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Was ältere Menschen leistenDer Wachtturm 1982 | 1. November
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Was ältere Menschen leisten
DER Sportler faßte sein Ziel fest ins Auge und begann zu laufen. Nach einem Sprint von 17 Metern bohrte er seinen Glasfaserstab in den Boden und schwang sich geschmeidig über die 2,82 Meter hohe Querlatte. Das Ereignis? Ein Schülerwettkampf? Nein. Der Sportler war 70 Jahre alt, und es handelte sich um einen Wettkampf für 600 ältere Sportler, wie das Wall Street Journal berichtete. Bei dem gleichen Anlaß lief ein Siebenundsiebzigjähriger die 100 Meter in 15,7 Sekunden, und ein Siebzigjähriger warf einen besonderen Diskus 27 Meter weit.
Überrascht es dich, von Siebzigjährigen zu hören, die sich immer noch an Sportwettkämpfen beteiligen? Natürlich können sie nicht mehr das leisten, was sie in ihren Zwanzigern geleistet haben. Aber die Tatsache, daß einige immer noch am Diskuswerfen, am 100-Meter-Lauf oder am Stabhochsprung teilnehmen, weist auf etwas Wichtiges hin. Sie zeigt, daß ältere Menschen nicht als nutzlos „abgeschrieben“ werden sollten, nur weil sie schon eine gewisse Anzahl von Jahren gelebt haben. Wenn nicht eine Krankheit dazwischenkommt, sind ältere Leute physisch viel leistungsfähiger, als man normalerweise annimmt.
Trifft das auch auf ihre geistige Leistungsfähigkeit zu? Das heißt, können alte Menschen Neues lernen und ein neues Leben beginnen? Manchmal spielen ältere Menschen selbst ihre Fähigkeit auf diesem Gebiet herunter. Oft schrecken sie vor der Herausforderung, etwas Neues zu beginnen, zurück und sagen: „Zum Lernen bin ich schon zu alt.“ Oder: „Einem alten Hund bringt man keine neuen Tricks bei.“ Aber ist das unbedingt so? Mit welchem Alter vergeht die Lernfähigkeit?
Wachsen und lernen
Es ist interessant, darüber nachzudenken, daß derjenige, der heute protestiert: „Zum Lernen bin ich schon zu alt“, einmal ein Kind mit strahlenden Augen und voller Wißbegier war. Im Wortschatz der meisten kleinen Jungen und Mädchen kommen am häufigsten Wörter vor wie „Warum?“ „Wo?“ „Wann?“ „Wie?“ „Wer?“ An ihrer Wißbegier gibt es keinen Zweifel.
Manchmal wünschen Eltern, ihre Kinder wären nicht so wißbegierig und würden sie einmal eine Zeitlang mit ihren Fragen verschonen. Die Bibel zeigt jedoch, daß es wichtig ist, was ein Kind in diesem Stadium lernt, denn wir lesen darin: „Erziehe einen Knaben gemäß dem Wege für ihn; auch wenn er alt wird, wird er nicht davon abweichen“ (Sprüche 22:6).
Bald geht das Kind zur Schule, und für mehrere Jahre besteht seine Hauptaufgabe darin, täglich neues Wissen auf verschiedenen Gebieten zu erwerben. Seine natürliche Wißbegierde wird teilweise von seinen Lehrern gestillt. Es lernt neue Ideen kennen, erwirbt neue Fähigkeiten, und allmählich eröffnet sich ihm die Welt.
Allzubald sind die Schuljahre vorüber, und ein junger Erwachsener tritt ins Leben. Jetzt muß er lernen, wie man mit Erwachsenen umgeht, und Fähigkeiten erwerben, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In den meisten Fällen ergreift er einen festen Beruf, und hier beginnt sich der Lernprozeß zu verlangsamen. Die meisten jungen Erwachsenen heiraten, gründen eine Familie, haben Belastungen und Verpflichtungen, und allmählich hören sie auf, ihr Leben durch weiteres Lernen zu bereichern.
