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Petunie — das verspielte WildferkelErwachet! 1982 | 22. September
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Petunie — das verspielte Wildferkel
SEIT Jahren reisen wir fast jede Woche von einer Stadt zur anderen. Wir sind es daher gewohnt, Bekanntschaft mit ungewöhnlichen Menschen und Orten zu machen. Doch einmal erlebten wir eine große Überraschung, als wir mit unserem Wohnwagen vor einem Haus in der texanischen Stadt Alpine vorfuhren. Wir wurden nicht wie gewöhnlich von kleinen Kindern oder schwanzwedelnden Hunden empfangen, sondern von einem anderen Vierbeiner. Sahen wir richtig? Ja, es war wirklich ein Ferkel! Aber kein gewöhnliches rosafarbenes, sondern eines mit grauen borstigen Haaren und einem runden Rücken. Vor uns stand ein Tier, vor dem die Leute gewöhnlich Reißaus nehmen — allerdings war das Wildferkel erst zwei Wochen alt.
Davis Turmin, bei dem wir diese Woche wohnten, ist beim Staat angestellt und arbeitet als Wildhüter. In seinem Revier stieß er auf eine Wildsau und zwei Frischlinge. Er fing das eine und nahm es mit nach Hause. Welcher Name wäre für ein Wildferkel passender als Petunie?
Petunie stahl sich auch gleich in unser Herz. Sie kam jeden Tag zu unserem Wohnwagen, um sich ihre Leibspeise — Apfelschnitze — abzuholen. Wenn wir sie aufheben wollten, drehte und wand sie sich, ließ es aber dann doch geschehen. Wir nahmen sie ganz vorsichtig in die Arme und hielten sie wie ein kleines Kind. Wenn wir sie am Bauch kraulten, legte sie sich auf den Rücken und streckte alle viere von sich, wobei sie leise quiekte. Petunie liebte es, wenn man sich mit ihr beschäftigte, und sie strich uns mit ihrem Rücken oder ihrer Schnauze um die Beine, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen.
Doch ihre wilde Natur behielt sie. Eines Morgens, als ich nicht so vorsichtig wie sonst, sondern etwas unsanft nach ihr griff, biß sie mich in den Arm, so daß ich blutete. Das führte uns deutlich vor Augen, daß sie zwar zahm war, aber ihre natürliche Wildheit keineswegs verloren hatte.
In der Nachbarschaft, wo sich Petunie auch tummelte, gab es mehrere große Hunde. Konnte sich das kleine Ferkel gegen diese kräftigen Raubtiere behaupten? Für Petunie war das kein Problem. Sie jagte sie ohne weiteres in die Flucht, obschon Davis Turmin ihr vorher die Schneidezähne entfernt hatte, damit sie die Hunde nicht töten würde. In freier Wildbahn jagen Wildschweine in Rudeln und töten sogar Pumas und andere Wildtiere; meist aber ernähren sie sich von Eicheln, Kakteen und weiteren Pflanzen, die in diesen trockenen Gebieten gedeihen.
Petunie wurde als Heimtier, das sich sowohl im Haus als auch im Freien aufhielt, bald zu groß. Besucher erschraken, wenn das nun etwa 90 kg schwere Wildschwein auf sie zurannte und gekrault werden wollte. Schließlich wurde Petunie bei Bekannten auf dem Land untergebracht, wo sie eine Umwelt vorfand, die ihrem natürlichen Habitat eher entsprach.
Sind Schweine nicht schmutzig, gefräßig und primitiv, Tiere, die kein Mensch als Heimtier haben möchte? Diesen Ruf mögen sie haben, aber er entspricht nicht der Wahrheit. Ein Schwein wählt im Stall die Ecke als Toilette, die am weitesten von der Stelle entfernt ist, wo es frißt und schläft. Schweine haben einen guten Grund, warum sie sich im Schlamm suhlen: Sie tun es, um sich abzukühlen, denn sie besitzen keine Schweißdrüsen. Sie sind auch leicht an das Haus zu gewöhnen. Interessanterweise kann das Schwein ähnlich dressiert werden wie ein Hund. Und obwohl es nicht gerade eine feine Art hat, Nahrung zu sich zu nehmen, gehört es doch zu den wenigen Tieren, die sich nicht überfressen, wie das zum Beispiel Kühe, Pferde und Hunde tun.
So macht der Mensch die Erfahrung, daß viele Tiere, die man früher lediglich als Fleischlieferanten betrachtet hat — seien es Haustiere oder wildlebende Tiere —, sich ganz gut als Heimtiere eignen. Wenn man sich mit ihnen beschäftigt und liebevoll mit ihnen umgeht, dringt der natürliche Instinkt, sich dem Menschen unterzuordnen, durch. Wie schön ist es, sich heute schon mit vielen dieser Tiere zu beschäftigen! Noch schöner aber wird es sein, sich tagtäglich an den Tieren zu erfreuen, nämlich dann, wenn die Erde zu einem Paradies gemacht werden wird. Diese Zeit ist nicht mehr fern.
Bis es jedoch soweit ist, erinnern wir uns gern an Petunie, das anhängliche, muntere Wildferkel. (Eingesandt.)
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Die Töpferkunst der PillenwespeErwachet! 1982 | 22. September
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Die Töpferkunst der Pillenwespe
VERBORGEN unter einem losen Stück Baumrinde sind fünf winzige Lehmkrüge, jeder ungefähr von der Größe einer kleinen Kirsche. Die Pillenwespe hat diese Krüge getöpfert und sie für ihre Nachkommen mit Futter beschickt. Das hat viel Arbeit gemacht.
Nur um den Lehm heranzuschaffen, muß die Wespe 160 bis 320 Kilometer weit fliegen. Ist der Lehm zu trocken, feuchtet sie ihn mit Wasser, das sie hervorwürgt, an. Aus dem Lehm formt sie kleine Kügelchen und verfertigt daraus eine Scheibe, die den Krugboden abgibt. Andere Lehmkügelchen zieht sie zu Streifen und baut damit das krugähnliche Nest weiter. Die Wand am oberen Ende wölbt sie nach außen, so daß ein Hals entsteht. Außen ist der Krug rauh, innen dagegen glatt.
Als nächstes benötigt sie einen Nahrungsvorrat. Um den Krug damit zu beschicken, lähmt sie kleine Raupen durch einen Stich und schiebt sie in den Krug. Da die Raupen nicht tot sind, steht der Wespenlarve, die dann dem Ei entschlüpft — jeder Krug birgt nur ein Ei —, frisches Futter zur Verfügung.
Das Ei pendelt an einem feinen Faden, der oben am Krug befestigt ist. Wie kommt es an diesen Faden? Während die Wespe das Ei legt, berührt sie mit der Spitze ihres Hinterleibes die Innenwand des Kruges und sondert eine Flüssigkeit ab. Sobald sie den Hinterleib wegzieht, bildet sich ein Faden, der sofort hart wird. Wenn das Ei herauskommt, klebt es am Faden fest.
Für eine weibliche Larve muß die Anzahl Raupen größer sein als für eine männliche — das Larvenstadium der Weibchen ist ein bis zwei Tage länger. Woher die Wespe weiß, welches Ei ein weibliches ist und daher mehr Nahrung braucht, ist ein Geheimnis.
Mit einem Lehmkügelchen verschließt die Wespe den Krug mit dem Ei und den Raupen; dann streicht sie den Hals glatt. Wenn der letzte Krug verschlossen ist, hat die Mutterwespe ihre Arbeit beendet.
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