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Nimmt die Ungerechtigkeit jemals ein Ende?Der Wachtturm 1977 | 15. Mai
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Nimmt die Ungerechtigkeit jemals ein Ende?
„DIE Rechtsprechung, die in Ihrem Fall gilt, ist verschieden von der Rechtsprechung, die für einflußreiche Leute gilt.“
Das sagte Maurice H. Nadjari, ehemaliger Sonderstaatsanwalt, der die Rechtsprechung der Stadt New York unter die Lupe zu nehmen hatte, im Sommer vergangenen Jahres in einem Interview. Auf die Frage: „Glauben Sie, daß es in unserer Gesellschaft einen doppelten Maßstab gibt, einen für Adelige und einen für die Bauern?“ antwortete Nadjari:
„Selbstverständlich glaube ich, daß es in unserer Rechtsprechung so etwas gibt. Es besteht eine zweigleisige Rechtsprechung: eine Rechtsprechung für die politisch Gewichtigen und eine andere für Sie und für mich.“
Trifft diese Beschreibung auch auf deine Umgebung zu? Aller Wahrscheinlichkeit nach ja, denn überall gibt es Personen, denen Unrecht widerfährt. Abgesehen von den Erfahrungen, die du vielleicht selbst gemacht hast, sind dir wahrscheinlich viele andere Fälle von Ungerechtigkeit zu Ohren gekommen.
Hast du vielleicht davon gehört, daß ein prominenter Jurist, Richter oder Politiker sich bestechen ließ, seinen Einfluß zu Geld machte oder das Gesetz brach, um sich zu bereichern oder um Karriere zu machen? Wurde er gerecht bestraft? Oder erhielt er eine viel leichtere Strafe, als ein Glied einer Minderheit für ein vergleichbares Verbrechen erwarten könnte? Um es noch deutlicher zu sagen: Angenommen, es stellt sich heraus, daß ein einflußreicher Mann an deinem Wohnort den Staat um 50 000 DM betrogen hat. Glaubst du, daß über ihn die gleiche Strafe verhängt werden würde wie über einen deiner Arbeitskollegen oder Nachbarn, wenn dieser einen gleich hohen Betrag veruntreut hätte?
Tatsache ist, daß die „Rechtsprechung“ an vielen Orten in Wirklichkeit nicht gerecht ist. Ein staatlicher Untersuchungsausschuß für Kriminalität in den USA berichtete:
„Diejenigen, die gerichtlich belangt werden, sind überwiegend die Armen, die Leute aus den unteren Schichten, Angehörige von Minderheiten, Emigranten, Ausländer, Personen mit geringer Intelligenz und andere irgendwie Benachteiligte. Personen, die eine gute Chance haben, sich der Rechtsprechung zu entziehen, sind die wohlhabenden Kriminellen, die Verbrecherfirmen, Schreibtischtäter, Berufsverbrecher, organisierten Kriminellen und intelligenten Kriminellen.“
Diese Verallgemeinerung kann durch folgendes verdeutlicht werden: Gemäß einer Untersuchung, die in den USA vorgenommen wurde, „ist es fünfmal weniger wahrscheinlich, daß Gangster eines Verbrechens überführt werden als andere Leute“. Eine andere Untersuchung ergab, „daß Prominente, die der Weißen-Kragen-Kriminalität beschuldigt werden, durchschnittlich für einen Diebstahl von je 10 Millionen Dollar für ein Jahr [im Gefängnis landen]. ... Bankräuber dagegen, die ein paar tausend Dollar erbeuteten, werden durchschnittlich zu 11 Jahren verurteilt, eine fünfmal längere ... [Gefängnisstrafe], als sie Bankleute erhalten, die Millionen veruntreuen.“
Das wurde von den Vereinigten Staaten gesagt. Glaubst du als Bürger eines anderen Landes, daß es in deinem Land viel anders ist?
