Die Geisterwelt inspirierte Swedenborg
EMANUEL Swedenborg, der im 18. Jahrhundert lebte und als Forscher und Gelehrter sowie wegen seiner dem Staate geleisteten Dienste in weiten Kreisen bekannt war, behauptete, jederzeit mit der Geisterwelt verkehren zu können. Er berichtet, daß ihm eines Tages, als er etwas spät zu Mittag gegessen habe, der Herr erschienen sei. In der Nacht sei er ihm nochmals erschienen und habe ihm gesagt, er sei dazu erwählt worden, den Menschen den geistigen Sinn der Heiligen Schrift zu erklären. Danach sei seinen Blicken die Geisterwelt im Himmel und in der Hölle erschlossen worden. Er gab seine anderen Unternehmungen nicht auf, doch standen von nun an religiöse Interessen im Mittelpunkt seines Wirkens.
In dem Vorwort zu seinem Werk Arcana Cælestia sagt er: „Es ist mir nun mehrere Jahre hindurch vergönnt gewesen, ununterbrochen in Gesellschaft von Geistern und Engeln zu sein, ihren Gesprächen zu lauschen und mich mit ihnen zu unterhalten.“ Daß er auf irgendeine Weise etwas sah und hörte, daran ist kaum zu zweifeln. Die Frage ist nur: Was hörte er, und woher stammte das, was er hörte? Der gute Rat des Wortes Gottes lautet: „Prüft die inspirierten Äußerungen, um zu sehen, ob sie von Gott stammen.“ (1. Joh. 4:1, NW) Nur weil etwas übernatürlich ist, braucht es nicht unbedingt bloß für abergläubische Leute zu sein; andererseits kommt aber auch nicht alles, was übernatürlich ist, von Gott.
Die Äußerungen, zu denen Swedenborg inspiriert wurde, umfassen ein weites Gebiet, und viele dieser Äußerungen finden wir in den etwa dreißig Werken, die er geschrieben hat. Nachstehend werden kurz einige der wichtigsten Punkte erwähnt. Swedenborg verwirft die Ansicht der Christenheit über die Dreieinigkeit. Er ersetzt die Vorstellung von einem aus drei wesensgleichen Gliedern bestehenden höchsten Gott durch die Lehre von der ausschließlichen Göttlichkeit Jesu Christi, und von dieser wird gesagt, sie sei der Mittelpunkt der Theologie Swedenborgs. In Verbindung damit lehrt er, daß Jehova Gott und Jesus Christus nicht zwei Götter oder zwei Personen seien, sondern e i n Gott, doch von verschiedenen Gesichtspunkten aus gesehen. Wenn er sich auf Jehova bezieht, versteht er darunter das unnahbare, höchste göttliche Wesen. Christus wird als Gott in der Gestalt des Menschlichen bezeichnet. Das Buch Divine Providence (Göttliche Vorsehung) erklärt diesen Punkt wie folgt: „Gott ist e i n e r in Substanz und Person. Dieser Gott ist der Herr. Die Gottheit selbst, die Jehova, ‚der Vater‘, genannt wird, ist der Herr von Ewigkeit her. Das Menschliche in Gott ist ‚der Sohn‘, von seinem Göttlichen von Ewigkeit her gezeugt und in der Welt geboren. Die ausströmende Göttlichkeit ist ‚der Heilige Geist‘.“
Auch über die Versöhnung hatte er eine andere Auffassung. So wird gesagt, Christus habe Gott den „Loskaufspreis“ nicht dargebracht, um die Menschheit zu erlösen, sondern um als Kämpfer den Menschen ein Beispiel zu geben und ihnen zu zeigen, wie sie ihre geistigen Feinde besiegen können.
In einem von der Swedenborg-Stiftung herausgegebenen Buch schreibt George Trobridge folgendes: „Die Bibel ist wirklich das ‚Wort Gottes1‘.“ Swedenborg lehrt jedoch, daß die Heilige Schrift einen geistigen oder inneren Sinn habe, der nicht an der Oberfläche liege und somit nicht sogleich wahrgenommen werden könne. Da sein Werk darin bestand, den „inneren Sinn“ der Heiligen Schrift zu enthüllen, ist es verständlich, weshalb er nur jene Bücher als die „Bücher des Wortes“ bezeichnet, „die einen inneren Sinn haben“. Wie aus der Aufzählung, die in seiner Arcana Cælestia erscheint, hervorgeht, erkannte er deshalb von den sechsundsechzig Büchern der Bibel nur etwa vierunddreißig an.
