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Setze dir sinnvolle ZieleErwachet! 1974 | 8. Dezember
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oder Glückwünschen gewisse Ziele setzt, kannst du anderen viel Freude bereiten und auch selbst glücklicher werden (Apg. 20:35).
Viele Leute zahlen heutzutage für Kredite hohe Zinsen, nur weil sie versäumen, es sich zum Ziel zu setzen, nicht über ihre Verhältnisse zu leben. Wäre es nicht viel vernünftiger, wenn sie sich die Zeit nähmen, ihre finanziellen Möglichkeiten abzuwägen und zu entscheiden, wieviel Geld sie für Nahrung, Kleidung, Obdach, Vergnügen und dergleichen ausgeben können, und dann einen Haushaltsplan aufstellten und sich wirklich bemühten, sich daran zu halten? Es stände ihnen schließlich mehr Geld zur Verfügung, weil die Zinszahlungen wegfielen. Und wieviel Sorgen blieben ihnen doch erspart!
Für Gott hingegebene Christen wie auch für andere Personen kann es von Vorteil sein wenn sie sich persönliche Ziele setzen. Solche Ziele — wie zum Beispiel hinsichtlich des persönlichen Studiums, des Lesens der Bibel, des Besuchs der Versammlungszusammenkünfte und hinsichtlich der Zeit, die man damit verbringt, mit anderen über die gute Botschaft der Bibel zu sprechen — können ihnen helfen, guten Gebrauch von ihrer Zeit zu machen. Und Ziele in bezug auf das Hervorbringen der Frucht des Geistes Gottes — Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Glauben, Milde und Selbstbeherrschung — können zu ihrem geistigen Wachstum beitragen.
Aber eines solltest du nicht übersehen: Du hast erst halb gewonnen, wenn du dir ein Ziel gesetzt hast. Es ist sozusagen der erste Schritt. Nun mußt du es auch beharrlich verfolgen und darfst nicht aufgeben. Du mußt daran festhalten. Es erfordert Selbstbeherrschung, denn zuerst mögen sich Fehlschläge einstellen. Setze dein Bemühen dennoch fort, lerne es, nicht zu schnell deinen Neigungen oder dem Drängen anderer nachzugeben, die es zwar gut meinen, doch nicht immer vernünftig sein mögen. Wenn du dir ein Ziel gesetzt hast, so versuche, es zu erreichen, es sei denn, du stellst im Laufe der Zeit fest, daß du dir ein zu hohes oder ein unvernünftiges Ziel gesteckt hast. Der christliche Apostel Paulus gab einst in Verbindung mit Spenden für bedürftige Mitchristen den sehr guten Rat: „Jeder tue so, wie er es in seinem Herzen beschlossen hat.“ Wenn du dir daher ein vernünftiges und lohnendes Ziel gesetzt hast, so tue das, was du in deinem Herzen beschlossen hast, und gib nicht auf! (2. Kor. 9:7).
Laß dich nicht gehen. Handle entschlossen, setze dir vernünftige Ziele. Dadurch wird dein Leben bereichert, und es wird sinnvoller werden.
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Mit der Eintracht auf dem Konkordia-Seminar ist es vorbeiErwachet! 1974 | 8. Dezember
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Mit der Eintracht auf dem Konkordia-Seminar ist es vorbei
DIE Erschütterungen des Konkordia-Seminars in St. Louis (Missouri) dauern an. Seit mehreren Monaten leidet die größte lutherische theologische Hochschule in den USA unter den Folgeerscheinungen heftiger Unruhen. Für viele Amerikaner ist das eine Überraschung, obschon heute sozusagen alle größeren Religionsgemeinschaften in Nöten sind. Warum ist das denn so überraschend?
Weil das 135 Jahre alte Konkordia-Seminar (Konkordia bedeutet „Eintracht“) absolut unerschütterlich erschien. Bei diesem Seminar handelt es sich um die theologische Hochschule der Missouri-Synode, der zweitgrößten lutherischen Kirche in Nordamerika (drei Millionen Mitglieder). Die Missouri-Synode ist als eine der extremsten konservativen Kirchen der USA bekannt.
Was ist geschehen?
Die Zwietracht
Im Januar dieses Jahres wurde John H. Tietjen, Rektor des Seminars, von dem Aufsichtsrat der Hochschule seines Amtes enthoben. Als Gründe führte der Aufsichtsrat an: ungeziemendes Verhalten in der Ausübung der Amtspflichten, einschließlich der Widersetzlichkeit gegen den Synodenpräsidenten J. A. O. Preus und der Verbreitung falscher Lehren. Aus Protest gegen die Entlassung des Rektors beschloß der größte Teil der Lehrerschaft einen Unterrichtsboykott. Schon nach wenigen Tagen wurden 43 Professoren des Seminars entlassen — alle bis auf fünf —, weil sie sich geweigert hatten, wieder Unterricht zu halten.
