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Komm bitte heute nachmittag auf den Friedhof zum TeeErwachet! 1970 | 8. November
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Zeit zum Teetrinken
Meine Gastgeberin hatte einen kleinen Hügel erstiegen und stellte den Teekorb unter einen alten Ombubaum. Tee bedeutete für sie maté, heiß serviert; man trinkt ihn mit einer bombilla, einem Metallrohr, das an einem Ende mit einem Sieb versehen ist, aus einer Kürbistasse. Dieses Getränk ist erfrischend und ist preiswert. Als sie das Tuch zwischen uns auf dem Boden ausbreitete und kleine Kuchen und andere Sachen auswickelte, bemerkte ich, daß sie nur einen maté und eine bombilla dabeihatte. Erwartete sie etwa von mir, mit dem gleichen Rohr zu trinken, wie das hier Sitte ist?
Da holte sie eine Tasse und eine Untertasse aus dem Korb hervor, als wenn sie meine Gedanken erraten hätte. Vielleicht erkannte sie an meinem Gesichtsausdruck, daß ich darüber froh war. Sie lachte nämlich und sagte: „Ich wußte, daß du lieber Tee trinkst; deshalb habe ich das für dich mitgebracht.“ Ich war ihr von Herzen dankbar, nicht nur wegen des Tees, sondern weil es so kennzeichnend war für die uruguayische Gastfreundschaft. Selbst in den kleinsten Dingen sind sie so aufmerksam. Ich dankte ihr für die köstliche Tasse Tee.
Als sie meine Tasse erneut gefüllt hatte und wir den letzten kleinen Kuchen gegessen hatten, fragte ich: „Stimmt es, daß die Toten des deutschen Schlachtschiffes ‚Graf Spee‘ hier auf dem Nordfriedhof begraben sind?“ Ich erinnerte mich an die Aufregung, die damals im Jahre 1939 geherrscht hatte, als der berühmte „Westentaschenkreuzer“ in diesem Gebiet von drei britischen Kriegsschiffen gestellt worden war. Die Deutschen dachten, die Briten hätten Verstärkung bekommen; deshalb versenkten sie ihr eigenes Schiff, statt es aufbringen zu lassen.
„Ja, das stimmt“, erwiderte meine Freundin und erklärte es mir dann. Die Toten der Graf Spee sind auf einem Stück Land begraben, das von immergrünen Pflanzen umgeben ist. Jedes Grab ist von einem Erdhügel bedeckt, und am Kopfende steht eine einfache Gedenktafel. Die ortsansässigen Deutschen pflegen diese Gräber. Blumen sind nicht erlaubt; aber jedes Grab ist mit immergrünen Rankenpflanzen bewachsen.
Doch jetzt müssen wir gehen. Die Gräber der Toten der Graf Spee werden wir ein anderes Mal besuchen und auch das Krematorium, wo die Toten manchmal erst eine Zeitlang liegen, bis sie an der Reihe sind, so wie die Lebenden draußen auf vieles warten müssen, bis die Reihe an sie kommt.
Die Feuerbestattung ist in Uruguay allgemein üblich. In Montevideo ist sie kostenlos und hat keine besondere Bedeutung. Gewöhnlich wird vor dem Tode eine schriftliche Erklärung verlangt, doch sie ist nicht unerläßlich. Wir haben gesehen, daß die Feuerbestattung einen Sinn hat, denn dadurch entfernt man die Leichname auf praktische Weise und spart außerdem Platz.
Als wir wieder gingen, dachten wir an Jehovas Verheißung, daß er die Toten auferwecken wird, die Toten, die in seinen Augen für diese barmherzige Vorkehrung in Frage kommen. Hunderttausende von Toten, die allein auf diesem Friedhof ruhen, werden auferstehen und so lange leben, wie sie dem, der sie wieder zum Leben bringt, gehorchen! Sie würden bestimmt ebenso gern auf dem Friedhof Tee trinken wie wir. Wie wunderbar ist es doch, am Leben zu sein!
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Nordamerikanische WasserscheideErwachet! 1970 | 8. November
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Nordamerikanische Wasserscheide
◆ Die Wasserscheide Nordamerikas verläuft in Nord-Süd-Richtung entlang dem Felsengebirge. Eine Wasserscheide ist hochliegendes Land, das den Regen und das Schmelzwasser so verteilt, daß die Ströme von dieser Stelle aus in die entgegengesetzte Richtung fließen. Diese kleinen Bäche sind in Wirklichkeit die Quellflüsse große Ströme. Auf dem Cutbank-Paß im Glacier National Park entspringen drei kleine Bäche — nur ein paar Meter voneinander entfernt. Aber die Wasserscheide trennt sie; einer fließt in den Stillen Ozean, der zweite in den Golf von Mexiko und der dritte in die Hudsonbai!
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