Wenn man allein im Leben steht
DER fünfzigjährige Witwer sagte zu seinen Freunden, die bemüht waren, wieder eine Frau für ihn zu finden: „Ich schätze eure Bemühungen, aber ich möchte nicht mehr heiraten. ... Ich bin zwar nicht auf Rosen gebettet, aber das Alleinsein hat auch seine Vorteile.“
Ähnlich dachte Jeanette, die noch immer ledig war. Sie erklärte ihren Eltern: „Ich weiß, daß ihr es gern hättet, wenn ich heiraten würde. Aber ich bin auch so glücklich.“
Natürlich kann es sein, daß du ganz anders denkst. Vielleicht stehst du allein im Leben, bist verwitwet, geschieden, lebst von deinem Ehepartner getrennt oder bist ledig geblieben und leidest unter dem Alleinsein — es belastet und entmutigt dich. Was kannst du tun, um das zu ändern, um zu erwirken, daß dein Leben sinnvoll und lebenswert wird?
Allein im Leben zu stehen ist, wie Millionen Menschen bestätigen können, kein Vergnügen. Es gibt viele Länder, in denen die Zahl der ledigen, geschiedenen und verwitweten Personen größer ist als die der verheirateten. Besonders die Zahl der alleinstehenden Frauen ist sehr hoch. In den Vereinigten Staaten soll schätzungsweise jede sechste Frau über 21 Witwe sein. Und in anderen Ländern ist die Situation noch schlimmer. Es gibt Gegenden, in denen mehr als die Hälfte aller Frauen über 40 verwitwet sind. Außer den Millionen Witwen und Witwern gibt es noch sehr viele Männer und Frauen, die allein im Leben stehen, weil sie geschieden sind.
Du magst aus Erfahrung oder aufgrund von Beobachtungen wissen, daß durch die tragischen Umstände, die dazu führen, daß jemand seinen Partner verliert, alles noch verschlimmert wird. Dr. Thomas Holmes und seine Mitarbeiter untersuchten „43 Situationen, durch die das Leben eines Menschen mehr oder weniger stark erschüttert wird“. Welche Umstände haben die größte Erschütterung zur Folge? 1. der Tod des Ehegefährten, 2. die Ehescheidung und 3. die Trennung. Ein Mensch, der eine solch schmerzliche Erfahrung gemacht hat, sieht sich dann den Problemen gegenüber, die jemand hat, der allein im Leben steht. Eine Witwe drückte das wie folgt aus: „Witwe zu sein ist, als würde man in einem Land leben, in dem niemand die eigene Sprache spricht, in einem Land, in dem man wie eine Ausgestoßene behandelt wird.“
Du weißt, wie schwierig es sein kann, allein im Leben zu stehen, ganz gleich, was zu diesem Alleinsein geführt hat. Doch um dir zu helfen, zufriedener und glücklicher zu leben, möchten wir einige der Probleme, mit denen du möglicherweise zu kämpfen hast, näher beleuchten. Du wirst dann besser erkennen, was du tun mußt, um damit fertig zu werden.
Einsamkeit
Ist Einsamkeit das Problem, an das du zuerst denkst? Für sehr viele, die allein im Leben stehen, ist die Einsamkeit das größte Problem. Sie erscheint ihnen wie ein Ungeheuer, das immer hinter ihnen her ist. So ergeht es sogar Personen, von denen man annehmen könnte, sie würden mit diesem Problem sehr gut fertig. Als die englische Sozialarbeiterin Lily Pincus ihren Mann verlor, machte sie die Erfahrung, daß sie trotz ihrer Arbeit, ihrer Familie und vieler guter Freunde oft niedergeschlagen war und sich einsam fühlte. Und wie ergeht es Geschiedenen? Ein Geschiedener mag sich nach der Scheidung einsam fühlen, selbst wenn seine Ehe zerrüttet war. Vielleicht ist es dir aufgefallen, daß ein Geschiedener sich oft verlassen vorkommt, weil er wegen seiner Ehescheidung das Gefühl hat, ein Versager zu sein. Einsamkeit kann tatsächlich ein Problem sein.