Einen Monat nach der Entlassung John H. Tietjens entschieden sich 450 der rund 600 Studenten dafür, den entlassenen Professoren in ein „Exilseminar“, das später „Seminex“ genannt wurde, zu folgen. Die Studenten taten das von sich aus. Sie meinten, wenn sie das Konkordia-Seminar weiter besuchten, würden sie damit zum Ausdruck bringen, daß sie mit der Entlassung der Professoren einverstanden seien, während sie diesen Schritt bedauerten und ihn als „unchristlich“ und als „unmoralisch“ betrachteten.
Das neue Seminar hatte in der benachbarten, von Jesuiten geleiteten Theologischen Fakultät der St.-Louis-Universität Aufnahme gefunden, ferner in dem von der sehr liberalen Vereinigten Kirche Christi betriebenen theologischen Eden-Seminar. Zuwendungen hat dieses „Seminar“, das von Spenden abhängig ist, von der Organisation „Evangelical Lutherans in Mission“ (ELIM) erhalten. Mitte März, etwa einen Monat nachdem der Unterricht in den neuen Örtlichkeiten wiederaufgenommen worden war, berichtete die ELIM in ihrer Schrift Missouri in Perspective, daß sie Spenden und Zusagen für Zuwendungen in der Höhe von fast 800 000 Dollar erhalten hätte.
Nur wenige Studenten blieben im Konkordia-Seminar zurück. Während des Frühjahrsquartals nahmen etwa 90 Studenten am Unterricht teil, und die Fakultät bestand aus 19 ordentlichen und außerordentlichen Professoren. Und selbst von diesen hätten sich offenbar noch viele lieber der Splittergruppe angeschlossen, blieben aber auf Wunsch der Eltern oder aus finanziellen Gründen und wegen der Ungewißheit ihrer beruflichen Laufbahn. Eine Anzahl Studenten gab das Theologiestudium auf.
Diese Zwietracht war eine gewisse Überraschung. In den 1960er Jahren, als es bei den Studenten Mode war, sich gegen das Establishment aufzulehnen, war am Konkordia-Seminar alles ruhig. Unter den Studenten erzählt man sich sogar als Witz, daß das Seminar während jener Zeit „eine Brutstätte der Zufriedenheit“ war.
Doch jene Zeit der Zufriedenheit ist vorbei. Warum? Wie ist es zu dieser Zwietracht gekommen?
Hauptursache der Zwietracht
Die eigentliche Ursache des Problems sind unterschiedliche Lehrmeinungen. Beide Seiten, die Konservativen und die Gemäßigten, können ihre Auffassungen mit Beweisen stützen. Was für Meinungen vertreten sie?
Die Konservativen behaupten, daß „jedes Wort der Schrift“ als direkt von Gott inspiriert angesehen werden müsse. Sie glauben, wenn es in der Bibel heiße, daß Jona von einem großen Fisch verschlungen worden sei, sei das auch wirklich geschehen. Sie sagen, daß das, was in den ersten drei Kapiteln des ersten Buches Mose berichtet werde − über die Erschaffung der Welt, den Garten Eden und den Sündenfall —, buchstäblich zu verstehen sei.
Die Gemäßigten dagegen erklären, daß sie „die Bibel ohne Einschränkung als das inspirierte, geschriebene Wort Gottes“ akzeptieren. Aber bei ihren Bemühungen, die Bibel zu erklären, wenden sie die „historisch-kritische Methode“ an. Gemäß dieser Arbeitsweise soll das Evangelium oder die gute Botschaft, die Jesus verkündigte — so, wie die Gemäßigten sie verstehen —, als Norm dienen, nach der alle Teile der Schrift beurteilt werden müssen. Die Konservativen bezeichnen diese Methode gelegentlich als „Reduktion auf die Evangelien“.
Es ist interessant, daß die Gemäßigten versuchen, den Unterschied zwischen ihrer Auffassung und der Auffassung der Konservativen so gering wie möglich erscheinen zu lassen. Warum? Weil der konservative Standpunkt für viele Mitglieder der Missouri-Synode Tradition ist. Würden die Gemäßigten offen als Zweifler an der Bibel auftreten, würden sie sich wahrscheinlich einen großen Teil der Kirchenmitglieder entfremden.