Die meisten von uns mögen sich natürlich sagen, daß wir von dieser Art Ungerechtigkeit nicht unmittelbar berührt werden, denn wer von uns plant schon, eine Bank auszurauben oder Millionen zu veruntreuen? Aber vielleicht widerfährt uns in anderer Hinsicht Unrecht.
Du magst dich beispielsweise um die Klärung einer Rechtssache bemüht haben. Vielleicht hattest du einen Reisepaß oder eine Geburtsurkunde oder eine Genehmigung für einen Umbau beantragt. Du erfülltest alle gesetzlichen Voraussetzungen wie zum Beispiel die Bauvorschriften. Hat man dich aber fair und gerecht behandelt, oder muß man da, wo du wohnst, Beziehungen haben, um gerecht behandelt zu werden?
Wir alle haben bereits genug Unrecht erlebt, ganz gleich, worum es sich gehandelt haben oder wie groß es gewesen sein mag. Deshalb haben wir uns alle wahrscheinlich schon gefragt: „Nimmt die Ungerechtigkeit jemals ein Ende?“
ABHILFE FÜR DAS PROBLEM
Personen, die versuchten, einige der krasseren öffentlichen Ungerechtigkeiten abzustellen, machten die Erfahrung, daß es leichter gesagt als getan ist. Der Mann auf der Straße schlägt u. a. folgende Lösungen vor:
„Zuerst müßte man die da oben so weit bringen, daß sie ehrlich und gerecht sind; dann werden auch die anderen Leute gerecht sein.“ „Die Gerichte müßten alle gleich behandeln und nicht Gangster oder Politiker laufenlassen.“ „Es muß dafür gesorgt werden, daß die Armen einen guten Anwalt bekommen, damit sie ihr Recht erhalten.“ „Leute, die sich bestechen lassen, muß man härter bestrafen, damit Richter und Beamte nicht versucht werden, das Recht zu mißachten.“
Diese Anschauungen lassen jedoch wichtige Gesichtspunkte in Verbindung mit dem Problem Ungerechtigkeit außer acht, Gesichtspunkte, die in dem Bericht der Bibel in Lukas, Kapitel 18 hervorgehoben werden. Eine kurze Betrachtung dieses Berichts wird uns ein historisches Bild des Problems vermitteln und Gesichtspunkte aufzeigen, die häufig übersehen werden.
Dieser Bericht handelt von einem Gleichnis, in dem Jesus von Dingen sprach, mit denen seine Zuhörer vertraut waren. Jesus sagte:
„In einer gewissen Stadt war ein gewisser Richter, der weder Gottesfurcht noch Respekt vor einem Menschen hatte. Da war aber eine Witwe in jener Stadt, und sie ging immer wieder zu ihm und sagte: ,Sieh zu, daß mir von seiten meiner Gegenpartei Recht zuteil wird.‘ Nun, eine Zeitlang wollte er nicht, doch danach sagte er bei sich: ,Wenn ich auch Gott nicht fürchte noch vor einem Menschen Respekt habe, will ich doch auf jeden Fall, weil diese Witwe mir beständig Mühe macht, zusehen, daß ihr Recht widerfährt, damit sie nicht weiterhin komme und mich durch Schläge ins Gesicht bezwinge.‘“
Jesus gab dann seinen Zuhörern den Rat:
„Hört, was der Richter, obwohl er ungerecht war, sprach! Wird Gott also bestimmt nicht auch seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, Recht verschaffen, auch wenn er ihnen gegenüber langmütig ist? Ich sage euch: Er wird ihnen eilends Recht verschaffen. Dessenungeachtet wird der Sohn des Menschen, wenn er gekommen ist, wirklich den Glauben auf der Erde finden?“ (Luk. 18:2-8).
Jesus erzählte dieses Gleichnis, um zu betonen, daß man allezeit beten sollte (Luk. 18:1). Aber auch in Sachen Gerechtigkeit können wir etwas daraus lernen.
