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  • Kinder von heute — Welt von morgen
    Erwachet! 1980 | 22. Februar
    • Kinder von heute — Welt von morgen

      Wie wird sie aussehen?

      „SCHULKINDER DÜRFEN NUR EINZELN EINTRETEN“. Dieses Schild befand sich an der Tür eines Süßwarengeschäftes in England. Die Kinder stahlen so viel, daß der Geschäftsinhaber sie einzeln beobachten mußte. Eine Zeitung schrieb dazu folgendes:

      „Aus den umliegenden Schulen, die durchaus repräsentativ sind, kommt jeden Tag eine Rotte der flegelhaftesten, selbstsüchtigsten und lautesten Sorte von Kindern, die es je gab. Sie bahnen sich durch Schubsen und Rempeln ihren Weg zu den Bussen, rufen Obszönitäten über die Straße und betrachten das Klauen als etwas Großartiges, sofern sie nicht dabei erwischt werden.“

      Ein Lehrer an einer von Englands fortschrittlichen Schulen mit „open classrooms“ (Unterricht ohne festgelegten Stundenplan) prangerte den Rektor an mit den Worten:

      „Sie haben eine Atmosphäre der totalen Zügellosigkeit und Selbstgefälligkeit geschaffen. Jeder tut das, was ihm im Moment Spaß macht. Chaos und Anarchie herrschen vor. Disziplin wird als etwas Altmodisches belächelt. Die Kinder werden dazu verleitet, sich auf eine Weise zu betragen, die für sie schädlich ist, ob es nun darum geht, etwas zu lernen oder sich sozial zu verhalten. Sie wachsen zu ungebildeten, selbstsüchtigen, unverschämten, ... faulen und kraftlosen Menschen heran.“

      Diese Berichte liegen drei bis vier Jahre zurück. In einem Bericht aus dem vergangenen Jahr wird keine Wende angedeutet. Es heißt darin unter der Überschrift „Britanniens leidgeprüfte Schulen“, der Mangel an schulischen Leistungen sei erschreckend. Die Schüler „verfügen nicht einmal über das geringste Maß an grundlegenden Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Gedankenaustausch“. Die fortschrittliche Methode mit ihrem Wirrwarr von höchst „modernen“ Fächern wird rundweg als „Schrottplatz der Schulbildung“ bezeichnet.

      In Kanada konnte man in den Zeitungen folgende Schlagzeilen lesen: „Die Lesefähigkeit der Schüler läßt nach“, „Keiner fällt mehr durch — High-School-Zeugnisse gelten als bedeutungslos“, „Wenn du willst, daß sie dich leiden können, dann laß sie das Examen bestehen“, „Lehrer klagen über schlechte Moral und über Mangel an Werten bei den Schülern“, „Schulunterricht durch Wandalismus und Gewalttat behindert“.

      Berichte aus Australien: Diszipliniertes Verhalten ist rar geworden, deshalb geben Lehrer ihren Beruf auf. Die neuen Lehrer sind nicht so gut wie ihre Vorgänger. Betont werden Freizügigkeit und persönliche Rechte, ganz gleich, wie sich das auf die Gesellschaft auswirkt. Hunderte von Schülern werden durch Ausübung von Druck und manchmal auch mit Gewalt dazu gezwungen, sich dem Alkohol- oder Drogengenuß hinzugeben.

      Im Schulsystem der Sowjetunion tritt Parteilichkeit zutage. Die Qualität des Schulunterrichts ist sehr unterschiedlich — auf dem Lande schlecht, in den Städten gut. Doch überall wachsen die Schüler zu Zynikern heran: „Der typische Schüler glaubt an nichts.“ Durch Bestechung verschaffen sich die Schüler Zutritt zu den begehrtesten Schulen, und es gibt einen blühenden Schwarzmarkt für Bücher.

      Eine scheinbare Ausnahme bildet China. Besucher sind beeindruckt von dem höflichen, disziplinierten Betragen der Kinder. Die Schüler heißen sie mit Gesang und Tanz willkommen. Der Unterricht ist beeindruckend. Drogenprobleme gibt es offensichtlich nicht. Allerdings scheinen solche Besichtigungstouren gut geplant und sorgfältig überwacht zu werden. Ein Reporter verließ einmal die reguläre Route und fand in der Toilette eine Gruppe von Kindern vor. Ungeniert ging ein Junge auf ihn zu, stellte sich vor ihn hin und urinierte. Dann wandten sich auch die anderen dem Besucher zu und taten das gleiche. Daraus schloß er, daß bei den Touren „gewisse Dinge eigens zur Vorführung vorbereitet werden“.

      In Japan klagen die Lehrer über schwache schulische Leistungen. Gewalttätigkeit und Wandalismus sind weit verbreitet. Ein Beispiel: Dreißig Teenager, darunter auch fünf Mädchen, schlugen sechs Lehrer mit Holzstangen und Bambusstöcken und zerschlugen in der Schule Fenster und Glastüren. Doch das Besondere an den japanischen Schulen sind die Prüfungen. In den öffentlichen Schulen wird verlangt, daß sich die Schüler strengen Tests unterziehen, bevor sie eine weiterführende Schule oder eine Universität besuchen — und in eine gute Schule gelangt man nur, wenn man gut abgeschnitten hat. Um in eine Privatschule gehen zu können, muß man schon im Kindergarten Prüfungen ablegen. Die Aufnahmeprüfung für Universitäten dauert Tage, wird als „Prüfungshölle“ bezeichnet und hat jedes Frühjahr mehrere Selbstmorde zur Folge.