Die Gemäßigten sind deshalb bei ihren Erklärungen der Bibel in vielen Fällen sehr behutsam und vorsichtig. Als Beispiel diene folgendes: Wie antwortet ein Anhänger der gemäßigten Richtung, wenn ein Konservativer ihn fragt: „Glauben Sie, daß Jona wirklich gelebt hat und daß er von einem großen Fisch tatsächlich verschlungen worden ist?“? Professor R. Caemmerer, der zu den Gemäßigten gehört, sagt: „Ich glaube, ich habe Jona nie für eine unhistorische Person gehalten, noch bin ich ich versucht gewesen, den Bericht darüber so zu mythologisieren, daß er zu sehr als Wunder erscheint. Schon als ich noch als Seelsorger tätig war, vertrat ich die Meinung, das Wunder habe hauptsächlich darin bestanden, daß Jona sich an die schönen Worte erinnern konnte, die er ,aus dem Bauche des Fisches‘ an Gott richtete (2:1ff.).“
Wenn ein Konservativer eine solche Antwort hört oder liest, fragt er sich: „Was glaubt nun der Professor eigentlich? Ist er der Meinung, daß Jona wirklich gelebt hat und daß ein großer Fisch ihn verschlungen hat, oder nicht?“ Für den Konservativen ist die Antwort einfach nicht klar genug.
„Und wie steht es mit dem Schöpfungsbericht?“ fragt der Konservative. „Ist er buchstäblich aufzufassen?“
Der Professor, der einen gemäßigten Standpunkt vertritt, entgegnet: „Wie Martin Luther, so bin auch ich in bezug auf die endgültige Erklärung von 1. Mose 1 bescheiden; und bisher habe ich noch niemand gefunden, der dachte, 1. Mose 3 sei mehr als eine Darstellung des ersten Konfliktes, den der Mensch mit Satan hatte — dabei wird Satan gar nicht erwähnt.“
Auch das erscheint dem Konservativen als äußerst unklar und als eine Antwort, die unauffällig vom Glauben an die Bibel wegführt. Die Gemäßigten mögen behaupten, was sie wollen, dennoch besteht ein großer Unterschied zwischen der Auffassung, die diese beiden Gruppen von der Bibel haben.
Die Kirchenpolitik — eine weitere Ursache der Zwietracht
Die Zwietracht beschränkt sich jedoch nicht auf unterschiedliche Lehrmeinungen. Ein weiterer Zankapfel ist die Kirchenleitung, die „Kirchenpolitik“. Diejenigen, die in der Kirche Macht besitzen, und die, die sie gern hätten, liegen miteinander in Fehde.
Der Synodenpräsident J. A. O. Preus vertritt offenbar eine ganz bestimmte Meinung darüber, wie die Missouri-Synode geleitet werden sollte. Dr. Sam Roth, einer seiner Kritiker, sagte, Preus habe „Argwohn und Mißtrauen gefördert“. Dr. John Damm, verantwortlich für das gemeinsame Programm für die theologische Ausbildung, behauptete, das Oberhaupt der Synode habe „jede Unze Macht in seinen Fingerspitzen dazu verwendet, jeden mundtot zu machen, der es gewagt hatte, sich seinen Ansichten zu widersetzen“.
Sie werfen Preus vor, er sei in den vier Jahren, in denen er Präsident der Synode sei, nur zweimal zu ihnen gekommen, um mit ihnen über irgendwelche Klagen, die sie hätten, zu sprechen. Und bei einer dieser Gelegenheiten habe er verlangt, daß irgendwelche Fragen schriftlich eingereicht würden, so daß gar kein Gespräch zustande gekommen sei. Die Konservativen dagegen sagen, man habe Tietjen und seine Anhänger mehrmals zu einem Gespräch eingeladen, doch sie seien der Einladung nicht gefolgt. Die Gemäßigten, so wird behauptet, wollten sich einfach der ordnungsgemäß eingesetzten Kirchenleitung nicht unterordnen.
Wird es im Konkordia-Seminar wieder zur Eintracht kommen?
Beide Gruppen sind sich nicht sicher, was die Zukunft bringen wird. Einige befürchten, die Gemäßigten würden sich trennen und mit der Zeit eine eigene Kirche bilden. Preus soll erklärt haben, für die Lösung dieses Problems sei wenigstens ein Jahrzehnt erforderlich.