Vielleicht denkst du jetzt: „Ich bin mir darüber im klaren, daß Einsamkeit ein Problem ist. Aber wie kann ich es lösen?“ Man muß als erstes versuchen, herauszufinden, was bewirkt, daß man sich einsam fühlt. Vielleicht überkommt dich dieses Gefühl am häufigsten, wenn du allein frühstückst oder Abendbrot ißt, oder an einem regnerischen Tag oder am Samstagabend, weil du bei diesen Gelegenheiten die Zweisamkeit als besonders beglückend empfunden hast. Sobald du dir darüber im klaren bist, was bewirkt, daß du dir so verlassen vorkommst, kannst du etwas unternehmen, um zu verhindern, daß du dich so häufig und so hoffnungslos einsam fühlst. Ein Mann, der geschieden war, stellte fest, daß ihn immer ein Gefühl der Einsamkeit übermannte, wenn er die dunkle, öde Wohnung betrat. Was tat er? „Ich strich den Flur mit einer warmen Farbe und hängte meine Lieblingsbilder darin auf. Dann kaufte ich mir eine Leuchte, und diese lasse ich brennen, wenn ich aus dem Haus gehe. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß das einen günstigen Einfluß auf meine Stimmung hat.“ Natürlich mag es bei dir wieder etwas anderes sein, was dieses Gefühl auslöst. Vielleicht beschließt du, einige Bilder oder Andenken wegzutun, die dich an glückliche Zeiten erinnern und jedesmal, wenn du sie betrachtest, in dir ein Gefühl der Einsamkeit wecken.
Es ist auch nützlich, zu erkennen, daß zwischen Alleinsein und Einsamkeit ein Unterschied besteht. Hast du dich in deinem Leben nicht öfter gefreut, wenn du allein warst, wenn dich niemand gestört hat, so daß du nachdenken, lesen oder „wieder zu dir selbst finden“ konntest? Du warst allein, aber nicht einsam. Natürlich hattest du allein sein wollen, auch warst du nicht immer allein. Doch das zeigt, daß es auch positive Seiten hat, wenn man allein im Leben steht, die nicht übersehen werden sollten. Verheiratet zu sein bedeutet zwar, zu lieben und geliebt zu werden. Aber wenn man alleinstehend ist — sei es, weil man unverheiratet bleiben möchte oder weil man unfreiwillig in diese Lage gekommen ist —, hat man den Vorteil, weniger abgelenkt zu werden. (Vergleiche 1. Korinther 7:32-35.)
Ella, eine 34jährige geschiedene New Yorkerin, sagte, das Gefühl, abgelehnt zu werden, überall unerwünscht zu sein, mache ihr zu schaffen. Quälen dich gelegentlich auch solche Gedanken? Oder vielleicht glaubst du, du seiest zu nichts mehr nütze. Bei Monika, einer 31jährigen Witwe, hing in der Küche der Spruch: „Ich hasse das Kochen.“ Ein Ehepaar, das bei ihr zu Besuch war, dachte, sie habe den Spruch aufgehängt, weil sie nicht kochen könne. Später aber sagten die beiden: „Wir mußten unsere Meinung ändern. Sie kann ausgezeichnet kochen. Aber nach dem Tod ihres Mannes hatte sie keine Lust mehr dazu. Es war für sie einfach nicht mehr dasselbe.“
Mit solchen Gefühlen wird man leichter fertig, wenn man etwas für andere tut. Wer so handelt, an dem werden sich die Worte Jesu bewahrheiten: „Beglückender ist Geben als Empfangen“ (Apg. 20:35). Als Beispiel dafür könnte Dorkas, über die in der Bibel berichtet wird, erwähnt werden. Zu jener Zeit war sie offenbar unverheiratet. Was tat sie, damit sie ihr Alleinsein besser ertragen konnte? In Apostelgeschichte 9:36-42 lesen wir: „Sie war überströmend an guten Taten und Gaben der Barmherzigkeit.“ Sie verfertigte für verwitwete Christinnen und andere Bedürftige Kleider. Wenn du etwas nachdenkst, fallen dir vielleicht auch Personen ein, denen du helfen könntest.