      Die erstaunlichsten Aufnahmeprüfungen für Universitäten gibt es in Indien. Die indischen Studenten glauben, es sei ihr angestammtes Recht, abzuschreiben und zu mogeln. Im vergangenen Juli gab es bei den Prüfungen an der Universität von Meerut Unruhen. In einem Pressebericht hieß es:

      „Gestern wurden zwei Studenten getötet und 40 Personen — einschließlich 30 Polizisten — verletzt, als sich Studenten und Polizisten auf den Straßen Meeruts und in benachbarten Universitätsstädten erbitterte Kämpfe lieferten. In den Prüfungsräumen hielten sich bewaffnete Polizisten auf, um dem Aufsichtspersonal zu helfen, das Mogeln zu verhindern. Erzürnt über die Beraubung ihres ,angestammten Rechts‘, fingen die Studenten an zu toben.

      Die gegenwärtigen turbulenten Prüfungen sollen diejenigen ersetzen, die im Februar für ungültig erklärt wurden, weil damals das Abschreiben und Mogeln gigantische Ausmaße erreichte. Das Aufsichtspersonal wurde mit Messern und Dolchen bedroht, während die Schüler von Büchern und Notizen abschrieben. Andere gingen mit den Fragebogen und mit ihrem Schreibzeug in benachbarte Häuser und Gasthäuser, wo Freunde bereitstanden, um ihnen bei der Lösung zu helfen. Außerhalb des Prüfungsraumes wurden die Lösungen im Diktiertempo über die Lautsprecheranlage bekanntgegeben.“

      Eine in etwa 20 Ländern durchgeführte Studie, die 9 700 Schulen und 250 000 Schüler erfaßte, offenbarte einen gewaltigen Bildungsunterschied zwischen Schülern in Industrieländern und solchen in unterentwickelten Ländern. Obwohl Schüler in den Industrieländern bereits schlecht genug lesen, schreiben und rechnen, sieht es in den unterentwickelten Ländern noch viel schlimmer aus. Dort ist das Analphabetentum stark verbreitet; die Hälfte der eingeschulten Kinder verläßt nach dem dritten Jahr die Schule wieder.

      Was soll aus den Kindern von heute werden? Wie wird die Welt von morgen aussehen?

      Denke darüber nach, während du den folgenden Bericht liest, der schildert, was in den Schulen eines der bedeutendsten Länder der Welt vor sich geht.

  • Die Schule versagt
    Erwachet! 1980 | 22. Februar
    • Die Schule versagt

      In den Vereinigten Staaten gibt die Gesellschaft der Schule die Schuld und die Schule den Schülern. Die Schüler wiederum bekommen schlechte Noten.

      „ICH bin betrogen worden!“ klagt ein High-School-Absolvent, der nach zwei Jahren das College verlassen mußte. „Was war verkehrt? Warum war ich nicht vorbereitet?“ fragt er und fährt fort:

      „Als ich zur High-School ging, war gerade die fortschrittliche Bewegung im Gange. Pädagogen sprachen von ,fröhlichen Klassenzimmern‘, und wir alle forderten Fächer, die ,relevant‘ (was immer das bedeutete) waren. Wenn ich zurückblicke, bestand meiner Meinung nach das Problem darin, daß die Lehrer zuviel Nachsicht übten. ... Sie versuchten, uns die ,Freude‘ und die ,Relevanz‘ zu geben, die wir forderten. Aber eigentlich gebraucht hätten wir Satzbau und so manches Mal auch einen festen Tritt in den Hintern.“

      Die Klage eines anderen Schülers wurde in einer Zeitung wie folgt wiedergegeben:

      „Ich bin in der 10. Klasse, und meine Rechtschreibung ist keinen Pfifferling wert. Die High-School, die ich besuche, soll eine der besten unseres Bundesstaates sein. Seit der 5. Klasse bin ich nicht ein einziges Mal in Rechtschreibung unterrichtet worden. Unser Klassenleiter bittet uns jedes Jahr, die Fächer aufzuführen, die wir gern im Angebot sehen würden. In fünf aufeinanderfolgenden Jahren habe ich ,Rechtschreiben‘ und ,Grammatik‘ vorgeschlagen. Aber was ist uns geboten worden? Ich muß mir verrückte Filme ansehen, die als ,Lehrfilme‘ bezeichnet werden.“

      Die USA geben für den Unterricht an weiterführenden Schulen mehr Geld aus als je zuvor — etwa 75 000 000 000 Dollar im Jahr. Dennoch versagen diese Schulen kläglich. Die Ergebnisse bei den Aufnahmeprüfungen für das College haben sich in den vergangenen 15 Jahren ständig verschlechtert.

      Die Noten werden „nachgeworfen“, und das Versetzen geschieht von selbst

      Experten geben folgenden Bericht zur Situation: Fortschrittliche Lehrmethoden und bedeutungslose Wahlfächer haben die Grundfertigkeiten — Lesen, Schreiben und Rechnen — verdrängt. Die Kinder sind nicht nur unfähig zu lesen, sondern können auch nicht schreiben, addieren und subtrahieren. Der Englischunterricht wurde durch Science-fiction und durch Filmvorführungen ersetzt. Das Schreiben von Aufsätzen ist aus der Mode gekommen. Die Lehrbücher fordern den Schüler nicht mehr so — mehr Bilder, breitere Seitenränder, einfachere Wörter und kürzere Sätze. Verglichen mit früher, müssen nur noch halb soviel Hausaufgaben gemacht werden. Über das Schuleschwänzen — bis zu 25 Prozent — wird hinweggesehen. Die Noten werden „nachgeworfen“. Das Versetzen in die nächste Klasse geschieht von selbst, also unabhängig davon, ob es verdient ist oder nicht. Das High-School-Diplom bestätigt 12 Jahre Schulbesuch, nicht schulische Leistungen.

