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Die GesamtwirkungErwachet! 1971 | 8. Oktober
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länger aushalten würde, müßte man sich fragen: Genügt es denn, sich mit knapper Not am Leben zu erhalten? Sollte das Leben nicht ein Genuß sein? Findest du es angenehm, verschmutzte Luft zu atmen, Nahrung, die mit chemischen Stoffen versetzt ist, zu dir zu nehmen und verunreinigtes Wasser zu trinken?
Findest du es angenehm, in einer Stadt zu leben, über der ständig eine Dunstglocke hängt, die einem „Betondschungel“ gleicht, in der ständig ein Verkehrschaos herrscht, die übervölkert und schmutzig ist? Oder findest du es schöner, einen sauberen Strand entlangzuwandern, bist du lieber in einem stillen Wald oder sonst irgendwo in der freien Natur, wo die Luft rein ist und man die Sonne genießen kann? Die Antworten liegen auf der Hand.
Die wachsende Luftverschmutzung wirkt sich ganz entschieden auf unser Leben aus. Für sehr viele Menschen ist das Leben kein Genuß mehr, und viele macht die Verschmutzung krank. Noch schlimmer ist, daß sie das gesamte Leben auf der Erde gefährdet.
Die Situation ist beängstigend. Aber wie ist es so weit gekommen?
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Warum diese Entwicklung?Erwachet! 1971 | 8. Oktober
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Warum diese Entwicklung?
ALL die düsteren Prophezeiungen, die eindringlichen Warnungen und die bitteren Klagen über die Zerstörung der menschlichen Umwelt ändern nichts daran. Nur wenn man bis zur Wurzel des Übels vorstößt und sie beseitigt, wird es anders.
Wie und wann begann sich die Erde zu einem Müllplaneten zu entwickeln? Warum hat man gewartet, bis das Problem ein solch katastrophales Ausmaß erreichte?
Grundsätzlich werden für die heutige Situation zwei Faktoren verantwortlich gemacht: 1. die moderne Technologie, die die Voraussetzungen für eine rasche Entwicklung der Industrie und der schnellen Verkehrsmittel schuf, und 2. die Bevölkerungsexplosion. Das sind offenbar die sichtbaren Ursachen. Aber es gibt noch eine tiefer liegende Ursache.
Wir wollen sehen, wie es zu diesem Problem gekommen ist und wie tief es wirklich sitzt.
Die Entwicklung der modernen Technologie
Die meisten Forscher bringen die wachsende Umweltverschmutzung mit der „industriellen Revolution“ in Verbindung. Sie begann vor über zweihundert Jahren, um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Bis dahin waren von fünf Personen vier in der Landwirtschaft beschäftigt. Die Bauernfamilien waren Selbstversorger, nicht nur in bezug auf Lebensmittel, sondern sie verfertigten auch die Stoffe für ihre Kleider selbst und häufig sogar die Möbel und manche der Werkzeuge. In größeren Dörfern wurde Markt abgehalten. Dort wohnten auch Personen, die ein Handwerk betrieben, und zwar zu Hause oder in einer kleinen Werkstatt. Es wurden Eisenwaren hergestellt, Bücher und Zeitungen gedruckt, Schmuck und Silbergeschirr verfertigt sowie Kleider und Gegenstände aus Leder oder Holz, die besser gearbeitet waren als die, die der Durchschnittsbauer verfertigte. Die Handwerker konnten mit dem Geld, das sie für ihre Arbeit erhielten, von den Bauern Nahrungsmittel kaufen, oder ein Händler mochte ihre Erzeugnisse kaufen und sie ins Ausland verschicken und dafür ausländische Waren, die als Luxus galten, einführen.
Besonders zwei Faktoren veränderten die Struktur der menschlichen Gesellschaft in vielen Ländern: das Kapital und die Technologie (die Technik und die Wissenschaft von der Technik). Aber ein dritter Faktor bewirkte, daß diese beiden Faktoren sich vereinigten.
In dem Werk The World Book Encyclopedia (Ausgabe 1970, 10. Band, S. 185) wird gesagt: „Die Kraft, die die Wissenschaft und das Geld vereinigte, war wahrscheinlich die wachsende Nachfrage nach den Annehmlichkeiten des Lebens.“ Anfänglich mag es sich dabei um verhältnismäßig einfache Dinge gehandelt haben: Die Männer wollten Werkzeuge haben, die mit Hilfe der neuen Maschinen hergestellt werden konnten, und die Frauen wünschten Stoffe, die maschinell gewebt waren. Aber je mehr Waren erzeugt wurden, desto größer wurden die Wünsche.