Ella und Monika handelten ähnlich. Ella beteiligt sich nun an dem Schulungswerk der Zeugen Jehovas. In ihrer Freizeit — an den Abenden und Wochenenden — unterrichtet sie Personen, die sich für die Bibel interessieren, oder sie besucht biblische Zusammenkünfte im Königreichssaal. Vor kurzem sagte sie: „Das Gefühl der Einsamkeit kann gefährlich werden, aber wenn ich in den Königreichssaal gehe, gelingt es mir, dieses Gefühl zu überwinden. Es ist wunderbar, daß wir wöchentlich drei Zusammenkünfte haben. Sie sind vorzüglich über die Woche verteilt.“ Auch Monika beteiligt sich an der biblischen Lehrtätigkeit der Zeugen Jehovas, und zwar noch mehr als früher. Das befriedigt sie sehr. Sie weiß, daß sie damit nicht nur ihre einsamen Stunden ausfüllt, sondern daß sie Gott dient und gleichzeitig vielen Personen, die sie bei ihrer christlichen Tätigkeit kennenlernt, eine echte Hilfe sein kann. Darüber sagte sie: „Der Vollzeitpredigtdienst hat mir geholfen, das Gefühl der Einsamkeit, das mich von Zeit zu Zeit befiel, zu überwinden.“
Es gibt auch manches andere, was man tun kann, um das Gefühl der Einsamkeit zu bekämpfen. Sprich mit jemandem, dem du nicht gleichgültig bist. Setz dich mit jemandem in Verbindung, mit dem du befreundet oder verwandt bist, mit jemandem, zu dem du Vertrauen hast, und erkläre ihm folgendes: „Manchmal kann ich das Alleinsein fast nicht mehr ertragen. Dürfte ich dich anrufen, wenn ich mich so ureinsam fühle?“ Auf diesen „heißen Draht“ kannst du jeweils zurückgreifen, um Kraft zu schöpfen, wenn du — wie gelegentlich jeder von uns — niedergeschlagen bist und dich einsam fühlst. Und demjenigen, den du um diesen Freundschaftsdienst bittest, wird es sehr wahrscheinlich Freude bereiten, dir in dieser Weise zu helfen. Aber du solltest auch etwas tun, was dich interessiert und was deine Kräfte beansprucht. Hast du schon einmal daran gedacht, dir einen Garten zuzulegen? Wenn ja, dann leg dir doch auch einen zu. Oder hast du schon immer die Absicht gehabt, dein Wohnzimmer neu zu tapezieren? Dann tu es doch. Widme dich einem Hobby oder irgend etwas anderem, was dich besonders interessiert. Nimm Sprachunterricht, oder lerne ein Musikinstrument spielen, oder beginne mit einem Fitneßprogramm.
Lebenssorgen
Viele Personen, die allein im Leben stehen, sagen, daß die finanziellen Sorgen eine echte Belastung sind. Geht es dir auch so? Manche Frauen kümmern sich, solange ihr Mann lebt, nicht um die Finanzen. Aber nach seinem Tod müssen sie sich den Lebensunterhalt selbst verdienen, müssen Raten zahlen und sich um Versicherungen und andere, ähnliche Dinge kümmern. Das kann eine schwere Last sein.
Für das Problem, sich selbst ernähren zu müssen, gibt es keine Standardlösung. Es ist jedoch zu empfehlen, in dieser Hinsicht sowie in anderen finanziellen Fragen Freunde oder Verwandte um Rat zu bitten. Sie werden gern bereit sein, dir beizustehen. Wende dich an Personen, von denen du weißt, daß sie ausgeglichen sind und ein gutes Urteil haben, und erkläre ihnen deine Lage. Sie können und sollen nicht für dich entscheiden. Aber du kannst dich mit einem Ehepaar darüber beraten, was für Arbeit du annehmen solltest und wie die Raten, die Steuern und die Versicherungen zu bezahlen sind. Wenn du ein Ehepaar und nicht nur einen verheirateten Mann ansprichst, vermeidest du ein Problem, das sich die eine oder andere Witwe aufgeladen hat. Du wirst dann nicht als jemand erscheinen, der einer Frau „den Mann ausspannen will“. Und wahrscheinlich wird es für dieses Ehepaar ganz gut sein, wenn es gemeinsam über diese Fragen berät.
Folgende Warnung ist hier am Platz: Triff weder in finanziellen noch in anderen Fragen übereilt, d. h., wenn du noch von dem Schmerz, deinen Lebensgefährten verloren zu haben, wie betäubt bist, eine Entscheidung. Eine Frau hatte nach dem Tod ihres Mannes Angst, allein in ihrem Haus zu wohnen. Daher verkaufte sie es, fuhr weit weg und bezog einen Wohnwagen. Auf diese Weise trennte sie sich von ihren Freunden, mit denen sie bis dahin eng verbunden gewesen war und die ihr nur zu gern geholfen hätten. Jetzt erkennt sie, daß es besser gewesen wäre, alles zuerst zu besprechen, denn es ist so, wie wir in der Bibel lesen: „Gut aber steht’s, wenn Ratgeber in großer Zahl da sind“ (Spr. 11:14, Menge). Ihre Freunde hätten ihr wahrscheinlich behilflich sein können, in einem Viertel, wo nicht so oft eingebrochen wird, eine Wohnung zu bekommen oder jemand zu finden, der gern einen Untermieter und Gefährten gehabt hätte. Ein Mensch, der allein im Leben steht, hat die Freiheit, selbst zu entscheiden, aber gewöhnlich ist es weise, wenn er nichts übereilt tut, sondern erst Personen um Rat fragt, die an seinem Wohl interessiert sind.
Das geschlechtliche Verlangen
Es läßt sich nicht leugnen, daß es für einen alleinstehenden erwachsenen Menschen mit normalen Bedürfnissen schwer ist, keinen Gefährten zu haben. Viele Personen, die sich in dieser Lage befinden, sind zum dem Glauben verleitet worden, ihr Problem nur dadurch lösen zu können, daß sie ein Verhältnis unterhalten, eine Prostituierte aufsuchen oder sich selbst befriedigen.