      Da das Diplom bedeutungslos geworden ist, haben sich die Gerichte eingeschaltet. Im Wall Street Journal vom 9. Mai 1978 hieß es: „Wenn eine Schule einem Schüler ein Diplom verleiht ohne Rücksicht darauf, was er gelernt hat, dann kann sie verklagt werden. Gegen amerikanische Schulen sind ein halbes Dutzend Anklagen vorgebracht worden, die im wesentlichen auf Verletzung des Bildungsauftrags lauten.“ Demzufolge wird in vielen US-Bundesstaaten „von den Schülern verlangt, ein Mindestmaß an Fertigkeiten unter Beweis zu stellen, indem sie sich Lese-, Schreib- und Rechenprüfungen unterziehen. Wenn sie sie nicht bestehen, kann ihnen das High-School-Diplom verwehrt werden.“

      Doch die Experten, die über das Versagen der Schulen berichten, dehnen ihre Vorwürfe noch weiter aus. Wenn die Familie zerrüttet ist, ein Elternteil fehlt, beide Eltern arbeiten oder sie zu freizügig sind, dann sind die Kinder durcheinander, verhalten sich in der Schule undiszipliniert und sind schwierig zu unterrichten.

      Das Fernsehen macht den Geist träge, doch „bis zum 16. Lebensjahr haben die meisten Kinder zwischen 10 000 und 15 000 Stunden vor dem Fernseher verbracht, mehr Zeit als in der Schule“. Einer der Experten sagte: „Das Fernsehen ist zum Stellvertreter der Eltern und zum Ersatz des Lehrers geworden.“

      Ein anderer Pädagoge sagte unverblümt: „Wenn Sie denken, daß ein ernsthaftes Bildungsproblem besteht, und möchten, daß die Kinder eine bessere Bildung erhalten, dann schlage ich Ihnen vor, Fernseher, Radio und Telefon abzuschalten und Eltern zu engagieren, die eifrige Leser und produktive Schreiber sind und in angemessenem Wohlstand leben.“

      Dieses Zitat weist auf einen weiteren Faktor hin — die wirtschaftlichen Lebensumstände. In der New Yorker Zeitung Daily News vom 8. März 1979 erschien unter dem Titel „Der Erfolg hängt davon ab, wo Sie wohnen“ folgender Bericht über öffentliche Schulen der Stadt New York:

      „Die Schule Nr. 131 in Queens ist von ruhigen Straßen, von teuren Einfamilienhäusern und von Leuten umgeben, die sich zulächeln und sich zuwinken, wenn sie sich auf der Straße begegnen Die Schüler haben bei den Lesetests am besten von der ganzen Stadt abgeschnitten.

      Die Schule Nr. 75 in Bronx steht mitten in einem Slum. Lehrer wie Schüler müssen sich, sobald sie das Schulgelände verlassen, vor Gewaltverbrechern und Heroinsüchtigen in acht nehmen. Diese Schüler haben bei den Lesetests am schlechtesten abgeschnitten.

      ,Ich möchte gern, daß Sie das wissen‘, sagte Evelyn Leakey, deren Sohn in der Schule Nr. 75 die 5. Klasse besucht. ,In dieser Schule wird nichts gelernt, aber ich kann es mir nicht leisten, ihn in eine andere zu schicken.‘“

      Die Gesellschaft ist schuld

      Willard Wirtz, ein Mitglied der Kommission, die sich mit dem Schwund schulischer Leistungen befaßt, bemerkte, daß Schwarze, auch wenn man ihre benachteiligte soziale und wirtschaftliche Situation berücksichtigt, in der Schule schlechter abschneiden als Weiße. „Die Verantwortung“, folgerte er, „kann nicht nur auf der Schule ruhen. Die gesamte Gesellschaft ist schuld.“

      High-School-Absolventen, denen grundlegende Fertigkeiten fehlen, sind in der Arbeitswelt benachteiligt. Einige Wirtschaftsfachleute, die ein Seminar für Lehrer leiteten, führten folgende Punkte an:

      „Machen wir uns nichts vor — wenn sie die Arbeit nicht schaffen, können wir sie nicht behalten.“

      „Aus einer Gruppe von 180 Bewerbern, deren ich mich annahm, mußten annähernd 20 Prozent ausscheiden, weil ich ihre Schrift nicht lesen konnte.“

      „Etwa 80 Prozent aller entlassenen Arbeitskräfte haben ihren Arbeitsplatz deshalb verloren, weil sie oft fernblieben oder unpünktlich waren.“

      „Wir tun unser möglichstes, um unser Urteil nicht von der äußeren Erscheinung der Bewerber beeinflussen zu lassen. Aber wenn Sie einige der Leute sehen würden, die wir zu sehen bekommen, dann würden Sie verstehen, daß man unweigerlich davon beeinflußt wird.“

      Die Wirtschaft gibt 40 000 000 000 Dollar im Jahr aus, um das Versagen der Schule auszubügeln. Ein Firmensprecher klagte:

      „Wir machen das, was die Schulen machen sollten. College-Absolventen können keine Berichte abfassen; High-School-Absolventen können kaum lesen oder schreiben; Schreibkräfte können nicht mehr als 150 Anschläge pro Minute tippen — und sie alle haben einen kleinen Wortschatz. Zwölf Jahre in der Schule zuzubringen, ohne das Grundlegende mitzubekommen, das ist viel vergeudete Zeit.“

      Es ist ein trauriges Bild, daß eine Nation, die das Atom gespalten, Menschen zum Mond geschickt und mit Hilfe eines Raumschiffes Aufnahmen vom Jupiter gemacht hat, noch nicht einmal allen erwachsenen Bürgern beibringen konnte, wie man das Formular für eine Stellenbewerbung ausfüllt oder an der Kasse eines Supermarktes das Wechselgeld nachrechnet. Da muß es doch unbedingt ein Heilmittel geben!

      Aber worin besteht es?

  • Lehrer tätlich angegriffen
    Erwachet! 1980 | 22. Februar
    • Lehrer tätlich angegriffen

      Einige sind zweifellos für ihren Beruf ungeeignet. Andere müssen als Sündenbock herhalten. Sie alle sind einem großen Berufsrisiko ausgesetzt.