Die Maschinen — Spinnereimaschinen, Maschinenwebstühle, Dampfmaschinen, Hochöfen, Konverter und Walzen — waren teuer. Nur die wenigen Personen, die Kapital besaßen, konnten sie kaufen. Dann mußten sie Fabriken bauen, in denen sie die Maschinen unterbringen konnten, ferner mußten sie Leute anstellen und ausbilden, die die Maschinen bedienten. Es mußte viel Geld investiert werden, und diejenigen, die das Geld investierten, waren natürlich entschlossen, einen beträchtlichen Gewinn zu erzielen. Als sich die Industrie immer mehr entwickelte, verließen Leute, die in der Landwirtschaft gearbeitet hatten oder in einer kleinen Werkstatt, ihre Arbeit und begannen in den Fabriken zu arbeiten. Die Industrie hatte die Tendenz, sich in Städten anzusiedeln, wo es genügend und billig Brennstoff und Arbeitskräfte gab. Jetzt kann man bereits in großen Zügen erkennen, wie es zu der heutigen Verschmutzungssituation kam.
Mit der Zeit wurden Maschinen gebaut, die schneller liefen, die komplizierter und zum Teil automatisch waren; die ersten Maschinen erschienen gegenüber diesen recht primitiv. Aber die neuen Maschinen erforderten auch mehr Energie, größere Brennstoffmengen. Immer mehr Waren, die bis dahin mit der Hand verfertigt worden waren, wurden jetzt maschinell hergestellt. Die Zahl der Handwerker ging immer mehr zurück. Kleinere Betriebe mußten mit der Technik Schritt halten, oder sie wurden durch Konkurrenzbetriebe, die solche Artikel schneller und in Massen produzierten, ruiniert.
Die Erfindung der Dampflokomotive und später der Verbrennungskraftmaschine trug ebenfalls zur Entwicklung der Industrie bei. Die Beförderung wurde schneller und billiger, was bewirkte, daß die Fabriken ihren Markt erweitern konnten, daß sie ihre Erzeugnisse immer weiter weg schicken konnten, aber auch aus großen Entfernungen Rohstoffe und Brennmaterial heranschaffen konnten. Schließlich entwickelten sich riesige Werke, kleinere Betriebe wurden oft verdrängt oder einem Großbetrieb einverleibt.
Diese Entwicklung wurde als „Fortschritt“ bezeichnet. Aber dieser Fortschritt mußte teuer bezahlt werden. Vieles, was den Menschen wertvoll gewesen war, verschwand aus ihrem Leben.
Die Auswirkung auf die Umwelt des Menschen
In den Industrieorten, die wie Pilze aus dem Boden schossen, baute man die Fabriken oft an den schönsten Plätzen, an einem Fluß, an einem See oder am Meer. Die Fabriken leiteten ihre Abfälle in die Flüsse oder lagerten sie in der Nähe ab. (Aus einer einzigen Fabrik können soviel Abwässer anfallen wie von einer ganzen Stadt mit 100 000 oder mehr Einwohnern.) Um wichtige Bodenschätze wie Eisenerz oder Kohle zu fördern, bohrte man immer tiefere Löcher in die Erde, oder erfolgte der Abbau im Tagebau, dann ebnete man ganze Hügel ein oder hob große Krater aus — so wurden viele Quadratkilometer Land verwüstet. Als man dann etwas später begann, nach Erdöl zu bohren, wurde die Verschmutzung noch weit schlimmer. Auch Eisenbahnschienen begannen die Landschaft zu verschandeln, und die Züge, die von Dampflokomotiven gezogen wurden, fuhren bis mitten in die Städte und trugen Rauch, Ruß und Lärm hinein. Anfänglich fanden die Leute das alles aufregend. Und nachher, als der Reiz der Neuheit vorbei war, hatten sie sich daran gewöhnt.
