Gerechtigkeit — ein Erfordernis
SEIT Jahrtausenden kämpfen Menschen für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung. Man hat eine Vielzahl von Vorschriften zum Schutz der Person und des Privateigentums erlassen. Damit Gesetzesübertreter vor Gericht gestellt werden können, sind ein Gerichtswesen und Vollzugsbehörden geschaffen worden. Trotz gutgemeinter Bemühungen ist jedoch keine Einrichtung imstande gewesen, vollkommene Gerechtigkeit für alle zu sichern.
Während viele Personen mit hohen Grundsätzen ihr Bestes getan haben, um die Menschenrechte zu verteidigen, haben andere profitiert, indem sie Unrecht begingen. Zum Beispiel wurde vor einigen Jahren ein nordamerikanischer Richter für schuldig befunden, Bestechungsgelder in Höhe von über 600 000 Dollar empfangen zu haben. Bekannte Verbrecher haben eine Lücke im Gesetz gefunden und sind so der Bestrafung entgangen. Bestimmte Strafverteidiger sind reich geworden, indem sie ihren schuldigen Klienten zu falschen Alibis verhalfen und indem sie sich skrupelloser Methoden bedienten, um die Aussage vertrauenswürdiger Zeugen als höchst zweifelhaft erscheinen zu lassen.
Doch Korruption ist nicht das einzige Hindernis, das der Rechtsprechung im Wege steht. Manchmal ist ausgesprochene Unfähigkeit das Problem. Es hat Gerichtsverhandlungen gegeben, bei denen der Richter betrunken war oder es zu langweilig fand zuzuhören oder vor Übermüdung einnickte oder das Gesetz so schlecht kannte, daß in Wirklichkeit der Protokollführer das Urteil schrieb.
Korruption und Unfähigkeit in höheren Kreisen sind daran schuld, daß unzählige Menschen leiden mußten. Man hat sie unrechtmäßigerweise in Anstalten und Gefängnissen eingesperrt oder gar zum Tode verurteilt. Man hat Frauen das Recht entzogen, von ihrem Mann finanziell unterstützt zu werden. Man hat Kinder ihren Eltern weggenommen. Rechtmäßige Erben hat man um ihr ganzes Vermögen gebracht.
Nicht selten kommt es vor, daß sich ein Gesetzesbrecher nie vor Gericht verantworten muß. In dem heutigen System der Dinge gibt es einfach keine Möglichkeit, all das Unrecht wiedergutzumachen, das durch Verleumdung, üble Nachrede, Klatsch, Betrug, Intrigen, Halbwahrheiten, Übertreibungen und andere Verstöße gegen ethische Normen entstanden ist.
Es ist wirklich dringend erforderlich, daß die Waage der Justiz gleiches Maß für alle anzeigt. Ein hervorragender Jurist des 20. Jahrhunderts deutete die Art und Weise an, wie dies erreicht werden könnte. Als er den „Geist wahrer Freiheit“ beschrieb, äußerte er den Gedanken, daß dieser Geist „nie völlig vergessen hat, daß es vielleicht einmal ein Königreich geben wird, in dem der Geringste genauso angehört und behandelt wird wie der Größte“. Wird aber jemals die Zeit kommen, in der auf diese Weise Recht gesprochen wird? Aus welchem Grund sollten wir daran glauben, daß ein solcher Gerichtstag Wirklichkeit werden wird? Wie sollte uns dies schon heute berühren?