war, mußte man ihm helfen, auch wenn man mit dem Besitzer verfeindet war und auch wenn es ein Sabbattag war (5. Mose 25:4; 22:10; 2. Mose 23:4, 5; Luk. 14:5).
Und wenn es in der Bibel heißt, daß Gott die Lilien des Feldes schöner und herrlicher gekleidet hat, als König Salomo gekleidet war, dann klingt das gewiß nicht so, als hätte Gott den Menschen die Erlaubnis gegeben, sie zu zerstören, nicht wahr? Wenn in heutigen Kriegen ganze Wälder entlaubt werden und eine „Strategie der verbrannten Erde“ verfolgt wird, so geschieht es nicht mit Gottes Billigung (Matth. 6:28, 29).
Die Tatsachen zeigen somit, daß die Beschuldigung der Bibelkritiker, Gott sei an der Umweltverschmutzung schuld, völlig unbegründet ist. Was ist denn zu der Lösung zu sagen, die die gleichen Kritiker anbieten? Wie vernünftig ist sie?
Polytheismus und Umweltverschmutzung
Die Personen, die Gott die Schuld für die Umweltverschmutzung geben, hämmern alle auf dem gleichen Thema herum. Sie sagen, da die Ursache der ökologischen Krise religiösen Ursprungs sei, müsse auch das Heilmittel religiösen Ursprungs sein. Sie sagen, der jüdisch-christliche Monotheismus, das heißt der Glaube an einen einzigen Gott, müsse durch den Polytheismus oder Animismus ersetzt werden, das heißt durch den Glauben, daß die Hügel, Flüsse, Bäume, Vögel und Landtiere von vielen Göttern bewohnt würden, die angebetet werden müßten.
Lynn White jr. sagt, bevor der Animist einen Baum fälle, ein Bergwerk baue oder einen Bach eindämme, besänftige er zuerst die zuständigen Geister. McHarg berichtet von einem indianischen Jäger, der sich bei einem Bären lange entschuldigte, bevor er ihn tötete, und ihm erklärte, daß er sein Fell und sein Fleisch benötige. Doch so fromm all die Animisten gewesen sein mögen, letzten Endes wurde der Baum doch gefällt, das Bergwerk angelegt, der Bach eingedämmt und der Bär getötet — falls er so lange gewartet hat, bis die schönen Worte vorüber waren. (Vergleiche Römer 1:20-23.)
Heute beten Buddhisten, Hindus und Schintoisten unzählige Götter an, und sie verehren die Tiere, die Pflanzen, die Sonne, den Donner, den Wind, die Felsen usw. Hat ihnen ihre polytheistische Religion geholfen, die Erde rein zu erhalten? Betrachte nur ein Beispiel. In einem Artikel über den Hinduismus heißt es in der 1971er Ausgabe der Encyclopædia Britannica: „Alle Flüsse und Hügel sind mehr oder weniger göttlich, und die besondere Heiligkeit des Ganges ... bedarf keiner besonderen Erwähnung.“ Ist der Ganges aufgrund seiner „besonderen Heiligkeit“ frei von Verschmutzung geblieben?
Nein. Ein indischer Journalist erzählte einem Touristen, der die „heilige Stadt“ Benares, die am Ganges liegt, besuchte: „Alles, was Sie für Benares brauchen, ist ein kräftiger Magen und ein offener Sinn.“ Wie kürzlich in einem Artikel der New York Times berichtet wurde, wünschen einige Inder, „daß entlang den Ufern des Ganges etwas mehr auf einfache sanitäre Einrichtungen geachtet werde statt auf komplizierte Zeremonien“. Der Ganges ist wirklich ein verschmutzter Fluß.
Der Schintoismus und andere animistische Religionen haben auch das moderne Japan nicht vor schlimmer Umweltverschmutzung bewahrt. In einem Bericht von United Press International aus dem Jahre 1974 heißt es: „Was die japanische Regierung heute unternimmt, könnte sich als ein Todeskampf um die Reinigung der Umwelt herausstellen.“ Die polytheistische Religion hat die Umweltverschmutzung nicht verhindert. Sie ist gewiß nicht die Lösung des Problems.
Die Ursache der Umweltverschmutzung und das Heilmittel
Im wesentlichen gibt es zwei Ursachen für die Umweltverschmutzung: die Unwissenheit und die Habgier der Menschen.
Viele Menschen haben die Erde nicht absichtlich verschmutzt. Die Ozeane sind zum Beispiel zu regelrechten Müllabladestätten geworden, weil man jahrhundertelang die falsche Ansicht vertreten hat, die Ozeane hätten ein unerschöpfliches Fassungsvermögen für Abfälle. So sagte der Meeresforscher Kapitän Jacques-Yves Cousteau: „Jeden Monat pumpen wir so viele Millionen Tonnen giftige Abwässer in die lebende See, daß die Ozeane in vielleicht zwanzig Jahren und vielleicht noch eher ihren Todesstoß erhalten und anfangen werden zu sterben.“ Jetzt muß der Mensch für seine Unwissenheit büßen.