Eine wichtige Rolle für die industrielle Entwicklung spielten fossile Brennstoffe wie Kohle und später Erdölprodukte. Diese Brennstoffe konnte man leicht befördern, und sie hatten einen viel größeren Brennwert als die Brennstoffe, die man früher verwandte (Holz und Pflanzenöle). Aber da sie nicht vollständig verbrannten, gelangten größere Konzentrationen verschiedener Gase — Kohlenmonoxyd, Schwefeloxyde, Kohlenwasserstoffe und Stickoxyde — sowie gewisse feste Teilchen in die Luft. Der Rauch, der aus ein paar Fabrikschloten und Schornsteinen von Wohnhäusern aufstieg, verursachte keinen spürbaren Schaden. Erst als die Fabrikschlote und die Hauskamine sich um ein Vielfaches vermehrten, zeigte sich die Gefahr deutlich.
So kam es im Jahre 1930 im Maastal (Belgien), 1948 in Donora (Pennsylvanien) und 1952 in London zu Luftkatastrophen; zufolge ungünstiger Witterung stagnierte plötzlich vergiftete Luft, so daß diese Gebiete wie unter einer Glasglocke abgeschlossen wurden. Am dritten Tag der Luftkatastrophe in Donora waren 5 910 Personen bereits erkrankt — fast die Hälfte der Bevölkerung. Bei der Luftkatastrophe in London erhöhte sich die Sterbeziffer in der Woche, in der der Nebel herrschte, und in der darauffolgenden Woche um 4 000 Fälle. Heute gibt es in den Großstädten der Welt Millionen Menschen, die unter den Folgen der Luftverschmutzung leiden: Ihre Augen brennen, ihre Atemwege sind gereizt, und immer mehr erkranken an Lungenemphysem, an Bronchitis und an Lungenkrebs. Sie mögen nicht plötzlich sterben, aber ihr Leben wird dadurch ganz gewiß verkürzt.
Dazu kommt noch, daß die Technik und Wissenschaft auch in zwei weitere Gebiete Eingang gefunden hat: in die Landwirtschaft und Herstellung von Waffen. Die Landwirtschaft, die mit immer weniger Leuten auskommen mußte, wurde technisiert, und man begann, Handelsdünger und Pestizide zu verwenden. Dadurch erzielte man große Ernteerträge. Aber entsprechend war auch die Verschmutzung. Durch die Entwicklung moderner Waffen, insbesondere der Atombomben, entstand eine neue Gefahr: die Verschmutzung durch radioaktive Substanzen. In der Zeit vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Jahre 1963 wurden über vierhundert Atombomben zur Explosion gebracht. Seit dem Atomstoppvertrag sind etwa dreihundert unterirdische Kernwaffenversuche durchgeführt worden. Heute werden in Südostasien riesige Waldgebiete durch Entlaubungsmittel zerstört.
Die Bevölkerungsvermehrung führt zu einer stärkeren Verschmutzung
Erst 1850, also Tausende von Jahren nach der Entstehung des Menschen, zählte die Weltbevölkerung eine Milliarde. Im Jahre 1930 zählte sie zwei Milliarden. Heute beträgt ihre Zahl 3,6 Milliarden, und man schätzt, daß sie sich in den nächsten dreißig Jahren verdoppeln wird. Den stärksten Bevölkerungszuwachs haben die Städte zu verzeichnen. Im Jahre 1740 hatte England nur etwas mehr als 6 000 000 Einwohner. Heute hat allein London mehr als sechs Millionen.
Diese „Bevölkerungsexplosion“ hat die Entwicklung der Industrie begünstigt, die danach strebte, immer mehr zu produzieren, immer leistungsfähiger zu werden. Der Bevölkerungszuwachs brachte auch einen größeren Energieverbrauch — in der Industrie, in den Haushaltungen und auf dem Gebiet des Verkehrswesens. Die Städte wurden allmählich größer und verschlangen immer mehr des umliegenden Landes, das bis dahin landwirtschaftlich genutzt worden war. Und vielerorts wurde das Land am Rand der Städte allmählich verschmutzt, oder es verlor zufolge von Raubbau seine Fruchtbarkeit. Die Nahrungsmittel für die Stadtbevölkerung mußten aus immer weiter entfernten Gebieten herangeschafft werden.
