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Als das Christentum eine Untergrundbewegung wurdeDer Wachtturm 1951 | 15. Oktober
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dass aus Zusammenkünften in den Katakomben Kraft gewonnen wurde. Die zwangsweise Durchführung dieses Verbots erwies sich jedoch als nichtig, da es zu viele und zu entlegene Eingänge gab, und nur wenig Wachtposten waren beherzt genug, sich auf der Suche weit in die Gänge hineinzubegeben. Die Verfolgungen tobten bis zu ihrem Höhepunkt und verfehlten ihren Zweck.
Dem begierigen Forscher dieser Tage und dieses Zeitalters, der mit den vielen heutigen Religionen und Religionsbündnissen der Welt, den interkonfessionellen Ligen und dergleichen vertraut ist, wird die lohnendste Lehre aus den Katakomben in ihrem Bescheid über die Glaubensansichten und Bräuche der Urchristen zuteil. Die Heiden beteten mit Prunk in geschmückten Tempeln an, worin grossartige Götzenbilder standen und wozu all das Beiwerk des Weihrauchs und der Kerzen gehörte. Nicht so die Christen. Nach typisch heidnischer Ansicht wurde über sie die Frage gestellt: „Warum haben sie denn keine Altäre, keine Tempel und Opfer?“ Gibbon, der Historiker, weist auf diese völlige Verachtung des Götzendienstes durch die Christen hin und auf den Witz einiger ihrer Schreiber, die sich lustig machten über die Heiden, weil sie sich vor den Werken ihrer eigenen Hände niederbeugten. Der auffallende Gegensatz zwischen Christen und Heiden ist sodann aus den bezüglichen Grabinschriften zu ersehen. Während die Heiden ihren Lebensgenuss hervorhoben, so dass diese Inschriften an „Essen, Trinken und Fröhlichsein“ erinnerten, liessen Christen gewöhnlich den Namen eingravieren und einige Worte, die auf den ruhevollen Schlaf hinwiesen, in den die Toten gefallen waren; und oft nahmen sie Bezug auf ihre Auferstehungshoffnung. Eine Inschrift lautet: „Du, der du dich wohlverdient gemacht und nun deine [Verwandten] verlassen hast, liege in Frieden — in Schlaf. Du wirst auferstehen; eine vorübergehende Ruhe ist dir gewährt.“
Diese Tatsachen aber werden einen zu der Erkenntnis aufwecken, dass jene Christen, welche der apostolischen Kirche so nahestanden, Glaubensansichten pflegten, die nicht nur auffallend von denen der damaligen Heiden abwichen, sondern auch von den Ansichten vieler, die sich jetzt als Christen ausgeben. Wenn sie sich über den Götzendienst der Römer während der ersten drei Jahrhunderte lustig machten, so hätten sie bestimmt auch die Anerkennung nicht gutgeheissen, die die Kirche, welche ihr Hauptquartier heute in derselben Stadt hat, den Bildnissen zollt, nur weil sie christlich zu sein beansprucht. Wenn sie an eine Auferstehung und an einen Schlaf, bis diese eintreten würde, glaubten, so ist es undenkbar, dass sie ihren Glauben vereinbaren konnten mit der Lehre von einem „Fegfeuer“, einem Höllenfeuer oder überhaupt einem Leben bei Bewusstsein in irgendeiner Form nach dem Tode. Doch dies ist nur der Beginn der grossen Kluft, welche jene ersten Nachfolger des Messias von den Hunderten von Sekten und Kultgemeinschaften der heutigen Christenheit trennt.
