Wissen die Vereinten Nationen die Lösung?
Können sie die Risse reparieren?
TERRORISMUS
NATIONALISMUS
SELBSTSUCHT
HASS
KRIEG
VERBRECHEN
DROGEN
DRUCKFEHLER sind eine Geißel des Druckerhandwerks. In einen Artikel über die Vereinten Nationen, der vor etlichen Jahren in einer englischsprachigen Zeitung veröffentlicht wurde, schlich sich ein solcher Druckfehler ein, so daß es nicht hieß „Vereinte Nationen“ (United Nations), sondern „Aufgelöste Nationen“ (Untied Nations).
Wollte man ironisch sein, könnte man natürlich behaupten, es sei gar kein Druckfehler gewesen. Jetzt, mehr als 30 Jahre nach ihrer Gründung, bestehen die Vereinten Nationen immer noch, aber es gab Zeiten, in denen sie ihrer „Auflösung“ nahe waren — Zeiten, in denen jedes Mitglied eigene Wege ging und nur auf die eigenen Interessen bedacht war, anstatt sich mit den anderen eins zu fühlen und an die gegenseitigen Interessen und Ziele zu denken.
Edle Ziele
Die Vereinten Nationen verfolgen edle Ziele. So heißt es in der UN-Charta, daß eines ihrer Ziele darin besteht, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“.
Artikel 55 der Charta lautet: „Um jenen Zustand der Stabilität und Wohlfahrt herbeizuführen, der erforderlich ist, damit zwischen den Nationen friedliche und freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen herrschen, fördern die Vereinten Nationen a) die Verbesserung des Lebensstandards, die Vollbeschäftigung und die Voraussetzung für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und Aufstieg; b) die Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art sowie die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und der Erziehung; c) die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion.“
Edle Ziele — doch bis zu welchem Grad sind sie erreicht worden? Bis zu welchem Grad können sie erreicht werden? Im Jahre 1965 wurde in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf gewisse Tatsachen hingewiesen, die heute noch, 14 Jahre später, unverändert sind: „Die Bilanz aus 20 Jahren UN-Geschichte und einer langen Liste von Schlichtungs- und Vermittlungsaktionen hat gezeigt, daß die Vereinten Nationen stets da erfolgreich sind, wo die beiden ,Supermächte‘ nicht direkt engagiert sind.“
In dem Artikel wird auch auf die vorzügliche Arbeit hingewiesen, die die Organe der Vereinten Nationen auf anderen Gebieten leisten, zum Beispiel die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), das Weltkinderhilfswerk (UNICEF) und viele andere.
Ein Kernproblem
Die Vereinten Nationen werden indessen meist nicht nach diesen guten Leistungen beurteilt, sondern sie müssen, wie es in dem erwähnten Zeitungsartikel heißt, „es sich gefallen lassen, mit der politischen Elle gemessen zu werden“.
Es ist jedoch schwierig, eine „politische Elle“ anzulegen. Die UN sind keine herkömmliche politische Regierung. Sie sind etwas anderes. Sie sind keine Weltregierung, noch sind sie geschaffen worden, es zu sein; allerdings gibt UN-Generalsekretär Kurt Waldheim folgendes zu: „Anfänglich bestand die weitverbreitete Furcht, daß die Vereinten Nationen auf die Unabhängigkeit und die Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten übergreifen würden.“
Aber wie wäre ihnen das möglich? Die Vereinten Nationen besitzen keine legislativen Befugnisse, geschweige denn die Macht, die Regierungen der Mitgliedsstaaten zu zwingen, Gesetze anzuwenden. Was sie beschließen, ist für die Mitgliedsstaaten nicht bindend. Die Mitgliedsstaaten besitzen alle souveräne Gleichberechtigung. Gerade die Tatsache, daß die UN keine Autorität besitzen, die von allen Mitgliedsstaaten respektiert und akzeptiert wird, ist offensichtlich einer der bedeutendsten Mängel, die die Weltorganisation von Anfang an aufwies.
Außer in Fällen, bei denen es um den Weltfrieden und um die internationale Sicherheit geht, dürfen sich die Vereinten Nationen nicht in die inneren Angelegenheiten der einzelnen Staaten einmischen. Was internationale und was reine innere Angelegenheiten sind, ist allerdings eine Frage der Interpretation.
Der amerikanische Präsident Jimmy Carter hat sich energisch für die Menschenrechte eingesetzt und dagegen protestiert, daß einige Staaten sie mißachten und dadurch die Charta der Vereinten Nationen verletzen. Andere Länder werfen den Vereinigten Staaten vor, sie würden sich durch ihre Kritik in ungebührender Weise in ihre inneren Angelegenheiten einmischen. In Wirklichkeit läuft alles darauf hinaus, daß jeder Staat nur annimmt, was er annehmen möchte, und ablehnt, was er als Übergriff auf seine Rechte als souveräner Staat ansieht. Es ist das gleiche Problem wie im Falle der „Vereinigten Staaten von Europa“, nur in einem größeren Maßstab.