Aber warum der Ausdruck „zu dem Glauben verleitet worden“? Der Psychologe M. Edwards erklärte: „Sex wird wie jedes andere Produkt verkauft, und man sagt jedem, der nicht eine gewisse Menge davon verkonsumiert, er sei nicht normal.“ In Filmen, Zeitschriften und Büchern wird für den Artikel „Sex“ noch und noch geworben. Nach einer weitverbreiteten Auffassung ist der Mensch „ein geschlechtliches Wesen, und ohne den ständigen Reiz eines regelmäßigen und häufigen Geschlechtsverkehrs besteht für ihn die Gefahr, seine Vitalität einzubüßen“. Dagegen protestiert jedoch der erwähnte Psychologe M. Edwards. Er schreibt: „Der Mensch kann über eine lange Zeit hinweg enthaltsam leben, ohne daß es ihm schadet. Sowohl für den Mann als auch für die Frau geht es zum großen Teil darum, sich den Tatsachen einer Situation anzupassen.“
Frage dich: Warum sollte ich zulassen, daß diese Überbetonung des Geschlechtlichen, diese Verkaufspropaganda, mich dazu verleitet, meinen Körper zu mißbrauchen oder unsittliche Beziehungen zu pflegen? Warum sollte ich mich durch diese Werbung dazu verleiten lassen, mich Erlebnissen auszusetzen, die mir seelische Schmerzen bereiten oder die die Gefahr, ein uneheliches Kind zu bekommen, sich eine Geschlechtskrankheit zuzuziehen und die vollkommenen Sittenmaßstäbe Gottes zu verletzen, in sich bergen? (Hebr. 13:4). Vernünftiger ist es, sich darüber klarzuwerden, daß eine alleinstehende Person ihr natürliches Verlangen durch Selbstzucht zu beherrschen vermag. Eine Witwe suchte geschlechtliche Befriedigung, indem sie mehrere Verhältnisse hatte. Nach einiger Zeit machte sie damit Schluß, obschon sie nicht durch den Wunsch, Gott wohlzugefallen, dazu veranlaßt wurde. Warum machte sie Schluß? Weil ein solches Leben sie nicht glücklich machte, sondern nur zu Frustrationen und Enttäuschungen führte. Sie sagte: „Ich gehöre nicht zu den Frauen, die ohne einen Mann glücklich sind. Aber ich habe gelernt, daß es auch anders geht.“
Ein Mensch, der vernünftig denkt und der sich in Zucht nimmt, kann sein geschlechtliches Verlangen dadurch verringern, daß er alles meidet, was seine Sehnsucht nach einem Geschlechtspartner wecken könnte. So erzählte eine junge geschiedene Frau, daß sie in dieser Hinsicht mit sich selbst sehr streng sei. Sie liest niemals Liebesromane und schaut sich auch keine Liebesfilme an. Sie fügte hinzu: „Manchmal vermeide ich es sogar, mir gewisse Platten oder im Radio gewisse Lieder anzuhören, weil sie mich zu sehr aufwühlen würden. Wenn ich merke, daß ich sentimental werde, stelle ich das Radio ab, denn die Lieder würden nur das Verlangen nach Liebe wecken.“
Ausblick
Wer allein im Leben steht, sollte sich davor hüten, sich selbst zu bemitleiden. Erkenne an, daß das Leben, das du jetzt führst, gewisse Vorteile hat, auch wenn es dir vielleicht lieber wäre, du hättest eine Familie. Als Vorteil wäre zu erwähnen, daß du für dich allein bist, daß du Zeit hast, deine Talente zu entwickeln und dich besonderen Interessengebieten zu widmen, daß du die Freiheit hast, selbst zu entscheiden und neue Freundschaften zu schließen sowie anderen Gutes zu tun. Selbstverständlich ist das Leben eines Alleinstehenden nicht problemlos. Doch du kannst diese Schwierigkeit dadurch meistern, daß du Anstrengungen machst und ein produktives Leben führst.
Zum Schluß möchten wir dir noch folgendes in Erinnerung bringen: Aus der Bibel geht klar hervor, daß Jehova Gott ein Herz für Witwen, für Personen, die allein im Leben stehen, hat (5. Mose 10:17, 18; Jes. 1:17; Mark. 12:38-40). Du kannst stets zu ihm beten und dich bemühen, seinen Willen zu erkennen und danach zu handeln. Dann darfst du sicher sein, daß du ihm nicht gleichgültig bist. Eine Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde, sagte: „Ich bitte Jehova, mir zu helfen. Und er tut es auch. Er hilft mir wirklich. Vielleicht denkt der eine oder andere, das Gebet sei nutzlos, aber es ist wirklich eine Hilfe.“