Probleme, denen sich jeder aufrichtige Katholik gegenübersieht
Die Leitung der Kirche ist uneins. Wie kann ein Katholik ermitteln, was recht ist?
VIELLEICHT bist du als Katholik aufgewachsen und bist der Meinung, du solltest katholisch bleiben, weil die katholische Kirche nach deiner Meinung die „wahre“ christliche Kirche ist. Du bist gelehrt worden, der Papst sei der von Gott ernannte Nachfolger des Apostels Petrus, deshalb sei er zu Recht das Oberhaupt der christlichen Kirche. Du fühltest dich in diesem hierarchischen System geborgen, das in deinen Augen wahrhaft apostolisch war. Du hättest es nie gewagt, die geistliche Gewalt deines Pfarrers anzufechten, auch hättest du es dir nie träumen lassen, daß dein Pfarrer sich jemals gegen seinen Bischof auflehnen oder daß ein Kardinal offen dem Papst widersprechen würde.
Du hast zugegeben, daß die katholische Kirche Fehler gemacht hat, aber du bist ganz sicher gewesen, daß der Papst irgendwelche notwendige Reformen durchführen würde. Du bist davon überzeugt gewesen, daß er dabei die Unterstützung sämtlicher Bischöfe in der Welt haben würde. Du hast fest geglaubt, daß alle Prälaten von dem ‘einen Geist’ angetrieben werden und daß sie alle durch Eid verpflichtet sind, dem Papst zu gehorchen. Deshalb bist du der Meinung gewesen, der Kirche anzugehören, die auf die Apostel zurückgehe. — Eph. 4:4, Kürzinger.
Deine Vernunft sagt dir, es könne nur ‘e i n e n [christlichen] Glauben’ geben. (Eph. 4:5, Kürzinger) Du bist überzeugt davon, daß die katholische Kirche diesen Glauben schon all die Jahrhunderte vor der Reformation lebendig erhalten hat. Die Verschiedenartigkeit der vielen einander widersprechenden protestantischen Religionsgemeinschaften, die allerdings zum größten Teil nur in bezug auf die Kirchenverfassung und einige wenige Lehren von der katholischen Kirche abweichen, hat für dich etwas Beängstigendes. Diese Verschiedenartigkeit hat dich in dem Gefühl, der wahren Kirche anzugehören, noch bestärkt.
Aber seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil fühlst du dich in deiner Kirche nicht mehr geborgen. Du weißt, daß der Christus nicht geteilt ist, doch du siehst mit eigenen Augen, daß die größte Kirche der Christenheit alles andere als geeint ist. — 1. Kor. 1:13.
Was lehrt die Kirche?
Ist die römisch-katholische Kirche geeint? Lehrt sie überall dasselbe? Stimmen mindestens alle höheren Geistlichen darin überein, wie ein Katholik zu handeln hat, um als guter Katholik zu gelten? Wenn der Papst wirklich der Nachfolger des Petrus ist, sollten dann nicht alle Kardinäle, Bischöfe und Priester, von den „Gläubigen“ ganz zu schweigen, sich seiner Autorität unterordnen?
Es wäre dir recht, wenn du diese Fragen mit Ja beantworten könntest, aber das, was du vor kurzem in der Presse gelesen und im Rundfunk gehört oder im Fernsehen gesehen hast, hat dich nachdenklich gestimmt. Du erkennst allmählich, daß katholisch sein nicht überall ein und dasselbe bedeutet.
Wohnst du in den Niederlanden, dann benutzt du sehr wahrscheinlich einen Katechismus, der mit der Druckerlaubnis der holländischen Bischöfe herausgegeben worden ist; in diesem Katechismus werden mindestens vierzehn wichtige Lehren anders erklärt, so zum Beispiel die Lehre von der Ursünde, der Erlösung und der Transsubstantiation. Aber diese Erklärungen sind in den Augen der Katholiken im Vatikan im „Widerspruch zum Glauben“. Die Katholiken in den Niederlanden lernen somit nicht ein und dasselbe wie die italienischen Katholiken. Welches sind nun die wahren Katholiken?
