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  • Wofür kämpfen die Terroristen? Für eine bessere Welt?
    Erwachet! 1982 | 22. März
    • Wofür kämpfen die Terroristen? Für eine bessere Welt?

      JETZT gibt es insgesamt ungefähr 150 Gruppen, die ihr Ziel — eine bessere Welt — durch Gewaltanwendung zu erreichen suchen. Ob man die Mitglieder dieser Gruppen als Freiheitskämpfer oder als Terroristen bezeichnen soll, mag für manch einen schwer zu entscheiden sein, daß aber diese Gruppen immer unüberschaubarer werden, ist sozusagen jedem klar.

      In einem Bericht der kanadischen Zeitung Toronto Star hieß es, daß die Aktivität terroristischer Gruppen zunehme. Im Jahre 1979 seien beispielsweise weltweit über 3 000 Terroranschläge wie Entführung und Ermordung von Politikern, Flugzeugentführungen, Bombenanschläge und bewaffnete Überfälle verübt worden; und die Fachleute, die sich mit der Bekämpfung des Terrorismus beschäftigten, würden befürchten, daß noch kein Ende in Sicht sei.

      Worum geht es?

      Wie es in einem Lexikon heißt, bezieht sich der Begriff „Terrorismus“ heute im allgemeinen Sprachgebrauch auf „Gewaltakte von kleinen bewaffneten Einheiten gegen Regierungen, Klassen und nationale Gruppen, meistens zur Erreichung politischer Ziele“. Von gewissen Leuten wird jedoch behauptet, „Gewaltakte“, die darauf abzielten, eine bedrückende Regierung zu stürzen, seien berechtigt. Manche Staaten — sogar solche, die heute zu den Großmächten zählten — seien entstanden, weil das Volk gegen eine Herrschaft aufgestanden sei, durch die es sich unterdrückt gefühlt oder die es abgelehnt habe.

      Wie der Journalist Walter Nelson (Experte auf dem Gebiet des Terrorismus) zugibt, ist es schwierig, „zu definieren, wer ein Terrorist und wer Anhänger einer nationalen Befreiungsbewegung ist“. Diesen Gruppen, ganz gleich, wie sie genannt werden oder worin ihre Ziele bestehen, ist nach Auffassung des britischen Autors Christopher Dobson eines gemeinsam: „Die Ablehnung der Gesellschaft, in der sie leben, und der Wunsch, sie zu zerstören“, aber auch die Überzeugung, „daß Gewalt unerläßlich sei, um die Welt zu verändern“.

      In einer Welt, die in Tausenden von Kriegen einschließlich zweier Weltkriege Ströme von Blut vergossen hat, fällt es diesen Gruppen leicht, ihre Gewalttaten zu rechtfertigen: „Warum sollten wir nicht Gewalt anwenden dürfen, um die Welt zu verändern, wenn mächtige Staaten sowohl in der Vergangenheit als in der Gegenwart die Anwendung von Gewalt in weit größerem Ausmaß zur Erreichung der gleichen Ziele nicht als Unrecht angesehen haben bzw. ansehen?“

      Wer engagiert sich dafür, und warum?

      Unter den jungen Leuten gibt es viele Idealisten. Gewöhnlich haben sie ein ausgesprochenes Gerechtigkeitsempfinden. Auch halten sie nach einer „Sache“ Ausschau, der sie sich verschreiben können und die ihrem Leben Sinn und Inhalt gibt. „Gibt es etwas Edleres“, mögen sie fragen, „als gegen Ungerechtigkeit und für eine bessere Welt zu kämpfen?“

      „Die meisten linksgerichteten Terroristen haben eine auffallend gute Bildung und Intelligenz“, berichtet Walter Nelson. Ein Professor der forensischen Psychiatrie an der Universität Rom, der Mitglieder der Roten Brigaden interviewte, stellte fest, daß die meisten aus wohlhabenden, mit der Kirche verbundenen Familien stammten, an einer Hochschule studierten oder ein Studium der Sozialwissenschaften absolviert hatten.

