Was ist mit dem Namen Gottes geschehen?
DIE Frau, die im vorangehenden Artikel erwähnt wurde, war an Bibeln gewöhnt, in denen an vielen Stellen, wo sie nun „Jehova“ las, „HERR“ und „Gott“ steht.
Als ihr der Prediger aber freundlich zeigte, daß „HERR“ kein persönlicher Name, sondern nur ein Titel ist, stimmte sie zu. Dann las er Jesaja 42:8, wo es in vielen Bibeln heißt: „Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem anderen geben“ (Luther). Sie sagte, daß mit „HERR“ offensichtlich der Schöpfer gemeint sei, gab aber zu, daß es kein Name ist. Wie lautet dieser Name, da doch in diesem Vers vom „Namen“ Gottes die Rede ist?
Um die Antwort verstehen zu können, müssen wir kurz einige Tatsachen in bezug auf die Bibel untersuchen, die ursprünglich in Hebräisch und Griechisch geschrieben wurde. Selbst wenn du dich normalerweise nicht für solche Einzelheiten interessierst, solltest du kurz das Folgende berücksichtigen, weil es bei unserer späteren Betrachtung über den Namen Gottes und deinen Namen eine Rolle spielt.
Im hebräischen Originaltext von Jesaja 42:8 wirst du anstelle eines Wortes für den Titel „Herr“ folgende vier hebräische Buchstaben finden, die Gottes Namen יהוה (in neuzeitlicher hebräischer Schrift) darstellen. Man nennt sie häufig das Tetragrammaton (was „vier Buchstaben“ bedeutet), und im Deutschen werden sie mit den Buchstaben JHWH oder JHVH wiedergegeben. Die geläufigsten Aussprachearten des Tetragrammatons sind in Deutsch „Jehova“ und „Jahwe“ (mehr darüber auf den folgenden Seiten).
Die Hebräer, Gottes Volk der alten Zeit, hatten große Achtung vor Gottes Namen und gebrauchten ihn auch. Er wird in der Bibel besonders hervorgehoben, denn er erscheint über 6 900mal. Erkennst du, was das bedeutet? Wahre Anbeter stießen immer wieder auf den Namen Gottes, wenn sie dem „Wort“ Gottes lauschten oder es lasen (Josua 1:8; 8:34, 35). Moses zum Beispiel gebot den Israeliten, sich regelmäßig zu versammeln, um zuzuhören, wenn das Gesetz aus 5. Mose vorgelesen wurde, was bedeutete, daß sie über 500mal den Namen Gottes hörten (5. Mose 31:10-12). Und anscheinend sang man in jeder Familie beim Passah die Psalmen 113 bis 118. Allein in den 29 Versen des Psalms 118 wurde der persönliche Name Gottes 22mal gesungen. (Vergleiche Matthäus 26:30.)
WESHALB HÖRTE MAN AUF, SEINEN NAMEN ZU GEBRAUCHEN?
Die hebräischen Anbeter Gottes hatten viele Gründe, Gottes Namen zu gebrauchen. Sie wurden in der Bibel aufgefordert, ‘seinen Namen anzurufen’ und ‘seinen Namen zu lieben’ (Jes. 12:4; Ps. 69:36). Trotzdem hörten die Juden zu einer späteren Zeit aus abergläubischen Gründen auf, diesen heiligen Namen auszusprechen. Wenn sie beim Lesen der Bibel darauf stießen, sagten sie Adonai (HERR) oder Elohim (Gott). Aber warum? Einige sagen, man habe sich gefürchtet, den heiligen Namen Gottes zu mißbrauchen. Tatsächlich heißt es in den Zehn Geboten, man solle seinen Namen nicht in unwürdiger Weise gebrauchen (2. Mose 20:7). Das schloß einen leichtfertigen oder falschen Gebrauch des Namens eindeutig aus. Und in 3. Mose 24:16 wird geboten, daß jeder Einheimische oder jeder ansässige Fremdling, der Gottes Namen beschimpfe, zu Tode gebracht werde. Das heißt jedoch nicht, daß man den Namen nicht gebrauchen sollte, sondern nur, daß man ihn nicht mißbrauchen sollte. Somit deutet alles darauf hin, daß die Hebräer in biblischen Zeiten größtenteils den Namen Gottes gebrauchten, und zwar nicht nur bei religiösen Anlässen, sondern auch auf respektvolle Weise im täglichen Leben.