Trabantenstädte entstanden, weil viele Leute das Leben in den Großstädten nicht mehr ertragen konnten. Aber schließlich trug das noch zur Umweltverschmutzung bei, weil diese Leute dann in ihren Autos zwischen der Wohnung und der Arbeitsstelle hin und her pendelten. Das Straßennetz wurde immer mehr ausgebaut, und dabei gingen mehr und mehr land- oder forstwirtschaftlich genutzte Grünflächen verloren. In der Zeitschrift Time konnte man lesen: „Allein in den Vereinigten Staaten werden jedes Jahr 400 000 Hektar Sauerstoff erzeugende Gras- und Waldflächen mit Straßen zugepflastert.“ Die Entwicklung des Flugverkehrs erforderte den Bau von Flughäfen, was ebenfalls auf Kosten von Grünflächen geschah, und die Flugzeuge sind in großem Maße an der Luftverschmutzung beteiligt.
Wohl hatte man eine Zeitlang gewisse Erfolge in der Verbesserung der Wohnverhältnisse in Industriestädten zu verzeichnen. Heute sieht es in wenigen Städten so aus, wie es in den Jahren 1843/44 in Manchester (England) aussah. Damals gab es in einem Viertel für 212 Einwohner nur eine Toilette! Heute ist es aber so, daß nicht nur gewisse Viertel, sogenannte Elendsviertel, verschmutzt werden, sondern die ganze Erde — Boden, Wasser und Luft.
Die Entwicklung der „Konsumgesellschaft“
Die Industrie mit ihrer Massenproduktion benötigt einen ständigen Markt für ihre Erzeugnisse. In den ersten Phasen der industriellen Revolution kam es häufig zu Wirtschaftskrisen, denn die neuen Maschinen produzierten oft mehr als gekauft wurde. Die großen Fabriken konnten sich der Nachfrage nicht so gut anpassen, wie das früher die Handwerker konnten, die oft zwei oder drei Berufe gelernt hatten und gelegentlich auch noch in der Landwirtschaft tätig waren.
Die „Bevölkerungsexplosion“ löste dieses Problem teilweise. Doch die Industrie, die nach weiterem „Wachstum“ strebte, war noch nicht zufrieden. Die Fabrikanten haben daher nach Mitteln und Wegen gesucht, die Bedürfnisse zu vermehren und stets neue zu schaffen. Man suchte den Absatz durch die Werbung zu fördern und indem man regelmäßig neue Modelle mit geringfügigen Verbesserungen herausbrachte, so daß die früheren Modelle als veraltet erschienen. Die Industrie war nicht nur bestrebt, Waren zu produzieren, um den Bedarf zu decken, sondern sie produzierte auch Waren, für die die Bedürfnisse zuerst geweckt werden mußten. Vielfach wurden auch Waren erzeugt, die schnell unbrauchbar wurden; dadurch sicherte man sich einen ständigen Absatzmarkt. Bei dieser Geschäftsspraktik spielten Qualität und Dauerhaftigkeit eine geringere Rolle als die Billigkeit des erzeugten Artikels.
So ist die sogenannte „Wegwerf“-Gesellschaft entstanden, eine Gesellschaft, die die Waren nur eine Zeitlang braucht und sie dann wegwirft. Würde man diese verschwenderische Lebensweise ändern, so würde sich das in vielen Ländern katastrophal auf die Wirtschaft auswirken.
Das zeigt, welch ein äußerst kompliziertes Problem sich entwickelt hat, dessen Wurzeln sehr tief liegen. Es hat sich allmählich, im Laufe vieler Generationen, entwickelt. Doch dieses Problem hat eine grundlegende Ursache. Welche?
[Übersicht auf Seite 16]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
3 000 000 000
2 000 000 000
1 000 000 000
Die Weltbevölkerung nimmt jetzt in nur 15 Jahren um 1 000 000 000 zu. Es dauerte mehr als 5 800 Jahre, bis die erste Milliarde erreicht war!
1971 WELTBEVÖLKERUNG ÜBER 3 650 000 000
Sintflut
4026 v. u. Z. 3000 2000 1000 u. Z. 1000 1971
(Die Zahlen über die Weltbevölkerung im Altertum sind nur geschätzt.)
[Bild auf Seite 15]
Die Entwicklung der Industrie führte zur Abwanderung von Millionen Landbewohnern in die Stadt.
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Der eigentlichen Ursache auf den Grund kommenErwachet! 1971 | 8. Oktober
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Der eigentlichen Ursache auf den Grund kommen
DIE ungeheure Verschwendung und Verschmutzung geht weiter, ja wird Tag für Tag schlimmer. Aber was ist die eigentliche Ursache?
