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Lehrt die Bibel die Allversöhnung?Der Wachtturm 1956 | 15. Januar
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Lehrt die Bibel die Allversöhnung?
Während fast 1900 Jahre hat es Christen gegeben, die die Universalrettung oder Allversöhnung lehrten. Und da gewisse orientalische Religionen die Ansicht vertreten, alle Seelen würden schließlich in den Zustand des „Nirwanas“ gelangen, könnte gesagt werden, daß heute Hunderte von Millionen an die Allversöhnung glauben und daß diese Lehre weit in die Jahrhunderte vor Christus zurückreicht. Lehrt aber die Bibel, Gottes Wort, die Allversöhnung?
WENN auch das, was heute als die „Universalisten-Kirche“ bekannt ist, nicht ganz zwei Jahrhunderte zurückreicht, so ist doch die Lehre vom Universalheil oder der Allversöhnung schon kurz nach dem Tode des letzten der Apostel aufgekommen, und gewisse Sekten lehrten sie schon sehr früh, etwa seit dem Jahre 130. Im Jahre 195 lehrte sie ein gewisser Klemens von Alexandria, und einer seiner Schüler, nämlich Origenes, war ein starker Verfechter dieser Lehre. Es schien ihm unglaublich zu sein, daß Gott seine Geschöpfe für alle Ewigkeit in einer brennenden Hölle quälen würde, und zwar ohne irgendein Ziel, und so vertrat er die Ansicht, daß alle Höllenqualen Heilwert besäßen und enden würden, sobald sie ihren Zweck erreicht hätten: „Alle Seelen, alle intelligenten Wesen, die irregegangen sind, werden daher früher oder später zur Freundschaft mit Gott wiederhergestellt werden. Die Entwicklung wird lange Zeit beanspruchen, in gewissen Fällen sogar unberechenbar lange, aber eine Zeit wird kommen, da Gott alles in allen sein wird.“
Während katholische Theologen, besonders Augustinus, gegen den Origenismus, wie er genannt wurde, wetterten, behielt doch die Lehre von der Universalrettung oder Allversöhnung in ihrer Kirche wie auch in anderen Religionsorganisationen, die den Anspruch erhoben, christlich zu sein, weiterhin ihre Befürworter. Sie wurde von den Albigensern des 11. Jahrhunderts gelehrt, den Lollarden des 14. und von vielen „Reformern vor der Reformation“ im 15. Jahrhundert. Es gab viele Geistliche, die von Religionsorganisationen exkommuniziert, verbannt oder aus ihren Stellungen entlassen wurden, weil sie die Allversöhnung sowohl in katholischen wie in protestantischen Organisationen lehrten.
In England rechnete man während des 17. Jahrhunderts eine Zeitlang die Lehre von der Universalrettung zu den Ketzereien, die mit Gefangenschaft bestraft wurden, während man andere „Ketzereien“ mit dem Tode bestrafte. Ungefähr zur selben Zeit wurde in den Vereinigten Staaten, in der sehr religiösen Kolonie Massachusetts, ein gewisser John Gatchell zur „Schaustellung am Pranger verurteilt und zum Durchstechen seiner Zunge mit einem glühenden Eisen“, weil er die Universalrettung gelehrt hatte.
Es scheint, daß meistenteils jene, die die Universalrettung vertraten, im Herzen recht standen. Jemand sagte: „Die endlose Strafe [Qual] für die Bösen würde ja nicht für die Gerechtigkeit, sondern für die Ungerechtigkeit Gottes sprechen.“ In dem Glauben, daß die Bibel die Höllenqualen für die Bösen lehre und daß die Menschenseele unsterblich sei, zweifelten sie, daß die Qualen der Hölle ewiglich dauern würden. Einer berechnete sogar, daß alle diese Qualen mit dem großen Jubeljahr am Ende von 50 000 Jahren enden würden.
Zu den Bibeltexten, die Origenes als Stütze der Lehre von der Universalrettung oder Allversöhnung benutzte, gehörte auch 1. Korinther 15:25, 28 (NW): „Denn er muß als König herrschen, bis Gott alle Feinde unter seine Füße gelegt hat … dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alle Dinge unterwarf, damit Gott jedem alles sei.“ Damit Gott schließlich jedem alles sei, so folgerte Origenes, müßten schließlich alle intelligenten Geschöpfe mit Gott versöhnt werden.
