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Griechenland schützt die VersammlungsfreiheitErwachet! 1977 | 22. Februar
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Griechenland schützt die Versammlungsfreiheit
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Griechenland
FÜR Kreta, die fünftgrößte Insel im Mittelmeer, ist das Christentum nichts Neues. Vor über 1 900 Jahren ließ der Apostel Paulus seinen Mitarbeiter Titus auf dieser Insel zurück, damit er die Schwierigkeiten, die in den Christengemeinden verschiedener Städte der Insel aufgetreten waren, behebe und Älteste einsetze. Das war keine leichte Aufgabe, denn die alten Kreter hatten einen sehr schlechten Ruf. Sogar einer ihrer eigenen Propheten (wahrscheinlich Epimenides, der im sechsten Jahrhundert v. u. Z. lebte) hatte gesagt: „Kreter sind immer Lügner, schädliche wilde Tiere, unbeschäftigte Fresser“ (Tit. 1:10-12).
Doch das Christentum übte auf die Kreter, die es annahmen, einen guten Einfluß aus. Der Apostel Paulus erwartete, daß Titus Männer ausfindig machen könnte, die einen guten Leumund besaßen. Paulus gab seinem Mitarbeiter Anweisungen darüber, was für Leuten er die Verantwortung übertragen sollte. Er schrieb: „Ein Aufseher [muß] frei von Anklage sein, nicht eigenwillig, nicht zornmütig, kein lärmender Trinker, kein Schläger, nicht auf unehrlichen Gewinn erpicht, sondern gastfreundlich, das Gute liebend, gesunden Sinnes, gerecht, loyal, Selbstbeherrschung übend“ (Tit. 1:7, 8).
Einstellung der Geistlichkeit
Zeichnen sich die Geistlichen auf Kreta durch die edlen Eigenschaften aus, auf die Titus achten sollte, als er Männer auswählte, denen die Versammlungsangelegenheiten anvertraut werden konnten? Das Verhalten dieser Priester anläßlich eines friedlichen Kongresses der Zeugen Jehovas beantwortet diese Frage.
Dieser Kongreß sollte vom 29. Juli bis 1. August 1976 im Ergoteles-Stadion in Herakleion, einem Seehafen an der Nordküste Kretas, stattfinden. Das Programm dieses Kongresses sah biblische Ansprachen, Dramen und Szenen vor, denen das Thema „Heiliger Dienst“ zugrunde lag. Das ganze Programm war darauf abgestimmt, alle zu ermuntern, es mit den biblischen Forderungen noch genauer zu nehmen; das betraf die Pflichten als Vater, als Mutter, als Ehepartner, als Nachbar und die Pflichten, die ein Kind hat. Gottesfürchtige Personen hätten es begrüßen sollen, daß während vier Tagen darüber gesprochen wurde, wie Gott, dem Höchsten, zu dienen ist. Doch die orthodoxe Geistlichkeit von Kreta begrüßte dieses biblische Programm nicht.
Als Mitte Juli in dem von Jehovas Zeugen gemieteten Ergoteles-Stadion die Kongreßvorarbeiten anliefen, suchten religiöse Kreise den Verwaltungsrat des Stadions zu veranlassen, den Vertrag zu brechen. Eigentlich erwartet man von Männern, die in bezug auf gerechtes, treues und aufrichtiges Verhalten vorbildlich sein sollten, so etwas nicht. Es ist anerkennenswert, daß der Verwaltungsrat des Stadions dem Druck der Geistlichkeit nicht nachgab, sondern den Vertrag aufrechterhielt.