Würdest du auf einer Straße in Italien irgendeinen Passanten anhalten und nach seiner Religion fragen und er würde dir antworten, er sei katholisch, so könntest du dennoch nicht mit Sicherheit sagen, was er glaubt.
Wärest du zum Beispiel in Florenz, so könnte dir ein Katholik aus dem Stadtviertel Isolotto begegnen. Der Pfarrer dieses Stadtviertels, Don Mazzi, wurde vor einiger Zeit seines Amtes enthoben, weil er in zwei kleinen Büchern, die als der „Katechismus des Isolotto“ bekannt geworden sind, Lehren darlegt, die den herkömmlichen katholischen Lehren widersprechen. Wie die französische katholische Tageszeitung La Croix schrieb, veröffentlichte die Jesuitenzeitung Civiltà Cattolica einen Artikel, in dem ein hoher Geistlicher diesen Katechismus scharf kritisierte. Er bedauerte, daß „Christus für die Christen [Katholiken] des Isolotto ein Revolutionär ist, der auf die Erde kam, um den Armen und Bedrückten zu helfen“.
Dagegen lautete eine Überschrift in der französischen Illustrierten Paris-Match, Ausgabe vom 21. Dezember 1968: „Zehntausend Florentiner eilen dem Armenpriester zu Hilfe“. Die italienischen Katholiken also, die diesen „Katechismus“ benutzen, müssen einen ganz anderen Begriff von Jesus Christus haben als die konservativeren Katholiken. Doch alle behaupten, der römisch-katholischen Kirche anzugehören. Was bedeutet es somit, katholisch zu sein?
Sogar die Geistlichen sind sich nicht einig darin, wie jemand handeln muß, um als guter Katholik zu gelten. Man denke nur an die vor kurzem von Papst Paul herausgegebene Enzyklika über die Geburtenregelung. Wie ein Katholik in dieser Hinsicht handeln sollte, richtet sich ganz danach, wo er wohnt.
Den englischen Katholiken erklärte Kardinal Heenan, daß man Ehepaare, deren Gewissen sie veranlasse, die Anti-Baby-Pille zu nehmen, nicht von den Sakramenten ausschließen sollte (Le Figaro, 9. Dezember 1968). „Der katholische Episkopat Jugoslawiens“ dagegen „hat verfügt, daß die Enzyklika Humanae vitae über die Geburtenregelung streng befolgt werde“ (Le Monde, 19./20. Januar 1969). Gehören die englischen und die jugoslawischen Katholiken nicht der gleichen Kirche an?
In einem Artikel von John O’Connor, der in der amerikanischen Zeitschrift Look vom 10. Dezember 1968 veröffentlicht wurde, konnte man über die Reaktion auf diese Enzyklika folgendes lesen: „Die amerikanischen Bischöfe taten einen kurzen Kniefall, die Bischöfe von Österreich, Belgien, Kanada, England, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden dagegen betonten, daß jeder einzelne die Freiheit habe, nach seinem Gewissen zu entscheiden.“ Aber selbst in den Vereinigten Staaten gehorchten nicht alle Geistlichen ihren Bischöfen; das zeigt folgender Untertitel: „US-Priester wegen Ablehnung der Enzyklika von Bischöfen zurechtgewiesen, dennoch sind immer noch die Hälfte von ihnen gegen die Lehre Papst Pauls“.
In einem Leitartikel der Zeitschrift Life wird bestätigt, daß viele Katholiken den päpstlichen Entscheid ablehnen. Es heißt darin unter anderem: „Die Priester und Laien, die die Enzyklika ablehnen — in den Vereinigten Staaten sind es mehr als 400 führende Theologen und Religionslehrer, ferner gehören international bekannte Denker zu ihnen, wie der deutsche Bernhard Häring und der Schweizer Hans Küng —, haben diese Ablehnung in leidenschaftliche, doch respektvolle Prosa gekleidet.“ — 16. August 1968.
