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Zölibat auf der WaageDer Wachtturm 1962 | 15. Mai
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dürfen. Nach dem ersten Weltkrieg stimmte eine überwältigende Mehrheit der Priester in der Tschechoslowakei für die Abschaffung des Zölibats. Und schließlich äußerte, wie bereits erwähnt, der jetzige Papst im Jahre 1960 sein Bedauern darüber, daß gewisse Leute soviel über die Abschaffung des Zölibatszwangs in der römisch-katholischen Kirche sprächen. Somit kann zu Recht gesagt werden, daß selbst in katholischen Kreisen von Anfang an bis in unsere Zeit Stimmen gegen den Zölibat zu hören waren.
WARUM BEIBEHALTEN
Warum wurde der Zölibat trotz der schlechten Früchte und der vielen Gegenstimmen beibehalten? Der Papst begründet es damit, daß die Ehelosigkeit reiner und edler sei als der Ehestand. Diese Behauptung findet jedoch keine Stütze in der Bibel. Sie beruht auf der falschen Voraussetzung der Askese, die durch die Worte verurteilt wird: „Jene Dinge besitzen zwar einen Schein von Weisheit in einer sich selbst auferlegten Form der Anbetung und Scheindemut, einer strengen Behandlung des Leibes, sind aber ohne Wert im Kampf gegen die Befriedigung des Fleisches.“ — Kol. 2:23, NW.
Ein weiterer Grund war die wirtschaftliche Seite. Im Mittelalter wurde dieser Faktor auf Kirchenversammlungen wiederholt betont. Bonaventura sagte: „Wenn die jetzigen Erzbischöfe und Bischöfe Kinder hätten, dann würden sie die Kirchengüter derart plündern, daß für die Armen nur noch wenig oder gar nichts mehr übrigbliebe. Wenn sie jetzt schon Schätze aufhäufen und Neffen bereichern, die mit ihnen so weit entfernt verwandt sind, daß man es kaum noch feststellen kann, was würden sie erst tun, wenn sie eheliche Kinder hätten? … Daher hat der Heilige Geist in seiner Vorsehung diesen Stein des Anstoßes beseitigt.“
Ein eheloser Klerus hat auch viele organisatorische Vorteile. Ein lediger Priester kann leichter versetzt werden und benötigt weniger für seinen Unterhalt als einer, der eine Familie erhalten muß. Durch den Zölibat wird der Priesterschaft auch dauernd neues Blut zugesetzt und dadurch die Entstehung einer Priesterkaste verhindert, bei der das Amt vererbt worden wäre. Eine ehelose Priesterschaft hat auch einen größeren Einfluß auf die Laien, da diese vor der Ehelosigkeit, die zu pflegen sie selbst nicht imstande sind, eine hohe Achtung haben.
Wenn man diese und andere Faktoren, die angeführt werden könnten, berücksichtigt, kann man verstehen, weshalb die römisch-katholische Kirche so zäh am Zölibat festhält, weshalb sie ihn im Mittelalter nicht aufgab, als er fast nicht mehr eingehalten wurde, und weshalb sie ihn trotz der schlechten Früchte und der vielen Gegenstimmen beibehält.
MENSCHENGEBOT ÜBER GOTTES GEBOT GESTELLT
Man gibt zu, daß der Zölibatszwang auf einem Kirchengesetz, nicht auf einem göttlichen Gesetz beruht. Die römisch-katholische Kirche macht auch eine Ausnahme bei den Priestern der morgenländischen Kirchen, zum Beispiel bei den Uniierten, deren Priesterkandidaten noch vor dem Empfang der Weihe heiraten.
Gottes Wort empfiehlt die Ehelosigkeit allerdings jedem Christen, der imstande ist, sie zu üben, zwingt aber niemanden dazu, ob er nun ein Amt in der Versammlung bekleide oder nicht. Und wenn davon die Rede ist, dann wird sie durch ergänzende Erklärungen eingeschränkt. So fügte Jesus zum Beispiel hinzu: „Wer dafür Raum schaffen kann, schaffe dafür Raum.“ Und der Apostel Paulus sagt: „Doch wegen der weitverbreiteten Hurerei habe jeder seine eigene Frau.“ „Wenn es ihnen aber an Selbstbeherrschung mangelt, laß sie heiraten.“ „Er sündigt nicht. Laßt sie heiraten.“ — Matth. 19:11, 12; 1. Kor. 7:2, 9, 36, NW.
Eine Stütze für den Zölibat sieht man darin, daß den Juden bei gewissen Gelegenheiten geboten wurde, sich ihrer Frauen zu enthalten, so zum Beispiel, als ihnen gesagt wurde: „Seid bereit für den dritten Tag, nähert euch keinem Weibe!“ Doch dieses Gebot empfiehlt den Priestern ebensowenig, ehelos zu bleiben, wie die Gebote, zu gewissen Zeiten zu fasten, für Christen bedeuten, daß sie verhungern müßten, wenn sie richtig handeln wollten. — 2. Mose 19:15, AB.