STEINE KLAGEN DIE CHRISTENHEIT AN
Man wird die Urkunden über die Katakomben umsonst durchgehen, um irgendeine Aufzeichnung über den Marienkult während der ersten drei Jahrhunderte zu finden. In keiner der frühen Zeichnungen wird der Jungfrau eine hervorragende Stellung eingeräumt, noch wird ein Gebet an sie gerichtet oder durch sie gesprochen. Auch waren die Christen der Katakomben keine fanatischen Reliquiensammler. Obwohl ihre Märtyrer natürlich hoch geachtet wurden, machte man doch keine Anstrengung, sie zu verehren oder etwas von ihren Überbleibseln zu retten, um es als Reliquien zu benutzen, womit die Leichtgläubigen ausgebeutet werden könnten. Zum Ärger der römisch-katholischen Kunst weist William Kip darauf hin, dass Gott niemals in Menschenform dargestellt worden sei. Römisch-katholische Bemühungen in dieser Richtung werden durch jenen Fachkenner zurückgewiesen, selbst wenn sie vertreten sind „durch das Genie eines Michelangelo“. Auch in bezug auf die Übertragung der Leitung der Kirche an Petrus sind die Katakomben leer. Man beachte, was McClintock and Strong’s Cyclopedia (engl.) zu sagen hat: „Keine ausdrücklich romanistische Lehre findet eine Stütze in Inschriften, die vor dem 4. Jahrhundert datiert sind. Wir beginnen erst im 5. Jahrhundert Spuren der Heiligenverehrung zu finden. Der erste Gedanke einer Übertragung der Macht von Christus auf Petrus datiert aus dem letzten Teil des 5. bis zu Anfang des 6. Jahrhunderts, und selbst dann erscheint die Gestalt des Petrus nicht mit den Schlüsseln bewaffnet, wie im späteren Symbolismus.“
Das Vorangegangene stimmt mit der Tatsache überein, dass Kaiser Konstantin die formelle Annahme einer vom Glauben abgefallenen Form des Christentums inspirierte, welche nach dem Konzil von Nizäa im Jahre 325 n. Chr. mit römischem Heidentum verschmolzen war. Aus jener Zeit datieren die zahllosen heidnischen Erfindungen, die seither das päpstliche Rom besudelten. Zweifellos hatte das Werk der Gesetzlosigkeit, wovor der Apostel Paulus im voraus gewarnt hatte, die Christen der ersten drei Jahrhunderte zu beeinflussen begonnen; doch obwohl möglicherweise mit gewissen falschen Lehren befleckt, hat doch ihre standhafte Weigerung, wissentlich dem schweren Druck des Heidentums nachzugeben, mitgeholfen, dass man zwischen einigen der grundlegenden Glaubensansichten, wie sie von Jesus und den Aposteln gelehrt wurden, und den Lehren des verschmolzenen Heidentums, das später von Rom ausging, einen Unterschied erkennen konnte. — 2. Thess. 2:7.
Obwohl häufige Zeichnungen aus der Mitte derer zu sehen sind, die in den drei ersten Jahrhunderten lebten, wird doch kein Kapital geschlagen aus der Kreuzigung Jesu oder aus Jesus in irgendwelchen seiner Ängste. Selbst das heidnische Kreuz, das die Christenheit als das direkte Symbol des Christentums beansprucht, ist in den Katakomben selten zu sehen, und auch dann erscheint es, wie Sheldon uns dies sagt, gewöhnlich in einer verhüllten Form. Er nimmt an, dies sei wegen des Spottes und Hohnes, den das Symbol angeblich über die Christen durch ihre Widersacher gebracht habe. Im Lichte ihrer sonst sehr kühnen und kompromisslosen Haltung vor ihren Bedrängern ist es aber nicht wahrscheinlich, dass eine weitere kleine Demütigung sie davon abgehalten hätte, ihr angeblich heiliges Symbol in den Vordergrund zu rücken. Weit wahrscheinlicher ist die Annahme, dass in jenen Zeiten die Christen die universelle Annahme des Kreuzes glatt abwiesen. Versengt vom Feuer der Nichtanerkennung durch die Katakomben gibt die Katholische Enzyklopädie (engl.) zu: „Katholische Schreiber haben bisweilen einen reicheren dogmatischen Inhalt in den Bildern der Katakomben gefunden, als eine strenge Prüfung zu beweisen vermag.“