      „Es wäre allerdings verkehrt“, heißt es in dem Buch The Terrorists, „zu meinen, daß alle Terroristen Intellektuelle sind, die aus idealistischen Beweggründen kämpfen.“ Einige werden durch die Aussicht auf ein abenteuerliches Leben angelockt oder durch den Reiz der Gefahr, die mit einem solchen Leben verbunden ist, oder durch die Möglichkeit, leicht zu Geld oder zu Drogen zu kommen und auf sittlichem Gebiet tun und lassen zu können, was ihnen beliebt.

      Wie wird jemand ein Terrorist?

      In dem erwähnten Buch von C. Dobson und R. Payne wird diese Frage wie folgt beantwortet: „Sie treten einer solchen Gruppe nicht einfach bei, sondern werden allmählich in diese Kreise hineingezogen, wenn sie Personen kennenlernen, die über den heutigen Zustand der Welt ebenso denken wie sie und sich bereits für eine gewalttätige Lösung der Probleme entschieden haben.“

      Diejenigen, die sich „für eine gewalttätige Lösung der Probleme entschieden haben“, hatten ursprünglich gar nicht an Gewalttätigkeiten gedacht. Die amerikanische Journalistin Claire Sterling, die sich intensiv mit „Terroristengruppen“ beschäftigt hat, behauptet, daß „alle aus verhältnismäßig gewaltlosen Bewegungen hervorgegangen“ seien, „die bestimmte politische, wirtschaftliche, religiöse oder ethnische Ungerechtigkeiten angeprangert“ hätten.

      Es ist für junge Leute nicht schwierig, Personen kennenzulernen, die „politische, wirtschaftliche, religiöse oder ethnische Ungerechtigkeiten“ verurteilen. Auch können sie leicht unter ihren Einfluß geraten, besonders dann, wenn sie nicht mehr bei den Eltern wohnen, wenn sie bewußtseinserweiternde Drogen nehmen und mit allen möglichen Protestbewegungen in Berührung kommen, an denen an den heutigen Universitäten kein Mangel besteht.

      Ist jemand in einer solchen Gruppe eingeführt und wird von ihr akzeptiert, so ist es sehr schwierig für ihn, sich wieder davon zu trennen. Ein deutscher Terrorist, der im Gefängnis sitzt, verglich das mit der Situation im Krieg: Was bleibt einem Soldaten an der Front übrig, wenn er plötzlich feststellt, daß er für die falsche Sache kämpft? Entweder er kämpft weiter, um zu verhindern, vom Feind getötet zu werden, oder er begibt sich nach hinten und riskiert, von seinen eigenen Kameraden als Verräter exekutiert zu werden.

      Kämpfen sie für eine bessere Welt?

      Eine bessere Welt ist nur möglich, wenn eine Regierung geschaffen werden kann, die wirklich besser ist. Zwar haben einzelne Gruppen feste Vorstellungen von der Ordnung, die das System, das sie zerstören möchten, ersetzen soll. Andere dagegen haben diesbezüglich nur unklare oder gar keine Vorstellungen. Aber sie hoffen, daß ihre Terroranschläge zumindest die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihre Sache lenken.

      Erreicht eine Gruppe ihre idealistischen Ziele jedoch nicht oder findet sie keine Sympathisanten, so mag die Folge Resignation sein. Der Idealismus weicht und hinterläßt ein Vakuum, das dann rasch mit Zorn und Frustration ausgefüllt wird. Ein Ventil dafür sind Gewaltakte. So erging es anscheinend einer Gruppe, über die sich die japanische Polizei und japanische Psychologen wie folgt äußerten: „Was den Angehörigen der japanischen Roten Armee in diesen Tagen wichtig erscheint, ... ist nur noch rücksichtslose Gewaltanwendung.“

      Nackte Gewalt ist auch ein Symptom des Terrorismus, von dem Italien seit vielen Jahren geplagt wird. Es wird behauptet, die Instabilität der italienischen Regierung — seit 1945 durchschnittlich alle 9 Monate eine neue — lasse das Gefühl des Driftens und der Unsicherheit aufkommen, was günstige Bedingungen für die Entwicklung des „Terrorismus“ schaffe.