Im Jahre 1961 wurde zum Beispiel 32 Kilometer südwestlich von Jerusalem eine alte Grabeshöhle entdeckt. Die Höhle scheint bereits zur Zeit des Königs Hiskia (745—716 v. u. Z.) existiert zu haben. In den hebräischen Wandinschriften, wie zum Beispiel in dem Satz: „Jehova ist der Gott der ganzen Erde“, kam das Tetragrammaton vor. Und im Jahre 1966 wurde ein Bericht über beschriftete Tonscherben veröffentlicht, die in Arad, in Südisrael, gefunden wurden. Bei einer dieser Scherben, die oben abgebildet ist, handelt es sich um einen persönlichen Brief in Hebräisch, den ein Untergebener an seinen Herrn, einen gewissen Eliaschib, geschrieben hatte. Der Brief beginnt mit den Worten: „An meinen Herrn Eliaschib, Jahwe möge für deinen Frieden bitten. Und nun ...“ (Israel Exploration Journal, Jg. 13, Nr. 2, S. 74—92; Jg. 16, Nr. 1, S. 1—7).
Angesichts der Tatsache, daß viele Hebräer der alten Zeit den göttlichen Namen nicht nur in ausschließlich religiösem Zusammenhang gebrauchten, könnte man sich fragen, wann sie aus abergläubischen Gründen damit aufhörten, ihn auszusprechen. Tatsächlich kann das heute niemand mehr mit Sicherheit sagen. Gestützt auf Schriften jüdischer Rabbiner, nehmen einige an, daß der Name im ersten Jahrhundert, als Jesus auf der Erde war, nicht gebraucht wurde. Doch selbst wenn damals dieser Aberglaube verbreitet war, bedeutete das nicht, daß Gottes persönlicher Name nie gebraucht wurde. Dr. M. Reisel schrieb in diesem Zusammenhang: „Das Tetragrammaton muß vom Hohenpriester bis zur Zerstörung des zweiten Tempels im Jahre 70 u. Z. ausgesprochen worden sein.“
Wie mögen sich aber Jesus und seine Apostel verhalten haben? Gebrauchten sie den Namen Gottes in Schriftstücken, Unterhaltungen oder bei Lesungen der Schriften? Was tat Jesus beispielsweise, als er in der Synagoge in Nazareth aufstand und aus Jesaja 61:1 vorlas? Der hebräische Text, der mit den Worten beginnt: „Der Geist des Herrn Jahwe ruht auf mir ...“, enthielt das Tetragrammaton (Jerusalemer Bibel). Glaubst du, daß Jesus den Namen Gottes nicht gebrauchte, weil abergläubische Juden diesen Namen nicht aussprachen? Bedenke, daß er sagte: „Ich habe deinen Namen den Menschen kundgemacht, die du mir aus der Welt gegeben hast“ (Joh. 17:6).
In Lukas 4:18, 19 wird berichtet, was Jesus sagte, als er aus Jesaja 61:1 vorlas. Wenn du diese Verse in irgendeiner anderen gebräuchlichen deutschen Bibelübersetzung außer der Neuen-Welt-Übersetzung liest, wirst du Gottes persönlichen Namen vermissen. Statt dessen wirst du finden, daß Jesus gesagt haben soll: „Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir ...“
Kannst du dir vorstellen, daß Jesus diese Formulierung benutzte? Warum ist in den meisten Bibeln an dieser Stelle „des Herrn“ statt der persönliche Name Gottes zu lesen? Die Antwort darauf kann aufgrund jüngster Untersuchungen gegeben werden. Das Ganze ist so spannend wie ein Kriminalroman. Wir laden dich ein, einige der überraschenden Spuren, die man entdeckt hat, mit zu verfolgen.
[Bild auf Seite 5]
Brief auf alten Tonscherben mit dem Tetragrammaton