      „HANS und Susi können nicht lesen, schreiben und rechnen, weil ihre Lehrer es nicht können.“ Dieser Vorwurf war im vergangenen Jahr im Wall Street Journal zu lesen. Als Bestätigung wurden einige Beispiele angeführt. In New Orleans trugen streikende Lehrer ein Transparent, auf dem ein verkehrt geschriebenes Wort stand. In einer gedruckten Lernhilfe für Drittklässer steht ein Rechtschreib- und ein Grammatikfehler. Ein Lehrer in Alabama schrieb den Eltern eines Schülers eine Mitteilung und leistete sich dabei mehrere Rechtschreib- und Grammatikfehler. Nach einem Rechtschreibtest strich ein Lehrer im Testbogen eines Mädchens ein richtig geschriebenes Wort als Fehler an und „korrigierte“ es, indem er es falsch schrieb.

      Unfähigkeit — wenn man sie auch nicht allen Lehrern nachsagen kann — ist eine landesweite Erscheinung. Daher will man jetzt in vielen US-Bundesstaaten neue Lehrer dazu zwingen, sich verschiedenen Eignungstests zu unterziehen. Einige Vertreter der Lehrergewerkschaft protestieren dagegen, daß die Lehrer zum Sündenbock für den landesweiten Leistungsschwund gemacht werden. Dieser Protest ist berechtigt. Das Versagen der öffentlichen Schulen hat nämlich mehr als nur eine Ursache, und viele Lehrer sind fähige Pädagogen. Allerdings gibt es auch viele, von denen man das nicht behaupten kann; es ist nicht verkehrt, durch Tests eine Auslese zu treffen.

      Diese Tests verlangen nicht viel, nicht einmal in den Grundfertigkeiten. In der New York Post wurden sie als „Kinderspiel“ bezeichnet. „Der schriftliche Englischtest für künftige Lehrer an Stadtschulen ist so leicht, daß, wie eine Studie ergab, High-School-Schüler fast genauso gute Ergebnisse erreichen wie die künftigen Lehrer.“

      Berufsrisiko

      Viele Industriearbeiter sind krebserzeugenden Chemikalien ausgesetzt, was nach 20 bis 30 Jahren den Tod zur Folge haben kann. Lehrer sind Gefahren ausgesetzt, die unmittelbar Verletzungen und manchmal den Tod mit sich bringen können. Wie das National Institute of Education schätzt, werden jeden Monat 5 200 High-School-Lehrer tätlich angegriffen und 6 000 beraubt. Jeden Monat werden etwa 282 000 ihrer Schüler überfallen und 112 000 beraubt. Häufig begehen Eindringlinge, die keine Schüler sind, diese Gewalttaten.

      Im U.S. News & World Report vom 21. Mai 1979 wurden einige Gewaltakte geschildert:

      „In Kalifornien wurde eine Lehrerin vor den Augen ihrer Zweitklässer von einem Eindringling mit Waffengewalt gezwungen, sich zu entkleiden, und wurde dann sexuell mißhandelt. Als der Täter wieder ging, nahm er ihre Kleidung und ihr Portemonnaie mit. Die Kinder bedeckten sie mit ihren Pullovern und Jacken.

      In New Orleans sah eine Lehrerin zu, wie zwei Jungen ein kleineres Kind von einem Balkon im 1. Stock herunterwarfen. Sie wagte es nicht, einzuschreiten, da sie befürchtete, die Jungen würden sie sonst angreifen.

      In einer High-School in Los Angeles beschossen Mädchen, die wegen ihrer schlechten Noten verärgert waren, ihre Lehrerin mit brennenden Streichhölzern, so daß ihr Haar Feuer fing. Die Lehrerin erlitt daraufhin einen Nervenzusammenbruch.

      In Alexandria (Virginia) zerschnitten Schüler die Reifen eines Polizeiautos, das auf dem Parkplatz einer High-School stand, beschmierten die Wände der Bibliothek, schleppten die Eingangstore der Schule fort, zerschlugen Fensterscheiben, ruinierten einen Teppich mit Klebstoff, ließen in der Raucherecke des Schulhofs Sprengstoff explodieren, schnitten große Löcher in den Drahtzaun des Schulgeländes, schütteten in einem Gang Motoröl aus, schnitten mit einem Rohrschneider die Fahnenstange der Schule ab und stießen die Stange durch ein Fenster des Rektorats. Die Schule wurde später wegen eines verheerenden Feuers geschlossen, das man auf Brandstiftung zurückführt.

      In Austin (Texas) schoß der 13jährige Sohn von George Christian, einem ehemaligen Pressesekretär des Weißen Hauses, vor den Augen seiner 30 Klassenkameraden mit einem halbautomatischen Gewehr seinen Englischlehrer nieder. Der Lehrer hatte ihm eine schlechte Note gegeben.“

      Den Lehrern wird bereits seit Jahren davon abgeraten, Gewaltakte zu melden, da sonst die Schule und somit auch die Schulverwaltung in ein schlechtes Licht gerate. Ein Sprecher des Expertenteams, das in New Jersey für die Bekämpfung schulischer Kriminalität zuständig ist, sagte: „Die Schulverwaltungen legen ihrem Lehrerkollegium nahe, gewalttätige Zwischenfälle zu vergessen.“ Sobald den Schülern bewußt ist, daß Gewaltakte die Polizei auf den Plan rufen, geht die Gewalttätigkeit drastisch zurück.