Wenn dann die Kinder herangewachsen sind, stellen die Eltern fest, daß sie jetzt mehr Zeit für sich haben. Aber in vielen Fällen ist die Gewohnheit, nicht mehr zu lernen, fest eingewurzelt. Sie sind nicht mehr so sehr wie in ihrer Jugend darauf bedacht, Neues zu erforschen oder Fragen zu stellen. In Japan reden viele davon, daß sie in einer anderen Ära geboren sind. Ein Mann mag sagen: „Ich bin in der Meidschi-Ära geboren.“ Das war die politische Ära, die 1912 endete. Da er nun mindestens 70 Jahre alt ist, denkt er, er brauche nichts mehr zu lernen und er könne auch in der heutigen, unverständlichen Ära keine neuen Gedanken mehr erfassen.
Muß das aber der Fall sein? Es stimmt zwar, daß mit den Jahren im Körper eines Menschen Veränderungen eintreten. Seine Gelenke mögen steifer sein, seine Muskeln nicht mehr so geschmeidig, sein Augenlicht mag etwas schwächer und sein Gehör nicht mehr so fein sein. Doch wenn er nicht krank wird, bewirkt dies lediglich eine Verlangsamung, aber nicht das Aufhören aller Aktivitäten. Die Tatsache, daß eine Gruppe von Siebzigjährigen eine Sportveranstaltung durchführen konnte, beweist das. Trifft das auch auf geistige Aktivitäten zu? Oder ist es wahr, daß man zum Lernen zu alt sein kann?
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Zum Lernen zu alt? — „Nie!“Der Wachtturm 1982 | 1. November
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Zum Lernen zu alt? — „Nie!“
IST es möglich, daß man zum Lernen zu alt ist? Betrachte einmal, was einige hochbetagte Menschen geleistet haben. Mit 92 Jahren schrieb der Komponist Irving Berlin immer noch Musikstücke, und der Pianist Arthur Rubinstein gab noch mit 94 Jahren Konzerte. Der Schriftsteller Oliver Wendell Holmes fing mit 92 an, Griechisch zu studieren. Mit 80 Jahren begann Moses eine neue Laufbahn als Volksführer und Redner (2. Mose 7:7). Und der Apostel Johannes muß in den Neunzigern gewesen sein, als er im Auftrag Gottes sein bekanntes Evangelium und die Offenbarung schrieb.
Nein, die geistigen Fähigkeiten werden durch das Alter nicht notwendigerweise beeinträchtigt. Es gibt einige Krankheiten, die bei älteren Menschen den Denkprozeß verlangsamen können. Eine davon ist die Alzheimer-Krankheit, die einen physischen Verfall des Gehirns bewirkt. Einige andere Krankheiten sind mit ähnlichen Symptomen verbunden. Aber die große Mehrheit der älteren Menschen leidet nicht an solchen Krankheiten. Für sie gilt das, was ein Forscher sagte: „Kreativität ist nicht ans Alter gebunden.“
Bei Tests an der Universität von Cambridge in England haben einige betagte Personen genauso gute Leistungen gebracht wie junge Studenten. Dr. Weinberg, Psychiater und anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Alternsforschung, berichtete, daß der menschliche Geist, wenn nicht eine Krankheit dazwischenkommt, bis ins hohe Alter seine Leistungs- und Lernfähigkeit behält — besonders wenn ältere Menschen physisch aktiv bleiben und sich unter Leute mischen, die sich um sie kümmern. „Ältere Menschen haben eine glänzende Zukunft“, sagte der siebzigjährige Dr. Weinberg, „solange sie sich ihre Wißbegier und ihren Wunsch, zu lernen und zu wachsen, bewahren.“
Auf einige trifft das ganz bestimmt zu. Tatsächlich hat sich Dr. Weinbergs Erklärung zweifellos auf bemerkenswertere Weise bewahrheitet, als er je geahnt hat.
Ein neues Leben beginnen
Betrachten wir zum Beispiel den Fall von Alice Okon aus Nigeria. Ihr Sohn war praktizierender Christ, und er ermunterte seine Mutter, die Bibel zu lesen und die Hoffnung kennenzulernen, die sie bietet. Schließlich erklärte sie sich bereit, die Bibel zu studieren, erlangte einen festen Glauben und ließ sich im Alter von 80 Jahren im Wasser taufen, um ihren Entschluß zu bekunden, den Rest ihres Lebens dem Dienst für Gott zu widmen.