Ist es die Fähigkeit des Menschen, Neues zu erfinden? Nein, an und für sich nicht, denn seitdem es Menschen auf der Erde gibt, ist Neues erfunden worden. So lesen wir im ersten Buche Mose, daß in der Zeit vor der Sintflut ein Mann namens Jubal „der Stammvater aller Zither- und Flötenspieler“ wurde und daß Thubalkain ein „Hämmerer (oder: Schmied) von allen schneidenden Geräten aus Kupfer und Eisen“ war. (1. Mose 4:21, 22, Menge) Es ist nicht die Erfindungsgabe des Menschen, die Probleme verursacht, sondern der Mißbrauch, den der Mensch damit treibt.
Auch ist die Industrialisierung nicht an allem schuld, denn die Industrie kann jede Größe haben. Was zu den Problemen geführt hat, ist die Konzentration der Industrie und ihre Methoden. Aber die Industrie deckt den Bedarf von Menschen. An der Verschmutzung sind somit im Grunde genommen die Menschen und ihre Bedürfnisse schuld. Wohnst und arbeitest du in einer Industriestadt, oder fährst du ein Auto, oder heizt du deine Wohnung mit Kohle oder Öl, oder verwendest du Handelsdünger und Pestizide, oder kaufst du Produkte in „wegwerfbarer“ Verpackung — in Gläsern, Dosen und Flaschen? Dann trägst auch du zur Verschmutzung der Umwelt bei.
Die wahre Ursache
Die wahre Ursache der gewaltigen Verschmutzung ist die Wertvorstellung der Menschen im allgemeinen, ihre Lebensweise und das System, das sich entwickelt hat. Die Verschmutzung des Denkens hat zu einer Verschmutzung der Umwelt geführt.
Größe ist als eine Tugend betrachtet worden. Schnelligkeit, Massenproduktion und ein großer Profit ist der Maßstab des Erfolges geworden, gepriesen als Wohltäter der Menschheit. Der Sprecher eines australischen Senatsausschusses, der über die Umweltverschmutzung berichtete, sagte u. a.: „Das industrielle Wachstum ist immer noch die Landesreligion und Entwicklung ihr Prophet.“
Sonnenschein, frische Luft, reines Wasser, Gras, Bäume, wildlebende Tiere — das alles muß vielleicht geopfert werden. Aber der „Fortschritt“ muß anhalten!
Man suchte durch den Besitz industrieller Erzeugnisse glücklich zu werden, doch das hat zu einem Zerfall des Verhältnisses der Menschen zueinander und der geistigen Werte geführt.
Allerdings gibt es heute viele Menschen, die sich sozusagen „in einer Klemme“ befinden. Sie sind in ein System gepreßt, das sie selbst nicht geschaffen haben, und sie sehen keine Möglichkeit, das in ihrer kurzen Lebenszeit zu ändern.
Aber wie viele würden die Gelegenheit ergreifen, sich daraus zu befreien, wenn sie ihnen geboten würde? Verabscheust du den selbstsüchtigen Materialismus, der den Raubbau an unserer Erde gefördert hat? Die meisten Personen geben einer materialistischen Lebensweise den Vorzug, nur wünschen sie, daß die unangenehmen Folgen irgendwie vermieden werden könnten. Sie mögen nichts mit der Entstehung des Systems zu tun gehabt haben, das zur Verschmutzung geführt hat, aber sie möchten, daß es wegen der „Vorzüge“, die es ihnen bietet, bestehenbleibt.
Gefahr von seiten der sich „entwickelnden“ Staaten
In vielen Ländern setzte somit von 1750 an eine Umwandlung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ein. Und die Staaten, die sich nicht in dieser Richtung entwickelten, blieben immer mehr hinter diesen „fortschrittlichen“ Staaten zurück. Ihre Währung gilt auf dem internationalen Markt verhältnismäßig wenig.
Jetzt bemühen sich die „unterentwickelten“ Staaten, die „fortschrittlichen“ Staaten einzuholen. Die Bevölkerung dieser Länder wünscht, mit solchen Gütern versorgt zu werden, wie sie die Bevölkerung der Industriestaaten besitzt. Doch das macht das Problem für die Erde nur noch komplizierter. Warum?