Zunächst sollte uns das Gleichnis gelassen stimmen. Wieso? Weil es zeigt, daß es schon vor neunzehnhundert Jahren schwierig war, von einer Person in einer hohen Stellung, wie einem Richter, der von den Römern eingesetzt worden war, sein Recht zu bekommen. Ja, die Ungerechtigkeit ist ein jahrhundertealtes Problem. Wer weiß, wie viele verschiedene menschliche Regierungen und Reformbewegungen schon versucht haben mögen, dieses Problem zu lösen? Aber es existiert immer noch. Wenn wir diese Tatsache anerkennen, dann kann das für uns ein Schutz sein. Wieso? Sie bewahrt uns davor, uns schnell einer anderen menschlichen Bestrebung zuzuwenden, die die Situation ändern soll, einer Bestrebung, die sich von früheren nicht allzusehr unterscheidet (Spr. 24:21).
Durch das Gleichnis sollte uns auch vor Augen geführt werden, daß der Schöpfer des Menschen, wie die Bibel zeigt, in mitfühlender Weise daran interessiert ist, daß allen Menschen Gerechtigkeit widerfährt, auch einer einfachen Witwe (5. Mose 10:17, 18). Das entspricht folgenden Worten, mit denen der Psalmist Gott beschreibt, dessen richterliche Entscheidungen er kannte: „Er liebt Gerechtigkeit und Recht“ (Ps. 33:5).
Wenn Jesu Gleichnis auch nicht zeigt, wann Gott seinen Auserwählten „Recht verschaffen“ wird, gibt es uns doch schließlich Grund zu dem Glauben, daß Gott dies vorhat.
„Wie und wann“, so mögen einige fragen, „wird die Ungerechtigkeit aber ein Ende nehmen?“
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Gerechtigkeit für alle — Wie und wann?Der Wachtturm 1977 | 15. Mai
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Gerechtigkeit für alle — Wie und wann?
WER wollte leugnen, daß der Grundsatz „Gerechtigkeit für alle“ ein guter Grundsatz ist? Wenn wir realistisch sind, wissen wir aber, daß er noch nicht verwirklicht worden ist.
Im Laufe der Jahrhunderte haben Männer und Frauen gegen die Ungerechtigkeit und für mehr Gerechtigkeit gekämpft. Reformbewegungen haben politische Strukturen verändert. Die Rechtsprechung und das Gerichtswesen sind verbessert und reorganisiert worden. Aber das Problem Ungerechtigkeit existiert immer noch.
Deshalb kommen manche Menschen zu dem Schluß, daß der Grundsatz „Gerechtigkeit für alle“ nie verwirklicht werden wird; einige werden sogar zynisch oder fühlen sich erst dann angesprochen, wenn sie selbst von der Ungerechtigkeit betroffen sind. Man darf jedoch optimistisch sein. Etwas kann und wird geschehen, um Gerechtigkeit für alle zu erwirken. Aber wie und wann? Wir können die Antworten besser verstehen, wenn wir einige Ursachen der Ungerechtigkeit und einige Hindernisse betrachten, die der Gerechtigkeit im Wege stehen. Wir werden auch erkennen, wie verwickelt das Problem in Wirklichkeit ist.
ES BEGINNT OBEN
Der bekannte amerikanische Jurist Marvin E. Frankel erklärte:
„Wir dürfen nicht übersehen, daß die Einstellung der Leute zu Gesetz und Ordnung weitgehend von dem Verhalten führender Persönlichkeiten der Kommune bestimmt wird. Wir leben in einer Zeit, in der die Objektivität und die Integrität unserer höchsten Beamten — Richter nicht ausgeschlossen, doch nicht in erster Linie nur Richter — ernsthaft in Frage gezogen wird.“
Es gibt tatsächlich Länder, in denen die Korruption der Regierungs- und Justizbeamten der völligen Gerechtigkeit hinderlich im Wege steht. Wie kann Gerechtigkeit für alle geschaffen werden, solange Personen, die ermächtigt sind, für Gerechtigkeit zu sorgen, sich bestechen lassen oder einflußreiche Personen begünstigen? Mit Recht heißt es in der Bibel schon lange: „Wenn irgendein Böser herrscht, seufzt das Volk. Durch Recht verleiht ein König einem Land Bestand, aber ein Mann, der auf Bestechungen aus ist, reißt es nieder“ (Spr. 29:2, 4).