Ein anderer Text, der als Stütze der Allversöhnung gebraucht wird, ist Philipper 2:10, 11 (NW): „So daß in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, derer im Himmel und derer auf Erden und derer unter der Erde, und jede Zunge öffentlich bekenne, daß Jesus Christus Herr ist zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.“ Es wird behauptet, daß, wenn jedes Knie sich beugen und jede Zunge bekennen müsse, daraus folge, daß alle Lebenden schließlich mit Gott versöhnt werden.
Dann lesen wir ferner in Römer 5:18: „Also wie der Sündenfall des Einen zur Verurteilung aller Menschen führte, so wird auch durch Eines Gerechtigkeit allen Menschen das Leben geschenkt.“ (SB) Über diesen Text sagt eine Publikation der Universalisten vom Jahre 1930: „Die Parallele hier ist vollkommen. Adams e i n e r Übertretung wird entgegengewirkt durch den e i n e n Lohn Christi. Der Akt Adams berührt schließlich die ganze Menschheit. So muß schließlich auch Christi Werk tatsächlich die ganze Menschheit rechtfertigen … Wenn Adams Übertretung nur jedem eine Gelegenheit zum Sündigen gab, so daß einige Sünder werden und andere nicht, dann könnten wir sagen, Christi Werk bringe allen Rechtfertigung, die sich ihrer Annahme unterziehen. Doch müssen wir anerkennen, daß der Mensch keine Wahl hat, Sünder zu werden; ebenso wird es auch sein durch das Werk Christi. Beides ist tatsächlich und universell.“
DER BIBLISCHE STANDPUNKT
Daß einige die Rettung nicht erlangen werden, geht aus der Bibel von 1. Mose bis zur Offenbarung klar hervor. Adam verurteilend, sagte Gott: „Denn Staub bist du, und zum Staube wirst du zurückkehren.“ Dies bedeutet Vernichtung, nicht Rettung. Über Sodom und Gomorra wird uns gesagt, daß sie „uns als warnendes Beispiel vor Augen gestellt“ werden, indem sie die richterliche ewige Strafe erlitten. In Offenbarung 21:8 (NW) lesen wir, daß das Teil aller Bösen „in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt“, sein wird. „Dies bedeutet den zweiten Tod.“ Nichts wird gesagt von einer Erlösung oder einer Auferstehung aus diesem zweiten Tode. — 1. Mose 3:19; Judas 7, NW.
Ja, Christus wird „den vernichten, der das Mittel hat, den Tod zu verursachen, das ist den Teufel“. Die Bösen sind wie „Gefäße des Zorns, die zum Verderben bereitet sind“. Ihr Name ‚wird verwesen‘. Die Böcke werden geheißen, hinzugehen „in die ewige Abschneidung“. Gemäß dem Wörterbuch bedeutet zerstören zunichte machen, aus dem Dasein ausscheiden, und Zerstörung bedeutet Auslöschung, Ausrottung, Vernichtung. — Heb. 2:14; Röm. 9:22, NW; Spr. 10:7; Matth. 25:46, NW.
Jene, die an die Universalrettung glauben, heben Gottes Barmherzigkeit hervor. Wenn Gott aber auch Barmherzigkeit erweist, übersieht er doch die Gerechtigkeit nicht, sondern trifft eine Wahl. „Ich werde dem Barmherzigkeit erweisen, dem ich Barmherzigkeit erweisen mag.“ Er „ist erzürnt über die Bösen jeden Tag“. Zu den willentlich Bösen, die seine Zurechtweisung verachten, sagt er: „So werde auch ich bei eurem Unglück lachen.“ — 2. Mose 33:19, NW; Ps. 7:11, KJ; Spr. 1:24-32.
Es scheint, daß die Hauptschwierigkeit bei denen, die an der Allversöhnungslehre festhalten, darin besteht, daß sie fehlgingen, indem sie auf eine falsche Lehre bauten in ihrem Bemühen, ihre Überzeugung mit dem Glauben an einen Gott der Liebe in Übereinstimmung zu bringen. Unfähig, einen Gott der Liebe mit ewiger Strafe in Form von Marterung zu vereinbaren, ließen sie die Strafe als von begrenzter Dauer erscheinen. Sie hätten die Qualen ausmerzen, aber den Glauben bestehen lassen sollen, daß die Dauer der Strafe ewig ist. Vernichtung, Zerstörung, Ausrottung, Vertilgung sind ewige Strafen, doch schließen sie nicht bewußtes ewiges Leiden ein und sind daher mit einem Gott der Liebe vereinbar.