Die Bibel betrachtet die Ehelosigkeit nicht nur als freiwillig, sondern empfiehlt sie auch, außer in einigen Fällen — wenn überhaupt —, wegen ihrer praktischen Vorteile, nicht wegen der größeren Frömmigkeit, die sie bewirken soll. Das bestätigen die Worte Jesu und die des Paulus. Der Ledige, der Selbstbeherrschung üben kann, hat größere Freiheit, Gott zu dienen, als der Verheiratete, wird von der Drangsal im Fleisch verschont usw.
Hurerei zu meiden ist dem Christen jedoch nicht freigestellt. „Wißt ihr nicht, daß … Hurer … Gottes Königreich [nicht] ererben.“ „Die Ehe sei geehrt unter allen.“ „Hurerei aber und alle Unreinigkeit oder Habsucht werde nicht einmal unter euch genannt, gleichwie es Heiligen geziemt.“ — 1. Kor. 6:9, 10, NW; Heb. 13:4, Fußnote; Eph. 5:3.
Das Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche widerspricht dem Gesetz Gottes. Obwohl auf gewissen Konzilen der ersten Jahrhunderte die „geistliche Ehe“ und das Konkubinat verurteilt wurden, begnügte man sich gewöhnlich damit, daß man die Priester davor warnte, sie würden nicht befördert, wenn sie diese Sitten pflegten. Im 6. Jahrhundert weigerten sich die Päpste Pelagius I. und Pelagius II. einerseits, Kleriker, die Kinder von legitimen Frauen hatten, zu befördern, beförderten aber andererseits solche, die Kinder von Konkubinen hatten. Im 12. Jahrhundert hatten die verheirateten Priester weit größere Schwierigkeiten als jene, die offen im Konkubinat lebten. Das veranlaßte Gratian, „den Vater des Kirchenrechts“ der katholischen Kirche, auszurufen: „In diesem Fall hat die Wollust mehr Rechte als das Gesetz der Keuschheit!“
Im 13. Jahrhundert verordnete Papst Innozenz, daß ein Priesterkandidat, der mehrere Konkubinen hatte, die Priesterweihe empfangen durfte, nicht aber einer, der nach dem Tode seiner ersten Frau nochmals gesetzlich geheiratet hatte. Und im 16. Jahrhundert faßte Thomas More, der später heiliggesprochen wurde, die offizielle Stellung der Kirche zusammen, indem er sagte: „Die Ehe befleckt einen Mann [das heißt einen Priester] mehr als zwei- oder dreifache Hurerei.“ Deshalb hört man selten — wenn überhaupt —, daß ein Priester wegen Hurerei exkommuniziert wird. Dagegen kommt es vor, daß Priester ihres Amtes enthoben werden, weil sie geheiratet haben.
Gottes Wort gebietet Selbstbeherrschung. Es beschränkt Geschlechtsbeziehungen auf gesetzlich verheiratete Eheleute. Es macht keine Stellung in der Christenversammlung vom ledigen Stand abhängig, und die Enthaltsamkeit, die es empfiehlt, ist jedem freigestellt und eine rein persönliche Angelegenheit. Gottes Anordnungen sind vernünftig und gerecht, sie lassen sein Verständnis und seine Liebe erkennen. Sie ernten gute Früchte. — 1. Joh. 5:3.
Das Eheverbot findet jedoch nur in der Askese, die heidnischen Ursprungs ist, eine Stütze. Wenn auf der Waage gewogen, das heißt anhand der Tatsachen und der Bibel geprüft, wird der Zölibat als viel zu leicht erfunden. Er hat nur schlechte Früchte hervorgebracht und fällt daher unter das prophetische Urteil: „Die inspirierte Äußerung sagt ausdrücklich, daß in späteren Zeitperioden einige vom Glauben abfallen werden …, indem sie verbieten, zu heiraten.“ — 1. Tim. 4:1-3, NW.
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Beharrlichkeit belohntDer Wachtturm 1962 | 15. Mai
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Beharrlichkeit belohnt
ICH diene in unserer Versammlung in Coatepeque (Quezaltenango, Guatemala) als Sonderpionier. Bei meinem ersten Besuch in dem Nachbardorf Flores Costa Cuca sprach ich einen jungen Mann an, der gerade von der Post kam, und wollte ihm die Predigt halten und Schriften anbieten. Doch er hatte es offenbar eilig. Während er sein Pferd bestieg, sagte er zu mir, religiöse Bücher würden ihn sowieso nicht interessieren, er finde es jedoch merkwürdig, daß die Bücher so billig seien.
Zwei Wochen später besuchte ich dieses kleine Dorf wieder. Diesmal traf ich diesen jungen Mann bei der Arbeit auf dem Felde an, etwa
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