Über die Bücher, die er anerkannte, wird unter anderem folgendes berichtet: „Er sagt, daß die ersten Kapitel des ersten Buches Mose ausgesprochen allegorisch sind und nicht die Erschaffung des Universums und die Geschichte des ersten Menschenpaares beschreiben1.“ Auf dieser Grundlage baute er seine Lehre von den „Entsprechungen“ auf. „Die natürliche Welt ist ein Abbild oder Spiegelbild der geistigen Welt, indem jeder Gegenstand, jede Tatsache und jede Erscheinung die Repräsentation oder ‚Entsprechung‘ eines göttlichen Dinges ist, das dazu das geistige Gegenstück bildet1.“
Demnach wird gesagt, daß alles auf Erden den Dingen im Himmel entspreche, und selbst die verschiedenen Himmel, die er erwähnt, sollen einander entsprechen. Auf diese Ansicht stützt er sich nahezu bei allen seinen Bibelkommentaren, in denen er den inneren Sinn des Wortes, wie er es nennt, erschließt. Die Enthüllung dieser Dinge durch Emanuel Swedenborg wird als die Erfüllung der Wiederkunft Christi bezeichnet. Dabei soll es sich nicht um ein persönliches Kommen handeln, sondern um ein Kommen in der Form, daß der innere Sinn des Wortes durch Swedenborg erschlossen wurde.
Seine Lehre von den Entsprechungen wird auch noch auf andere Dinge angewandt. So soll zum Beispiel das Leben im Himmel nur eine Fortsetzung des natürlichen menschlichen Daseins sein. „Wenn der Mensch seine Verrichtungen in der natürlichen Welt nicht mehr versehen kann, so sagt man, der Mensch sterbe. Gleichwohl jedoch stirbt der Mensch nicht, sondern wird nur von dem Körperlichen getrennt, das ihm in der Welt zum Gebrauch gedient hatte. Der Mensch lebt … Hieraus erhellt, daß der Mensch, wenn er stirbt, nur von einer Welt in die andere übergeht2.“ Swedenborg war von diesen Dingen völlig überzeugt, denn er behauptet, Gelegenheit gehabt zu haben, mit einigen seiner abgeschiedenen Freunde zu sprechen.
In jener anderen Welt sollen sich die Menschen eines ähnlichen Daseins erfreuen wie auf der Erde, nur auf geistiger Stufe. So wird auch von einer Ehe im Himmel — einer geistigen Ehe — gesprochen, die die Fortsetzung einer auf Erden geschlossenen Ehe sein kann. Kinder — die angeblich alle automatisch errettet werden — sollen von weiblichen Engeln erzogen werden. Er spricht davon, daß es im Himmel Behausungen gebe mit Wohn- und Schlafzimmern, mit Gärten und Rasenflächen. Ja man halte dort sogar regelmäßig Gottesdienste ab.