Wenn daher Gerechtigkeit für alle verwirklicht werden soll, muß es eine ehrliche, aufrichtige Obrigkeit geben.
E I N GESETZ FÜR ALLE
Ein weiteres Hindernis für Gerechtigkeit besteht darin, daß es heute bei der Frage, inwieweit einem Gerechtigkeit widerfährt, darauf ankommen mag, wer man ist oder wieviel man hat.
Mancherorts kann „Gerechtigkeit“ davon abhängen, ob man sich einen teuren Rechtsanwalt leisten kann oder nicht. Mitunter kann ein Gericht einen fähigen Rechtsanwalt beiordnen, falls man nicht selbst einen Rechtsanwalt bezahlen kann. Viele dieser Anwälte sind aber überarbeitet oder stehen nicht für jede Art Verfahren zur Verfügung. Ein Gangster oder unehrlicher Geschäftsmann, der einen wendigen und versierten Verteidiger bezahlen kann, mag sich daher das Recht „kaufen“.
Ein amerikanischer Rechtsanwalt, der einer Arbeitsgruppe von 175 Rechtsanwälten vorstand, die eine einzige Person zu verteidigen hatten, machte folgende aufschlußreiche Bemerkung:
„Zunächst ... [sollte] man beachten, daß die Gerechtigkeit in diesem Lande in direkter Beziehung zur Brieftasche steht. ... Ins Gefängnis kommen arme Leute, weil armen Leuten bei diesem System der Rechtsprechung keine Gerechtigkeit widerfährt. In der ersten Woche, in der ich als Anwalt tätig war, ging ich als Beobachter eines Verfahrens in den Gerichtssaal und erlebte, wie vier arme Leute wegen Glücksspiels zu einer strengen Strafe verurteilt wurden. Dann besuchte ich ein gesellschaftliches Treffen von ... [Rechtsanwälten], und sie alle saßen an Spielautomaten.“
Selbst wenn jemand verurteilt wird, kann die Schwere der Strafe von seinem finanziellen oder gesellschaftlichen Status abhängen. In einigen Fällen von „Weißer-Kragen-Kriminalität“, bei denen es um Betrug in Millionen-Höhe geht, erkennen Gerichte auf relativ leichte Strafen mit dem Hinweis, der Täter werde durch den Verlust seines Ansehens bestraft. Im Leitartikel einer Zeitung hieß es jedoch:
„Jeder prominente Beschuldigte kann plausible Gründe dafür anführen, daß die öffentliche Bloßstellung und Verurteilung eine hinreichende Vergeltung sei. Nach diesem Maßstab würden lediglich die am wenigsten begünstigten Glieder der Gesellschaft die höchsten Strafen erhalten, da sie keinen Statusverlust beklagen können. ‚Gleiches Recht für alle‘ ist leichter proklamiert als praktiziert.“
Wenn daher Gerechtigkeit für alle jemals erreicht werden soll, muß es zunächst ein Gesetz für alle geben, ungeachtet des Reichtums oder der Stellung des einzelnen. In der Bibel wird auf diesen wichtigen Grundsatz aufmerksam gemacht, denn im hebräischen Gesetz heißt es: „Einerlei richterliche Entscheidung sollte für euch gelten. Der als Fremdling Ansässige sollte wirklich so sein wie der Einheimische, denn ich bin Jehova, euer Gott“ (3. Mose 24:22; 19:34; 4. Mose 9:14; 15:16).
GERECHTE URTEILE
Selbst wenn das Gesetz deutlich ist und für alle gilt, kann es immer noch schwierig sein, gerechte Urteile zu fällen.