Durch die Lehrmeinung der Gemäßigten werden zweifellos einige schwierige Fragen aufgeworfen. Ein 18jähriger Student am Konkordia-College in Milwaukee faßte diese Schwierigkeiten in folgenden Fragen zusammen: „Wenn die Leute sagen, das, was die Bibel über Jona und den Walfisch sowie über andere Begebenheiten berichte, seien Mythen, was fällt dann noch unter diesen Begriff? Halten sie auch die Auferstehung (Christi) für einen Mythos?“ Und man könnte hinzufügen: Sind die Schranken in bezug auf Lehrmeinungen einmal gefallen, was wird dann die gemäßigten Theologen daran hindern, zu erklären, die historische Kritik sollte auch auf den Sittenmaßstab der Bibel ausgedehnt werden?
Andererseits müssen sich auch die Konservativen, die den Standpunkt vertreten, „Hüter“ der Heiligen Schrift und der lutherischen Lehre zu sein, mit einigen unbequemen Fragen auseinandersetzen. Zum Beispiel: Woher kommen die Gemäßigten, die sie so heftig verurteilen? Kommen sie von außerhalb der Kirche? Nein, es ist eine Saat, die dem Boden der Kirche entsprossen ist. Handelt es sich außerdem bei dieser Bewegung der Gemäßigten nur um eine Minderheit des Seminars, eine Art Randgruppe, wie es sie in fast allen Organisationen gibt? Auch diese Frage muß verneint werden. 80 Prozent der Professoren und Studenten haben das Konkordia-Seminar verlassen. Man kann also kaum von einer Randgruppe sprechen!
Außerdem kann nicht gesagt werden, nur junge Kräfte seien weggegangen und hätten das „Seminex“ gebildet, junge Kräfte, die eben das Seminar hinter sich gebracht hätten. Die Konservativen weisen gern darauf hin, daß die historisch-kritische Forschung erst in verhältnismäßig neuer Zeit eine solch destruktive Wirkung habe. P. G. Kiehl, Pfarrer der Missouri-Synode in Bellfontaine (Missouri), sagte, daß in den vergangenen 15 oder 20 Jahren Konkordia-Theologen auf anderen Seminaren oder auf anderen theologischen Hochschulen studiert hätten. Die dort angewandten Methoden hätten sie tief beeindruckt, und später hätten sie sie dann offensichtlich eingeflochten, wenn sie im Seminar Unterricht erteilten. Das hat zweifellos zur Zwietracht im Konkordia-Seminar beigetragen. Aber nicht alles Gedankengut, das die Konservativen als unrichtig betrachten, ist von außen eingedrungen, noch ist es neu. Ein Beispiel ist Professor Caemmerer, dessen gemäßigte Anschauungen bereits erwähnt wurden. Er ist seit 46 Jahren Mitglied dieser Kirche und gehört seit 34 Jahren zur Fakultät des Seminars.
Das alles zeigt, daß nicht nur ein Bruchteil, sondern die ganze Kirche von den Gedanken beeinflußt ist, die die Konservativen als Gedankengut der Gemäßigten betrachten. Wie ernst das Problem ist, zeigt die Tatsache, daß die Konservativen zugeben, die Professoren, die weggegangen seien, nicht ersetzen zu können. Einer meinte sogar, daß ein „ganzes Menschenalter“ erforderlich sei, um Professoren zu finden, die den entlassenen Professoren ebenbürtig seien. Läßt das nicht erkennen, daß diese ganze lutherische Kirche in Wirklichkeit mit diesen liberalen Ansichten durchsetzt ist und daß die an der Bibel festhaltenden Konservativen nicht die überwiegende Mehrheit bilden?
Das sollte eigentlich Konservative, die mit der lutherischen Theologie vertraut sind, nicht überraschen. Warum sagen wir das? Weil Martin Luther selbst bei seinem Studium der Bibel eine Art „historische Kritik“ angewandt hat. In der Zeitschrift Christian Century werden die Konservativen an folgendes erinnert:
„Luther hat diese Methode nicht nur erfunden, sondern er hat sie auch angewandt. Man beachte, wie er die Theologie des Jakobusbriefes kritisiert hat, wie argwöhnisch er gegenüber dem Hebräerbrief gewesen ist und wie er vor der Anwendung der Offenbarung gewarnt hat. Wenn [nach Luthers Meinung] zwischen einer Bibelstelle und der Botschaft des Evangeliums ein Widerspruch bestand, erklärte Luther jene Stelle für ungültig. In dieser Beziehung war er alles andere als ein Buchstabengläubiger.“
Wenn Martin Luther, der Mann, dessen Namen die Missouri-Synode trägt, selbst gewissermaßen die als „Reduktion auf die Evangelien“ bekannte Methode anwandte, ist dann nicht zu erwarten, daß diese Grundidee Schößlinge treibt und sich die Zweige schließlich um die ganze Kirche ranken? Ganz gewiß. Das stimmt mit dem überein, was Jesus in der Bergpredigt sagte: „Ein guter Baum kann nicht wertlose Frucht tragen, noch kann ein fauler Baum vortreffliche Frucht hervorbringen“ (Matth. 7:18). Weit mehr Mitglieder der lutherischen Kirche, als es die Konservativen wahrhaben möchten, denken so wie die Gemäßigten.