Was ist nach der Lehre Swedenborgs unter den Begriffen Himmel und Hölle zu verstehen? Nicht nur Orte, sondern auch innere Zustände. Jeder hat Zugang zum Himmel, aber nicht alle würden dort bleiben wollen, weil nach dem Tode jeder den Weg seiner besonderen Liebe geht. Menschen, die das Gute lieben, finden ihren Platz in der Gesellschaft des Himmels, jene, die das Böse lieben, fühlen sich zu der Gesellschaft der Hölle hingezogen. Aus diesem Grunde sagt er: „Der Himmel ist im Innern eines Menschen, und Menschen, die den Himmel in sich haben, kommen in den Himmel … Jedem Engel wird als Umgebung der Himmel zuteil, der dem Himmel entspricht, der in ihm ist2.“
Dasselbe trifft auch auf jene zu, die in die Hölle kommen, das heißt also, daß „ein Mensch sich selbst in die Hölle stürzt, nicht der Herr“. Damit kommen wir zu einer weiteren Lehre, nämlich der Lehre, daß es in der Hölle keinen Teufel gibt, ja daß es überhaupt nirgends ein Geistgeschöpf gebe, das einmal vollkommen gewesen war und dann der Teufel geworden sei, denn, so sagt Swedenborg: „Es gibt im universellen Himmel keinen Engel, der ursprünglich als solcher erschaffen wurde, und es gibt auch keinen Teufel in der Hölle, der als Engel des Lichts erschaffen und später dort hinabgeworfen wurde, sondern alle Engel im Himmel und alle Geister in der Hölle stammen aus dem Menschengeschlecht1.“
DIE BEWEISE ABWÄGEN
Eines der Bücher Swedenborgs ist betitelt „Wahre christliche Religion“, und die Religion, die Swedenborg lehrte und die er durch Offenbarungen von Gott aus dem Himmel empfangen zu haben behauptet, soll dieser Bezeichnung entsprechen. Ist dem aber so? Wenn ja, dann muß sie mit den Lehren Christi und dem von ihm gegebenen Beispiel übereinstimmen. Folgt aber eine Organisation, welche Christus Jesus, den Sohn, über Jehova Gott, den Vater, stellt, dem Beispiel, das Christus gab, als er zu seinem Vater sagte: „Ich habe dich auf der Erde verherrlicht“? (Joh. 17:4, NW) Der inspirierte Psalmist sagte: „Laß sie … erkennen, daß du allein, dessen Name Jehova ist, der Höchste bist über die ganze Erde!“ (Ps. 83:17, 18) Jesus zeigte, daß er mit dieser von Gott inspirierten Äußerung völlig übereinstimmte, wenn er erklärte: „Der Vater ist größer als ich.“ — Joh. 14:28, NW.
Stürzt das Fundament eines Gebäudes ein, dann bricht das ganze Gebäude zusammen. „Der Grundstein des ganzen Systems ist die Lehre von der höchsten Göttlichkeit Jesu Christi“, heißt es in dem Buch Swedenborg — Life and Teaching (Swedenborg — Leben und Lehre). Doch diese Lehre wird in der Bibel, die die Wahrheit ist, nicht gelehrt. Wenn also der Grundstein defekt ist, sollten wir uns nicht wundern, wenn wir an dem Gebäude noch andere „Konstruktionsfehler“ entdecken.
Christus sagt uns, daß „der Sohn des Menschen kam, nicht um bedient zu werden, sondern um zu dienen und seine Seele als ein Lösegeld als Gegenwert für viele zu geben“. (Matth. 20:28, NW) Als er bei seinen Jüngern die Feier zum Gedächtnis an seinen Tod einsetzte, sagte er: „Dies bedeutet mein ‚Blut des Bundes‘, das zugunsten vieler zur Vergebung der Sünden vergossen werden soll.“ (Matth. 26:28, NW) Der Apostel Paulus bestätigt die Notwendigkeit dieser Vorkehrung, wenn er sagt: „Ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung.“ (Heb. 9:22, NW) Kann jemand diese Dinge leugnen und trotzdem behaupten, ein Christ zu sein? Swedenborg tut es, denn er behauptet, die Erlösung beruhe nicht so sehr auf einem blutigen Opfer, als auf dem Guten, das Gott dem Menschen eingepflanzt habe.
Daß Swedenborg die Notwendigkeit, den Aussprüchen Gottes Beachtung zu schenken, unterschätzte, geht aus seiner folgenden Erklärung hervor: „Der Herr hat dafür gesorgt, daß überall Religion vorhanden ist und daß jede Religion die zwei zur Rettung notwendigen Hauptmerkmale aufweist, nämlich, daß man Gott anerkenne und nichts Böses tue, weil das Gott entgegen wäre3.“ Er sagt ferner: „Heiden kommen leichter in den Himmel als Christen2.“ Warum also ein Christ sein?