      Bis auf den heutigen Tag hat es noch nie eine menschliche Regierung gegeben, die von allen ihren Bürgern — manchmal nicht einmal von der Mehrheit — als ideal, gerecht und in jeder Hinsicht absolut zufriedenstellend angesehen worden ist. Ohne eine solche Regierung kann aber unmöglich eine Welt geschaffen werden, die wirklich besser ist.

      Deshalb setzen sich Freiheitskämpfer und Terroristen — ganz gleich, was sie behaupten und sogar aufrichtig glauben — in Wirklichkeit nicht für eine bessere Welt ein. Im besten Falle ist es ihnen lediglich möglich, eine unvollkommene Regierung durch eine andere, ebenfalls unvollkommene Regierung zu ersetzen, die sich dann höchstwahrscheinlich als ebenso unbefriedigend erweist wie ihre Vorgängerin.

      Es gibt jedoch Personen, die in Tat und Wahrheit für eine bessere Welt kämpfen, und zwar mit friedlichen Mitteln. Zu diesen zählen sogar ehemalige Terroristen und Freiheitskämpfer. Im nachfolgenden Artikel schildert ein junger Deutscher, wie er beinahe ein Terrorist geworden wäre und wie er heute seinen Kampf fortsetzt, aber mit anderen Methoden.

  • Ich wäre beinahe ein Terrorist geworden
    Erwachet! 1982 | 22. März
    • Ich wäre beinahe ein Terrorist geworden

      ICH wurde katholisch erzogen. Schon in jungen Jahren hatte ich einen starken Gerechtigkeitssinn, der durch den Geschichtsunterricht in der Schule und durch das, was ich über die nationalsozialistischen Konzentrationslager erfuhr, noch gefördert wurde. Anfang der 60er Jahre war die Zivilcourage ein leitender Gedanke, der den Schülern vermittelt werden sollte. Ich war entschlossen, beim Kampf um eine bessere, eine gerechtere Welt Zivilcourage zu zeigen.

      In meiner Lehre als Chemiefacharbeiter hatte ich zum erstenmal Kontakt zu politisch gebundenen Jugendlichen. Durch unsere langen und manchmal hitzigen Diskussionen wurde mir klar, daß ich als Christ keine Waffe in die Hand nehmen durfte.

      Zu diesem Zeitpunkt schloß ich mich, damals pazifistisch eingestellt, lose einer Gruppe an, die plante, zur Osterzeit 1966 einen gegen die Atomrüstung gerichteten Demonstrationsmarsch durchzuführen. Auf einem Treffen der Wanderleiter der katholischen Jugend sprach mich ein Bischof auf die von mir getragene Plakette der Atomwaffengegner an und sagte: „Laßt euch doch nicht unterwandern.“ Dies führte dann endgültig zum Bruch mit der katholischen Kirche.

      Da der Vietnamkrieg, obwohl er viele Unterstützer hatte, für mich nichts anderes war als das Verbrennen von Frauen und Kindern durch Napalm, mußte ich mich dagegen wenden und dies durch einen Protest manifestieren. Im Jahre 1966 nahm ich deshalb an mehreren Protestmärschen teil.

      Dann kam das Jahr 1967. Der damalige amerikanische Vizepräsident Hubert Humphrey sollte am 6. April nach Berlin kommen. Einige Tage vorher versammelten sich ungefähr 40 Personen bei der Kommune I, die eine Protestaktion plante. Gleich am Anfang wurde uns gesagt, daß jeder, der bei irgendwelchen Aktionen anläßlich des Humphrey-Besuches mitmache, mit einer Anzeige wegen Landesfriedensbruchs und Beleidigung einer fremden Staatsmacht zu rechnen habe. Darauf gingen die meisten wieder weg. Ich aber blieb.