Nationalismus
Das wird auch durch folgende Erklärungen über den Internationalen Gerichtshof bestätigt, die einer von den Vereinten Nationen herausgegebenen Schrift entnommen sind: „Das Statut des Internationalen Gerichtshofs ist der Satzung der Vereinten Nationen als Bestandteil beigefügt worden. Damit sind notwendigerweise alle Mitglieder der Organisation ohne speziellen Beitrittsakt an dem Statut beteiligt. Die mit der Parteifähigkeit ausgestatteten Staaten können jederzeit die Erklärung abgeben, daß sie die Zuständigkeit des Gerichtshofs für alle Rechtsstreitigkeiten als obligatorisch anerkennen. Von dieser generellen Unterwerfung hat bisher nur ein Teil der Mitgliedsstaaten Gebrauch gemacht“ (Kursivschrift von uns). Dieses Gericht verfügt also über keine wirkliche Autorität, es ist nur ein „Papiertiger“!
Kurt Waldheim sagte in seinem Rückblick auf die 30jährige Tätigkeit der UN, daß ein funktionsfähiges internationales System unweigerlich Beschränkungen der eigenstaatlichen Souveränität mit sich bringt. Er wies darauf hin, daß auf gewissen Gebieten solche Beschränkungen erreicht wurden, daß sich aber in den vergangenen 30 Jahren der Nationalismus in der ganzen Welt wieder stärker geltend gemacht hat.
Diese Tatsache erschwert die Bemühungen um Welteinheit. Waldheim ließ erkennen, welchen Problemen die UN gegenüberstehen, als er erklärte: „Unsere Organisation bei ihrer Aufgabe, den Frieden zu wahren, zu unterstützen, indem den Beschlüssen ihrer Hauptorgane allgemein Respekt verschafft wird, ist wahrscheinlich das Schwierigste von allem.“
Es wird allgemein zugegeben, daß das nicht einfach ist. Folgende bedeutsame Ausführungen über die UN finden sich in dem Buch The United Nations in the Balance—Accomplishments and Prospects von N. J. Padelford und L. M. Goodrich: „Sie ist aufgefordert worden, für Frieden zu sorgen, obschon die Menschen keinen Frieden im Herzen haben ... Die Organisation kann die Menschheit nicht vor einem Krieg mit Kernwaffen bewahren, wenn die Völker entschlossen sind, einen solchen Krieg zu führen. Sie kann die Großmächte nicht zwingen, ihre Vorschläge auszuführen oder ihren Empfehlungen entsprechend zu handeln. ... Sie gibt den Vertretern der Mitgliedsstaaten die Möglichkeit zu verhandeln — wenn sie das wollen. Sie bietet die Möglichkeit, Mittel einzusetzen wie Verhandlung, Untersuchung und Vermittlung, um Streitigkeiten beizulegen und den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren. Aber die Staaten müssen bereit sein, diese Mittel anzunehmen und anzuwenden, sonst sind die Bemühungen von vornherein zum Scheitern verurteilt“ (Kursivschrift von uns).
Das also ist der springende Punkt. Eine Einheit ist nur dann zu erzielen, wenn alle Beteiligten bereit sind, im gegenseitigen Interesse zusammenzuarbeiten. Diese Bereitwilligkeit darf nicht nur eine Sache des Verstandes sein, sondern muß aus dem Herzen kommen. Kurz: Der Schlüssel zur Welteinheit ist Liebe.
Nationalismus, das größte Hindernis auf dem Weg zur Welteinheit, ist kein Ausdruck von Liebe. Er verrät vielmehr, daß ein Staat, anstatt das Wohl aller Staaten im Auge zu haben, nur an sich und seine eigenen Interessen denkt.
Von wahrer Liebe kann man nicht sprechen, wenn den Menschen lediglich die Interessen des eigenen Volkes am Herzen liegen, sondern erst, wenn Interessen und Zuneigung den Völkern der ganzen Welt gelten. Wahre Liebe erfordert, daß man international denkt.
Doch Liebe kann nicht durch Gesetz erzwungen werden. Wie wird denn eine solche Liebe entwickelt? Gibt es irgendwelche Beweise, die zeigen, daß entweder die Staaten, die mit dem Gedanken der „Vereinigten Staaten von Europa“ spielen, oder die 150 Mitgliedsstaaten der UN diesen Schlüssel anerkennen und auch gebrauchen, um das Tor zur Welteinheit aufzuschließen?