In der New York Post vom 5. Mai 1976 war zu lesen:
„Generalstaatsanwalt Levi kritisierte das staatliche System der Verurteilung Krimineller als langsam, ungewiß und ungerecht und sagte, es ,weise die Merkmale einer Lotterie auf‘. ... In dem einen Bundesgerichtsbezirk würden 71 Prozent aller schuldiggesprochenen Angeklagten im Gefängnis landen, während in einem anderen Bezirk nur 16 Prozent derer, die eines ähnlichen Vergehens überführt würden, hinter Gitter kämen.“
Die Frage ist, wie man dieser ungleichen Behandlung begegnen sollte. Vielleicht hast du schon den Vorschlag gehört, daß es für jedes Vergehen eine festgesetzte Strafe geben sollte. Wer zum Beispiel einen Wagen stiehlt, sollte eine bestimmte Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe erhalten; auf Brandstiftung sollte eine Freiheitsstrafe von ganz bestimmter Länge stehen usw. Ein solches System der Rechtsprechung mag zwar einfach und gerecht erscheinen, wäre es aber wirklich gerecht? Sollte zum Beispiel jemand, der sich zum erstenmal etwas hat zuschulden kommen lassen und aufrichtig bereut, dieselbe Strafe verbüßen wie ein hartgesottener Krimineller?
Auf einer Konferenz von Kriminologen und Richtern in Berlin umriß Dr. Richard Sturm vom Bundes-Justizministerium einen diesbezüglichen Lösungsversuch. Er beinhaltete eine „Sozialprognose“, das heißt, daß man die Lebensumstände und die Vergangenheit eines Angeklagten untersucht und ihn danach entsprechend verurteilt. Aber Dr. W. Buikhuisen von den Niederlanden warf die Frage auf, ob einige Missetäter dadurch nicht zweimal bestraft würden. Er gab zu bedenken, daß man sie, wenn sie „bereits unter ungünstigen Verhältnissen gelitten hätten, wahrscheinlich als geringes Risiko betrachte und längere Strafen verhänge“.
Die komplizierte Beschaffenheit des Problems unterstreicht, daß es weiser und gerechter Richter bedarf, wenn es Gerechtigkeit für alle geben soll. Das wurde in den Gesetzen betont, die den Israeliten gegeben wurden. Gott machte darin zur Bedingung: „Du sollst den richterlichen Entscheid deines Armen in seinem Streitfall nicht beugen. Von einem falschen Wort sollst du dich fernhalten. ... Du sollst keine Bestechung annehmen, denn die Bestechung blendet Klarsehende“ (2. Mose 23:6-8). Gott sagte weiter: „Ihr sollt keine Ungerechtigkeit begehen im Gericht. Du sollst den Geringen nicht mit Parteilichkeit behandeln, und du sollst die Person eines Großen nicht bevorzugen. Mit Gerechtigkeit solltest du deinen Genossen richten“ (3. Mose 19:15; 5. Mose 1:15-17).
Was sollte dazu beitragen, daß jene hebräischen Richter nicht ungerecht wurden? Ehrfurcht vor Gott. Es wurde ihnen gesagt: „Nicht für einen Menschen richtet ihr, sondern für Jehova; und er ist in der Sache des Gerichts mit euch. Und nun möge der Schrecken Jehovas auf euch sein! Seid achtsam und handelt, denn bei Jehova, unserem Gott, gibt es weder Ungerechtigkeit noch Parteilichkeit, noch Annahme einer Bestechung“ (2. Chron. 19:6, 7).
NEUE VERSUCHE, FÜR GERECHTIGKEIT ZU SORGEN?
Im Laufe der Jahre gab es in der Rechtsprechung mehrerer Länder viele Änderungen. Diese Änderungen erfolgten oft aufgrund einer neuen Theorie oder Philosophie über das Recht.
Im vergangenen Jahrhundert schenkte man zum Beispiel der Wiedereingliederung Krimineller große Aufmerksamkeit, indem man versuchte, gesellschaftliche Änderungen bei ihnen herbeizuführen, statt sie in erster Linie zu bestrafen. Diese Philosophie lief darauf hinaus, bei der Verurteilung mehr Milde walten zu lassen.