Diesen Fehler machten jene, weil sie an der irrigen Lehre von der Unsterblichkeit aller Seelen festhielten. In dem Glauben, daß alle intelligenten Geschöpfe, die einst ins Dasein kamen, ewiglich weiterleben müßten, folgerten sie, daß schließlich alle diese mit Gott versöhnt werden, weil es undenkbar wäre, daß Gott sie unnützerweise ewiglich quälen würde.
Die Bibel sagt aber nirgends, daß allen intelligenten Seelen von Natur Unsterblichkeit anhafte. Im Gegenteil sagt sie uns, daß ‚die Seele, welche sündigt, sterben soll‘, und ferner, daß kein Mensch „seine Seele befreien“ könne von „der Gewalt des Scheols“ oder dem Grabesreich; ferner, daß Christus „seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod“. Außerdem heißt es, daß Christen jetzt Unvergänglichkeit suchen und in der Auferstehung mit Unsterblichkeit bekleidet werden. — Hes. 18:4; Ps. 89:48; Jes. 53:12; Röm. 2:7; 1. Kor. 15:53, 54, NW.
„Der Lohn, den Sünde zahlt, ist Tod, aber die Gabe, die Gott schenkt, ist ewiges Leben durch Christus Jesus, unseren Herrn.“ (Röm. 6:23, NW) Wenn alle einfach Leben erhalten müßten, wäre es keine Gabe. Ein Geschenk schließt die Möglichkeit des Wählens ein. Gottes Wort zeigt, daß die beiden Wege für seine Geschöpfe nicht Leben in Glück oder Leben in Qualen, sondern Leben oder Tod sind. „Ich habe dir Leben und Tod vorgelegt.“ (5. Mose 30:19, NW) Wenn der Mensch das Leben nicht genügend schätzt, indem er in Harmonie mit Gottes gerechten Gesetzen lebt, so verliert er es. Dies ist von Gottes Seite aus weise, gerecht und liebevoll. Gleichwie Adam und Eva das Leben nicht schätzten und so zum Staube zurückkehrten, ebenso wird das Geschick aller intelligenten Geschöpfe, die das Leben nicht schätzen, die Auslöschung sein.
Wenn alle Bösen zu Gottes bestimmter Zeit vernichtet werden, muß folgen, daß dann alle Lebenden sich Gott und Christus Jesus unterwerfen, so daß Gott allen Lebenden alles sein wird. Und dann wird auch jedes Knie sich beugen und jede Zunge bekennen, daß Christus Herr ist, denn die Knie und die Zungen der Bösen werden vernichtet sein.
Was aber ist über die Behauptung zu sagen, Texte wie Römer 5:18 zeigten an, daß ebenso wie der Mensch im Ererben der Sünde keine Wahl gehabt habe, er auch keine Wahl habe im Ererben von Leben, da beides sozusagen automatisch vor sich gehe? Eine solche Folgerung steht im Widerspruch mit Gottes Wort, und dies von 1. Mose bis zur Offenbarung, denn sein Wort zeigt immer wieder, daß das Leben von der rechten Handlungsweise abhängt. Adam wurde kein ewiges Leben aufgezwungen; es wurde ihm zu gewissen Bedingungen gegeben. Es wurde ihm als Gabe angeboten. Ebenso wird das ewige Leben seinen Nachkommen nicht aufgezwungen werden. Überdies lesen wir nirgends, daß der Tod ein Geschenk sei. Der Tod ist eine Strafe, und zwar eine unvermeidliche, wenn man sie verdient hat. — Hes. 18:31, 32.
Was nun Römer 5:18 betrifft, so geht der Sinn dieser Stelle aus der Neuen-Welt-Übersetzung klar hervor: „So denn, wie es durch eine Übertretung zur Verurteilung aller Arten von Menschen kam, gleicherweise ergibt sich auch durch e i n e n Akt der Rechtfertigung für Menschen von allen Arten ihre Gerechtsprechung zum Leben.“ Ein um das andere Mal, da das Wort „alle“ in den Griechischen Schriften gebraucht wird, sind damit „alle Arten“ gemeint, und nicht buchstäblich „alle“. Ein Fall, der das beleuchtet, ist in Apostelgeschichte 2:17 zu finden. Gemäß den meisten Übersetzungen erklärt Gott dort: ‚Ich werde von meinem Geiste ausgießen auf alles Fleisch.‘ Nun wissen wir aber, daß zu Pfingsten Gottes Geist nicht buchstäblich auf alles Fleisch ausgegossen wurde, sondern auf nur verhältnismäßig wenige. Aber Gott goß ihn aus auf ‚Söhne und Töchter, Jünglinge und Greise, auf Sklaven und Sklavinnen‘. So lautet denn die Neue-Welt-Übersetzung (engl.): „Ich werde etwas von meinem Geiste auf jede Art von Fleisch ausgießen.“ Dasselbe gilt mit Bezug auf 1. Timotheus 2:3, 4 (NW): Es ist Gottes Wille, „daß alle Arten von Menschen gerettet werden“.