Diese Tatsache erschreckt einige Konservative. Angenommen, die Gemäßigten würden die Leitung der Kirche übernehmen, was dann?
Was würden die Konservativen tun, wenn das geschähe? Viele Mitglieder der Missouri-Synode wiegen sich natürlich gern in dem Gedanken, daß das niemals geschehen könnte. Es mag nicht dazu kommen. Aber Lutheraner, die die Vorgänge aufmerksam verfolgen, wissen, daß die Möglichkeit besteht.
Sie wissen, daß auf der Konferenz der Missouri-Synode eine verhältnismäßig kleine Zahl Kreisvertreter über Fragen, die die Satzung und das Kirchenregiment betreffen, abstimmen. Der Ausgang einer solchen Abstimmung wirkt sich auf die Tausende von Mitgliedern der Missouri-Synode, der zweitgrößten lutherischen Kirche in Nordamerika, aus. Ihre Entscheidung kann jedoch von Faktoren beeinflußt werden, die nichts mit der Bibel oder den Lehrmeinungen zu tun haben. Was für Faktoren könnten das u. a. sein?
Man darf nicht vergessen, daß die Geistlichen zufolge ihrer Stellung in der Kirche großen Einfluß auf die Wahl der stimmberechtigten Kreisvertreter ausüben. Was beeinflußt den Standpunkt, den diese Leute in bezug auf wichtige kirchliche Fragen einnehmen? Pfarrer Tom Baker erklärte: „Im Gebiet von St. Louis sympathisieren 70 bis 80 oder gar 90 der 125 lutherischen Geistlichen mit dem ,Seminex‘, aber nicht unbedingt deshalb, weil sie seine Lehrmeinungen teilen würden, sondern weil die Hälfte der Professoren des ,Seminex‘ mit ihnen verwandt sind.“
Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die Gemäßigten mit der Zeit die Leitung der Missouri-Synode übernehmen. Baker sagte: „Dazu brauchten bloß einige wenige Kreise von ihnen geleitet oder überstimmt zu werden.“ Was würden die Konservativen tun, wenn das geschähe? Stünden sie dann nicht vor einer schwierigen Entscheidung?
Baker erklärte, sie hätten dann nur eine von zwei Möglichkeiten: „Würde das Gewissen des Lutheraners ihm gebieten, seiner Kirche treu zu bleiben, dann müßte er natürlich mit dem Beschluß der Synode einverstanden sein.“ Haben aber nicht die Konservativen den Gemäßigten vorgeworfen, „Zweifler an der Bibel“ zu sein? Könnten sich die Konservativen mit gutem Gewissen mit den Gemäßigten einverstanden erklären? Und wie steht es mit der anderen Möglichkeit?
Sie könnten das tun, was sie gegenwärtig den Gemäßigten vorwerfen. Ja, sie könnten gegen die „Kirchenleitung“ rebellieren, sie könnten sich von den anderen trennen und eine neue Kirche gründen, die dann aus der Minderheit der Missouri-Synode bestünde. Mitglieder der Missouri-Synode, die aufrichtig die Bibel lesen, wissen um die Zerfahrenheit der lutherischen Theologie. Ferner verfolgen sie die Kirchenpolitik und haben bemerkt, daß es zufolge der ausgeprägten Persönlichkeit leitender Personen zu Auseinandersetzungen gekommen ist. Aber die Mitglieder der Missouri-Synode sollten, offen gesagt, auch erkennen, warum das alles geschieht, sie sollten sozusagen bis zur Wurzel vorstoßen. Sie sollten sehen, daß die Situation in Verbindung mit dem Konkordia-Seminar beweist, daß sich ihre ganze Kirche großen Problemen gegenübersieht.
Mitglieder der Missouri-Synode, die ihren Glauben ernst nehmen, wissen, daß Gott irgendwo eine Organisation hat, deren Glieder glauben, daß alles, was in der Bibel steht, wahr ist. Aus der Bibel können sie erkennen, daß das ganz gewiß so sein muß (Eph. 4:11-16). Deshalb fragen sich viele Lutheraner: „Ist diese von Gott gutgeheißene Organisation anderswo zu finden?“
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