Theoretisch war diese Methode bestimmt lobenswert, doch welche Ergebnisse hat sie gezeitigt? Alan Dershowitz, Professor für Rechtswissenschaften und Koordinator einer Vereinigung zur Bekämpfung der Kriminalität in den USA, sagte:
„Die Rehabilitation funktioniert einfach nicht. Eine kürzlich veröffentlichte Studie über mehr als 200 Rehabilitationsversuche kam zu dem ermutigenden Ergebnis, daß wir ,sehr wenig Grund‘ zu der Annahme haben, die Rückfälligkeit könne durch irgendeine der gegenwärtig angewandten Rehabilitationsmethoden verringert werden.“
Allzuoft hat die liberale, „humane“ Auffassung dazu geführt, daß gewohnheitsmäßige Verbrecher wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. In dem Werk Thinking About Crime kommt James Q. Wilson, Professor für Staatswissenschaft in Harvard, zu dem Schluß: „Es gibt einfach böse Menschen. Daher bleibt nichts anderes übrig, als sie von arglosen Menschen fernzuhalten. ... Wir scherzen mit den Bösen, machen uns über arglose Menschen lustig und ermutigen die Durchtriebenen. Das geht auf Kosten der Gerechtigkeit, und wir alle haben darunter zu leiden.“ Das stimmt, denn viele Menschen haben heute die Hoffnung aufgegeben, einmal mitzuerleben, daß es Gerechtigkeit für alle geben wird.
Viele der Personen, die immer noch daran arbeiten, die Rechtsprechung zu verbessern, haben ihre Haltung inzwischen geändert. Einige teilen die Auffassung, die in einer Schlagzeile zu lesen war: „Strafe ist eine Abschreckung für Verbrecher“. Professor Isaac Ehrlich von der Universität Chicago schloß vor kurzem eine Studie ab, aus der hervorgeht, daß „eine sichere und schwere Strafe im wesentlichen abschreckend wirkt“. Wenn man nach dieser Ansicht handelt, besteht vielleicht die Hoffnung, daß die Öffentlichkeit Grund zu der Annahme hat, in den Gerichten werde wieder Gerechtigkeit einkehren.
Eine andere Methode, der immer mehr Beachtung geschenkt wird, ist das Prinzip der Entschädigung oder Wiedergutmachung. Im Toronto Star vom 22. Juli 1976 hieß es:
„Ein Gesetzesübertreter sollte dem Opfer den angerichteten Schaden und den zugefügten Verlust ersetzen, erklärte der Gesetzesreformausschuß gestern in einem Arbeitspapier. ... ,Die Entschädigung und die Wiedergutmachung wurden deshalb vorrangig in Betracht gezogen, weil durch sie dem Opfer des Verbrechens mehr Aufmerksamkeit geschenkt und die Verantwortung des Übertreters und des Staates betont wird, den angerichteten Schaden soweit wie möglich wiedergutzumachen.‘“
Dieses kanadische Blatt berichtete auch über Erfahrungen, die in Edmonton gemacht wurden, wo Straftäter ihre Geldstrafen abzuarbeiten hatten, statt ins Gefängnis zu gehen.
Aber ist das alles eine neue Art der Rechtsprechung? Nein, denn die Entschädigung oder Wiedergutmachung war schon ein Bestandteil des Gesetzes, das Gott den Israeliten gegeben hatte. Wer einen Stier entwendete, mußte zum Beispiel je nach Sachlage doppelten Ersatz oder noch mehr leisten. Wenn er das nicht konnte, mußte er sich so lange als Arbeiter verdingen, bis er seine Schuld an den Geschädigten bezahlt hatte (2. Mose 22:1-9). Ersatz wurde auch bei Verleumdung, Verletzungen und beschädigtem Eigentum gefordert (2. Mose 21:35, 36; 5. Mose 22:13-19). Durch diese gerechte Einrichtung wurde das Opfer geschützt und entschädigt, dem Gesetzesübertreter wurde eine einprägsame Lektion erteilt, und die Kommune hatte nicht die Kosten für die Unterstützung von Gefängnissen zu tragen.