Interessant ist die Tatsache, dass die Urchristen, obwohl sie gezwungen waren, sich unterirdisch zu versammeln, keinesfalls ihr Licht dort verborgenhielten. So wie Christus es geboten hatte, stellten sie es durch ein Werk öffentlichen Zeugnisgebens hoch auf den „Leuchter“. Obwohl sie sich dadurch den heftigen Groll vieler zuzogen, erhielten andere, die daran gingen, sich mit der Christengemeinde zu verbinden, unsägliche Hoffnung. In dem Werke Die Kirche in den Katakomben (engl.) greift Charles Maitland diesen Zug der Christen, Proselyten zu machen, als einen der ernstesten Faktoren, der zur Verfolgung führte, an, weil deswegen die Behörden mit weiteren Anklagen auftrumpften. Ihre Harmlosigkeit kann in dem blossen Umstande erkannt werden, dass sie wegen ihres geheimen Feierns des Abendmahles des Herrn ein offizielles Verbot erlitten. Aus den alten Inschriften zu schliessen, spotteten jene Christen über die hierarchische Struktur, die das päpstliche Rom vom heidnischen Rom kopiert hatte. Statt der Stimme von Bischöfen und Doktoren finden Autoritäten die einfache Hoffnung von Leuten wie Maria und Martha am Grabe des Lazarus. Die Bilder heben dies hervor, statt prominente hierarchische Personen oder die Abhängigkeit des Volkes von solchen in bezug auf Unterweisung hervorzuheben. Die gewöhnlichen Grabstätten für alle in gleicher Weise widerspiegeln weiter die Lehre Jesu: „Ihr alle seid Brüder.“
DAS CHRISTENTUM IN ALLER ÖFFENTLICHKEIT
Müssen wir zynisch schliessen, dass in dieser Zeit — nur weil ein günstiger Vergleich zwischen der Urkirche und der Christenheit von heute nicht möglich ist — gar keine Wahrheit vorhanden sei? Kaum, wenn man in Betracht zieht, dass ohne die Hilfe von weltlicher Religion und Politik, von Reichtum und Stellung, in der Tat, ohne die Christenheit, auf intensive Weise eine frohe Botschaft von der Geburt des Königreiches Gottes, der Hoffnung aller Nationen, während der vergangenen mindestens dreissig Jahre in der ganzen Welt veröffentlicht worden ist. Weltweit sind die Überbringer dieser guten Botschaft bekannt geworden wegen ihrer einzigartigen Stellung des Abgesondertseins von der Welt, ihrer aggressiven Beharrlichkeit im Vorwärtstreiben ihres Werkes, wegen des Widerstandes, dem sie auf dem ganzen Erdenrund begegnet sind. Sie sind zudem als die Zeugen dessen bekannt, den sie vertreten, als Jehovas Zeugen. Die auffallende Ähnlichkeit einiger Grundsätze ihres Werkes und Lehrens mit denen der Kirche der ersten dreihundert Jahre fesselt das Auge des Forschers. Und Anklagen, die erhoben wurden, um ihr Werk zu vereiteln, sind ebenso absurd gewesen wie das wahnsinnige Bemühen, den wirklichen Grund dafür zu verbergen. Ja, in der Tat, eine Versammlung der Zeugen Jehovas wurde in Kanada während der Kriegszeit gestört und auseinandergesprengt, als sie aus keinem schwerwiegenderen Grunde zusammengekommen waren, als um das Abendmahl des Herrn zu feiern!