Somit sind die Katholiken, je nachdem wo sie wohnen und ihr Priester oder Bischof eingestellt ist, verpflichtet oder nicht verpflichtet, der päpstlichen Enzyklika, die alle künstlichen Geburtenregelungsmethoden kategorisch verurteilt, zu gehorchen. Kann man angesichts dieser Situation sagen, die römisch-katholische Kirche sei wirklich die katholische (allgemeine) christliche Kirche, geleitet von dem „e i n e n Geist“? Der Katholik wird gelehrt, sich von seinem Priester und seinem Bischof leiten zu lassen, aber wenn er das tut, mag er in Widerspruch mit dem Papst, dem Oberhaupt der Kirche, geraten.
Vielleicht entgegnest du: „Das mag sein, doch ich habe volles Vertrauen zum Papst. Er verteidigt die traditionellen Lehren der Kirche auch auf die Gefahr hin, unbeliebt zu werden.“
Verteidigt der Papst das apostolische Christentum?
Ohne Zweifel führt Papst Paul einen zähen Kampf. Kämpft er aber für Lehren, die auf dem geschriebenen „Wort Gottes“ beruhen, auf der Heiligen Schrift? Als Beispiel diene der Zölibat.
Im Jahre 1967 gab Papst Paul VI. eine Enzyklika heraus, in der er den Standpunkt der Kirche in der Frage der Ehelosigkeit der Priester bestätigte. Durch seinen Entscheid in dieser Sache machte er sich bei vielen Priestern in der ganzen Welt unbeliebt. Wie hast du darauf reagiert? Dir tun wahrscheinlich die Priester leid, aber du stimmst dem Papst zu, weil du glaubst, er setze sich unerschütterlich für ein Gebot ein, das von den Aposteln erlassen worden sei. Doch wie sehen die Tatsachen aus?
Wir wollen einmal ein maßgebliches Nachschlagewerk zu Rate ziehen, das absolut nicht gegen die katholische Kirche ist. Der Artikel über den „Zölibat“ wurde sogar von einem Jesuitenpriester verfaßt. Wir lesen: „Die Mehrheit der Gelehrten ist sich darin einig, daß das Gesetz über die Ehelosigkeit der Priester nicht apostolischen Ursprungs ist. Der heilige Paulus empfahl die Ehelosigkeit, aber er schrieb auch, daß ein Bischof Mann e i n e s Weibes sein sollte (1. Tim. III, 2; Titus I, 6) ... Das Erste und Zweite Ökumenische Laterankonzil (1123 und 1139) ließ keine Möglichkeit mehr für die Priesterehe. ... Das großartige Reformkonzil von Trient bestätigte nach langer Diskussion die früher erlassenen Gesetze, auch das Laterandekret, nach denen der heilige Stand eine Ehe ausschließt. ... Das Gesetz von Trient blieb das unveränderliche Gesetz der Kirche. Es wurde in den Codex Juris Canonici vom Jahre 1918 aufgenommen, in die Canones 132, 987 und 1072.“ — Encyclopædia Britannica, 1950, Bd. 5, S. 94—96.
Der Verfasser dieses Artikels, ein Jesuit, gibt somit zu, daß die Ehelosigkeit der Priester erst im 12. Jahrhundert Pflicht wurde und daß sie weder apostolisch noch biblisch ist. In der katholischen Bibelübersetzung von Kürzinger lesen wir folgende Worte des christlichen Apostels Paulus: „Ich ließ dich dazu in Kreta zurück, daß du ... in den einzelnen Städten Presbyter [Douay: Priester] einsetzest, wie ich es dir auftrug: Ein solcher sei unbescholten, Mann einer einzigen Frau und Vater gläubiger Kinder.“ (Tit. 1:5, 6) Etwa dreißig Jahre nach Christi Tod schrieb der gleiche Apostel: „Der Bischof soll daher untadelig sein, eines einzigen Weibes Mann, nüchtern, besonnen, maßvoll, gastfreundlich.“ — 1. Tim. 3:2, Kürzinger.