Natürlich hat auch Habgier bei der Umweltverschmutzung eine bedeutende Rolle gespielt. Die Menschen fordern weiterhin Dinge, die weit über ihre Bedürfnisse hinausgehen, und die Technik hat sich bemüht, diese Wünsche zu befriedigen. Dadurch konnten die Fabriken weiter arbeiten, ihre Abwässer in die Flüsse leiten und ihren schädlichen Rauch in die Atmosphäre blasen. Mehr Kraftfahrzeuge denn je verstopfen die Straßen und verschmutzen die Luft, die wir einatmen. Durch den heutigen Lebensstil der Menschen ist vieles, was man früher als Luxus betrachtet hat, „lebensnotwendig“ geworden. Die Verschmutzung, die dadurch verursacht wird, wird wahrscheinlich so lange anhalten, wie dieses System besteht.
Wer 1. Mose 1:28 anführt und Gott die Schuld für die Umweltverschmutzung gibt, beweist, daß er die vielen Mahnungen Jehovas, sich der Erde und ihrer Pflanzen und Tiere gut anzunehmen, ignoriert. Unterwerfen bedeutet nicht unbedingt bedrücken. Herrschen muß nicht zerstörerisch sein. Unkraut ist an vielen Stellen nützlich, aber nicht in unserem Garten. Löwen und Tiger sind im Urwald gut aufgehoben, aber auf Großstadtstraßen haben sie nichts zu suchen. Können wir nicht das Unkraut beseitigen und statt dessen Kopfsalat pflanzen, ohne daß wir die Vögel und die Bienen ausrotten? Können wir nicht die Bevölkerung des Tierreiches kontrollieren und uns zunutze machen, ohne sie bis zur Ausrottung hinzuschlachten? Müssen wir Flüsse vergöttern, um reines Wasser zu haben, oder den Wind anbeten, um reine Luft zu haben, oder uns vor den Bergen niederknien, um unverseuchte Erde zu haben?
Der Ursprung der Umweltverschmutzung ist nicht der Auftrag, den Jehova dem Menschen gab, nämlich Verwalter der Erde zu sein. Vielmehr war zuerst der Sinn der Erdbewohner verschmutzt, bevor sie ihre Umwelt verschmutzten. Die Ursache ist ein sittlicher Verfall; unwissende Menschen sind durch Habgier verdorben worden. Es ist ein Fall von Ursache und Wirkung. Die Ursache sind Menschen mit einem verschmutzten Sinn; die Wirkung ist eine verschmutzte Umwelt. Gelöst kann das Problem nur werden, wenn die Menschen geschult und geistig gereinigt werden, denn dann wird auch die Umwelt gereinigt werden. Wird die Ursache beseitigt, so verschwindet auch die Wirkung.
Was der Mensch sät, das erntet er. Aber heute ist es Mode geworden, das abzuleugnen, jemand anders die Schuld zu geben und seine persönliche Verantwortung auf jemand anders abzuschieben. Verbrecher sagen, nicht sie seien schuldig — die Gesellschaft sei es. Umweltverschmutzer sagen, nicht sie seien schuldig — Gott sei es. So ein Unsinn wird heute vertreten.
Überdies ist es in der wissenschaftlichen, gottlosen Gesellschaft populär geworden, Gott die Schuld zu geben. Und wenn es diesen gottlosen Menschen gelingt, eine solche Ansicht als gelehrt erscheinen zu lassen, und wenn sie prominente Persönlichkeiten finden, die solche Verleumdungen aussprechen, dann um so besser. Vor ein paar Jahren erklärten prominente Geistliche Gott für tot. Jetzt lassen sie ihn gewissermaßen wieder auferstehen, damit sie einen Sündenbock haben, dem sie die Schuld für die ökologischen Probleme des Menschen zuschreiben können. Wird ihnen das gelingen? Ist ihre Ansicht gerechtfertigt? Gewiß nicht!
Die Elendsviertel und die Müllhaufen, die Dürregebiete, die stinkenden Flüsse, die absterbenden Seen, die vergifteten Meere, der kranke Erdboden, die verpestete, raucherfüllte Luft und die ständig wachsende Zahl bedrohter Tierarten — all das ist ein Beweis für die Unwissenheit und die Habgier der Menschen. Sieh dir die ganze Verschmutzung an, und erkenne, wer wirklich daran schuld ist, ja daß sie ausruft: „Siehe, des Menschen verschmutztes Land!“
Doch keiner, der Gott und das, was er gemacht hat, liebt, braucht entmutigt zu sein. Die Himmel verkündigen immer noch die Herrlichkeit Gottes, und die Wunder der Erde zeugen immer noch von seiner ewigen Macht und Majestät. Fasse Mut durch das, was Jehova für unsere Zeit hat voraussagen lassen: „Die Zeit ist reif für deinen Zorn und für dein Gericht ... Die Zeit ist gekommen, alle zugrunde zu richten, die die Erde zugrunde richten“ (Offb. 11:18, Die Gute Nachricht). Wie ermutigend ist es doch, zu wissen, daß Gott bald seinen ursprünglichen Vorsatz verwirklichen wird und daß er dafür sorgen wird, daß sich der Mensch die Erde auf die richtige Weise ‘unterwirft’ — und das zu Gottes Ehre und zum bleibenden Wohl der ganzen Schöpfung!