Bestimmt hat Jesus nicht gelehrt, daß jede Religion von Gott stammt. Zu den Vertretern der falschen Religion seiner Tage sagte er: „Ihr seid aus eurem Vater, den Teufel.“ (Joh. 8:44, NW) Nicht jeder religiöse „Weg“, sondern nur ein schmaler, eingeengter Pfad führt zum Leben. „Geht ein durch die enge Pforte; denn breit und geräumig ist der Weg, der ins Verderben führt, und viele gibt es, die auf ihm dort hingehen. Doch schmal ist die Pforte und eingeengt der Weg, der zum Leben führt; und wenige gibt es, die sie finden.“ (Matth. 7:13, 14, NW) Wahre Christen beachten den Rat Christi Jesu.
Die Bibel weist auf das Vorhaben hin, das der allmächtige Gott mit der Erschaffung des Mannes und der Frau verfolgte, wenn sie sagt: „Seid fruchtbar, werdet viele und füllt die Erde und unterwerft sie euch, und haltet euch untertan die Fische des Meeres und die fliegenden Geschöpfe der Himmel und jedes lebendige Geschöpf, das auf der Erde kriecht.“ (1. Mose 1:28, NW) Nach Gottes Vorhaben soll der Mensch die Erde füllen, aber Swedenborgs inspirierte Äußerung lautet: „Die Schöpfung hatte den Zweck, aus dem Menschengeschlecht einen Himmel, gebildet aus Engeln, hervorgehen zu lassen4.“ Seine Inspiration stammte offensichtlich aus einer anderen Quelle. Falls jemand einwenden möchte, eine solche Schlußfolgerung verrate Unkenntnis des inneren Sinns des in 1. Mose enthaltenen Wortes, so sei bemerkt, daß Swedenborg in seiner Lehre von der Heiligen Schrift auch sagt: ‚Die Lehre der echten Wahrheit kann auch aus dem Buchstabensinn des Wortes in seiner Fülle abgeleitet werden.‘
Er verrät die Quelle seiner Inspiration ferner durch die Erklärung: „Der Mensch ist so erschaffen, daß er, was sein inneres Wesen betrifft, nicht sterben kann5.“ Das Wort Gottes sagt jedoch eindeutig: „Alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes.“ (Röm. 3:23, NW) Gemäß Gottes Urteil sollte der sündige Mensch „gewißlich sterben.“ (1. Mose 2:17) „Die Seele, welche sündigt, die soll sterben.“ — Hes. 18:4.
Die Ansichten Swedenborgs mögen gewisse Leute faszinieren, den aber, der Gott liebt, interessieren sie weiter nicht. Wenn auch Swedenborgs Bewegung den Namen „Das neue Jerusalem, das von Gott aus dem Himmel herniedergekommen ist“, oder „Neue Kirche“ trägt, so zeigt sie doch dadurch, daß sie Gottes Oberhoheit leugnet und sein Wort verwirft, daß sie nicht von Gott stammt. (Off. 22:18, 19) Auch wenn sie behauptet, die wahre christliche Religion zu sein, hat sie sich dieser Behauptung gegenüber als falsch erwiesen, denn sie mißachtet die Lehren Christi und verwirft sein Lösegeld. Swedenborg behauptete, es gebe keinen Teufel, setzte sich dadurch aber blindlings einer Gefahr aus und fiel ihr auch zum Opfer. Er diente, wenn vielleicht auch unwissentlich, den Interessen des Widersachers, Satans, des Teufels, denn er lehrte dessen Lüge von der Unsterblichkeit der Menschenseele, entstellte Gottes Vorhaben bezüglich der Menschen und schob Gottes Wort beiseite.
Über Menschen, die eine Form der Gottergebenheit zur Schau tragen, sich aber hinsichtlich deren Kraft als falsch erweisen, sagt Gottes Wort: „Von diesen wende dich weg.“ — 2. Tim. 3:5, NW.
QUELLENANGABE
1 Swedenborg — Life and Teaching (Swedenborg — Leben und Lehre) von George Trobridge, S. 112, 129, 137, 179.
2 Heaven and Its Wonders and Hell (Über den Himmel und die Hölle) von Emanuel Swedenborg, S. 54, 319, 445, 447, 547, 324.
3 Divine Providence (Göttliche Vorsehung), S. 328.
4 True Christian Religion (Wahre Christliche Religion), S. 66, 70.
5 Heavenly Doctrine (Lehre vom Himmel), S. 223.