      Nach der Humphrey-Demonstration ermittelte die Polizei gegen mich. Die Kommune I hatte man vorher verhaftet. Aber das war nur das Vorgeplänkel. Bevor mein Fall zur Verhandlung kam, ereignete sich etwas anderes, was sich als eigentliche Grundlage für die Terroristenszene erwies, die sich später in Berlin entwickelte.

      Am Freitag, dem 2. Juni 1967, sollte der Schah von Persien nach Berlin kommen. Wir planten eine Demonstration gegen sein Regime, das wir für brutal hielten. Bis dahin waren wir bei Demonstrationen friedlich gewesen — abgesehen vom Werfen von Knallkörpern und Kartoffeln. Doch bei dieser Demonstration schlugen Angehörige des persischen Geheimdienstes mit Holzlatten und Stangen auf Demonstranten ein. Und ein Demonstrant wurde von der Polizei erschossen. Jetzt war etwas zu diesen Demonstrationen hinzugekommen, womit man in Zukunft rechnen mußte — Gewalttat!

      Im Juli ging ich ins Ausland, weil die Polizei wegen der Humphrey-Sache noch gegen mich ermittelte. Man stellte das Ermittlungsverfahren gegen mich ein, worauf ich nach Berlin zurückkehrte. Somit war ich wieder in Berlin, als dort am 19. Februar 1968 der „Vietnam-Kongreß“ stattfand und fast 10 000 Personen gegen den Vietnamkrieg protestierten.

      Die Berliner Presse verurteilte diese Demonstrationen scharf. Und während sie gegen uns zu Felde zog, wurde die Lage immer gespannter. Am Donnerstag, dem 11. April, war der Höhepunkt erreicht. Auf dem Kurfürstendamm kam es zu Schießereien, und der Studentenführer Rudi Dutschke wurde von einem Attentäter angeschossen. Das löste in verschiedenen Städten Deutschlands Demonstrationen und zum Teil blutige Unruhen aus. Es gab Hunderte von Verletzten, und in München starben zwei Personen an den Folgen ihrer Verletzungen.

      In Berlin wurde für jenen Abend in aller Eile ein Protestmarsch organisiert. In unseren Augen war das Springer-Verlagshaus Sinnbild der Presse und all derer, die gegen uns sprachen. Deshalb marschierten wir zu diesem Hochhaus, das nur wenige Meter von der Berliner Mauer entfernt steht. Während mehrere hundert Polizisten verzweifelt versuchten, die Ordnung aufrechtzuerhalten, schritten 2 000 von uns auf das Gebäude zu. Unter den Polizisten, die an jenem Abend im Einsatz waren, befand sich auch einer namens Jürgen. Damals kannte ich ihn noch nicht, aber wenige Jahre später lernte ich ihn kennen.

      Wir, d. h. ich und einige andere von uns, versuchten in das Gebäude einzudringen, aber es gelang uns nicht. Darauf hob ich einen schweren Messingstab auf, der von dem zertrümmerten Hauptportal stammte, und wollte damit einen Polizisten, der mir im Wege stand, niederschlagen. Im letzten Augenblick hielt mich einer der Demonstranten, der Rechtsanwalt Horst Mahler, der mit unserer Sache sympathisierte, zurück. Ich frage mich, wo ich heute wäre, hätte er nicht eingegriffen.

      Um Mitternacht begann sich die Menge zu zerstreuen. Was zurückblieb, war ein mit Glasscherben und umgestürzten, ausgebrannten Autos übersätes Schlachtfeld. Und auf diesem Schlachtfeld hatte ich gekämpft. Ich, der Idealist, der am Anfang gegen jede Gewaltanwendung protestiert hatte, hatte jetzt selbst Gewalt angewandt. Was war nur mit mir geschehen?