      Rückzug vom „Schlachtfeld“

      Viele Lehrer leiden an Kriegsneurose mit all den Angstzuständen und Erscheinungen, wie sie bei Soldaten auf dem Schlachtfeld zu beobachten sind. Einige sind dazu übergegangen, Polizeipfeifen, Behälter mit Tränengas oder Schußwaffen im Schreibtisch bereitzuhalten. Doch die meisten Lehrer sind passiv und idealistisch, nicht geeignet und nicht willens, sich an Ausschreitungen zu beteiligen. Sie ziehen es vor, das Feld zu räumen. In den vergangenen Jahren haben sich durch Resignation und vorzeitige Pensionierung die Reihen der erfahrenen, hingebungsvollen Lehrer stark gelichtet. Das ist ein Verlust für die Kinder, die Eltern, die Schule und die Gesellschaft. Sie sind auch alle an diesem Verlust schuld. Sie alle tragen dazu bei.

  • Fertigkeiten oder Spielereien?
    Erwachet! 1980 | 22. Februar
    • Fertigkeiten oder Spielereien?

      In einer kalten Nacht erlaubte ein Mann seinem Kamel, den Kopf ins Zelt zu stecken, dann den Hals, dann die Schultern. Bald war das Kamel im Zelt, und der Mann saß draußen in der Kälte. So heißt es in der Fabel. Etwas Ähnliches passierte, als in den USA durch gewisse Wahlfächer die drei Grundfertigkeiten aus dem Schulunterricht verdrängt wurden.

      IN DEN Schulen werden heute die Grundfertigkeiten sehr vernachlässigt. Eine ehemalige Lehrerin meinte, daß „das Malen mit den Fingern kein annehmbarer Ersatz“ ist. „Die Schulen befassen sich mit einer Unzahl von Betätigungen, um die wir gar nicht gebeten haben“, sagte sie. „Sie kümmern sich um die emotionalen Bedürfnisse, die sozialen Bedürfnisse und an allerletzter Stelle um das Bildungsbedürfnis der Schüler. Diskussionen über das Familienleben sind in den meisten Fällen nur ein Deckmantel für Pornographie im Unterricht.“

      In Verbindung mit diesem Vorwurf trug die New York Post vom 19. Juni 1979 auf der Titelseite folgende Schlagzeile: „Zweifelhafter Sexunterricht für Schulkinder“. Die Zeitung schrieb:

      „Die Schulbehörde bereitet eine Änderung des Sexualkundeunterrichts vor. Themen, die früher tabu waren, sollen künftig bereits in der 5. Klasse diskutiert werden. Darin eingeschlossen sind Abtreibung, Homosexualität, Empfängnisverhütung und Masturbation. ... Die Schulbehörde meint, daß eine frühe Sexualerziehung notwendig ist, da unter Teenagern unerwünschte Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten in einem alarmierenden Maße zugenommen haben. Außerdem ist die Behörde dafür, daß die Besprechung rein biologischer Vorgänge durch das Vermitteln praktischer Sexualinformationen ersetzt werden soll. Zum Beispiel sollen die Schüler bereits in der 5. Klasse verschiedene Methoden der Empfängnisverhütung diskutieren.“

      Kommt dir das nicht bekannt vor? Wurde nicht zu der Zeit, als die Sexualerziehung in der Schule neu eingeführt wurde, dasselbe Argument verwendet, nämlich daß dadurch die Zahl der Schwangerschaften zurückgehen und die Promiskuität nachlassen würde? Das einzige, was bisher nachgelassen hat, sind die Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen.

      Der Dialekt der Schwarzen

      Vor Jahren wurden Negerkinder, die unkorrektes Englisch sprachen, vom Lehrer korrigiert. Aber seit einiger Zeit bezeichnet man das als „black English“ und sagt, es sei eine ungeschriebene Sprache, die in der Schule gelehrt werden sollte. Doch viele Schwarze sind dagegen, weil sie wissen, daß ihre Kinder das übliche Englisch beherrschen müssen, um in der Arbeitswelt mithalten zu können.

      In vielen Lehrplänen wimmelt es von Wahlfächern, die wenig Wert haben, aber sehr leicht sind. Besorgte Lehrer betrachten sie als Spielereien, durch die erstrebenswerte Fertigkeiten bedroht werden. Typisch ist die Äußerung eines Sozialkundelehrers:

      „Dieses Wahlfächersystem, das sich in vielen Schulen durchgesetzt hat, übt auf die Lerngewohnheiten junger Schüler einen verheerenden Einfluß aus. Selbst mit 15 Jahren haben die Schüler noch nichts weiter gelernt, als zu möglichst günstigen und bequemen Bedingungen im ,Supermarkt‘ der Wahlfächer einkaufen zu gehen.“

      Zurück zu den Grundfertigkeiten!

      Der Unmut über den Schwund schulischer Anforderungen, sei es in der höheren Schule oder an der Universität, hat die Bewegung „Zurück zu den Grundfertigkeiten!“ („back to basics“) zu einer der stärksten Strömungen im amerikanischen Bildungswesen gemacht. 1977 wurden bei einer Umfrage des Gallup-Instituts Amerikaner gefragt, ob sie eine stärkere Förderung der Grundfertigkeiten — Lesen, Schreiben und Rechnen — begrüßen würden. 83 Prozent antworteten mit Ja. Die Privatschulen, einschließlich der Bekenntnisschulen, erfreuen sich eines ungeheuren Zuwachses, weil die Eltern unzufrieden sind mit der schlechten Leistung der öffentlichen Schulen. Der für das Bildungswesen zuständige Beamte von Florida — ein Bundesstaat, in dem es etwa 300 Bekenntnisschulen gibt — wurde gefragt, warum man diese Privatschulen nicht zwinge, einen gewissen Standard nachzuweisen. Er antwortete darauf:

      „Wir sind nicht in der Lage, über den Standard anderer zu reden, solange wir nicht die öffentlichen Schulen in Ordnung gebracht haben. Sollten wir nicht lieber vor unserer eigenen Tür kehren?“

      Man untersuchte 34 High-Schools, deren Absolventen in den letzten Jahren bei College-Aufnahmeprüfungen gleichbleibend gute oder steigende Durchschnittsnoten erreicht haben. Über das ganze Land verteilt, stehen diese Schulen sowohl in wohlhabenden Vierteln als auch in Arbeitersiedlungen — ein Querschnitt in sozialer und auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Diese Schulen haben im allgemeinen erfahrene Lehrer, die sich hohen Maßstäben verpflichtet fühlen und sich nicht „Modetorheiten verschrieben haben, die die „laxe Atmosphäre der sogenannten ,open classrooms‘ kennzeichnet“. Die Schüler, die bei der Aufnahmeprüfung gut abschneiden, entscheiden sich für „anspruchsvollere Fächer — Mathematik, Fremdsprachen, Englisch und Naturwissenschaften — als die Absolventen von Schulen, deren Standard gesunken ist“. Die Schulen mit hohem Standard haben die volle Unterstützung der Eltern.