Doch so sehr jemand auch die Weisheit schätzt, mit der Gott unter den Israeliten für Gerechtigkeit sorgte, denkt er vielleicht, diese Zeiten seien vorbei. Er könnte der Meinung sein, niemand könne bei den heutigen komplizierten Verhältnissen Gerechtigkeit für alle schaffen.
DIE VERHEISSENE ÄNDERUNG: GERECHTIGKEIT
So verwickelt und betrüblich die neuzeitlichen Probleme hinsichtlich des Rechts auch sind, es besteht doch Grund zur Hoffnung. Hast du bemerkt, daß viele Hindernisse, die der Gerechtigkeit im Wege stehen, überwunden werden könnten, wenn man den Rat, der in der Bibel zu finden ist, befolgen würde? Derselbe Gott, der für diesen Rat sorgte, hat verheißen, daß Gerechtigkeit für alle kommen wird, und zwar bald.
Voraussetzung dafür ist nicht etwa, daß wir dafür sorgen müssen, daß sich die bestehenden Regierungen und die Rechtsprechung an das Gesetz der alten Israeliten halten. Natürlich können wir etwas dazu beitragen, daß mehr Gerechtigkeit herrscht, indem wir selbst gerecht und rechtschaffen handeln. Das ist nur passend, denn der Schöpfer fordert uns auf, „Recht zu üben und Güte zu lieben und bescheiden zu wandeln mit ... [unserem] Gott“ (Micha 6:8). Der eigentliche Grund dafür, daß auf der ganzen Erde bald völlige Gerechtigkeit einziehen wird, besteht jedoch darin, daß Gott selbst etwas unternehmen wird.
Im vorhergehenden Artikel haben wir Jesu Gleichnis aus Lukas, Kapitel 18 betrachtet, das die Notwendigkeit betont, im Gebet zu Gott zu beharren, der „seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, Recht verschaffen“ wird. Aber in diesen Gebeten wird nicht nur um Gerechtigkeit gefleht. Jesus forderte seine Nachfolger auf, um das vollständige Ende des gesamten bösen Systems zu bitten, denn davon sprach er in dem vorangehenden Kapitel (Luk. 17:20-30). Diese drastische Änderung zum Besseren wird durch Gottes himmlische Königreichsregierung herbeigeführt werden, die die korrupten menschlichen Regierungen, die sich durch eine lange Geschichte der Ungerechtigkeit auszeichnen, vernichten wird. Die Einzelheiten der Prophezeiung Jesu vereinen sich heute mit den Tatsachen der neuzeitlichen Geschichte zu dem Beweis, daß unsere Generation diejenige ist, die den Wechsel zur himmlischen Regierung erleben wird (Dan. 2:44; Matth. 24:3-14). Doch warum sollten wir annehmen, daß dies Gerechtigkeit für alle bedeuten wird?
Weil die Gerechtigkeit von oben herabkommen wird. Es wird uns zugesichert, daß das Haupt dieser Regierung ‘sie fest aufrichten und durch Recht und Gerechtigkeit stützen’ wird (Jes. 9:6, 7). Wie werden sich andere Personen verhalten, die Gewalt ausüben? Sie werden in Jesaja 32:1 anschaulich als solche beschrieben, die „für das Recht selbst als Fürsten amten“. Wie im alten Israel wird es unter der Königreichsherrschaft e i n Gesetz oder System richterlicher Entscheidung geben, das für alle gilt.
Wird man dann immer noch ungerecht behandelt werden, wie das heute der Fall ist? Aus Jesaja 26:9 geht hervor, daß die Antwort darauf ein Nein ist, denn es heißt: „Wenn es für die Erde Gerichte von ... [Jehova] gibt, werden die Bewohner des ertragfähigen Landes gewißlich Gerechtigkeit lernen.“
„Was geschieht aber mit denen, die es ablehnen, Gerechtigkeit zu lernen?“ mögen sich einige fragen, denn Professor Wilson sagte: „Es gibt einfach böse Menschen.“ Gott, der der „Richter der ganzen Erde“ ist, hat verheißen, dafür zu sorgen, daß nur diejenigen am Leben gelassen werden, die bereit sind, Recht und Gerechtigkeit zu lernen und auch zu praktizieren (1. Mose 18:25; Jes. 26:10; Ps. 37:9-11).