Die Geistlichen bemühten sich darauf, die lokalen kretischen Behörden und die Behörden in Athen zu veranlassen, den Kongreß der Zeugen Jehovas zu verbieten. Priester von Herakleion und den Vororten schickten folgendes Protestschreiben an den Stadtpräfekten, den Staatsanwalt und den Polizeichef: „Wir möchten Sie hiermit wissen lassen, daß die Priester der Stadt Herakleion und ihrer Vororte — die heute, den 16. Juli, um 9 Uhr im Erzbischofssitz von Kreta wegen des Kongresses zusammengekommen sind, den die Millennialisten oder Zeugen Jehovas, Feinde unseres Glaubens und unseres Vaterlandes, Agenten des internationalen Zionismus, vom 29. Juli bis 1. August in unserer Stadt veranstalten wollen — ihre Empörung zum Ausdruck gebracht haben über die unwillkommenen Vorbereitungen für diesen skandalösen judaistisch inspirierten Kongreß, der das Ziel hat, Gläubige zu bekehren. Hiermit sei auch der Protest unserer Gemeindemitglieder übermittelt. ... Wir ersuchen Sie daher, Schritte zu unternehmen, damit dieser provokatorische Kongreß verboten wird; sollte der Kongreß dennoch stattfinden, lehnen wir jede Verantwortung für das ab, was dann geschahen mag.“
Als der Kongreßbeginn näher rückte, intensivierten die Geistlichen und gewisse ihrer Gemeindemitglieder ihre Proteste. Am 26. Juli drohten beispielsweise 5 000 Personen, das Ergoteles-Stadion zu zerstören. Doch die Polizei vereitelte dieses Vorhaben. Eine Athener Zeitung brachte unter der Balkenüberschrift „5 000 Menschen zogen aus, um das Stadion in Herakleion ,abzubrennen‘“ einen Bericht darüber. Außerdem veröffentlichte sie ein Bild, auf dem Geistliche vor dem Stadion zu sehen waren.
Wie geplant, begann der Kongreß trotz anhaltenden Widerstandes am 29. Juli. Die Polizei war auch anwesend, um gegen irgendwelche Personen, die den Kongreß stören wollten, einzuschreiten. Am ersten Tag verlief alles ruhig, aber als die Kongreßdelegierten das Stadion verließen, wurden sie von fanatischen Personen mit Steinen beworfen, so daß Fahrzeuge beschädigt und Kongreßteilnehmer verletzt wurden. Trotz der Bemühungen der Polizei und der Aufforderung des Staatsanwalts an die Unruhestifter, sich zu zerstreuen, fuhren sie, von Priestern angestachelt, fort, die Kongreßteilnehmer mit Steinen zu bewerfen.
Dieses Vorgehen war eine Verletzung des Dekrets, das der Polizeichef von Herakleion erlassen hatte. Das Dekret lautete auszugsweise: „Jede öffentliche Versammlung im Freien oder jeder Protestmarsch von Bürgern, die den Millennialisten [Zeugen Jehovas] feindlich gesinnt sind, der den Zweck hat, ihren Kongreß zu vereiteln oder Ungehörigkeiten gegen sie zu provozieren, ist verboten.“ Obschon Übertretern des Dekrets fünf, in gewissen Fällen sogar bis zwanzig Jahre Gefängnishaft angedroht wurde, setzten sich die Geistlichen und viele fanatische Gemeindemitglieder ganz offen über die Verordnung hinweg. Sie handelten entgegen dem biblischen Gebot: „Jede Seele sei den obrigkeitlichen Gewalten untertan“, das heißt den Regierungen (Röm. 13:1).
Am Morgen des zweiten Kongreßtages suchte ein Vertreter der Watch Tower Society in Begleitung von zwei Athener Juristen den Staatsanwalt auf und berichtete, was vorgefallen war. Der Staatsanwalt versicherte ihnen, daß Maßnahmen ergriffen worden seien, um zu verhindern, daß es wieder zu solchen Zwischenfällen komme wie am Vortage.
Auswirkungen des klerikalen Widerstandes
An den anderen Kongreßtagen kam es zu keinen nennenswerten Zwischenfällen mehr, abgesehen von gelegentlicher Schreierei und dem Abfeuern von Knallkörpern auf den Straßen um das Stadion. Weil die Geistlichkeit dem Kongreß der Zeugen Jehovas einen so hartnäckigen Widerstand entgegensetzte, wurde er nicht nur auf ganz Kreta bekannt, sondern auch in ganz Griechenland. Sowohl in Herakleion als auch in Athen berichteten die Zeitungen ausführlich über das Vorgehen der Priester.