      Keine Abstriche von der alten Methode

      Edward Hall gab in Amerika 28 Jahre lang Englischunterricht. Im Jahre 1974 ging er nach Botswana (Afrika). „Für die Jungen und Mädchen, die ich jetzt unterrichte, ist Englisch eine Fremdsprache. Sie machen sich in diesem Fach besser als damals meine Schüler in den USA. Mit der laschen Unterrichtsgestaltung ist er nicht einverstanden. Er hat in Botswana ein straffes Unterrichtsprogramm — kein Platz für Spielereien.

      „Altmodisch? Zu viele Wiederholungen? Langweilig?“ fragt er. Ja. „Langweiliger Drill ist für das Erlernen von korrektem Englisch unerläßlich, ebenso wie Tonleiterübungen auf dem Klavier unerläßlich sind, um einmal Konzerte geben zu können. Lehrer in Amerika befürchten, daß sie die „Individualität“ und die „Kreativität“ des Schülers unterdrücken, wenn sie sein Englisch korrigieren. Edward Hall meint, das sei so, als spiele man Tennis ohne Netz, und sagt: „Wir sollten aufhören, Tennis ohne Netz zu spielen, und sollten die Schüler dazu anhalten, die Sprache einzuüben, genauso wie man beim Sport oder in der Musik etwas einüben muß.“

      Diese Ausführungen machte Edward Hall in seinem Aufsatz „Warum Amerikaner nicht schreiben können“, der im August 1978 in der Zeitschrift Human Nature erschien. Er untermauerte seinen Standpunkt mit Beispielen aus seiner Unterrichtspraxis. Ein Schüler aus der Abschlußklasse einer High-School in der Stadt New York schrieb einen Aufsatz über Anne Frank, das jüdische Mädchen, das sich lange Zeit vor den Nationalsozialisten versteckte, aber dann umkam. Er bezeichnete das jüdische Mädchen als Deutsche und schrieb, Hitler habe die Deutschen gehaßt. Außerdem war der Aufsatz voller Grammatik- und Rechtschreibfehler.

      Im Gegensatz dazu zitierte Edward Hall aus einer Abhandlung über Rassenvorurteile, die von einem 15jährigen afrikanischen Schüler stammte. Der Aufsatz offenbarte nicht nur fundierte Sachkenntnisse über die Entwicklung der Rassengegensätze in Südafrika, sondern war auch in einem einwandfreien Englisch abgefaßt.

      Es nimmt daher nicht wunder, daß dieser ehemalige New Yorker Englischlehrer fordert, die Spielereien aus der Schule zu verbannen und statt dessen Fertigkeiten zu vermitteln.

      [Bild auf Seite 10]

      Manche College-Absolventen müßten sich eigentlich wieder mit den Grundfertigkeiten befassen.

  • Zwei Lehrerinnen erzählen, warum sie ihren Beruf aufgaben
    Erwachet! 1980 | 22. Februar
    • Zwei Lehrerinnen erzählen, warum sie ihren Beruf aufgaben

      „Es kam so weit, daß ich mich fürchtete, vor die Klasse zu treten. Das war für mich das Zeichen zum Aufhören.“

      SEIT Jahren sind die amerikanischen Pädagogen bemüht, eine Antwort auf die Frage zu finden: „Warum lesen unsere Kinder so schlecht?“ Doch schon in der ersten Klasse sind die Schüler, die sich an das mühsame Geschäft machen, Gedrucktes lesen zu lernen, manchmal dadurch gehandikapt, daß sie hintereinander zwei bis drei verschiedene Lehrer haben. Während sich die Erstklässer mit dem Lesenlernen abplagen, kämpfen die Schulverwaltungen mit dem Lehrerwechsel und zerbrechen sich den Kopf, warum die Lehrer nicht mehr unterrichten können.

      Was geht in den Schulen vor? Warum geben erfahrene, gute Lehrer ihren Beruf auf und wenden sich einer anderen Arbeit zu? Auch mir wurde diese Frage gestellt, weil ich meinen Beruf mehr als zehn Jahre vor dem Rentenalter aufgegeben habe.

      Wie es war

      Ich stamme aus einer Lehrerfamilie. Als Kind spielte ich mit meinen Puppen Schule und freute mich auf die Zeit, in der nicht Puppen und Teddybären, sondern richtige Kinder meine Schüler sein würden. Schließlich war es soweit. Meine eine erste Klasse waren Jungen im dritten Schuljahr.

