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‘Wenn ihr Jerusalem von Heeren umlagert seht’Der Wachtturm 1974 | 15. Oktober
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Kurz danach begannen die Römer, mit ihren Belagerungsmaschinen die äußere Nordmauer der dreifachen Umwallung Jerusalems zu beschießen. Am fünfzehnten Tag der Belagerung gelangten die Römer in den Besitz dieser Mauer. Vier Tage später nahmen sie die zweite Mauer ein. Durch einen Gegenangriff eroberten die Juden sie aber wieder zurück. Unter großen Verlusten gelang es den Römern schließlich innerhalb von vier Tagen, die Juden von der zweiten Mauer zu vertreiben. Sie schleiften den ganzen nördlichen Teil der Mauer. Nun blieb nur noch eine Mauer.
Später hielt Titus Kriegsrat und schlug den Bau einer Ringmauer um die ganze Stadt vor. Er dachte, daß die Juden, wenn sie keine Möglichkeit mehr hätten zu entkommen, sich ergeben würden oder daß die Stadt zufolge der dadurch entstehenden Hungersnot leichter zu erobern wäre. Sein Plan wurde angenommen. Die Soldaten wurden für dieses Unternehmen organisiert. Die Legionen und die Kohorten arbeiteten miteinander um die Wette. Die einzelnen Männer wurden durch den Wunsch, ihren Vorgesetzten zu gefallen, angespornt. In nur drei Tagen war die sieben Kilometer lange Umwallungslinie fertig errichtet. Dadurch erfüllten sich die an Jerusalem gerichteten Worte Jesu: „Es werden Tage über dich kommen, da werden deine Feinde eine Befestigung aus Spitzpfählen um dich bauen und werden dich ringsum einschließen und dich von allen Seiten bedrängen“ (Luk. 19:43).
Die Hungersnot in Jerusalem nahm überhand. Josephus schreibt: „Die Dächer lagen voll entkräfteter Weiber und Kinder, die Gassen voll toter Greise. Knaben und Jünglinge, krankhaft angeschwollen, wankten wie Gespenster über die öffentlichen Plätze und sanken zu Boden, wo einen die Hungerseuche ergriff. Ihre Angehörigen zu bestatten vermochten die Entkräfteten nicht mehr; die noch Rüstigeren aber scheuten sich davor wegen der Menge der Toten und der Ungewißheit ihres eigenen Schicksals. Viele starben auf den Leichen, die sie beerdigen wollten, viele auch schleppten sich, noch ehe das Verhängnis sie ereilte, zu den Grabstätten. Keine Träne, keine Wehklage begleitete dieses entsetzliche Elend.“ Da es wegen der Einschließung der Stadt nicht mehr möglich war, Wildgemüse zu sammeln, durchstöberten einige „die Kloaken und alten Rindermist ..., um irgend etwas Eßbares daraus zu sammeln“. Die Römer erhielten Berichte, nach denen während der Belagerung nicht weniger als 600 000 Leichen aus den Stadttoren geworfen worden waren.
Die Römer setzten die Belagerung fort und erkämpften sich schließlich den Weg in den Tempelbezirk. Als das Heiligtum in Flammen stand, beschlossen sie, alles übrige in Brand zu stecken. Etwa 6 000 Juden flohen in die letzte noch stehende Säulenhalle des äußeren Tempelvorhofes, da sie einem falschen Propheten glaubten, der sie geheißen hatte, sich dorthin zu begeben, denn dort würden sie Zeichen der Rettung sehen. Die Soldaten setzten die Halle jedoch von unten in Brand. Viele Juden stürzten sich aus dem Feuer in den Tod, während andere in den Flammen umkamen.
Der Verlust an Menschenleben während der Belagerung war gewaltig. Etwa 1 100 000 Juden kamen um, die meisten durch die Pest oder den Hunger. Die Gesamtzahl der im Krieg gefangenen Juden belief sich auf etwa 97 000. Die größten und schönsten Jünglinge wurden für den Triumphzug aufbehalten. Von den übrigen wurden viele nach Ägypten oder Rom zu Zwangsarbeiten geschickt; andere wurden an die römischen Provinzen verschenkt, wo sie in den Arenen umkamen. Diejenigen unter 17 Jahren wurden verkauft.
