Landläufige Irrtümer über die Bibel
ÜBER 8 000 000 Pfund Sterling! Welch ungeheurer Preis für ein Buch! Und doch wurde dieser Preis auf einer Londoner Auktion im Dezember 1983, nachdem der Hammer des Auktionators niedergegangen war, von einem Käufer, der die Bundesrepublik Deutschland vertrat, gezahlt. Welches Buch kann denn so viel wert sein? Es war ein Teil der Bibel, eigentlich ein koloriertes Buch der Evangelien aus dem 12. Jahrhundert.
Aus welchen Gründen auch immer die enorme Summe für dieses handgeschriebene Buch bezahlt wurde, es ist interessant, daß ein solcher Preis einem Kunstwerk gilt, das ein Teil der Bibel ist. Darin spiegelt sich die Auffassung vieler Menschen wider, nämlich daß die Bibel von unschätzbarem Wert ist. Manche betrachten die Bibel jedoch mit Argwohn oder Feindseligkeit. Warum?
Landläufige Irrtümer
Viele Leute, vor allem in protestantischen Ländern, behaupten, die Bibel gleiche einer Fiedel, auf der man jedes Lied spielen könne. Sie sind der Meinung, die Bibel könne als Stütze für viele widersprüchliche Lehren herangezogen werden, und sagen: „Das ist alles Auslegungssache.“ Stimmt das?
Zugegeben, die Bibel kann zitiert werden, um zu versuchen, unterschiedliche Ansichten zu begründen. Aber kann man denn nicht, wenn man Aussagen aus dem Zusammenhang reißt, das Werk jedes beliebigen Autors so erscheinen lassen, als widerspreche es sich selbst? Wäre das jedoch ein Zeichen von Aufrichtigkeit? Jehovas Zeugen sind der Meinung, daß keine widersprüchlichen Deutungen von Hauptlehren möglich sind, wenn man die Bibel in Aufrichtigkeit liest.
Die Bibel selbst sagt: „Das wißt zuerst, daß keine Prophezeiung der Schrift irgendeiner privaten Auslegung entspringt“ (2. Petrus 1:20). Mit anderen Worten: Die Kraft, die das Niederschreiben der prophetischen Schriften veranlaßte, war nicht einfach eine dem Menschen angeborene Kraft, sondern nichts Geringeres als der heilige Geist oder die wirksame Kraft Gottes. Er ist der Erste aller Propheten und mit Hilfe seiner unsichtbaren, wirksamen Kraft der Inspirator der ganzen wahren biblischen Prophetie.
Ein anderer landläufiger Irrtum besagt, der Gott der inspirierten Hebräischen Schriften sei grausam und rachsüchtig, wohingegen der Gott der inspirierten Christlichen Griechischen Schriften gütig und liebevoll sei. Der französische Essayist Stendhal schrieb: „Gott ist ein Despot und als solcher voll von rachsüchtigen Ideen; in seiner Bibel ist nur von schrecklicher Strafe die Rede.“ Es überrascht nicht, daß ein Mann, der als atheistischer Freigeist bekannt ist, eine solche Meinung äußert. Aber leider wird diese Meinung auch von vielen vertreten, die sich als Christen bezeichnen, einschließlich einiger Geistlicher.
Tatsache ist, daß sowohl in dem ursprünglich in Hebräisch geschriebenen als auch in dem in Griechisch geschriebenen Teil kategorisch davon die Rede ist, daß es nur „e i n e n GOTT“ gibt (1. Korinther 8:6; 5. Mose 6:4). In beiden Teilen wird Gott als barmherzig, gerecht, liebevoll und entschieden beschrieben (2. Mose 34:6, 7; Psalm 103:6-8; 1. Johannes 4:8; Hebräer 12:28, 29). Einige der zartfühlendsten Ausdrucksformen der Schrift findet man im hebräischen Teil der Bibel, wie zum Beispiel in den Psalmen. Andererseits enthält das „Neue Testament“ eindrucksvolle Beschreibungen strenger Urteilsvollstreckungen an den Bösen (2. Thessalonicher 1:6-9; Offenbarung, Kapitel 18 und 19). Die Bibel stellt von Anfang bis Ende den Gerechten eine wunderbare Hoffnung in Aussicht (1. Mose 22:17, 18; Psalm 37:10, 11, 29; Offenbarung 21:3, 4). Die Bibel ist also von Anfang bis Ende in Übereinstimmung mit sich selbst.
Ein „protestantisches Buch“?
Gemäß einem unter den hundert Millionen Katholiken der Welt weitverbreiteten Irrtum ist die Bibel ein „protestantisches Buch“. Aufrichtige Katholiken können nichts dafür, daß sie dieser Ansicht sind. Denn jahrhundertelang verbot die katholische Kirche, die Bibel in irgendeiner anderen Sprache als Latein zu lesen. Dadurch war die Heilige Schrift für die meisten katholischen Laien nicht erreichbar. Zugegeben, seit 1897 und vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962—1965) haben die Katholiken das Recht, in ihrer Muttersprache Bibeln zu lesen, die von Rom approbiert sind. Doch Traditionen sind zählebig. Daher wird in vorwiegend katholischen Ländern das Bibellesen immer noch mit dem Protestantismus verknüpft.
Viele der praktizierenden Katholiken, die in den vergangenen Jahren eine Bibel erworben haben, können sie nicht ohne Besorgnis zur Hand nehmen. Warum? Weil ihre Kirche immer noch lehrt, daß das Bibellesen gefährlich sein kann. Aus welchem Grund? Die katholische Kirche sagt, die Bibel enthalte nicht die vollständige Offenbarung der christlichen Wahrheit; sie müsse durch die „Tradition“ vervollständigt werden. Der katholische Professor Georges Auzou schrieb in seinem Buch La Parole de Dieu (Das Wort Gottes): „Die Tradition übertrifft, umhüllt, begleitet und erweitert die Schrift. ... Das hilft uns verstehen, warum die Kirche das Bibellesen oder das Bibelstudium nie zu einer strikten Verpflichtung oder einer absoluten Notwendigkeit gemacht hat.“
Warum die Bibel lesen?
Trotzdem beschaffen sich weltweit viele aufrichtige Katholiken eine Bibel und suchen Hilfe, um sie verstehen zu können. Dasselbe trifft auf viele enttäuschte Protestanten und sogar auf einige zu, die ihre Hoffnung auf den Kommunismus, den Sozialismus oder die Wissenschaft gesetzt hatten.
Bei einer Untersuchung der Gründe für das erneute Interesse an geistigen Belangen schrieb der Korrespondent für Religion, Alain Woodrow, in der Pariser Tageszeitung Le Monde: „Es ist in erster Linie eine natürliche Reaktion auf die Ernüchterung, die durch das Versagen der großen Denksysteme und Ideologien, der Politik und der Wissenschaft eingetreten ist.“ Als weitere Gründe nannte er: „Enttäuschung über die institutionellen Kirchen aufgrund ihrer Kompromisse mit den politischen und finanziellen Mächten dieser Welt“ und schließlich die sogenannte „apokalyptische Furcht“.
Vielleicht gehörst auch du zu denen, die begonnen haben, die Bibel zu lesen. Wenn ja, dann mußt du wissen, wie ein nutzbringendes Bibellesen möglich ist.