Wenn die Tatsachen aneinandergereiht werden, zeigen sie auf einfache Weise, dass diese alte Welt der Bosheit die Wahrheit nie willkommen hiess. Dies trifft auf die Zeit Christi und auch auf die Gegenwart zu. Gleichwie er es vorausgesagt hatte: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen.“ (Joh. 15:20) Während langer Jahrhunderte mussten Menschen guten Willens warten, als das Christentum ins Versteck getrieben war, später vom Heidentum verschlungen und seither während Jahrhunderten vor der Welt falsch dargestellt wurde. Nun aber fegt ein Bibelerziehungsfeldzug über die Welt dahin und bringt ein klareres Verständnis denn je mit sich, damit die Menschen allenthalben Hoffnung haben möchten. Die Wahrheit leuchtet heller denn zu irgendeiner Zeit der nahezu 6000 Jahre langen Geschichte des Menschen. Obwohl bisweilen von jeder irdischen Regierung abgelehnt, obwohl immer noch wiederholt verboten, hat die Wahrheit alle Fesseln gesprengt und nimmt zu und wird die Erde noch füllen. — Hab. 2:14.
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Das Gebet des Herrn der völligen Erhörung naheDer Wachtturm 1951 | 15. Oktober
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Das Gebet des Herrn der völligen Erhörung nahe
„Unser Vater in den Himmeln, dein Name werde geheiligt. Dein Königreich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden. Gib uns heute unser Brot für diesen Tag; und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben haben unsern Schuldnern. Und bringe uns nicht in Versuchung hinein, sondern befreie uns von dem Bösen.“ — Matth. 6:9-13, NW.
1, 2. Wie unterscheidet sich das Gebet des Herrn in seiner Anredeform von Gebeten in den Hebräischen Schriften? Warum dies, und weshalb studieren wir es?
„UNSER Vater in den Himmeln, dein Name werde geheiligt.“ Es war nötig, dass vor neunzehnhundert Jahren der einzige Sohn Gottes, der zu jener Zeit auf Erden lebte, die Menschen einer Jehova Gott geweihten Nation lehrte, das Gebet zu ihm auf diese kindliche Art zu beginnen. In den heiligen Hebräischen Schriften, die vor Christus Jesus geschrieben wurden, ist an verschiedenen Stellen auf Jehova Gott als auf einen Vater hingewiesen worden.a Als Erschaffer des Mannes und Weibes war er ursprünglich der Vater des Menschengeschlechts, so dass der christliche Geschichtsschreiber Lukas den vollkommenen Menschen im Garten Eden als „Adam, den Sohn Gottes“, bezeichnet. (Luk. 3:38, NW) Doch jene Hebräischen Schriften lehrten, wie diese ersten zwei Menschen das Gesetz ihres himmlischen Vaters treulos brachen und von ihm als Kinder verstossen und aus dem Garten Eden hinausgetrieben wurden, um als willentliche Sünder zu sterben, so dass keine ihrer Nachkommen sich als Gottes Kinder an Jehova Gott wenden konnten. Dies erklärt, warum in all den Gebeten, die in den neununddreissig Büchern der inspirierten Hebräischen Schriften aufgezeichnet sind, keines mit einer Anrede an Jehova Gott als unsern Vater, den Vater des Menschengeschlechts, beginnt.
2 Nun aber widmete sich Jesus Christus, er, den Jehova vom Himmel her als „Meinen Sohn, den geliebten“ anerkannte, einem Opferwerk, das den Weg für die Menschen in die Familie der Kinder Gottes wieder öffnen sollte. So lehrte Jesus denn seine jüdischen Jünger passenderweise im voraus dieses Gebet, das als „des Herrn Gebet“ bekannt geworden ist. Er lehrte es als einen hervorragenden Teil seiner „Bergpredigt“. (Matth. 3:13-17, NW; 5:1 bis 6:13) Da Jesus seine Nachfolger dieses Gebet beten lehrte, erwartete er dabei auch vertrauensvoll eine Antwort auf all seine Bitten. Weil es heute seiner völligen Erhörung nahe ist, ist es für uns so wichtig, das Gebet des Herrn zu studieren, um seinen vollen Sinn noch besser zu erfassen.
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