Sie ist fest von der biblischen Aussage überzeugt: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einziggezeugten Sohn gab, damit jeder, der Glauben an ihn ausübt, nicht vernichtet werde, sondern ewiges Leben habe“ (Johannes 3:16). Und da sie jetzt diesen Glauben ausübt, blickt sie zuversichtlich dem von Gott verheißenen ewigen Leben entgegen. Mit 80 Jahren war sie gewißlich zum Lernen nicht zu alt.
Entscheidungen treffen
Alte Menschen können schwierige Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen leben, die sich daraus ergeben. Der 79jährige Paul Iryang Atua, der ebenfalls in Nigeria lebt, hatte eine schwierige Entscheidung zu treffen. Sein ganzes Leben lang hatte er nach einer Religionsgemeinschaft gesucht, die die biblische Wahrheit lehrt. Schließlich sprachen christliche Zeugen Jehovas bei ihm vor, und er erkannte, daß er das gefunden hatte, wonach er gesucht hatte. Doch andere waren mit seiner Entscheidung nicht einverstanden.
Paul wurde von einem Geistlichen der Religionsgemeinschaft besucht, der er vorher angehört hatte. Als dieser in Pauls Wohnung eine Bibel auf dem Tisch liegen sah, nahm er sie an sich, bezeichnete sie als ein Buch voller Irrlehren und zerriß sie. Nun mußte Paul den wütenden Mann beruhigen und gleichzeitig versuchen, einige der biblischen Wahrheiten zu verteidigen, die er kennengelernt hatte.
Der Geistliche gab sich damit aber nicht zufrieden. Er ging zornig weg und versuchte, andere aufzuhetzen, Paul zu schikanieren. Außerdem wollten die anderen Dorfbewohner Paul zum Dorfhäuptling ernennen, um ihn von seinem neugefundenen Glauben abzulenken. Doch er erkannte ihre Beweggründe und lehnte das Angebot ab.
Nun mußte Paul einen noch schwierigeren Schritt tun. Die Bibel sagt, daß ein Christ, der Gott wohlgefallen möchte, „Mann e i n e r Ehefrau“ sein muß (1. Timotheus 3:2). Paul mußte daher seine Verhältnisse in Übereinstimmung mit christlichen Grundsätzen regeln und Monogamist werden. Das tat er. Seine Ehe wurde legalisiert, und schließlich konnte er sich taufen lassen.
Bedenke, daß Paul 79 Jahre alt war, als er diese bedeutenden Änderungen in seinem Leben vornahm. Er sagt: „Obwohl ich diese Änderungen in meinem hohen Alter vorgenommen habe, bin ich Jehova dankbar, daß er mir die Gelegenheit geboten hat, meine letzten Tage seinem Dienst zu widmen.“ Auch Paul hat jetzt viel bessere Zukunftsaussichten als früher. Zum Lernen zu alt? Der 79jährige Paul Iryang Atua war es gewiß nicht!
Trotz Krankheit
Ältere Menschen haben manchmal gesundheitliche Probleme, aber das hindert sie nicht unbedingt daran, wißbegierig zu sein und Neues lernen zu wollen. Das stellte eine Vollzeitpredigerin namens Mitschiyo Fudschimi fest. Mitschiyo besuchte Leute im Norden der japanischen Insel Honschu, und eines Tages lernte sie einen älteren Herrn kennen, Iwadschi Kato.
Herr Kato fesselte Mitschiyos Aufmerksamkeit, als er sagte: „Der Gott des Christentums will, daß die Menschen leben, nicht sterben, nicht wahr?“ Das war eine faszinierende Feststellung. Eine Unterhaltung war jedoch sehr schwierig, weil der alte Herr fast völlig taub war. Er las aber gern, und so ließ ihm Mitschiyo biblische Zeitschriften zurück. Sie versuchte, ihm zu helfen, die Bibel zu studieren, aber er schien die Verfahrensweise nicht zu verstehen. So brachte sie ihm drei Jahre lang regelmäßig biblische Zeitschriften zum Lesen. Sie lernte, seine Fragen mit Hilfe von Papier und Bleistift zu beantworten.
