Wir beobachten die Welt
Kirchenaustritte „nicht verniedlichen“
◆ Die „verhältnismäßig niedrigen Zahlen“ der Kirchenaustritte sollten nicht zu einer „gefährlichen Bagatellisierung“ des Sachverhaltes führen, heißt es in einem Sonderdruck der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Nach Angaben des „Ausschusses für Fragen des gemeindlichen Lebens“ sind bei der Austrittsbewegung von 1967 bis 1970 vor allem die Angestellten-, Beamten- und Lehrberufe sowie Studierende und freie Berufe stark vertreten. Zwei Drittel der Ausgetretenen sind Männer, ein Drittel Frauen.
Geistliche über den Kirchentag
◆ Der Evangelische Kirchentag in Düsseldorf, der vom 27. Juni bis 1. Juli in Düsseldorf stattfand, wurde oft aus den eigenen Reihen kritisiert. So schreibt Pfarrer Heinrich Jochums aus Wuppertal gemäß der Zeitung Bergische Wochenpost über den Kirchentag: „Wer nicht dabei war, hat nichts versäumt. Wer nicht dabei war, ist glücklich zu preisen. Wer nicht dabei war, ist bewahrt geblieben vor Enttäuschungen, vor tiefem Schmerz über eine sterbende Kirche, vor Verführung und Verwirrung durch Mischung von Wahrheit und Lüge, vor Vernebelung seiner Sinne, vor Schaden an seiner Seele. Herr, erbarme dich unserer deutschen Kirchen! Herr, erbarme dich unseres armen Volkes!“ In ähnlichem Sinne schrieb Pfarrer Hans Milch aus Hattersheim gemäß der Zeitung Frankfurter Neue Presse: „In all den Reportagen von dem Kirchentag habe ich von Botschaft nichts gemerkt. Es wurde zwar über Botschaft gesprochen, aber nirgends die Botschaft gesagt. Alles, was ich fand, war viel Geschwätz, Krampf und Selbstbetrug.“
Bronchialkarzinom bald häufigste Krebsart; Raucher besonders gefährdet
◆ Sterbefälle durch Bronchialkarzinom, auch als Lungenkrebs bekannt, liegen heute bereits über der Zahl der durch Kraftfahrzeugunfälle tödlich Verunglückten. Über die Gefahren und das Umsichgreifen dieser Krebsart schreibt die Ärztezeitschrift Praxis-Kurier: „Die immer höhere Sterblichkeitsrate des Bronchuskarzinoms hat diesen Organkrebs bei Männern bereits an die zweite Stelle hinter dem Magenkrebs gerückt. Da jedoch die Letalität an Magenkrebs rückläufig ist, wird bis 1975 das Bronchialkarzinom die häufigste zum Tode führende Krebsform der Männer sein. Von 1960 bis 1970 hat sich das Verhältnis der an Magen- bzw. Lungenkrebs Verstorbenen bereits von 80:42 auf 61:51 verschoben.“ Wodurch kann diese Krankheit verursacht werden? Es ist interessant, daß „vor allem die Umweltverschmutzung durch industrielle und verkehrsbedingte Abgase“, aber auch „die individuelle Zufuhr kanzerogener Stoffe durch Rauchen“ als krankheitserregende Ursachen an erster Stelle genannt werden. „Die Gefährlichkeit der letzteren ist eine statistisch erwiesene Tatsache, die allerdings die Raucher, solange sie gesund sind, einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen“, führte Dozent Ulrich Dolt aus.
Priesterberuf in der Krise
◆ Als einen Berufsstand in der Krise mit erheblichen Gegensätzen zwischen Jung und Alt sehen sich die katholischen Priester in der Bundesrepublik. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter mehr als 20 000 katholischen Theologen. Sie sehen in der Glaubensverkündigung ihr größtes Problem. Folgende Begründung wurde angeführt: die Verwirrung in der Theologie (66 Prozent), Schwinden des Glaubensgeistes (65 Prozent), Mangel an Gebet (55 Prozent), antikirchliche Agitation (46 Prozent), Unsicherheit der kirchlichen Führung (46 Prozent). Die Auswertung der Umfrage ergab, daß ein deutlicher Generationskonflikt vorhanden ist. Unter den jungen Priestern finden sich weitaus mehr, die mit Kirche und Beruf unzufrieden sind. Das kommt dadurch zum Ausdruck, daß von den Theologen, die vor 1921 zum Priester geweiht wurden, 25 Prozent mit der Kirche, wie sie sich heute darstellt, voll in Übereinstimmung sind. Bei den Pfarrern der Weihejahrgänge 1966 bis 1970 sind nur noch 4 Prozent in Übereinstimmung mit der Kirche. Natürlich entschließen sich immer weniger Katholiken, den Beruf eines Priesters zu ergreifen. In den katholischen Priesterseminaren der Bundesrepublik ist die Zahl der Neuzugänge in den vergangenen zwölf Jahren im Durchschnitt um 53 Prozent gesunken. Besonders „bedrückend“ sei die wachsende Zahl der Seminaristen, die ihr Studium mit dem Ziel eines Priesteramtes zwar beginnen, aber wieder aufgeben würden, sagte Dr. Anton Arens, Leiter des bischöflichen Priesterseminars in Trier. Man müsse davon ausgehen, daß künftig nur noch bis zu 30 Prozent aller Studienanfänger an den Priesterseminaren das Ziel eines Priesteramtes erreichen.
Sowjetischer Physiker ist skeptisch
◆ Der sowjetische Physiker und führende Bürgerrechtler Sacharow äußerte seine Skepsis in seiner ersten Pressekonferenz für westliche Journalisten gegenüber verschiedenen Aspekten der Entspannung zwischen Ost und West. Sacharow, der als Mitschöpfer der sowjetischen Wasserstoffbombe gilt und sich in der UdSSR wegen Regime-Kritik heftigen Anfeindungen ausgesetzt sieht, äußerte dabei die Befürchtung, daß der Westen bei einem Eingehen auf Entspannung zu Moskauer Bedingungen sich einer „bis an die Zähne bewaffneten“ Sowjetunion gegenübersehen könnte, die „eine Gefahr für die Nachbarn“ darstelle. Eine Entspannung ohne eine Demokratisierung in der Sowjetunion, ein „Akzeptieren der sowjetischen Spielregeln durch den Westen“ wäre gefährlich, da sie keines der Weltprobleme löse und eine „Kapitulation“ vor der wirklichen oder eingebildeten Stärke der UdSSR bedeute.