Weil die Bevölkerung eines Industriestaates viel mehr Abfall erzeugt als die eines Agrarstaates. Dr. Paul Ehrlich erklärte: „Jedes amerikanische Kind belastet die Umwelt fünfzigmal mehr als ein indisches Kind.“
Warum hat man bis jetzt so wenig dagegen unternommen?
Warum hat man gewartet, bis sich die Situation zu einer Krise zugespitzt hat? In dem Bericht des australischen Senatsausschusses für Wasserverschmutzung wird auf zwei grundlegende Faktoren hingewiesen: „Die eigentliche Ursache der meisten Verschmutzungsprobleme sind zwei Faktoren: Unwissenheit und Trägheit.“ Oder man könnte auch sagen Unwissenheit und Gleichgültigkeit.
Die Techniker und Wissenschaftler, die die Maschinen erfanden, durch die Arbeitskraft gespart und Waren in Massen erzeugt werden konnten, ahnten nicht, wie sich das auf die Lebensbedingungen des Menschen auswirken würde. Die Industriellen der Frühzeit mögen nicht erkannt haben, welche Verschmutzung ihr massenhafter Verbrauch fossiler Brennstoffe zur Folge haben würde und daß die Flüsse, Seen und sogar das Meer nur mit einer begrenzten Menge Abfall fertig werden können. Die Menschen, die bestrebt waren, die Maschinen für sich arbeiten zu lassen, suchten sich die Mühen des Lebens zu erleichtern. Sie hatten nicht die Absicht, ihre Umwelt zu zerstören. Aber es beunruhigte sie auch nicht besonders; als sich Schäden zu zeigen begannen.
Lewis Mumford schreibt über die Gleichgültigkeit, die die Gesellschaft des Industriezeitalters entwickelte: „Sich über Dinge wie Schmutz, Lärm und Erschütterungen Gedanken zu machen galt als ein Zeichen von Verweichlichung.“ Er berichtet, daß der schottische Erfinder James Watt die Absicht gehabt habe, seine Dampfmaschine zu verbessern, um zu vermeiden, daß sie soviel Krach mache, doch die Industriellen Englands hätten Watt daran gehindert. Warum? Ihnen gefiel der Lärm, weil er ein Beweis der Kraft war! Die Worte des Sprechers eines großen Industriekonzerns in Deutschland zeigen, daß diese Einstellung auch heute noch mehr oder weniger besteht. Im Spiegel vom 14. September 1970 wurde berichtet, daß er bei einem Interview über die Verschmutzung des Rheins gesagt hatte: „Den Fisch brauchen wir als Indikator für den Grad der Verunreinigung.“ „Baden, Angeln und Romantik — alles Quatsch!“ Das zu opfern sei nun mal der „Preis für den Fortschritt“.
Der Ökologe Barry Commoner wies auf die Wurzel des Problems hin, als er erklärte: „Die Menschen, die früher unsere Naturreichtümer verwüsteten, wußten ziemlich gut Bescheid über die nachteiligen Folgen, denn man kann die Tatsache kaum übersehen, daß sofort Erosion einsetzt, nachdem man einen Abhang entwaldet hat. [Mit etwas gesundem Menschenverstand begreift man auch, daß man den Menschen, die stromabwärts wohnen, Schaden zufügt, wenn man den Strom mit Abfällen überlädt.] Das Problem war nicht Unkenntnis der Zusammenhänge, sondern Habsucht.“
Natürlich ist auch heute Unkenntnis ein Problem. Die Wissenschaftler geben zu, daß sie noch nicht wissen, wie sich viele der chemischen Verbindungen, die jetzt der Luft, dem Boden und dem Wasser zugeführt werden, auswirken. Diese Unkenntnis ist gefährlich. Aber die Gleichgültigkeit gegenüber dieser Gefahr, eine Gleichgültigkeit, die in der Selbstsucht des Menschen wurzelt, in seiner „Habsucht“, hat verhindert, daß man der Technisierung und Chemisierung der Umwelt Einhalt geboten oder sie wenigstens verlangsamt hat.
Besteht Aussicht auf Abhilfe? Wie sind die Erfolge zu bewerten, die man an einigen Orten im Kampf gegen die Umweltverschmutzung erzielt hat? Können solche Bemühungen zu einer völligen Lösung dieses Problems führen?
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