Vor ein paar Monaten gab Herr Kato — inzwischen 90 Jahre alt geworden — zu verstehen, daß er einiges besprechen wolle. Er hatte durch das Lesen eine tiefe biblische Erkenntnis erlangt. Ein Zeitschriftenartikel enthielt nun die Anregung, sich mit Jehovas Zeugen in Verbindung zu setzen, da sie ihm helfen könnten, Gottes Willen zu tun. Er fragte: „Wie kann ich mit Jehovas Zeugen in Verbindung kommen?“
Mitschiyo zeigte mit ihrem Zeigefinger auf ihre Nase — eine japanische Geste, die soviel bedeutet wie „Das bin ich“. Ja, sie war eine Zeugin Jehovas. Der alte Herr war begeistert und wollte wissen, wo sich der Königreichssaal befand. Er hatte durch das Lesen auch davon erfahren. Jetzt studiert er trotz seiner Taubheit die Bibel und benutzt dabei zur Verständigung Papier und Bleistift. Er erlangt ein klares Verständnis der biblischen Wahrheiten und pflegt mit anderen Christen Gemeinschaft. Ist Herr Kato mit seinen 90 Jahren zu alt zum Lernen? Bestimmt nicht!
Auch Frau Takahaschi ist dazu nicht zu alt. Im Vergleich zu Herrn Kato mag sie noch jung erscheinen — sie ist „erst“ 73 Jahre alt! Aber sie hat ein Problem. Sie ist vor 43 Jahren erblindet und hatte nie Gelegenheit, die Blindenschrift zu lernen. Doch als sie mit Jehovas Zeugen in Verbindung kam, gab sie zu verstehen, daß sie die Bibel kennenlernen wolle, und so studierten zwei Predigerinnen mit ihr. Wegen ihrer Blindheit mußte sie das, was sie studierte, auswendig lernen; und so begann Frau Takahaschi mit 73 Jahren tatsächlich, Teile der Bibel auswendig zu lernen.
Jetzt wohnt sie trotz ihrer Behinderung und ihres Alters regelmäßig religiösen Zusammenkünften bei. Und obwohl ihr beim Reisen immer übel wird, ist sie 600 Kilometer weit gefahren, um an einem religiösen Kongreß teilzunehmen. Letztes Jahr ließ sie sich taufen. Zum Lernen zu alt? Frau Takahaschi war nicht dieser Meinung!
Warum sie „Nein!“ sagen
Es ist tatsächlich so, wie Dr. Weinberg sagte: „Ältere Menschen haben eine glänzende Zukunft, solange sie sich ihre Wißbegier und ihren Wunsch, zu lernen und zu wachsen, bewahren.“ Für diejenigen, die in ihrem hohen Alter den Wunsch entwickeln, Gott und seine Vorsätze kennenzulernen und im Glauben zu wachsen, ist die Zukunft wirklich glänzend.
Sie erkennen, daß ihr bisheriges Leben — ob sie nun 70, 80, 90 oder mehr Jahre alt sind — eine Gabe Gottes gewesen ist. Sie erkennen auch, daß es für sie immer noch etwas zu lernen gibt, obwohl sie bereits alt und erfahren sind. Nach Gottes Zeitrechnung sind sie in Wirklichkeit gar nicht so alt. Die Bibel sagt: „E i n Tag [ist] bei Jehova wie tausend Jahre ... und tausend Jahre wie e i n Tag“ (2. Petrus 3:8). Nach dieser Rechnung hat ein Achtzigjähriger erst zwei Stunden gelebt! Somit kann selbst ein alter Mensch von der Weisheit Gottes lernen, der „von unabsehbarer Zeit bis auf unabsehbare Zeit“ lebt (Psalm 90:2).
Darüber hinaus bietet Gott allen, jung und alt, die Aussicht, genauso lange zu leben wie er. Jesus Christus sagte: „Dies bedeutet ewiges Leben, daß sie fortgesetzt Erkenntnis in sich aufnehmen über dich, den allein wahren Gott, und über den, den du ausgesandt hast, Jesus Christus“ (Johannes 17:3). Könnte jemand zu alt sein, um dieses Angebot Gottes anzunehmen? Überall auf der Erde antworten betagte Männer und Frauen auf diese Frage: „Nie!“
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