DER DURCH DIESE LEHRE ENTSTEHENDE SCHADEN
Kann denn durch die Lehre, daß schließlich alle intelligenten Geschöpfe, die jemals lebten, mit Gott versöhnt werden, ein Schaden entstehen? Jawohl, denn vor allem beraubt sie Gott seines Ruhmes als jemandes, der würdig ist, von Menschen, die aus freiem Willen heraus handeln, angebetet zu werden. Ferner ignoriert sie gerade den Grund, weshalb Gott die Menschen (an deren unerschütterlicher Lauterkeit er sein Wohlgefallen hat) bestehen ließ, und der aus der Frage klar hervortritt: Können intelligente Geschöpfe trotz allem, was Satan tun kann, um sie durch Versuchungen oder Verfolgungen von Gott abzubringen, ihre Lauterkeit bewahren? Warum hätte Jehova Satans Aufmerksamkeit auf den Lauf Hiobs gelenkt, der in seiner Lauterkeit verharrte, wenn doch die ganze Menschheit und Satan selbst schließlich mit Gott versöhnt würden und ewiges Leben erlangen sollten?
Die Universalrettung oder Allversöhnung ist eine Schlinge des Teufels, um Christen von ihrer Wachsamkeit abzulenken, indem ihnen Rettung verheißen wird, ungeachtet, was sie tun oder nicht tun. Oft gelangen Personen zu dieser Auffassung, die einst das Licht der Wahrheit schätzten, das Gott heute auf sein Wort scheinen läßt, die aber aus diesem oder jenem Grunde Anstoß nahmen und sich absonderten, um ihre eigene kleine Gruppe zu bilden. Indem sie sich der Universalrettung verschreiben, finden sie für sich, anscheinend ohne sich dessen bewußt zu sein, selbst einen Platz, obwohl sie ihre Lauterkeit eingebüßt haben. Doch für solche gibt es ebensowenig Hoffnung auf Rettung, als es für Judas Hoffnung gab, den Jesus als „den Sohn des Verderbens“ bezeichnete. So wie Petrus und Paulus es zeigen, „ist es unmöglich“, jene, die einst erleuchtet worden waren und dann abgefallen sind, ‚wieder zur Reue zu beleben‘. — Joh. 17:12; Heb. 6:4-6; 2. Pet. 2:4-22, NW.
Wiewohl viele Personen, die es gut meinten und sich als Christen bekannten, vom zweiten bis zum zwanzigsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Lehre von der Allversöhnung lehrten, lehrt die Bibel sie doch nicht. Gott ist Liebe, aber er ist auch gerecht. In Liebe bietet er denen ewiges Leben an, die seinen Bedingungen entsprechen, und er hat in Gerechtigkeit festgelegt, daß solche, die seine Gabe verachten, den ewigen Tod verdienen.
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Kirchen schließen Kompromisse mit der WeltDer Wachtturm 1956 | 15. Januar
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Kirchen schließen Kompromisse mit der Welt
Die ersten Christen schlossen nie Kompromisse mit der ehemaligen heidnischen Welt. Aber besonders von der Zeit Konstantins an waren Namenchristen schnell bereit, um irgendwelcher Vorteile willen, die sie aus einem Kompromiß ziehen konnten, bestehende heidnische Bräuche zu heiligen oder anzunehmen. So macht Henry Dwight Sedgwick in seinem Werk In Praise of Gentlemen die Bemerkung: „Das Christentum — so wie wir es haben — hat die Welt nicht überwunden, sondern hat Kompromisse geschlossen, indem es die Welt weiter so handeln ließ, wie sie bis dahin gehandelt hatte, unter der Bedingung, daß sie sich als christlich ausgebe, daß sie Tempel in Kirchen umwandle, Heilige an Stelle der Halbgötter in die Nischen stelle und über der heidnischen Tunika eine Soutane trage.“
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