      Ich begann drei Monate nach Beginn des Schuljahres mit dem Unterrichtgeben. Die Klasse hatte in den drei Monaten schon zwei Lehrerinnen gehabt. Triumphierend verkündete sie es mir, und einer der Knirpse sagte vorwitzig: „Wir haben beide davongejagt.“ Ich überhörte die Äußerung und verwickelte die Jungen in ein Gespräch, in dem sie mir über ihre Heimtiere erzählten. Jeder wußte noch etwas Lustigeres über sein Tier zu erzählen als sein Vorgänger. Schließlich fragte ich einen der Jungen: „Was tust du, wenn dein Hund dich anspringt und mit dir spielen möchte, du aber keine Lust dazu hast?“

      „Ich schieb’ ihn einfach weg.“

      „Was aber, wenn du ihn von dir schieben würdest und er nie mehr zurückkäme?“

      „Das würde er niemals tun.“

      „Warum nicht?“

      „Weil er mich mag!“

      Leise sagte ich: „So ist es auch mit mir. Nachdem ich euch allen zugehört habe, weiß ich, daß ich euch mag. Ich werde es auch so machen wie dieser kleine Hund. Ich lass’ mich ab und zu von euch wegschieben; aber weil ich euch mag, könnt ihr mich nicht wegjagen. Einverstanden?“

      Damit hatte ich die Klasse gewonnen. Das war in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.

      Wie alle Lehrer, so hatte auch ich meine Lieblingsunterrichtsthemen. Eines davon war „Aufstieg und Niedergang der Weltmächte“ in der Sozialkunde für Sechsklässer. Ich war erstaunt, wie genau das Lehrbuch mit der biblischen Geschichte übereinstimmte. In der Lehrerausgabe des Lehrbuches Living in the Old World wurde sogar empfohlen, die Schüler die Geschichte von Nebukadnezar und seinem Traum im 2. Kapitel des Buches Daniel, das vom Aufstieg und Niedergang der Weltmächte handelt, lesen zu lassen.

      Es waren schöne Jahre, und das Unterrichten machte Freude. Die Zeit verflog im Nu. Als ich aufhören mußte, weil ich ein Kind erwartete, hatte ich meinen Beruf schon mehr als 10 Jahre ausgeübt.

      Ende der 1960er Jahre begann ich, wieder Unterricht zu geben. Jetzt hätte es mir noch mehr Freude bereiten sollen, weil mein eigenes Kind ebenfalls in der Schule war. Aber es war alles anders.

      Wie es ist

      Die Respektlosigkeit auf jeder Ebene war erschreckend. Die Schüler respektierten die Lehrer kaum, aber in vielen Fällen zeigten auch die Junglehrer gegenüber dem Rektor keinen Respekt. Früher war es einfach gewesen, im Klassenzimmer Disziplin zu halten, jetzt dagegen war es so gut wie unmöglich. Diese Elfjährigen verfügten über ein unheimliches Repertoire an Flüchen. Es kam so weit, daß ich mich fürchtete, vor die Klasse zu treten. Das war für mich das Zeichen zum Aufhören.

      Ich beschloß, frühere Kollegen, Lehrerinnen und Rektoren, zu fragen. Auch ehemalige Schüler, die bereits Eltern von schulpflichtigen Kindern waren, fragte ich.

      Am meisten beklagten sie sich über die Zucht, das heißt über den Mangel an Zucht. Eine Lehrerin sagte: „Man hat das Gefühl, den Tag gut überstanden zu haben, wenn man von einem Ende des Flurs bis zum anderen gehen konnte, ohne angerempelt worden zu sein.“

      Sie brachten verschiedene Gründe für den Zusammenbruch der Schulzucht vor, aber als Hauptgrund führten alle den „Mangel an Respekt vor einer Autoritätsperson“ an. Ein Rektor meinte: „Viele Kinder wissen schon, bevor sie in die Schule kommen, daß ihre Eltern keinen Respekt vor der Regierung haben, und außerdem glauben viele Eltern nicht mehr an einen Gott. Für das Kind sind die Eltern die höchste Autorität. Wenn Kinder ihre Eltern nicht respektieren, was können dann die Lehrer erwarten?“

      Ich fragte eine Lehrerin, die schon über 25 Jahre Unterricht gibt, wieviel man in der Schule über sittliche Grundsätze sagen dürfe. Sie entgegnete, daß die Junglehrer anders denken würden als die älteren Lehrer und daß die erfahrenen Lehrer vorsichtig sein müßten, um nicht auf das Gebiet der Religion überzugreifen. Eine Lehrerin sagte: „Als das Schulgebet abgeschafft wurde, hatten wir keine Chance mehr.“

      Viele sind der Ansicht, die Lockerung der Kleidervorschriften sei das Grabgeläute für die Schuldisziplin gewesen. Interessant war folgende Äußerung: „Die Schüler begannen so zu denken, wie sie sich kleideten. Als wir glaubten, schlimmer könne es nicht mehr kommen, fingen sie an, sich so zu kleiden, wie sie dachten.“ Fast alle Lehrer teilten die Meinung: „Je anständiger die äußere Erscheinung eines Schülers, desto besser seine Leistungen.“ Eine Lehrerin sagte sinnend: „Wenn sie sich in schmuddeligen Blue jeans, die oberen Blusenknöpfe offen, in den Stuhl flegeln, verraten die Gesichter, die einen anstarren, alles andere als Lerneifer.“

      Wie es sein wird

      Das sind zwar alles negative Äußerungen, doch daraus darf man nicht schließen, daß alle Schüler eine rebellische Einstellung haben. Schülern, die den Lehrern Freude machen, sei gesagt: „Euretwegen gibt es noch Lehrer. Ihr alle seid das Opfer einer sich wandelnden Welt.“ Ein ehemaliger Schüler faßte das wie folgt zusammen: „Anfang der 60er Jahre glich die Welt einem Kreisel, der wie unsinnig wackelt; und gewackelt hat sie seither. Man fragt sich, ob sie je wieder ins Gleichgewicht kommen wird.“

      Ich mußte an den Sozialkunde-Unterrichtsstoff für Sechsklässer denken, der sich mit dem Aufstieg und Niedergang der Weltmächte — auch der heutigen, die ganz bestimmt am Wackeln ist — befaßte. Wie schön wird es sein, wenn diese ebenfalls der Macht weichen muß, die in den Geschichtsbüchern nicht erwähnt wird, wohl aber in der Bibel, dem ältesten Lehrbuch des Menschen: Gottes Königreich unter Christus Jesus. Dann wird das Unterrichten wieder eine Freude sein (D. B.).