Die Belagerung hatte weniger als fünf Monate gedauert. Doch, wie Jesus es vorhergesagt hatte, war sie tatsächlich die größte Drangsal, die je über Jerusalem gekommen war. Die ganze Stadt und der Tempel wurden geschleift. Nur drei Türme und ein Teil der westlichen Stadtmauer blieben stehen. Josephus schreibt: „Alle übrigen Teile der Stadtmauer machten die Sieger so völlig dem Erdboden gleich, daß fremde Ankömmlinge kaum hätten glauben sollen, die Stätte sei jemals bewohnt gewesen.“
Die Nachricht von diesem Unglück wunderte keinen der treuen Jünger des Herrn Jesus Christus. Sie konnten sich an seine Worte erinnern: „Sie werden dich und deine Kinder in deiner Mitte zu Boden schmettern, und sie werden in dir keinen Stein auf dem anderen lassen, weil du die Zeit deiner Besichtigung nicht erkannt hast“ (Luk. 19:44). „Wahrlich, ich sage euch: Keinesfalls wird hier ein Stein auf dem anderen gelassen, der nicht niedergerissen werden wird“ (Matth. 24:2).
Das Unheil, das über Jerusalem und seine Bewohner kam, sollte uns bestimmt nachdrücklich vor Augen führen, wie wichtig es ist, die biblischen Prophezeiungen zu beachten. Besonders heute sollten wir dies tun, da wir in der Zeit leben, die die Bibel als die „letzten Tage“ bezeichnet. Ist es nicht eine Tatsache, daß Gesetzlosigkeit und Gewalttat heute ebenso verbreitet sind wie im alten Jerusalem, bevor es zerstört wurde? (2. Tim. 3:1-5). Wie ist es aber möglich, der „großen Drangsal“, mit der diese „letzten Tage“ enden werden, zu entrinnen? Nicht dadurch, daß man an einen anderen geographischen Ort flieht, denn die bevorstehende „Drangsal“ wird über die ganze Erde kommen. Gottes Wort weist auf den Weg des Entrinnens hin: „Suchet Jehova“, heißt es darin, „all ihr Sanftmütigen der Erde, die ihr Seine eigene richterliche Entscheidung ausgeführt habt. Suchet Gerechtigkeit, suchet Sanftmut. Wahrscheinlich könnt ihr am Tage des Zornes Jehovas geborgen werden“ (Zeph. 2:3).
Bist du bestrebt, dich Gottes Maßstab der Gerechtigkeit anzupassen? Unterwirfst du dich demütig seiner richterlichen Entscheidung? Wenn ja, dann magst du in der kurz bevorstehenden Drangsal von Gott beschützt werden. Ganz gleich, in welcher Lage du dich gegenwärtig befindest, solltest du jetzt Schritte unternehmen, um zu beweisen, daß du ein loyaler Diener Jehovas bist. Das ist die wichtigste Lehre, die wir aus dem Unglück ziehen können, das im ersten Jahrhundert u. Z. über Jerusalem kam, und wenn wir entsprechend handeln, kann uns dies in der „großen Drangsal“, die über das gegenwärtige gottlose System der Dinge kommen wird, das Leben retten (Offb. 7:13-17).
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Weshalb erzählte Jesus das Gleichnis von den „zehn Jungfrauen“?Der Wachtturm 1974 | 15. Oktober
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Weshalb erzählte Jesus das Gleichnis von den „zehn Jungfrauen“?
EIN guter Lehrer zeichnet sich dadurch aus, daß er imstande ist, eine bestimmte Tatsache oder einen Grundsatz, der im Leben eine Rolle spielt, auf deutliche und einfache Weise zu veranschaulichen. Jesus Christus gab in dieser Hinsicht ein vorzügliches Beispiel. Wir stellen fest, daß er vor allem mit Hilfe von Gleichnissen lehrte, bei denen es sich um prophetische Veranschaulichungen handelte, die entweder aus dem Leben gegriffen waren oder
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