Aus der katholischen Bibelübersetzung von Kürzinger geht hervor, daß Petrus, von dem die katholische Kirche sagt, er sei der erste Papst gewesen, verheiratet gewesen war. Wir lesen: „Als Jesus in das Haus des Petrus kam, sah er, daß dessen Schwiegermutter am Fieber daniederlag.“ (Matth. 8:14) Führende Männer der Kirche wissen sehr gut, daß die Bibel keine Ehelosigkeit fordert. Der Schweizer Hans Küng, ein einflußreicher katholischer Theologe, „erinnert daran, daß Petrus und die Apostel verheiratet waren“. — Schweizerische Kirchenzeitung, Nr. 31, 1967.
Viele führende katholische Theologen sind in der Frage des Zölibats anderer Meinung als der Papst. Sie vertreten den Standpunkt, man sollte den Priestern das Recht, das die ersten christlichen Diener Gottes besaßen, ebenfalls einräumen: das Recht zu heiraten. Tausende von Priestern in der ganzen Welt teilen ihre Ansicht. Somit sind die Katholiken in dieser Frage völlig uneins. Über die Katholiken in den Niederlanden meldete eine Pariser Tageszeitung: „In den Niederlanden ist eine regelrechte ‚Schlacht‘ wegen der Frage des Zölibats im Gange.“ — Le Monde, 19. Dezember 1968.
Welchen Standpunkt nimmst du ein? Stimmst du dem Papst zu, dann weichst du von der Meinung vieler anderer Katholiken ab, und, was noch wichtiger ist, du weichst von dem Standpunkt ab, den die Apostel in dieser Frage einnahmen, wie aus deiner eigenen Bibel hervorgeht.
Du mußt gestehen, ganz gleich, welchen Standpunkt du einnimmst, daß „die Einigkeit der Kirche ..., gegründet auf den Apostolischen Stuhl von Rom“, nicht existiert. Ferner kann man klar erkennen, daß der Papst seine Entscheidungen nicht aufgrund des Wortes Gottes, der Bibel, trifft. Don Mazzi, der Priester aus Florenz, sagte: „Wenn man der Hierarchie gehorcht, mißachtet man die dringendsten Bedürfnisse der Armen, aber wenn man die Bedürfnisse der Armen stillt, gerät man in Widerspruch mit der Hierarchie. Wir werden somit gezwungen, entweder Pharisäer oder Rebellen zu werden. Wir möchten aber weder das eine noch das andere sein“ (Time, 27. Dezember 1968). Diesem Dilemma sehen sich aufrichtige Katholiken in der ganzen Welt gegenüber, und zwar nicht nur in sozialen Fragen, sondern auch in Fragen der Sittlichkeit, ja sogar in Fragen der Lehre.
Einer der Hauptgründe, warum du bisher katholisch geblieben bist, ist deine Überzeugung gewesen, einer einigen und wirklich apostolischen Kirche anzugehören. Die Tatsachen — einige davon haben wir hiermit unterbreitet — zeigen, daß dieser Grund nicht mehr stichhaltig ist. Verzage aber deshalb nicht. Das wahre apostolische Christentum wird in der ganzen Welt von über einer Million geeinten Christen, als Jehovas Zeugen bekannt, praktiziert. Einer dieser Christen hat dir wahrscheinlich diese Zeitschrift überbracht. Warum dir nicht ein Herz fassen und den nächsten Zeugen Jehovas, der dir begegnet, bitten, er möge dir helfen, diese Probleme, denen sich heute jeder aufrichtige Katholik gegenübersieht, zu lösen?