      Ende des Jahres bildeten einige von uns eine lose Vereinigung, die wir „Haschrebellen“ nannten. Diese Bezeichnung war zutreffend, denn viele von uns, die wir von der Protestbewegung erfaßt worden waren, hatten angefangen, Drogen zu nehmen.

      Unsere Taktik bestand darin, Haß gegen die Obrigkeit zu schüren und die Leute zu zwingen, sozusagen gegen ihren Willen gewalttätig zu werden. Zum Beispiel nahmen einmal etwa 2 000 Personen an einem Protestmarsch teil, den eine Gruppe Ingenieurstudenten organisiert hatte. Mit nur 20 Mann der „Haschrebellen“ wurde diese Demonstration umfunktioniert. Wir griffen aus der Menge friedlicher Demonstranten die Polizei mit Steinen an; diese begann sich zu wehren, traf aber nicht nur uns, sondern auch die vorher „friedlichen Demonstranten“, die nun ihrerseits anfingen, sich gegen die in ihren Augen „brutale Polizei“ zu wehren.

      Um mehr Leute für unsere Sache zu aktivieren, führten wir am Abend des 29. November im Auditorium der Technischen Universität Berlin ein Teach-in durch. Etwa 2 500 Personen waren anwesend. Zuerst wurde eine Rede über die „ehrenwerte Kriminalität“ gehalten. Auch machten wir Musik. Eine unserer Bands, bei der ich mitspielte, wurde Vox Dei (lateinisch für „Gottes Stimme“) genannt. Dieser Name war offensichtlich völlig unzutreffend, denn der Hauptzweck der Band bestand darin, die Zuhörer aufzupeitschen, um sie so für unsere Botschaft empfänglicher zu machen.

      Danach spielte ich eine Kassette der „Tupamaros West-Berlin“ vor, in der u. a. zum Mord an Richtern aufgerufen wurde. Einige Jahre später wurden der Berliner Kammergerichtspräsident Günter von Drenkmann und der Generalbundesanwalt Siegfried Buback von Terroristen ermordet.

      Aufgepeitscht durch die Musik und die Reden, zog eine große Menschenmenge von der Universität zum Ernst-Reuter-Platz und richtete an den dortigen Geschäftshäusern Zerstörungen an, besonders an dem Gebäude einer Firma, die als Symbol des amerikanischen Kapitalismus angesehen wurde.

      Inzwischen hatten sich bei mir persönliche Probleme eingestellt. Ich wäre beinah durch Drogen umgekommen — Kreislaufkollaps. Außerdem litt ich unter einem starken Verfolgungswahn. So getraute ich mich nicht, Sandalen zu tragen, sondern trug nur schwere Stiefel, weil ich dachte, ich könnte mich damit besser verteidigen. Ich ging nie unbewaffnet (allerdings führte ich keine Schußwaffe mit). Meine Gesundheit war durch Drogen völlig zerrüttet, auch war ich von bitterem Haß erfüllt und hatte das Gefühl, mein Leben sei sinnlos. Ich erkannte, daß man im Grunde die Welt nicht ändern kann, auch nicht durch Gewalt, außer man fängt bei sich selbst an.

      Im März 1970 sprachen zwei Zeugen Jehovas mit dem Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt an meiner Tür vor. Einer der beiden Männer — er war selbst erst seit einigen Monaten Zeuge Jehovas — besuchte mich wieder und begann ein systematisches Bibelstudium mit mir. Am Anfang studierten viele „Typen“, die bei mir ein und aus gingen, mit — manchmal 15 Personen.

      Ich lernte vieles über Gott und seine Vorsätze kennen. Bald besuchte ich regelmäßig die christlichen Zusammenkünfte, und mit zunehmender Erkenntnis nahm ich tiefgreifende Änderungen in meinem Leben vor. Am 23. Mai 1971, etwa ein Jahr nachdem ich den beiden Männern, die an meine Tür gekommen waren, gesagt hatte: „Ich kann mir das ja mal anhören, aber eins sage ich gleich: Ein Zeuge Jehovas werde ich nie!“, symbolisierte ich meine Hingabe an Gott durch die Wassertaufe.