Die Presseberichte ließen erkennen, daß die Geistlichkeit nicht einmal davor zurückschreckte, die Wahrheit zu verdrehen. Diese kretischen Priester verhielten sich nicht wie die Christen, die Titus zu Ältesten ernannte, sondern ahmten eher die alten Kreter nach, die von ihren eigenen Propheten kritisiert wurden. Ein Beispiel war das Bestreben der Priester, Jehovas Zeugen mit dem Zionismus in Verbindung zu bringen. Die in Herakleion erscheinende Zeitung Patris veröffentlichte ein Telegramm des jüdischen Zentralrates in Athen. Das Telegramm bewies, daß die Geistlichkeit nicht die Wahrheit sagte. Es lautete: „Bezüglich des Kongresses der Millennialisten möchten wir aufs schärfste dagegen protestieren, daß die jüdische Religion und der Zionismus damit in Verbindung gebracht werden. Der Millennialismus hat weder zum Judaismus noch zum Zionismus die geringste Beziehung. Diese Tatsache ist in der Welt bekannt und wird auch anerkannt.“
Zur Ehre der höflichen und gastfreundlichen Bewohner der Stadt Herakleion sei gesagt, daß die meisten mit dem ungesetzlichen Verhalten der intoleranten Priester und jener Bürger, die sich von ihren geistlichen Führern zu solchen Ausschreitungen aufhetzen ließen, nicht einverstanden waren. Manch einer äußerte seine Mißbilligung. Ein Geschäftsinhaber sagte zu den Zeugen: „Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem einwandfreien Benehmen.“
Die Lügen, die die Geistlichen verbreiteten, und das ungesetzliche Vorgehen dieser Herren ermöglichten es den Leuten, deutlich zu erkennen, wer das wahre Christentum praktizierte. Die Geistlichen blieben mit Sicherheit weit hinter den biblischen Forderungen für Älteste zurück. Anstatt untadelig zu sein, verhielten sie sich schamwürdig und hetzten andere zu ungesetzlichen Taten auf. Aber glücklicherweise kamen sie mit ihrer Intoleranz nicht durch, denn die Behörden hatten den Mut, für das einzutreten, was recht ist, und ließen sich durch die Drohungen und Ausschreitungen nicht einschüchtern.
Man könnte jetzt mit Recht fragen: Darf man erwarten, von der intoleranten Geistlichkeit Kretas, die sich als so tadelnswert erwiesen hat, im wahren Christentum unterrichtet zu werden? Ist nicht eher zu erwarten, daß man bei denen, die sich friedlich versammelten, um etwas über den heiligen Dienst Gottes zu erfahren, die Lehren des Urchristentums kennenlernt?
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‘Das Brot kleinen Hunden hinwerfen’Erwachet! 1977 | 22. Februar
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‘Das Brot kleinen Hunden hinwerfen’
■ Einmal bat eine Syrophönizierin Jesus Christus, ihre von Dämonen besessene Tochter zu heilen. Anfänglich lehnte er ab mit den Worten: „Es ist nicht recht, den Kindern das Brot zu nehmen und es kleinen Hunden hinzuwerfen.“ (Matth. 15:26). Warum sagte Jesus Christus das?
Wie er dieser nichtjüdischen Frau erklärte, war er ausschließlich „zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gesandt worden (Matth. 15:24). In den Augen der Juden waren Nichtjuden vergleichbar mit zeremoniell unreinen Tieren, beispielsweise mit Hunden. Doch Jesus Christus war dadurch, daß er den Ausdruck „kleine Hunde“ gebrauchte, nicht ungebührlich hart. Er sprach von Hunden, die man im Gegensatz zu den streunenden Hunden als Haustier hielt. Jesu Worte dienten offensichtlich dazu, den Glauben der Syrophönizierin auf die Probe zu stellen. Und es zeigte sich, daß die Frau sowohl die richtige Einstellung als auch einen starken Glauben hatte. Bezug nehmend auf die Worte Jesu, entgegnete sie: „Ja, Herr; aber die kleinen Hunde fressen doch auch die Brosamen, die vom Tische ihrer Herren fallen“ (Matth. 15:27). Als Jesus Christus die Worte hörte, lobte er ihren starken Glauben und heilte ihre Tochter (Matth. 15:28).
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