Kürzlich erklärten zwei Ärzte, die eine wissenschaftliche Untersuchung über die „Verbrecherpersönlichkeit“ durchführten:
„Was erforderlich ist, um dem Verbrechen Einhalt zu gebieten, ... ist nicht so sehr eine bessere Unterkunft oder eine herkömmliche Therapie, sondern die ‚Bekehrung‘ des Straftäters zu einem völlig neuen Lebensstil und eine streng moralische Erziehung. ... Rehabilitation, so schlußfolgerten sie, erfordert ... ‚eine totale Ausrottung der Persönlichkeit eines Verbrechers‘.“
Genau das werden frühere Übertreter tun müssen, um in Gottes neuer Ordnung leben zu können — „die neue Persönlichkeit anziehen ..., die nach Gottes Willen in wahrer Gerechtigkeit und Loyalität geschaffen worden ist“ (Eph. 4:24). Und das wird mit Sicherheit ein Teil des Erziehungsprogramms unter der Herrschaft des Königreiches Gottes sein, so daß alle, die dazu bereit sind, seine gerechten Lebensmaßstäbe einhalten können (Jes. 2:3, 4). Daher wird es einmal Gerechtigkeit für alle geben!
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Eine Oase der Wahrheit in einem WüstenlandDer Wachtturm 1977 | 15. Mai
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Eine Oase der Wahrheit in einem Wüstenland
MEIN Geburtsort ist Khartum. Khartum ist ein arabischer Name, der „Elefantenrüssel“ bedeutet. Warum wird meine Heimat so genannt? Wegen der Form dieser schmalen Landzunge, die den Weißen und den Blauen Nil kurz vor deren Zusammenfluß trennt. Von hier aus fließen sie dann als der große Nil durch die Sahara. Forschungsreisende und andere äußern sich oft abfällig über Khartum, aber für mich ist es „meine Heimat“.
Natürlich herrscht hier wegen der sengenden Tropensonne eine drückende Hitze. Das Gebiet liegt nur 360 m über dem Meeresspiegel, und die ungeheure Hitze verwandelt es schon ein oder zwei Kilometer von dem feuchten Ufergebiet entfernt in eine Sandwüste. Auch kämpft man ständig gegen die Fliegen. Der Flugsand scheint alles zu durchdringen, und manchmal macht er den Tag zur Nacht. Mitunter stellen wir (meine Familie) nachts die Betten ins Freie, um den leichtesten Luftzug zu verspüren. Doch schon oft wurden wir vom haboob, einem heftigen Sandsturm, überrascht. Am Morgen rieben wir uns dann den Sand aus den Augen und betrachteten beim Aufstehen die Umrisse unseres Körpers auf der staubbedeckten Matratze
So ist das Leben in Khartum. Hier heiratete ich als treue Tochter der koptischen Kirche und zog meine Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, groß.
AUF DER SUCHE NACH GOTT
Ich hatte schon immer nach Gott gesucht, und ich war nicht die einzige. Daran wurde ich jeden Morgen erinnert. Schon vor Sonnenaufgang hörte ich jeweils die muezzin, die mit näselnder Stimme von den Minaretts der vielen in der Stadt verstreuten Moscheen zum Gebet riefen, und das wiederholte sich fünfmal am Tag, während die Sonne ihre Bahn am Himmel zog. Die Einwohner der städtischen Agglomeration Khartum, Khartum-Nord und Omdurman sind größtenteils Moslems. Die sogenannten Christen, zu denen wir als Mitglieder der koptischen Kirche gehörten, bildeten also eine Minderheit.
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