      Nun war ich doch ein Zeuge geworden! Und wer war der junge Mann, der sich, erst kurz bevor er an meine Tür kam, hatte taufen lassen und der mir so viel half, von der Drogenabhängigkeit und einem Leben der Gewalttat frei zu werden? Unsere Wege hatten sich schon einmal gekreuzt — in einer Aprilnacht des Jahres 1968. Ja, es war Jürgen! Theoretisch hätte der Polizist, den ich drei Jahre zuvor zusammenschlagen wollte, ebensogut Jürgen sein können.

      Durch das Bibelstudium lernte ich sehr viel — z. B., daß es schon im ersten Jahrhundert „Friedenskämpfer“ und „Terroristen“ gab, die glaubten, sie könnten die Welt verändern. Es waren Juden, und ihr Ziel war, sich von Rom unabhängig zu machen. Aber es gelang ihnen nicht. Im Gegenteil, ihre Gewaltakte trugen noch dazu bei, daß das römische Heer im Jahre 70 u. Z. die Stadt Jerusalem vollständig zerstörte.

      Die Nachfolger Jesu unterstützten die Befreiungsbewegungen jedoch nicht. Sie waren überzeugt, daß Gott durch sein Königreich eine bessere Welt schaffen würde. Sie kannten den Bibeltext: „Setzt euer Vertrauen nicht auf Edle noch auf den Sohn des Erdenmenschen, bei dem es keine Rettung gibt. ... Glücklich ist der, ... dessen Hoffnung auf Jehova, seinen Gott, gerichtet ist“ (Ps. 146:3-7).

      Wo wäre ich heute, wäre Jürgen nicht an meine Tür gekommen und hätte er mir nicht geholfen, diesen Bibeltext zu verstehen oder auch den Text aus 2. Petrus 3:13? Er lautet: „Doch gibt es neue Himmel und eine neue Erde, die wir gemäß seiner [Gottes] Verheißung erwarten, und in diesen wird Gerechtigkeit wohnen.“ Eine wirklich gerechte Welt — das ist auch der Wunsch des erhabenen Schöpfers, und er wird sie bestimmt schaffen.

      Viele meiner früheren Genossen haben auf ihre Weise für die Veränderung der Welt weiter gekämpft. Einige Mitglieder der „Kommune I“ und der „Haschrebellen“ bildeten später den Kern der Terrorgruppe „Bewegung 2. Juni“. Aus anderen, ähnlichen Gruppen entstanden Terrororganisationen wie die Rote-Armee-Fraktion. So entwickelten sich friedfertige Demonstranten der 1960er Jahre zu den Bankräubern, Entführern und Mördern der 1970er Jahre.

      Ich habe den Kampf ebenfalls fortgesetzt, aber ich kämpfe auf friedliche Weise. Ich kämpfe hart, um den gerechten Forderungen Gottes zu entsprechen und so die Aussicht zu haben, in seiner neuen Ordnung ewig zu leben. Ich kämpfe hart, um auch anderen dazu zu verhelfen, zum Beispiel meiner Frau und meinen beiden kleinen Jungen. Bei diesem Kampf handelt es sich um einen geistigen Kampf, der mich froh und glücklich macht und meinem Leben Sinn und Inhalt gibt. Das schönste aber ist, daß dieser Kampf zu etwas führen kann, was ganz sicher realisiert werden wird — eine wirklich bessere Welt. (Eingesandt.)

      „Steh ab vom Zorn und laß den Grimm; erhitze dich nicht, nur um übelzutun. Denn die Übeltäter selbst werden weggetilgt werden, die aber auf Jehova hoffen, sind es, die die Erde besitzen werden“ (Ps. 37:8, 9).

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