      „Es war an der Zeit, den Versuch aufzugeben, die Flut von gleichgültigen Eltern, interesselosen Lehrern und verwahrlosten Kindern einzudämmen.“

      ENDE der 50er Jahre machte ich an einer Schule im Süden der Vereinigten Staaten das Abitur. Damals wurden Rektoren und Lehrer noch hochgeachtet. In den Klassenzimmern herrschte eine vorbildliche Disziplin. Das Schlimmste, was damals passierte, war, daß sich ab und zu ein paar Jungen hinter einem Busch versteckten, um zu rauchen. Von den Problemen, die es in der Stadt New York bereits gab, hatten wir keine Ahnung. Erst als der Film „Rock Around the Clock“ (Außer Rand und Band) lief, erfuhren wir etwas davon. Wir waren entsetzt und konnten es kaum glauben. Eine solche Gewalttätigkeit und Respektlosigkeit wäre bei uns absolut undenkbar gewesen.

      Im Laufe der Jahre las ich immer und immer wieder von der Aufsässigkeit der Jugend. Das bereitete mir solche Sorgen, daß ich mich, als mein erstes Kind in die Schule kam, entschloß, mich um eine Lehrerstelle zu bewerben. So konnte ich den Trend verfolgen und meinen Einfluß geltend machen.

      In den sechs Jahren, in denen ich unterrichtete, erfuhr ich, daß sich vieles zum Nachteil verändert hatte. Die Rektoren besaßen sozusagen keine Autorität mehr. Sie hatten in bezug auf die Lehrerschaft nichts mehr zu sagen. Die Schulbehörde schickte ihnen die Lehrer, und sie mußten sie einfach akzeptieren. Erwies sich ein Lehrer als unqualifiziert, konnte der Rektor nichts machen. Viele unserer „altmodischen“ guten Lehrer waren in den Ruhestand getreten, und die Lehrer, die sie ersetzten, waren unmöglich. Nicht wenige sprachen ein ganz schlechtes Englisch — Gassenenglisch. Einige stritten sich offen mit anderen und zeigten sich in Fragen der Rasse und Religion außerordentlich engstirnig.

      „Schlüsselkinder“

      Die Mütter von über 90 Prozent unserer Schüler — vom Kindergarten an bis zur siebenten Klasse — waren berufstätig, und mindestens 50 Prozent der Kinder waren Scheidungswaisen. Viele berufstätige Eltern brachten die Kinder, schon eine Stunde bevor die Türen des Schulhauses geöffnet wurden, in die Schule, damit sie rechtzeitig am Arbeitsplatz sein konnten.

      Ich stellte auch fest, daß meine Schüler nie Gelegenheit hatten, mit Erwachsenen ein Gespräch zu führen. Ihre Eltern sagten ihnen zwar, was sie zu tun hatten, aber sie unterhielten sich nie richtig mit ihnen. Anscheinend war ich die einzige erwachsene Person, die ihnen zuhörte und ihnen ab und zu ein Lob spendete. Bei Elternabenden — meist kamen nur wenige Eltern — empfahl ich den Eltern, sich ihren Kindern jeden Abend wenigstens 30 Minuten zu widmen, sie zu fragen, wie sie den Tag verlebt hätten, was in der Schule gelaufen sei usw. Viele Kinder berufstätiger Eltern sahen diese wochentags jeweils nur zwei Stunden am Abend, und die Kinder von Eltern, die Schicht arbeiteten, sahen ihre Eltern nur zwei Tage in der Woche — am Wochenende.

      Klassenclowns: Kinder aus Halbfamilien

      Ich machte die Erfahrung, daß die Klassenclowns und die Störenfriede der Klasse aus Halbfamilien stammten oder Schlüsselkinder waren. Sie hungerten nach Liebe und Aufmerksamkeit und taten alles mögliche, um beachtet zu werden. Sie hielten treu zu ihren Eltern und gaben mit ihnen an. Ich merkte, daß sie damit eigentlich zum Ausdruck bringen wollten: „Ich möchte, daß meine Eltern so wären, wie ich sie schildere.“

      Die Eltern dieser Kinder setzten die Regeln, die sie aufstellten, nie durch. Das hatte zur Folge, daß die Kinder auch die Schulordnung nicht ernst nahmen, sondern glaubten, sie würden nicht bestraft, wenn sie sie verletzten — was auch häufig zutraf.

      Ich bewarb mich nie um eine Stelle an einer höheren Schule. In diesen Schulen kam es manchmal zu Schießereien, Messerstechereien und Vergewaltigungen, außerdem wurde dort täglich gestohlen und mit Rauschmitteln gehandelt. In den meisten höheren Schulen müssen Sicherheitsbeamte eingesetzt werden. Aber weder die Lehrerschaft noch die Schulpolizei unternimmt etwas gegen den ständigen Gebrauch von Marihuana unter den Schülern. Nicht wenige sind während des größten Teils des Schuljahres in einem Rauschzustand.

      Als ich in der Schule tagtäglich fast verzweifelte und mich meine Verzweiflung sogar noch zu Hause quälte, wurde mir eines klar: Es war an der Zeit, den Versuch aufzugeben, die Flut von gleichgültigen Eltern, interesselosen Lehrern und verwahrlosten Kindern einzudämmen. Ich hängte meinen Beruf an den Nagel und widmete die so gewonnenen Stunden meiner eigenen Familie. Jetzt habe ich Zeit, etwas Lohnenderes und Befriedigenderes zu lehren: die biblische Botschaft von Gottes neuem System unter Christus Jesus, das alle Probleme der Menschen lösen wird (S. F.).

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